Samstag, 30. Dezember 2023

RÜDIGER GREIF/FRANZ KUROWSKI

* 17.11.1923
* 28.05.2011

Franz Kurowski war ein deutscher Autor. Seine Werke sind sehr vielseitig, aber auch umstritten wegen seiner politisch rechten Ausrichtung.
Die ersten Veröffentlichungen stammen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Ab 1958 war er freier Schriftsteller.
Kurowski schrieb ca. 400 Bücher für Erwachsene und Jugendliche. In der Jugendliteratur ist v. a. seine Reihe "Die Funk-Füchse" unter dem Pseudonym Rüdiger Greif bekannt. Diese Reihe entstand Anfang der 80er-Jahre, erschien auch als Hörspielserie und brachte manch einen Jugendlichen zum CB-Funk. Sie galt damals als Konkurrenz zur Serie TKKG, kam aber nicht an deren Auflage heran.
Kurowskis Werke über den Zweiten Weltkrieg sind dagegen schon umstrittener. Ihnen werden geschichtsrevisionistische Tendenzen vorgeworfen. Sie erschienen in einschlägigen rechten/rechtsextremen Verlagen wie Druffel, Türmer, Arndt und Siegfried Bublies. Kurowski schrieb auch für die berühmte Reihe "Der Landser".


GIROLAMO SAVONAROLA

Girolamo Savonarola
Girolamo Savonarola (Bildnis von Fra Bartolommeo; um 1498)



* 21.09.1452 in Ferrara
+ 23.05.1498 in Florenz

Girolamo (Hieronymus) Savonarola war ein italienischer Dominikaner, Bußprediger und Kirchenreformator.
Savonarole übte eine Fundamentalkritik an der Kirche und der De-Facto-Herrschaft der Medici in der Republik Florenz. Dabei radikalisierte er sich zusehens.
Beim vorübergehenden Sturz der Medici 1494 (bis 1498) war er der geistige/geistliche Führer der Partei der Frateschi. Er wollte größere Teile der Bevölkerung an der Macht beteiligen und begründete sein Vorgehen auch religiös.'
Dabei stieß er auf Widerstand.


Girolamo Maria Francesco Matteo Savonarola (latinisiert Hieronymus Savonarola) wurde als drittes von sieben Kindern des später verarmten Geschäftsmannes und Bankiers Niccolò Savonarola und dessen Ehefrau Elena Bonacolsi (Bonacossi?) aus Mantua geboren.
Das elterliche Haus in Ferrara grenzte an das Haus der Familie Strozzi.

Savonarola erwarb den Grad des Magister artium. Danach sollte er wie sein Großvater väterlicherseits, Giovanni Michele Savonarola, ein Medizinstudium beginnen. Der Großvater hatte Savonarola in frühen Jahren gefördert.
Trotzdem brach Savonarola mit 22 Jahren sein Medizinstudium ab. Am 24.04.1475 trat er in das Dominikanerkloster San Domenico von Bologna ein.
Wer wollte nicht "wie ein Tier unter Schweinen, sondern als vernünftiger Mensch" leben.

In Bologna legte Girolamo Savonarola das Studium generale seines Ordens ab.
Am 01.05.1477 empfing er das Weihesakrament als Diakon. Danach wirkte er als Prediger.

Sein erstes Auftreten als Bußpredigar war noch nicht sehr erfolgreich, doch das sollte sich schnell ändern. Seit 1479 war er zwei Jahre Novizenmeister im Dominikanerkloster in Ferrara. In einer Generalversammlung der lombardischen Dominikanerkongegation wurde er im Frühjahr 1482 zum Lektor in das Kloster San Marco in Florenz berufen.
Dort las er die Heilige Schrift vor und legte sie aus.
Savonarola begann sich zu "politisieren" und forderte eine radikale Kirchenreform.
1484, 1485 und 1486 führten Privatoffenbarungen (z. B. während des Fastens) zu Veränderungen seines geistlichen Lebens. Seine Predigten (San Gimignano) erhalten ein zunehmend endzeitliches Gepräge.
1487 wurde Savonarola in Florenz abberufen. Er konnte seine Predigten aber in oberitalienischen Städten fortsetzen. Immer radikaler prangerte Savonarola die Verkommenheit der herrschenden Schichten an. Große Teile der Bevölkerung stimmten ihm zu. In Norditalien erzielte er bald eine ähnliche Massenwirkung wie der Prediger Hans Böhm in Franken, genannt der Pfeifer/Pauker von Niklashausen, der 1476 verbrannt wurde, nachdem er vorher zusehen musste, wie zwei willkürzlich herausgegriffene Anhänger seiner Ideen geköpft wurden.
Insgesamt kann man schon sehen, wie es in Europa schon einige Jahrzehnte vor Reformation und Deutschem Bauernkrieg ideologisch und sozial bedingt loderte.
Bereits zu Beginn seines Predigtwerkes war Savonarola im Dominikanerkloster von Bologna zum Magister studiorum ernannt. Danach konnte er dort eine einjährige theologische Unterrichtstätigkeit übernehmen. Später predigte er in Modena, Piacenza, Brescia und Genua.


Die Medici


Im Jahre 1490 wurde Savonarola auf Bitten Lorenzo de Medicis als Lektor nach Florenz geschickt. Im Kloster San Marco lehrte er zuerst Logik und dann die Auslegung einzelner Bücher der Bibel.
1491 wurde Savonarola zum Prior ernannt. Als Ordensvorsteher wollte er eine Loslösung des Konvents aus der lombardischen Kongregation. Stattdessen sollte eine eigene toskanische Kongregation mit Reformabsichten gegründet worden.
Die Ordensregel sollte wieder in der ursprünglichen Strenge eingehalten werden. Auch das Armutsgelübde sollte wieder stärker durchgesetzt werden.
Savonarola wollte im Endeffekt Reformen in ganz Italien durchsetzen. Um eine größere Wirkung zu erreichen, verfasste er seine Schriften nicht nur auf Latein, sondern auch auf Italienisch (Volkssprache).

Savonarola kritisierte nicht nur kirchliche Misstände, sondern auch Missstände in der Gesamtgesellschaft. Politische und wirtschaftliche Willkür lehnte er ab.
Allerdings kritisierte er auch die Ausrichtung des Denkens der Renaissance (Humanismus) an den Idealen der Antike!
Trotzdem blieben die in Florenz herrschenden Medici Savonarola erstaunlich lange wohlgesinnt. Piero, der Sohn Lorenzo Medicis, hatte Savoarolas Wahl zum Prior von San Marco maßgeblich unterstützt.

Piero di Lorenzo de Medici hatte nicht die politisch-administrativen Qualitäten (und Brutalität) seines Vaters.
Als Karl VIII. von Frankreich nach Italien kam, um Spanien/Aragon das Königreich Neapel abzunehmen, unterstützte Piero zuerst die Aragonesen, obwohl Karl VIII. hoch gerüstet war und es im Volk Sympathien für die Franzosen gab.
Als Karl VIII. auf Florentiner Territorium eintraf und Sarzana besetzte, knickte Piero ein und bat Karl um Vergebung. Der Franzosen erpresste die Abtretung Pisas, Livornos und weiterer Städte. Piero gab nach.
Bei seiner Rückkehr nach Florenz am 08.11.1494 schlug ihm eine große Empörung entgegen. Dann wurde ihm auch noch der Zugang zum Palazzo Medici Riccardi verwehrt und er entschied sich zur Flucht. Pisa aber erhob sich gegen Florenz und wurde von Karl besetzt.

Girolamo Savonarola konnte in kleinem Kreis das Sterbedatum Papst Innozenz' VIII. (25.07.1492) zutreffend voraussagen, was ihm Bewunderung als "Prophet" einbrachte.
Problematisch war jedoch seine Unterstützung von König Karl VIII. von Frankreich und sein Kampf gegen Papst Alexander VI.
Karl VIII. war zwar in Teilen des Volks beliebt, seine Gewalttätigkeit schreckte aber auch viele Bürger ab. Und Alexander VI. hatte einen stärkeren Machtimpuls als sein Vorgänger Innozenz VIII.
Savonarola nannte im Geist der Zeit (mit Endzeitphantasien/Echatologie) Karl VIII. den "neuen Kyros", der das Ende des Zeitalters Karls des Großen und den Beginn des Endkampfes einläuten würde. Einerseits lobte Savonarola Karl VIII., andererseits sah er ihn aber auch als Gefahr oder gar als Geißel Italiens und der Kirche.










Freitag, 29. Dezember 2023

LEE MAJORS (HARVEY LEE YEARY)



* 23.04.1939 in Wyandotte, Michigan

Lee Majors ist ein US-amerikanischer Schauspieler und Produzent.
Anfangs musste er sich mit kleinen Rollen in Westernfilmen durchschlagen.
Er spielte besonders in Fernsehserien Hauptrollen, darunter:
  • Big Valley (1965 - 69)
  • Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann (1973 - 1978): Colonel Steve Austin
  • Ein Colt für alle Fälle/Fall Guy (1981-86): als Stuntman und Kopfgeldjäger Colt Seavers
Lee Manjors ist in Deutschland besonders durch seine Rolle als Colt Seavers in Ein Colt für alle Fälle (Fall Guy) bekannt.

Lee Majors war mehrfach verheiratet, u. a. mit der Schauspielerin Farrah Fawcett, die u. a. in der Serie Drei Engel für Charlie (Charlie's Angels) mitspielte.


GLEN ALBERT LARSON


* 03.01.1937 in Los Angeles (Kalifornien)
+ 14.11.2014 in Santa Monica (Kalifornien)

Glen Larson war ein US-amerikanischer Autor, Filmproduzent und Komponist.

Larson war bereits in den 1950er-Jahren Mitglied der Gesangsgruppe "The Four Preps". Dieses Pseudonym verwendete er auch später hin und wieder.

Die Fernsehlandschaft der 1980er prägte er wie kaum ein anderer. Vergleichbar ist er höchstens mit Donald P. Bellisario, mit dem er oft zusammen produzierte, und Steven J. Cannell.
Larson war vielseitig-kreativ: Er entwickelte viele Fernsehserien selbst und komponierte gleich noch die Titelmusik dazu. Dabei halfen ihm Stu Phillips und Mike Post.

Wichtige Serien:
  • Ein Sheriff in New York (1973)
  • Kampfstern Galactica
  • Magnum (1981 ff)
  • Knight Rider
  • Chameleons (1989)
Larson war auch nach den "heißen" 1980ern weiter aktiv und wollte Battlestar Galactica (2003) als Kinofilm völlig neu herausbringen. Serientechnisch arbeitete er bei "Caprica" mit (als Consulting Producer).

Larson war dreimal verheiratet und hatte neun Kinder. Er war Mormone (Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage).
Larson starb im November 2014 im Alter von 77 Jahren an Speiseröhrenkrebs im UCLA Medical Center in Santa Monica in Kalifornien.


STEPHEN JOSEPH CANNELL

Stephen J. Cannell
Stephen J. Cannell (2005)


* 05.02.1941
+ 30.09.2010

Stephen J. Cannell war ein US-amerikanischer Filmproduzent, Schriftsteller, Drehbuchautor, Schauspieler und Regisseur.

Cannell wuchs in Pasadena auf. Auf der Schule galt er als Legastheniker als mäßiger Schüler. Sogar/besonders das Fach Englisch lag ihm nicht.
Nach dem High-School-Abschluss besuchte er trotzdem die University of Oregon.

In den 1960ern begann der kreative Cannell bald mit dem Schreiben von Drehbüchern und Entwickeln für Ideen für Fernsehproduktionen.
1966 steuerte er Ideen für Kobra, übernehmen Sie! (Mission: Impossible) bei und 1968 verkaufte er sein erstes Skript zu Ihr Auftritt, Al Mundy (It Takes A Thief).

Cannell arbeitete auch mit Frank Lupo zusammen und entwickelte u. a. die berühmte Fernsehserie Das A-Team. 2010 war er bei der Verfilmung Produzent.

Cannell war seit August 1964 mit seiner Jugendliebe Marcia Finch verheiratet. Beide hatten zwei Söhne und zwei Töchter, bis ihr ältester Sohn Derek 1981 bei einem Freizeitunfall ums Leben kam.

2010 erlag Cannell mit 69 Jahren einer Krebserkrankung.


JEROME DAVID (J. D.) SALINGER

 
J. D. Salinger, 1950 (Lotte Jacobi)

LEBEN

Jerome David Salinger wurde am Neujahrstag 1919 in New York City geboren.
Sein Vater war Solomon Salinger und stammte aus einer jüdischen Familie litauischer Abstammung. Der Nachname geht eigentlich auch auf Salomon zurück.
Vater Salinger war zuerst Rabbiner in einer Synagoge in Louisville, Kentucky und verkaufte dann koscheren Käse.
Der Großvater väterlicherseits war 1860 in Tauroggen geboren worden und wurde ebenfalls Rabbiner.
Salingers Mutter Marie Jillich kam aus Atlantic, Iowa. Sie hatte schottische, deutsche und irische Vorfahren. Nach der Heirat mit Solomon Salinger nannte sie sich Miriam und definierte sich als Jüdin.
Salinger erfuhr erst zu seiner Bar Mitzwa, dass seine Mutter nicht jüdischer Abstammung war.
Die einzige Schwester Salingers war Doris (1911 - 2001).

Salinger besuchte die private McBurney School in Manhattan.
Von 1934 - 1936 besuchte er die Valley Forge Military Academy in Wayne, Pennsylvania.
Er unternahm schon jetzt erste schriftstellerische Gehversuche in der Kadettenzeitschrift "Crossed Sabres" (z. B. Filmkritiken).

1937 ging Salinger für fünf Monate nach Europa und absolvierte dort in Wien eine Ausbildung in einem Schlachtereibetrieb. Hier sollte auf Wunsch seines Vaters Fertigkeiten im Bereich der Lebensmittelwirtschaft lernen. Dort lernte er scharfen Antisemitismus kennen.
Nach der (unautorisierten) Biographie von Ian Hamilton betrieb Salinger in Polen familiäre Ahnenforschung.

Im Jahre 1938 immatrikulierte Salinger sich am Ursinus College in Collegeville im Montgomery County, Pennsylvania.
Wieder arbeitete er wieder für eine Zeitschrift, diesmal für Ursinus Weekly (Kolumnen und Theaterkritiken). Gleichzeitig absolvierte er einen Kurs in kreativem Schreiben mit Schwerpunkt Kurzgeschichten.


Der (unautorisierten) Biographie von Ian Hamilton zufolge ging er in Polen dem Stammbaum seiner väterlich-jüdischen Ahnen nach. In Wien soll er Schikanen gegen Bewohner des jüdischen Viertels miterlebt haben. 1938 immatrikulierte er sich am Ursinus College, in Collegeville im Montgomery County (Pennsylvania), daneben arbeitete er als Theaterkritiker und Kolumnist des Ursinus Weekly. In dieser Zeit nahm er an einem Kurs für das Schreiben von Kurzgeschichten teil. 1939 wechselte er an die Columbia University, New York, und veröffentlichte in dem einflussreichen Story-Magazin 1940 seine erste Kurzgeschichte. Insgesamt verfasste er in diesem Jahr zwei Kurzgeschichten, Die jungen Leute und Geh zu Eddie, die beide erst 2014 veröffentlicht wurden. Das College verließ Salinger ohne Abschluss.

Im Sommer 1941 führte Salinger eine kurze Beziehung mit Oona O’Neill, die ihn jedoch für Charlie Chaplin verließ, den sie später heiraten sollte. Seine Beziehung mit O’Neill beeinflusste die Darstellung der Beziehungen zu Frauen in Salingers späterem Werk.[8] O’Neill galt als Salingers „große Liebe“.[9] Noch Jahrzehnte später äußerte sich Salinger öffentlich und abfällig über O’Neills Ehe mit Chaplin.[10] In der Zeitschrift The Young Folks veröffentlichte er 1941 eine weitere Geschichte.

Im darauffolgenden Jahr trat Salinger in die US-Armee (in das United States Army Signal Corps und in das Counter Intelligence Corps) ein und nahm seit Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg bis Kriegsende an fünf Feldzügen in Frankreich teil, so war er auch bei der Schlacht im Hürtgenwald im Herbst 1944 beteiligt. Zuvor, 1943, wurde er nach Maryland versetzt, im folgenden Jahr nach Devon (England), wo er im Rahmen der CIC-Einsatzplanung für die Ausschaltung feindlicher Sender zuständig war. Am 6. Juni 1944 nahm er als Spezialagent des 12. Infanterieregiments an der Landung in der Normandie teil. In dieser Zeit schrieb er die Geschichte Einmal in der Woche bringt dich schon nicht um, die erst 2014 veröffentlicht wurde. Bei seinem anschließenden Aufenthalt in Paris begegnete er dem damaligen Kriegskorrespondenten Ernest Hemingway, der ihm ein „verteufeltes Talent“ bescheinigte.

Wahrscheinlich besuchte Salinger das KZ-Außenlager Kaufering IV – Hurlach kurz nach dessen Befreiung am 27. April 1945, wohl am 28. April, da er in seinem militärischen Dienst der Einheit der 4th Infantry Division zugeordnet war.[11] Diese Einheit befand sich damals in der Nähe des durch die 12th Armored Division befreiten Konzentrationslager Kaufering IV.[12] J. D. Salinger äußerte sich nie öffentlich zu seinen Erlebnissen in jener Zeit. Doch soll er nach dem Krieg eine Zeit lang wegen eines „front shock“ in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sein. Seine Tochter, Margaret Salinger, veröffentlichte im Jahr 2000 einen Ausspruch ihres Vaters: You never really get the smell of burning flesh out of your nose entirely, no matter how long you live. („Du bekommst nie wirklich den Geruch von brennendem Fleisch aus deiner Nase, egal wie lange du lebst.“)[13] Von der Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert gesammelte und u. a. durch deren Vorsitzenden Anton Posset veröffentlichte historische Dokumente legen nahe, dass J. D. Salinger das Konzentrationslager Kaufering IV kurz nach dessen Befreiung besuchte.[14] Im Lager Kaufering IV wurden nicht gehfähige Insassen, die nicht auf einen Todesmarsch geschickt werden konnten, vor dem Heranrücken der alliierten Streitkraft bei lebendigem Leib verbrannt.[15]

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Salinger, der gut Deutsch sprach, im fränkischen Gunzenhausen tätig, wo er nach seinem Ausscheiden aus der Armee als Zivilist für eine Abteilung des Nachrichtendienstes arbeitete. Möglicherweise schrieb er bereits in Gunzenhausen Teile seines Romans Der Fänger im Roggen.[16] In Deutschland war er kurze Zeit mit einer deutschen Ärztin namens Sylvia Welter (Salinger selbst nannte sie „Saliva“) verheiratet.[17] Kurze Zeit hielten sich die beiden in den USA auf; da seine Ehefrau sich aber dort nicht wohl fühlte, kehrten sie nach Deutschland zurück. 1946 veröffentlichte die Zeitschrift The New Yorker seine einige Jahre zuvor eingesandte Kurzgeschichte Slight Rebellion Off Madison, in der erstmals die Figur Holden Caulfield auftaucht, der später der Protagonist in Der Fänger im Roggen werden sollte.[18] Am 31. Januar 1948 erschien A Perfect Day for Bananafish.

Im Jahre 1950 lernte Salinger die Tochter des britischen Kunstkritikers R. Langton Douglas, Claire, kennen. In dieser Zeit begann er, sich mit den Lehren von Ramakrishna Paramahamsa zu beschäftigen. Das scheint aber zunächst ohne größere Auswirkungen auf sein schriftstellerisches Schaffen gewesen zu sein. Denn in dem dann im Juli 1951 fertiggestellten Roman The Catcher in the Rye, der nach dem Gedicht Comin’ Thro’ The Rye von Robert Burns benannt wurde, lassen sich keine Bezugspunkte zu Auffassungen von Paramahamsa finden.[19] Im folgenden Jahr bereiste er Florida und Mexiko und bezog dann 1953 ein eigenes Haus in Cornish. Hier arbeitete er zurückgezogen mit seiner Lebensgefährtin. Im Februar 1955 heiratete Salinger die 19-jährige Psychologiestudentin Claire Douglas, mit der er zwei Kinder hatte: Margaret (* 1955), die ihre Erinnerungen an ihren Vater unter dem Titel Dream Catcher veröffentlichte, und Matthew (* 1960), der als Schauspieler und Autor mit seiner Familie in Connecticut lebt.

Nach einer längeren Pause gab Salinger im September 1961 eine Kurzgeschichte und eine Novelle als Franny und Zooey in Buchform heraus. Zwei Jahre später erschienen zwei weitere Novellen als Raise High the Roof Beam, Carpenters and Seymour: An Introduction (dt. Hebt den Dachbalken hoch, Zimmerleute und Seymour wird vorgestellt bzw. Hebt an den Dachbalken, Zimmerleute und Seymour, eine Einführung). Seine letzte eigenhändige Veröffentlichung war die Geschichte Hapworth 16, 1924, die am 19. Juni 1965 im New Yorker erschien. Wurde den vorhergehenden Büchern immerhin noch ein gewisses Interesse seitens der Presse zuteil, so blieb Salingers letzte Geschichte größtenteils unbeachtet. Wie alle seine Veröffentlichungen nach Der Fänger im Roggen handelt sie von der Glass-Familie. Aufsehen erregte Hapworth 16, 1924 lediglich durch die Querelen um eine Veröffentlichung des Werkes in Buchform, von der immer wieder die Rede war, die letztlich aber von Salinger verhindert wurde.[20] Angeblich existieren weitere unveröffentlichte Romanmanuskripte von Salinger.[21]

Zwei Jahre später ließ Salinger sich scheiden und hatte 1972 eine zehn Monate dauernde Affäre mit der jungen Yale-Studentin Joyce Maynard, die über diese Affäre später ihre Memoiren (At Home in the World) veröffentlichte. Ende der 1980er Jahre heiratete Salinger in dritter Ehe die Krankenschwester Colleen O’Neill.[22] Im Jahre 1992 brannte sein Wohnhaus in Cornish ab.[23] Am 27. Januar 2010 verstarb J. D. Salinger im Alter von 91 Jahren nach kurzer Krankheit in Cornish.[24][25]


Freitag, 1. Dezember 2023

KARTENSPIELE

Ein Kartenspiel ist ein Spiel, bei dem die Spielkarten der alleinige oder der wesentliche Bestandteil des Spielmaterials sind.
Kartenspiele liegen ein einer Vielzahl von Variationen vor, weil es entweder verschiedene Spielregeln und Spielziele gibt oder ähnliche Spielregeln unterschiedlich kombiniert werden können. Neben den Regeln können auch die Kartensätze (Decks) variieren.
Kartenspiele gibt es in vielen Teilen der Welt. International bekannt ist das Französische Blatt/Bild. Es gibt aber auch ein Deutsches Blatt/Bild mit mehreren Untervarianten oder ein Spanisches Blatt, das auch das Italienische Blatt beeinflusst hat (im Süden Italiens wird aus historischen Gründen auch mit Spanischem Blatt gespielt).
Das Kartenspiel kam (erst) im Spätmittelalter aus Asien nach Europa. Hier wurde es zwar begeistert aufgenommen, aber auch immer wieder von Gesetzgebern - wie das Würfelspiel - bekämpft. Puritaner sahen das Kartenspiel als "Gebetbuch des Teufels".
Heute wird diese radikale puritanisch-antihedonistische Denkweise meist nicht mehr geteilt. Allerding kann das Kartenspiel in der Tat süchtig machen und in Kombination mit dem Spiel um Geld auch arm.
Kartenspielen kann aber auch positive Fähigkeiten trainieren: Hier sind v. a. die Kombinatorik und das Kurzzeitgedächtnis zu nennen.


GESCHICHTE

Chin. Spielkarte von ca. 1400.


Das Kartenspiel stammt aus Asien, wahrscheinlich aus Ostasien. Dort war bedrucktes Papier schon seit ungefähr Christi Geburt verfügbar. In China und Korea sind Karten seit dem 12. Jahrhundert nachweisbar. Diese frühen Karten waren meist länglicher als heutige Karten.
Von China aus kamen Karten vermutlich nach Indien, Persien und Arabien. In Indien spielt man auch mit runden Karten. Von Asien aus gelangte das Kartenspiel nach Südeuropa (Italien, Frankreich) und dann bald ins übrige Europa.
Nachweisbar sind Spielkarten seit dem späten 14. Jhd. Dichter dieses Jahrhunderts wie Francesco Petrarca, Giovanni Boccaccio und Geoffrey Chaucer erwähnen sie aber noch nicht. Erwähnung findet das Kartenspiel oft in Spielverboten, die heute als wichtige Quelle dienen.
Johannes von Rheinfelden (ca. 1340 - ?) beschrieb und bewertete das Kartenspiel. Radikale Gegnerschaft erfuhr es von Bernhardin von Siena (1380 - 1444), Johannes Capistranus (1386 - 1456) und Girolamo Savonarola (1452 - 1498).
Einmal in Europa angekommen, verbreiteten Spielkarten sich schnell, und es wurden auch Eigenentwicklungen möglich. Bereits im 15. und 16. Jhd. konnten sich die Grundlagen der heutigen Spielkartenblätter herausbilden. 
Besonders stark wurden das französische Blatt (produziert z. B. in Lyon), das deutsche Blatt (z. B. Nürnberg) und das spanische Blatt. International am erfolgreichsten wurde das französische Blatt. In Frankreich entstanden auch viele Kartenspiele als Regelwerke (Bassette, Pharo, Piquet, L'Hombre) und verbreiteten sich dann über Europa.
Erst Ende des 18. Jhd.s entstanden doppelköpfige Karten. Seit dem 19. Jhd. wurden auch die Rückseiten bedruckt. Jetzt entstanden Spiele wie Skat, Whist und Bridge, im frühen 20. Jhd. Canasta und Rommé.


SPIELKARTEN

Europäische Karten sind rechteckig und bestehen aus Karton, karton-ähnlichen Materialen oder aus Plastik. Sie haben eine Vorderseite (Avers) mit Wertangaben und Symbolen (Farben) und eine Rückseite (Revers). Die Zahlenwerte reichen bei einem vollen Kartensatz meist von 1 - 13, die Farbzeichen sind 4. Ein voller Kartensatz besteht daher aus 52 (4 * 13) Karten. Manchmal kommen noch 3 Joker hinzu. Ein "Teilsatz" kann z. B. 32 Karten enthalten (z. B. Skat, Schafkopf).
Spieltheoretisch wirkt das Mischen der Karten wie ein Zufallsgenerator, das Verdecktsein vieler Karten wirkt als imperfekte Information.
Moderne Karten sind oft punktsymmetrisch und weisen ihre Informationen an mehr als einer Ecke aus (2 oder 4). Die Größe beträgt ungefähr 6 * 9 cm (bei einigen Spielen aus Platzgründen auch geringer).

Ältere Spielkarten höherer Wertigkeit waren von talentierten Malern handbemalt und befanden sich häufig in adeligen Händen. Das Stuttgarter Kartenspiel (um 1430) zeigt als Farben z. B. Ente, Falke, Hund und Hirsch auf Goldgrund im Format 19 * 12 cm.
Günstigere Karten wurden durch die Holzschnitttechnik verfügbar (z. T. noch vor Johannes Gutenbergs Buchdruck mit beweglichen Lettern). Ein Beispiel wäre das "Hofämterspiel" um 1450.
Einige günstige Spielkarten sind auch deshalb erhalten geblieben, weil Fehldrucke z. T. in Buchrücken eingebunden wurden.
Frühe deutsche Kartenmacherinnungen bestanden in Nürnberg, Augsburg, Ulm und Straßburg.


ALLGEMEINE REGELN UND EIGENSCHAFTEN

Manche Faktoren haben fast alle Kartenspiele gemeinsam.
Man kann z. B. nach festgelegten Methoden auslosen, wer wo sitzt oder wer als erster gibt.
Die Karten müssen natürlich zuerst gemischt und dann abgehoben werden. Gegeben wird grundsätzlich einzeln, der Kartengeber (Teiler) bedient sich als letzter.
Die Spieler müssen meistens mit dem Aufnehmen warten, bis das Geben abgeschlossen ist. Die Karten werden dann verdeckt gehalten (wenige Ausnahmen). Je nach Spiel ist es sinnvoll, die Karten in der Kartenhand (Stecken) erst einmal zu sortieren. Dabei muss man aufpassen, keine Informationen durch das Sortieren an den Gegner zu verraten.

Die Reihenfolge der Spieler ist unterschiedlich. Heute wird meistens im Uhrzeigersinn gespielt, früher und bei älteren Spielen war/ist das umgekehrt. Auch bei spanischen oder italienischen Spielen wird oft gegen den Uhrzeigersinn gespielt. Canasta wird je nach Weltregion mit oder gegen den Uhrzeigersinn gespielt.
Bei Spielen im Uhrzeigersinn beginnt meist der Spieler zur Linken des Gebers (Vorhand). Bei Bridge eröffnet der Geber.


 

Mittwoch, 22. November 2023

FRANCOISE DIOR

Francoise Dior und Colin Jordan

* 07.04.1932 
+ 20.01.1993

Marie Francoise Suzanne Dior war eine französische Societydame und Neo-Nazi-Aktivistin.
Sie war die Nichte des Modedesigners Christian Dior und der Widerstandskämpferin Catherine Dior.
Dior hatte zu internationalen Neonazis gute Kontakte, besonders aber nach Großbritannien.
Eine gute Bekannte von ihr war Savitri Devi.


JUGEND UND FAMILIE

Francoise Dior wurde 1932 als Tochter von Raymond Dior und Madeline Leblanc geboren. Die Vaterschaft von Raymond Dior wird aber angezweifelt. Der ungarische Adelige Valentin de Balla könnte ihr Vater gewesen sein (Quelle: Graham Macklin).

Raymond Dior war ein linker Journalist und der Bruder des französischen Modedesigners Christian Dior und der Widerstandskämpferin Catherine Dior. Raymond Dior sympathisierte sogar mit der Kommunistischen Internationalen - zum Leidwesen seines Vaters Maurice, der Agrarunternehmer (Düngerproduzent) war. Er schrieb unter anderem für die Satirezeitschrift "Le Crapouillot" und vertrat bisweilen - wie seine Tochter später nach rechts - Verschwörungstheorien wie die "200-Familien-Theorie", nach der 200 elitäre Familie für fast alle Übel des Landes verantwortlich seien.
Raymond Dior war bisexuell.

Francoise Dior war anfangs eher royalistisch-katholisch geprägt als nationalsozialistisch. Aber schon in ihrer Jugend während der NS-Besatzungszeit, sie war gerade 8 Jahre alt, als die deutschen Panzer die alliierten Abwehrstellungen durchbrachten, zeigte sie Begeisterung für faschistoide Ästhetik und Auftreten. In Paris soll ihr von einem SS-Mann das Kompliment gemacht worden sein "Was für ein schönes arisches Mädchen!" (Quelle: Nicholas Goodrick-Clarke). Auch später berichtete sie über die Besatzungszeit positiv - allerdings muss angemerkt werden, dass auch Linksintellektuelle wie Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir sich mindestens ambivalent über diese Zeit äußerten.
Francoise Dior beschäftigte sich als Gegnerin der Französischen Revolution oft mit dem vorrevolutionären Frankreich und glaubte, dass hinter der Revolution in Wirklichkeit eine Verschwörung globaler Eliten stecke, die den nationalen Verfall herbeiführen wollten.

Francoise Dior hatte die Tendenz, Männer aus hohem Stand zu heiraten. Am 27.04.1955 heiratete sie Graf Robert-Henri de Caumont-la-Force aus der Familie der Grimaldis (Nachfolger des Monegassen Honoré III) und hatte mit ihm eine Tochter namens Christiane.


1960er: ANNÄHERUNG AN DEN NATIONALSOZIALISMUS UND DIE WUNS

Francoise Dior näherte sich dem Nationalsozialismus an, als sie mit der traditionellen Oberschichtsgesellschaft unzufrieden wurde. Es ist aber nicht ganz klar, ob ihr Radikalismus eine Reaktion war auf ein Ausgeschlossen-Sein oder umgekehrt ihr Radikalismus selbst zum Ausgeschlossen-Sein führte oder beides.
Für den Tod ihres Vaters Christian im Jahre 1957 machte sie die Juden verantwortlich.
1960 ließ sie sich von Graf de Caumont-la-Force scheiden.

Im Sommer 1962 reiste sie zu einer Kundgebung am Trafalgar Square, die vom britischen Neonazi Colin Jordan (1923 - 2009) veranstaltet wurde, was auch in der Presse kritisch begleitet wurde. Jordan war ein ehemaliger Lehrer.
Von da an besuchte sie das Londoner Hauptquartier des von Jordan geführten "National Socialist Movement (NSM)" häufiger. Jordan sprach Francoise Dior an und machte sie mit Savitri Devi bekannt. Beide wurden Freundinnen.


Savitri Devi (1940)


Savitri Devi (Mukherji) alias Maximiani Julia Portaz (1905 - 1982) war eine Franko-Griechin, die schon im Zweiten Weltkrieg für die Achsenmächte spioniert hatte. Devis Nazismus wollte hinduistische Elemente stärker in die Gesamtideologie integrieren und hatte stark okkultistische Züge.
Savitri Devi hatte nach dem Weltkrieg Kontakt zu führenden Nazis: Neben Francoise Dior zu Otto Skorzeny, Johann von Leers und Hans-Ulrich Rudel. Sie war auch bei der Gründung der World Union of National Socialists (WUNS) dabei.

George Lincoln Rockwell, der "American Hitler"

Die World Union of National Socialists (WUNS) wurde gegründet, als der 1967 ermordete Führer der American Nazi Party (ANP), George Lincoln Rockwell (1918 - 1967), in Großbritannien den NSM-Chef Colin Jordan traf. Im Sommer 1962 kam es zur Cotswold Declaration (auf dem Cotswold Camp), die von Neonazis verschiedener Länder unterzeichnet wurde. Frankreich wurde von Savitri Devi vertreten, Westdeutschland von Bruno Ludtke.
Francois Dior versuchte, nach der WUNS-Gründung eine nationale Sektion in Frankreich aufzubauen, was ihr bedingt gelang. Sie konnte den ehem. Offizier der Waffen-SS, Claude Jeanne anwerben, der 1963 innerhalb der WUNS die West European Federation (FOE) gründete. Doch schon 1964 (Mai) wurde die FOE von der Polizei wieder aufgelöst und hatte nur 42 Mitglieder.

Als die Ermittlungsbehörden herausfanden, dass Colin Jordan eine paramilitärische Gruppierung aufgebaut hatte, wurde er 1962 verurteilt und inhaftiert. Währenddessen hatte Francoise Dior um den Juni 1963 eine Kurzzeitbeziehung mit dem NSM-Mitglied John Tyndall (1934 - 2005). Dies führte zum Streit der ursprünglich befreundeten Männer, der sich im Jahre 1964 spaltend auf die NSM auswirkte. Nach der Freilassung von Jorden kehrte Dior aber wieder zu ihm zurück.


Colin Jordan und Francoise Dior heiraten in Coventry.


Im September 1963 machte ihr Jordan auf einem Flug nach Großbritannien einen Heiratsantrag.
Die zivile Hochzeit fand am 05.10.1963 ausgerechnet in Coventry statt, das im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen stark bombardiert worden war. Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit in den Medien und die Intensität der Proteste. Francoise Dior blieb kühl und zeigte den Hitlergruß. Einige Anhänger taten es ihr gleich.


Proteste bei der Hochzeit in Coventry. Dior zeigt den Hitlergruß.


Am 06.10.1963 feierte das Paar seine zweite Hochzeit im NSM-Hauptquartier in London.
Beide stachen sich mit einem Dolch in den Ringfinger und ließen ihr Blut auf eine Ausgabe von "Mein Kampf" tropfen. Die Presse ging steil.
Die Gäste zeigten wieder den Hitergruß und das Horst-Wessel-Lied wurde gespielt. Dior sagte, dass sie nur/viele kleine Nazikinder wolle.
Solch ein Auftreten vertiefte nur den Riss in der Familie Dior. Die Mutter äußerte sich negativ über diese Hochzeit und gab an, nichts damit zu tun haben zu wollen. Colin Jordan solle sich nicht in ihrem Haus blicken lassen. Die Tante Catherine Dior, die das KL Ravensbrück überlebt hatte, kritisierte die aus ihrer Sicht unintelligenten Stellungnamen in Presse und Fernsehen. Sie wandte sich auch dagegen, dass der Name ihres Bruders Christian Dior genutzt werde, diesen Skandal aufzublasen.
Dazu muss man aber sagen, dass Christian Dior im Zweiten Weltkrieg durchaus auch Mode für die Ehefrauen führender Nazifunktionäre entworfen hat.
Savitri Devi konnte die Hochzeit aufgrund eines Einreiseverbotes infolge des Cotswold Camps 1962 nicht besuchen.


Doch schon drei Monate nach der Hochzeit trennte sich das Paar wieder. Die sprunghafte Francoise Dior kritisierte die mangelnden Führungsqualitäten ihres Mannes und denunzierte ihn öffentlich als "middle-class nobody". Wieder nahmen die Medien den Ball auf: Der Daily Mirror titelte "Nazi Told: Marriage is Over" mit dem Untertitel "You're no Leader, says Francoise". Als bekannt worde, dass Jordan sie zurückhaben wollte, titelte der Daily Mirror am Folgetag: "Please - I love you says Führer". Tatsächlich versöhnten sich beide führ einige Zeit wieder. Die Binnenstruktur des NSM blieb aber instabil.

Francoise Dior blieb weiter aktiv und wurde für das Jahr 1965 Vertreterin der WUNS Frankreich.
Sie schreckte auch vor Gewalttaten nicht zurück. Am 21.07.1965 war sie in Brandanschläge von sechs NSM-Mitgliedern auf Synagogen in Ilford und Lea Bridge Road verwickelt. Am 04.06.1965 wurde sie in Frankreich in Abwesenheit zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie Neonaziflugblätter an die britische Botschaft in Paris geklebt hatte. Bei ihrer Rückkehr nach Frankreich wurde sie deswegen am 04.10.1966 in Nizza verhaftet.
Nach ihrer Freilassung im Februar 1967 reiste sie mit ihrem neuen Liebhaber, Terence Cooper, nach Jersey, den sie im NSM kennen gelernt hatte. Danach zogen beide in die Normandie, wo sie von Savitri Devi besucht wurden, und später im Sommer 1967 nach Dagenham in Ost-London.
Für ihren Lebenswandel wurden Dior und Cooper aus dem NSM ausgeschlossen. Jordan ließ sich im Oktober 1967 von Dior scheiden.
Auch der Ärger mit der britischen Polizei ließ nicht nach. Im Januar 1968 wurde sie zu einer 18-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, weil sie 1965 NSM-Mitglieder zu den Brandstiftungen gegen Synagogen angestachelt haben soll. Dior wurde ins Holloway-Gefängnis überführt und galt dort als "Nazi Nell".
Im Jahr 1969 kontaktierte Francoise Dior den französischen Neonazi Mark Fredriksen und die Organisation FANE (Fédération d'action national et européenne), um die/den "Front Uni Antisioniste (FUA)" zu gründen. Es kam zwar am 06.02.1969 zu einem Treffen mit Mark Fredriksen, Henry Coston (1910 - 2001; ehem. PPF-Mitglied) und dem langjährigen Rechtsaktivisten Pierre Sidos (1927 - 2020; ehem. Parti Franciste; Gründer von Jeune Nation), das Projekt scheiterte jedoch letztendlich.


1970er: FORTSETZUNG

Death by Dior von Terry Cooper (2013)


In den 1970er-Jahren setzte Francoise Dior ihr Leben der späten 1960er fort. Sie lebte mit Terence "Terry" Cooper vom August 1970 bis zum Ende ihrer Beziehung im Juli 1980 in Ducey in der Normandie. Zu Savitri Devi hielt sie weiterhin Kontakt.
Im Privatleben soll es laut dem Werk "Death by Dior" von Terence Cooper aber zu seltsamen Gegebenheiten gekommen sein. Cooper behauptet, mit Francoise Dior und ihrer Tochter aus erster Ehe, Christiane de Caumont La Force, eine Dreiecksbeziehung gehabt zu haben. Gravierender ist, dass sich die Beziehung zwischen Mutter und Tochter derart abgekühlt haben soll, dass diese am Selbstmord von Christiane (* 1957) im Jahre 1978 mitgewirkt haben soll. Angeblich hat sie ihrer Tochter sogar den Stuhl und die Schlinge zum Erhängen bereitgestellt.
Auf Photos sieht man Christiane häufig mit einem Haustier im Arm, das sie mehr zu interessieren scheint als der Photograph.


1980er UND FRÜHE 1990er: NEUAUFSTELLUNG, TOD


Francoise Dior und Hubert de Mirleau (Foto: Francois-Xavier Seren)

In den 1980er-Jahren geriet Francoise Dior nach Fehlinvestitionen (u. a. in einen Pariser Nachtclub) in Schwierigkeiten. Sie musste 1982 ihr Haus in der Normandie verkaufen.
Jetzt orientierte sie sich politisch ein bisschen mehr in die rechte Mitte zur Partei RPR und heiratete 1983 den Grafen Hubert de Mirleau aus einem alten Adelsgeschlecht. Mirleau gehörte aber dem rechten Think Tank GRECE an und wechselte selber 1985 zum erstarkenden Front National.
Der FN war in den frühen 1970ern von Jean-Marie LePen und dem 1978 durch eine Autobombe getöteten Francois Duprat gegründet wurden und war anfangs eine Minipartei, die aber seit den 1980ern deutliche Zuwächse verzeichnen konnte. Interessanterweise wurde dieses Anwachsen auch vom Sozialisten Francois Mitterand gefördert (z. B. durch Wahlrechtsreformen), der damit das rechte Lager spalten wollte (vgl. Bruno Kreisky in Österreich).
Francoise Dior behielt auch den Kontakt zum britischen Rechtsextremismus bei: Als der Brite Martin Webster nach seinem Ausschluss aus der National Front im Dezember 1983 die Gruppe "Our Nation" gründete, half sie ihm angeblich bei rechtlichen Kosten. Our Nation überlebte aber nicht lange.

Mit Beginn der 1990er-Jahre verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Francoise Dior zusehends. Die starke Raucherin erkrankte an Lungenkrebs und starb am 20.01.1993 im Amerikanischen Krankenhaus von Neuilly-sur-Seine im Alter von 60 Jahren.



QUELLEN:

Wikipedia
-
Cooper, Terry: Death by Dior; London 2013


Dienstag, 21. November 2023

GP: BESCHAFFUNG

 
PRODUKTWERT: ABC-ANALYSE

Die ABC-Analyse dient dazu, Materialen zu identifizieren, die einen hohen wertmäßigen Anteil (aber einen niedrigen mengenmäßigen Anteil) am Gesamtbedarf haben. Sie sind von besonderer Bedeutung.




JUST-IN-TIME-KONZEPTION

Das Just-in-time-Konzept ist Bestandteil eines Logistiksystems, bei dem die Materialbereitstellung genau so erfolgt (zeitlich und mengenmäßig), wie es zur Produktion und letztlich zur Erfüllung der Kundenwünsche passt.
(Es wird also "keine Zeit (und kein Material) verschenkt", allerdings ist die Planung manchmal so präzise, dass auf Störungen nicht mehr richtig reagiert werden kann.)

JIT wird vor allem in Industriebetrieben angewendet, die ihren (hohen) Bedarf an Werkstoffen und Fertigteilen genau vorausberechnen können. Man denke hier an die Autoindustrie.

Gleichzeitig werden die Kapitalbindungs- und Lagerkosten (Personal, gebundene Zinsen, zu versicherndes Risiko) auf die Zuliefererbetriebe abgewälzt.
Vereinfacht gesagt, "wird die Straße/Schiene selbst zum Lager".

In der Praxis werden für JIT mit den Zulieferbetrieben meist Rahmenverträge abgeschlossen. Dieser legt für einen bestimmten Zeitabschnitt (Periode) den Gesamtbedarf an einer Werkstoffart oder -gruppe fest. Für die geplante Abnahmemenge werden klare Konditionen festgesetzt (Preie, Lieferungsbedingungen, Zahlungsbedingungen).
Die Einzelbestellungen verweisen auf den Rahmenvertrag und legen nur Details zu Artikel, Menge und Termin fest.


Voraussetzungen:

  • stetiger Bedarf am betreffenden Material
  • langfristige Planungssicherheit (Absatz)
  • Sicherstellung der Qualitätskontrollen
  • ständige Lieferbereitschaft der Lieferanten
  • genaue Abstimmung der Produktions- und Lieferpläne
  • Datenaustausch (Electronic Data Interchange/EDI)
  • langfristige Verträge (v. a. Rahmenverträge)
  • gutes Transportsystem

Vorteile:

  • Die Lagerkosten und -risiken (Versicherung!) werden stark verringert.
  • Es wird weniger Kapital gebunden.
  • Das Unternehmen gewinnt an Flexibilität (Lieferbereitschaft, Kundenbedarf).
  • Es gibt weniger nicht absetzbare Produkte.

Nachteile:
  • Störungen können die minutiöse Planung kaputt machen (Streiks, Staus, Unwetter, im Extremfall: Kriege!).
    => Terminrisiko
  • Die Umweltbelastung ist höher. Man belastet so auch die Allgemeinheit (Social Costs).
    => Umweltrisiko
  • Produktionsstörungen und Qualitätsverluste wegen schadhafter Teile, die nicht (mehr) ausgewechselt werden können.
    => Qualitätsrisiko
  • Durch häufige Bestellungen können die Bestell- und Transportkosten steigen.
    => Kostenrisiko



BESTELLMENGENPLANUNG

Fixe Bestellkosten (bestellfixe Kosten):

  • FB fallen bei jeder Bestellung in derselben Höhe an (zumindest Annahme).
    Ihre Höhe ist (hier) unabhängig von Menge und Wert der bestellten Sachgüter.
  • Kostenverursacher: Bedarfsmeldung, Angebotseinholung-/vergleich, Rechnungsprüfung, Bestellüberwachung, Wareneingangsprüfung, Bestellung
  • fixe Bestellkosten können trotzdem "gedrückt" werden, indem man seltener und in größeren Mengen bestellt (Funktionsgraph: Hyperbel).
 
Lagerhaltungskosten:
  • Lagerhaltungskosten nehmen mit dem Lagerbestand zu (Annahme: linear).
  • Kostenverursacher: Personalkosten der Lagerarbeiter, im Wert der gelagerten Güter gebundene Zinsen, Lagerrisiko.

Zusatzinformationen:


Mit zunehmender Bestellmenge verringert sich die Anzahl der Bestellungen.
Die fixen Bestellkosten sinken (fix/fest nur für die einzelne Bestellung) und die Lagerhaltungskosten steigen.
Der Betrieb muss beide Kostenarten berücksichtigen und erreicht "sein" Optimum, wenn die Summe beider Kosten das Minimum erreicht hat.
Also folgt:
Gesamtkosten = Summe (fixe Bestellkosten) + Summe (Lagerhaltungskosten)

Lagerkostensatz = Lagerhaltungskosten * 100/Lagerwert

durchschnittlicher Lagerbestand = Bestellmenge/2



Die optimale Bestellmenge ist die Beschaffungsmenge, bei der die Gesamtkosten (Summe: fixe Bestellkosten und Lagerhaltungskosten) am niedrigsten sind.
Bei dieser Menge gleichen sich die sinkenden fixen Bestellkosten und die steigenden Lagerhaltungkosten aus!
(Näheres wird an anderer Stelle erläutert; vgl. Andler-Formel)


ZEITPUNKT DER BESTELLUNG
 
Werkstoffe und Handelswaren (HW) sollen so bestellt werden:
 
  • keine unnötigen Lagerzeiten (und -kosten) im Einkauf/Beschaffung
  • keine Lieferungsverzögerungen im Verkauf

1. Bestellpunktverfahren:
  • Beim Bestellpunktverfahren wird mit jeder Entnahme überprüft, ob damit der Meldebestand unterschritten wurde. In diesem Falle wird eine Nachbestellung ausgelöst.
  • Meist wird dann bis zum Höchstbestand aufgefüllt (Grafik: Sägezahnkurve).
    Die Auffüllmenge ist variabel.
 
Meldebestand:

  • Meldebestand (MB) = Mindestbestand (MiB) + (max.) Tagesverbrauch * Wiederbeschaffungszeit
  • Grafik: Auf der waagerechten Linie des Meldebestandes befinden sich die Bestellzeitpunkte.
    Das sind die Zeitpunkte, an denen bestellt werden muss (zeitgerechte Wiederbeschaffung).
  • Unterschreitet der Lagerbestand diese Bestandshöhe, ist eine neue Bestellung auszulösen.

Mindestbestand:
  • Der Mindestbestand kann auch Sicherheitsbestand oder "eiserne Reserve" genannt werden.
  • Der MiB darf nicht zur Disposition verwendet werden. Er ist für unvorhergesehene Ereignisse.

Höchstbestand:
  • Der Höchstbestand gibt an, welcher Bestand maximal eingelagert wird (nach Eintreffen der bestellten Ware).
Wiederbeschaffungszeit:
  • Summe der Zeitbedarfe: Überlegungszeit, Bestellung, Transport, Lieferung, Materialeingangskontrolle, Einlagerung
Auffüllmenge:

  • Die Menge, die bestellt werden muss, um das Lager bis zum Höchststand aufzufüllen.
    Die Auffüllmenge ist variabel, weil auch die Lagerabgangsrate schwankt.

2. Bestellrhythmusverfahren:

Beim Bestellrhythmusverfahren erfolgt die Nachbestellung in festgelegten Zeitabständen mit einer konstanten Liefermenge. Es wird also nicht immer bis zur Lagerobergrenze aufgefüllt!
Durch einen Rahmenvertrag kann die ständige Bestellwiederholung auch entfallen.


3. Vergleich der Verfahren:

  • Sichere Strategie (kaum Gefahr der Unterdeckung)
  • Güter mit hohem Servicegrad
  • hohe Bestände bei Auffüllung bis zur Lagerobergrenze
  • Hoher Kontrollaufwand
  • besonders geeignet für Güter mit unregelmäßigem Bedarf

Bestellrhythmusverfahren:

  • Nachbestellung in festen Zeitintervallen (Bestellrhythmus)
  • Gefahr von Unterdeckung (und sogar Überdeckung) bei unregelmäßigem Bedarf
  • Das Verfahren ist nur mit konstanten Lagerabgangsraten sinnvoll.
  • Dafür ist der Verwaltungsaufwand gering.

Hinweis: Bei "einfachen" Verbrauchsprodukte, die kurzfristig beschafft werden können, reicht manchmal schon eine wöchentliche Sichtkontrolle.


BESTELLMENGE: Berechnung der optimalen Bestellmenge (engl.: Economic Order Quantity)


Die optimale Bestellmenge Qopt wird z. B. mit der Andler-Formel (Kurt Andler) berechnet.


Qopt = sqrt((200 * F * M)/(P * L))

sqrt: square root bzw. Wurzel (Quadratwurzel)

F = Fixe Bestellkosten (pro Bestellung); auch: bestellfixe Kosten oder nur Bestellkosten
M = Jahresbedarf; auch: Menge/Jahr
P = Einstandspreis je Stück; auch: Preis
L = Lagerhaltungskostensatz in Prozent (Achtung: Das %-Zeichen nicht mitberechnen!!!)

Merkhilfe: FM = Frequenzmodulation (Funk!); PL = Stecker in der Audio- und Funktechnik








Mittwoch, 18. Oktober 2023

VOKABELN: KOPTISCH

 
Koptisches Alphabet
(modifiziertes griechisches Alphabet mit 7 demotischen Zeichen)


Das Koptische ist die letzte Sprachstufe des Ägyptischen. Es ist damit eine afroasiatische/hamitosemitische Sprache. Der Name stammt vom Arabischen Wort für Ägypten: قبطي qibtī, qubtī; aus koptisch kypt(a)ios/gyptios für Ägypter; dies wiederum aus altgr. Αἰγύπτιος/Aigýptios „Ägypter“; dies wiederum aus mykenisch a-ku-pi-ti-jo /ai̯ɡuptijos/
Die antiken Ägypter nannten ihr Land selber ursprünglich "kemet" (siehe unten!), also "das Schwarze/Dunkle" bzw. "das Schwarze/Dunkle Land", genannt. Dies war wahrscheinlich eine Anspielung auf den dunklen Nilschlamm. Das umliegende Land war "das Rote", "(ta) descheret".
(Der Kemetismus ist übrigens eine Bewegung zur Rückbesinnung auf das "heidnische" Ägypten.)






Schrift

Das Koptische wird nicht mehr in Hieroglyphen geschrieben, sondern in einem etwas veränderten griechischen Alphabet. Genaugenommen wurden an ein griechisches Alphabet ca. 7 Buchstaben aus der demotischen Schrift angehängt, die hier nach dem (omega/ó) zu sehen sind. Demotisch ist eine Sprachstufe des Ägyptischen vor dem Koptischen mit eigener Schrift.
Die Koptische Schrift (als Mischung aus Griechisch und Demotisch) gibt im Gegensatz zu vielen afroasiatischen/hamitosemitischen Sprachen auch Vokale wieder. So war sie eine große Hilfe bei der Entzifferung ältere, in Hieroglyphen geschriebener Sprachstufen.


Sprache

Das Koptische unterliegt nicht nur in seiner Schrift sondern auch in seinem Wortschatz starkem griechischen Einfluss. Alexander der Große hat auf seinem Feldzug gegen das Perserreich auch das von Persern unterworfene Ägypten unterworfen. Nach langen Diadochenkriegen unter Alexanders Nachfolger fiel das reiche Ägypten an die Ptolemäer (Lagiden). Ptolemaios I. unterstrich das, indem er sich zum König krönen ließ und nicht mehr "nur" Statthalter war.
Durch die Ptolemäer unterlag Ägypten aber einem starken griechisch-makedonischen Kultureinfluss. Es kam erst spät und halbherzig zu Aufständen. Als Oktavian/Augustus Ägypten unterwarf, kam ein römischer Kultureinfluss hinzu. Der östliche Mittelmeerraum bewahrte aber die griechische Kultur.


Sprachgeschichte

Das Koptische etablierte sich ungefähr mit der Christianisierung Ägyptens im 3. Jhd. n. Chr. Vorläufer dieser erwähnten sprachlichen Tendenzen gab es jedoch schon vorher.
Durch die Invasion der Araber wurde das Koptische über die Jahrhunderte immer mehr zurückgedrängt. In Oberägypten (also im Süden) überlebte es länger. Je nach Autor wird das Aussterben des Koptischen auf das 16. oder 17. Jhd. verlegt oder darauf hingewiesen, dass letzte Sprachrreste des Koptischen noch im 19. Jhd. existierten. Forscher konnten noch im frühen 20. Jhd. Menschen sprechen, die passiv koptische Begriffe verstanden. Noch heute benutzen koptische Christen das als lebende Sprache ausgestorbene Koptisch als Liturgiesprache.


Sprachstruktur

Das Koptische besitzt eine synthetische und z. T. isolierende Morphologie. Synthetisch bedeutet (nach August Wilhelm Schlegel), dass die grammatische Funktion eines Wortes IM Wort (durch Flexion) kenntlich gemacht wird.
Wenn man allerdings antikes "klassisches" Mittelägyptisch mit dem Koptischen vergleicht, sind dessen synthetische Anteile gegenüber den analytischen Anteilen reduziert. Es werden bisweilen Vergleiche zur Entwicklung des Lateinischen hin zu den romanischen Sprachen gezogen.
Die Wortstellung im Koptischen ist Subjekt-Verb-Objekt, also aus unserer Sicht "natürlich".
In Nominalphrasen steht der Kopf (Kern) voran. Kopf meint hier den "regierenden" Anteil eines zusammengesetzten Ausdrucks.
Es gibt im Koptischen Präpositionen.
Substantive werden nach Numerus und Genus flektiert, nicht aber nach Kasus.
Verben werden nach Tempus (Zeit), Aspekt (z. B. vollendeter und unvollendeter Aspekt), Aktionsart (Durativ, Punktuell, qualitative Funktionen), Modus (Aussageweise: Indikativ, Konjunktiv, Imperativ; Subjunktiv, Konditional) und der Opposition Affirmativ - Negativ flektiert.


(alp(h)a)

Ⲡ-Ⲧ-                                          einer, der ist
Ⲡ-Ϣ                                        Sohn, Kind


(béta, vita)

ⲃⲣ̄ⲣⲉ                                               neu

(gamma)


(dalda)


(ei)

ⲉⲃⲓⲏⲛ                                             elend, erbärmlich, miserabel

(sou [])


(zéta)


(éta)
 
ϩⲓ-                                                   und (bei Nomen ohne Artikel)
                                                        sonst:
                                                        ⲙⲛ̄- (mit best. oder unbest. Artikel(n))
                                                        ⲁⲅⲱ (mit oder ohne Artikel)
                                                        ⲛⲙ̄ⲙⲁ⸗ (mit persönlichem Suffix)

(théta)


(ióta)


(kappa)


(laula)
 

(mé)

Ⲧ-Ⲩ                                           Mutter


(né)


(k(s)i)


(ou)


(pi)




(ró)

ⲢⲈϤ-                                                (agential)
ⲡⲉ-ⲣⲡⲉ (ⲣ̄ⲡⲉ),                                 Tempel
ⲛⲉ-ⲣⲡⲏⲅⲉ


(sémma)


(tau, taw)




(he [u])


(p(h)i)


(k(h)i)


(p(s)i)


(ó)


Ϣ (sai
[ʃ])



Ϥ (fai)



Ϧ (hai [gehaucht])


Ϩ (hori)


Ϫ (janjia, dschandschia
[č, ḏ])


Ϭ (cima, tschima [
č, ki])


Ϯ (ti)


(psisense [])


QUELLEN:

Wikipedia
-
diverse Vokabellisten
Gespräche mit Ägyptologen und Koptologen


Samstag, 30. September 2023

DER POLITISCHE VERRAT (IN HISTORISCHER PERSPEKTIVE)

Der Dolch als Symbol des Verrates!
(bei den Römern neben dem geraden Dolch (pugio) auch der Krummdolch (sica))


Wikipedia definiert Verrat wie folgt: "Verrat ist ein besonders schwerer Bruch des Vertrauens, der die angenommene Loyalität verletzt." (01.10.2023)
Ein Verräter kann eine Person oder (s)eine Gruppe im Stich lassen oder Geheimnisse an andere Nutznießer verraten.
Eine differenzierte Verratstheorie wurde bis heute noch nicht ausformuliert.
Im deutschen Kulturraum beschäftigte sich Margret Antonie Boveri mit dem Thema Verrat - besonders in Hinblick auf das Stauffenberg-Attentat. Ihre eigene Biographie ist aber auch voller Widersprüche.

Das Grundwort von verraten ist "raten".
Aber gehen wir schrittweise vor...

In der Soziologie und in der Verhaltensbiologie (Ethologie) lernt man, dass der Mensch gerne Gruppen bildet. Diese Gruppen bilden sich meist entlang von Gemeinsamkeiten (Homogenitäten, gemeinsamen Merkmalen) oder Ähnlichkeiten:
  • kulturelle Gemeinsamkeiten
  • ähnliche wirtschaftliche Interessen
  • politische Gemeinsamkeiten
  • sexuelle Gemeinsamkeiten
  • usw.
Diese Tendenz zur Gruppenbildung mag gesellschaftlich und/oder biologisch bedingt sein. Früher war das Thema "nature vs. nurture" ein beliebtes Streitthema.
Wie dem auch sei: Durch Gruppenbildung wird eine Gruppenidentität geschaffen, die sich auch auf die Psyche/das Bewusstsein des Einzelnen auswirkt.
Gleichzeitig kommt es immer wieder vor, dass ein Mensch seine Gruppenzugehörigkeit wechselt. Das mag als friedlicher Wechsel vorkommen oder eben als offener oder verdeckter Verrat. Ein Gruppenwechsel kann also friedlich oder destruktiv sein.
Verrat hängt häufig mit Gruppenzugehörigkeiten zusammen, kann aber auch auf rein individueller Ebene erfolgen.
 
Verrat mag viele Motive haben, die einzeln oder vermischt wirken:
  • wechselnde Überzeugungen
  • materielle Interessen
  • Rachegelüste
  • Spaß am Verrat selber
  • Erpressung zum Verrat
Solche verräterischen "Seitenwechsel" kommen in der Geschichte öfter vor als man denkt.
Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie oft und wie extrem ein verräterischer Gruppenwechsel vorkommt.
Neben modellartigen Analysen sollte man auch historische-empirische Tatsachen als Beispiele für Verrat nennen. Die Geschichte selbst kann quasi als "empirische Fundgrube" und "Alltagslabor" gesehen und benutzt werden.


1. Alexander der Große:

Alexander der Große hat nach dem Tod seines Vaters Philipp II. im Jahre 336 v. Chr. das makedonische Königtum übernommen. Und mit ihm den Plan, das Perserreich zu erobern und damit gleichzeitig die zerstrittenen Griechenstaaten zu einigen. (Es ist nicht ganz klar, ob sein Vater das ganze Perserreich erobern wollte. Und es ist auch nicht klar, ob hinter der Ermordung Philipps II. durch Pausanias nicht Alexanders Mutter Olympias stand oder sogar Alexander selbst. Denn Philipp II. hatte eine neue Frau geheiratet und die war schwanger, so dass die Thronfolge des "Halbmakedonen" Alexander gefährdet war.)

Als Alexander der Große 323 v. Chr. starb, ahnte er schon auf dem Sterbebett, dass sich nur der Stärkste (kratistos) unter seinen Feldherren durchsetzen würde und dass seine Totenfeiern interessant werden würden. Um Alexanders Tod selber ranken sich viele Theorien. Er starb auf einem Trinkgelage in Babylon. Es ist aber nicht klar, ob an Alkoholkonsum, allgemeiner Erschöpfung, einer Infektionskrankheit, einer sonstigen Krankheit oder an Gift. Fakt ist aber, dass er auf Druck seiner Mutter Olympias gerade die Antipatriden (Antipater und seine Söhne) entmachten wollte und der Antipatride Iolaos sein Mundschenk - auch beim Trinkgelage - war.
So kam es dann auch. Die Diadochen (Nachfolger), die eben noch an der Seite Alexanders des Großen gegen die Perser zu Felde gezogen sind, bekämpften sich plötzlich gegenseitig. Am Anfang ging es auch darum, ob man die Einheit des Reiches behalten sollte oder nicht. Dieser Gedanke trat immer mehr zurück, als sich die Partikulargewalten durchsetzten und sich die überlebenden Diadochen zum König ausriefen lassen. Aus der Herrscherfamilie Alexanders des Großen wurden in diesen Kämpfen alle wesentlichen Mitglieder ermordet.


2. Die Catilinarische Verschwörung und das Ende der Republik:

Im 1. Jhd. v. Chr. "schwächelte" die Römische Republik (res publica) deutlich.
Die Verfassung Roms war ursprünglich für eine Stadt gedacht. Jetzt musste sie durch die Eroberungen ein immer größeres Gebiet einbeziehen. Gleichzeitig nahm die soziale Ungleichheit immer mehr zu.
Berühmt sind die Machtkämpfe zwischen Optimaten und Popularen.
Im Jahre 63 v. Chr. zeigten sich die Schwächen des Systems erneut. Der Senator Lucius Sergius Catilina versuchte, die Macht in Rom an sich zu reißen - letztendlich vergeblich. Aber das Staatsschiff wankte bereits. Einige Jahrzehnte später sollte es im Kampf zwischen Verteidigern der Republik und Triumviraten (Dreimännerkollegien) und schließlich im Kampf der Triumvirn untereinander untergehen und die Macht an Gaius Octavi(an)us "Augustus" übergehen.
Aber so weit war es 63 noch nicht. Der Historiker und Politiker Gaius Sallustius Crispus beschrieb in seiner "Catillinarischen Verschwörung" ("Coniuratio Catillinae"), wie Catillina zusammen mit einem Netzwerk von Mitverschwörern den Consol Cicero ermorden und die Republik stürzen wollte.
Im Abschnitt 5 schreibt Sallust:
"Catillina fuit magna vi et animi et corporis, sed ingenio malo pravoque."
"Catillina besaß eine große geistige und körperliche Kraft", aber eine schlechte und verderbliche Veranlagung."
Hier geht es aber nicht um Catillina allein, der es u. a. nicht verkraftet hat, dass seine Bewerbung um das Konsulat nicht von Erfolg gekrönt war, sondern um die vielen Mitverschwörer, die "res novae" (eigentlich "neue Dinge", gemeint ist aber "Umsturz") haben wollten.
Es ist auffällig, dass der junge Gaius Iulius Caesar bei der Behandlung der besiegten Catilinarier sehr für Milde plädierte. Es ist bis heute nicht klar, ob er in die Verschwörung eingeweiht oder sogar aktiv an ihr beteiligt war.


3. Die Amerikanische Revolution:

Bei der Amerikanischen Revolution, also der Unabhängigkeitserklärung einiger der meist britischen, irischen, deutschen oder skandinavischen Siedler Nordamerikas, kam es auch häufig zu Verrat.
Eigentlich ist die Revolution an sich ein Verrat, auch wenn sie jetzt als "historisch erledigt" gilt.

Der Grund: Kurz vorher fand der French and Indian War statt, von vielen als Ausläufer des Siebenjährigen Krieges in Europa gesehen. Einige Historiker sehen die Kriege davor mit diesem als eine Reihe von French and Indian Wars.
Bei diesen Kriegen ging es, wie der Name sagt, darum, dass sich britische und französische Kolonialinteressen in Teilen Nordamerikas kreuzten und es zu Showdowns kommen "musste".
Viele Indianerstämme kämpften auf der Seite der Franzosen, einige auch (Irokesen) auf britischer Seite.

Während der French and Indian Wars, von denen gerade der letzte nur kurz vor der Unabhängigkeitserklärung stattfand, kämpften die regulären britischen Truppen und die Siedler noch Seit an Seit. Kaum jemand wäre auf die Idee gekommen, die britischen Truppen als Besatzungstruppen zu sehen oder gar zu bekämpfen. So ist die Unabhängigkeitserklärung wenig später recht seltsam, auch wenn es um erhebliche Zollstreitigkeiten ging.
Und George Washington, der plötzlich als Anführer der "freiheitsliebenden Patrioten" galt, war eigentlich ein britischer Offizier, der die Seiten gewechselt hat.

Wenn man die historischen Quellen genau betrachtet, waren auch längst nicht alle Siedler für die Unabhängigkeit von der britischen Krone. Es gab Neutrale/Unentschlossene. Es gab aber auch "Loyalisten", die sich weiterhin zur Krone bekannten und sogar für diese kämpften. Da sie aber in vielen Regionen den aggressiven Patriots unterlegen waren, flohen viele nach Boston, wo die Briten ihren Hauptstützpunkt hatten, oder nach Süden.

Nach der Niederlage akzeptierten einige Loyalisten den neuen Status quo, andere flohen ins weiterhin britische Canada oder wieder nach Süden.
Umgekehrt gab es in Canada auch Anhänger der Idee einer Loslösung von der britischen Krone. Man nimmt aber an, dass die freundschaftlichen Wirtschaftsbeziehungen zum Mutterland und zähe Grenzkonflikte zu den entstehenden USA dabei halfen, diese Idee wieder unter Kontrolle zu bekommen.


4. Die Französische Revolution:

Während der Französischen Revolution kam es oft zum Verrat.
Wie so oft bei einem gewaltsamen Regimewechsel, versuchten die Revolutionäre den Geschichtsverlauf so darzustellen, als ob durch die Revolution ein grausames "Ancien Régime" (Altes Regime) durch ein moralisch integres Neues Regime ersetzt worden sei.
Fakt ist aber, dass dem einmal nicht immer so ist und dass zweitens selbst viele Revolutionäre ihre frühe Biographie noch im Ancien Regime hatten. Außerdem ist oft auch das Neue Regime in Gefahr, so dass "taktisch kluge" (aber prinzipienlose Akteure) einmal oder mehrfach die Seiten wechseln.

In Bezug auf die Französische Revolution sind folgende Anmerkungen wichtig:
  • Revolutionäre betonen immer den Bruch durch die Revolution, also die Diskontinuität.
    In Wirklichkeit gibt es daneben aber auch eine Kontinuität.
  • Das Ancien Régime (Monarchie) war bestrebt, Frankreich zu einigen, um das Chaos der inneren Zerrissenheit im Hundertjährigen Krieg gegen Großbritannien nicht zu wiederholen.
    Die Revolution hat diese Einheitsbemühungen aber noch verstärkt.
    Die Gouvernements wurden aufgelöst und durch (schwächere) Departements ersetzt.
    Das Standardfranzösische wurde ebenso gegenüber französischen oder romanischen Sprachen/Dialekten und nichtfranzösischen Sprachen durchgesetzt.
Eine besondere Rolle in den Wirren der Revolution hatte Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord.
Er war zwar eigentlich Monarchist, kam aber in fast jedem "Zwischenregime" dieser Umbruchszeit gut weg.
Ein ähnliches Spiel versuchte Joseph Fouché, scheiterte aber nach der erneuten Niederlage Napoleons bei Waterloo (nach der Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig) mit seinem erneuten Überlaufversuch zu den Monarchisten und wurde 1815 entlassen. (Fouché hatte während der Revolution noch die Hinrichtung Ludwigs XVI. unterstützt und galt deshalb bei den Anhängern der Monarchie als Königsmörder bzw. régicide).

Bei der Nachwirkung der Revolution ist auch festzuhalten, dass sie von vielen falsch gesehen wurde:
Das "andere Frankreich", das sich nicht zur Republik bekannte, war noch lange nicht tot.
Schon nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo wurde die Monarchie restauriert. Sie hielt zwar nur 15 Jahre, aber in Frankreich gab es lange erhebliche Teile der Bevölkerung, die katholisch-royalistisch und nicht republikanisch gesinnt waren. Insbesondere in der Diplomatie blieb lange der Adel stark.
Zu diesen Monarchisten und Bonapartisten auf der Rechten gesellten sich nach dem Ersten Weltkrieg noch Faschisten, die oft - ähnlich wie Mussolini - sozialistische und ultranationalistische Ideen verknüpften.


5. Die Russische Revolution:

Ein weiterer Ort des munteren Seitenwechsels war die Russische Revolution.
Eigentlich gab es aus Unzufriedenheit über den sich in die Länge ziehenden Ersten Weltkriegs überall in Europa revolutionär-sozialistische ("rote") Tendenzen.
Allein das ist schon ein Verrat - gemessen an der alten Linie.
Viele, die 1914 noch im nationalistischen Taumel "Hurra!" schrien, waren 1917/18 plötzlich anti-nationalistisch, sozialistisch und internationalistisch gesinnt.

In Russland ging das so weit, dass sogar Generäle der Zarenarmee plötzlich den Sozialisten in sich entdeckten und den Treueeid brachen.
Menschen wie Lenin waren zwar schon vor dem Weltkrieg revolutionär. Aber die Ochrana, der zaristische Geheimdienst, sah sie nicht als große Gefahr an. Viel stärker waren damals Narodniki ("Volkstümler", vielleicht Linksnationalisten) und Anarchisten, die überhaupt im 19. Jhd. das größere revolutionäre Potenzial hatten als die Kommunisten und noch im spanischen Bürgerkrieg eine Rolle spielen sollten.

In Russland waren 1917 der Hunger und die Verluste so groß, dass besonders nach gescheiterten Westoffensiven die Stimmung "am Kippen" war. Der erste Ansatz einer Revolution war aber noch nicht kommunistisch. Erst als deutsche Geheimdienste Lenin im versiegelten Eisenbahnwaggon nach Finnland fahren ließen und ihn gleichzeitig mit einer großen Geldsumme ausstatteten, kippte die Stimmung ins Kommunistische bzw. Bolschewistische.
Die revolutionären Handlungen waren dann gar nicht so spektakulär, wie es später im Film dargestellt wurde. Brutal war vielmehr der daraufhin folgende russische Bürgerkrieg, der im Kern bis 1921 dauerte. Kriegsparteien waren die Rote Armee, die Weiße Armee, Warlords, Anarchisten und einfache Kriminelle.

Interessant sind auch hier wieder die Wendungen: Während die Weiße Armee das Ziel hatte, Russland groß, einig und stark zu erhalten, erreichte die Rote Armee genau dieses Ziel.
Dafür schraubten Lenin und Trotzki und später Stalin viele Freiheitsrechte, die es in der frühen Revolutionszeit noch gegeben hatte, auf nahe 0 herunter.
Insbesondere das Verständnis für Belange nichtrussischer Nationalitäten, das Lenin vor der Revolution in der Hoffnung auf Unterstützung für seine Sache noch gezeigt hatte, war jetzt hinüber.
In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass die "Roten Zaren" die Russifizierungspolitik der gestürzten Zaren fortgesetzt haben.


6. Der national-sozialistische Expansionskrieg:

In der Geschichtsschreibung stellt man es oft so dar, als ob Hitler ab 1939 fast alle Länder Europas überfallen hätte. Man erwähnt vielleicht noch, dass er Verbündete wie Italien oder bedingt Japan hatte.
Was man nicht sagt, ist, dass er viel mehr Verbündete hatte und dass es in vielen überfallenen Ländern ein erhebliches Ausmaß an Kollaboration gab. Neben der Unterstützung für die Verwaltung kämpften viele Kollaborateure in der Waffen-SS mit, die sich im Kriegsverlauf in Richtung einer europäischen Armee wandelte.
Nach 1945 galten diese Kämpfer als Verräter. Viele wurden einer harten Strafverfolgung unterzogen.
Einige aber, die nützlich waren oder gute Beziehungen besaßen, kamen fast ungeschoren davon.
Die Kollaborateure sahen sich meist selber nicht als Verräter, sondern z. B. als Antikommunisten, Paneuropäer/Euronationalisten oder auch als Antiamerikanisten.
Anhänger des französischen Kollaborateurs Doriot warfen Franzosen, die auf Seiten der Westalliierten kämpften, selber einen Kampf für fremde Mächte vor.

  • In Frankreich entschloss sich 1940 die große Mehrheit der Nationalversammlung (Assemblé nationale), den aus dem Ersten Weltkrieg populären Philippe Pétain zurückzuholen. Pétain war bereits in Richtung Ruhestand unterwegs.
    Als sich der Wind 1944/45 drehte, bewies Frankreich ein kurzes Gedächtnis: Pétain galt nun als Verbrecher. Ihm wurde der Prozess gemacht und er sollte hingerichtet werden. Dann wurde er zur Festungshaft verurteilt und starb dort.
    Die Hauptverbrechen des Vichy-Regimes liegen entsprechend nicht in der partiellen Kollaboration - man nahm nämlich auch französische Interessen wahr. Die Hauptverbrechen des Regimes liegen in den Deportationen.
    Im Krieg kämpften Franzosen in Wehrmacht und Waffen-SS. Ein berühmtes Beispiel ist die SS-Brigade und spätere SS-Divison Charlemagne.
  • In den Ländern, die man heute Benelux nennt, war die Kollaboration ebenfalls hoch.
  • In Norwegen unterstützten viele Vidkun Quisling. Trotzdem wurde dieser später als Verräter betrachtet und wie einige andere Kollaborateure hingerichtet.
  • In der Ukraine gab es eine erhebliche Kollaboration, weil unter Stalin in den 1930ern mehr als 3 Mio. Ukrainer verhungert sind (heute als "Holodomor" bezeichnet). Außerdem ließ der sowjetische Geheimdienst NKWD vor seinem Abzug in den Gefängnissen viele Gefangene massakrieren.
    Heute wird dieses Thema benutzt, um die Ukraine als "faschistischen Staat" darzustellen. Man vergisst dabei aber 1. die vorausgegangenen Massaker an Ukrainern und 2. die Tatsache, dass es auch eine russische Kollaboration gab.
  • In Russland waren nicht alle Menschen am Widerstand gegen Hitler beteiligt, auch wenn das in der Sowjetzeit in Schulbüchern und auf öffentlichen Feiern so verkündet wurde.
    In Russland gab es diverse Kollaborateure, die durch den Rückzug des Stalinismus eine Renationalisierung des Landes gekommen sahen. Auf deutscher Seite kämpften in der Wehrmacht die Anhänger General Andrej Wlassows in der "Russischen Befreiungsarmee" (ROA; auch "Wlassow-Armee"), in der SS unter Bronislaw Kaminski die "Waffen-Sturm-Brigade" (RONA; auch "Kaminski-Brigade"), deren Umwandlung in eine Waffen-Grenadier-Division nicht mehr gelang.
  • Auf dem Balkan gab es erhebliche Kollaboration in der ehemaligen Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, dem ehemaligen SHS-Staat (späteres Yugoslawien) und in Bulgarien.
  • Über den Grad der Kollaboration in Griechenland wird gestritten. Sicher ist aber, dass es sie gab.

7. Die chinesischen Revolutionen des 20. Jhd.:

Nicht nur in Frankreich oder Russland kam es zu Revolutionen und Regimewechseln, sondern auch in China - und zwar reichlich!
  • 1912 kam es zu einer Revolution gegen die Mandschuh-Herrschaft (Qing-Dynastie).
    Die Mandschu galten als Fremdherrscher und als reformunfähig.
    Nicht gesagt wird aber, dass es viele chinesische Kollaborateure der Qing gegeben hat und dass China unter den immer mehr assimilierten (sinisierten) Manschu seine größte Ausdehnung erreicht hatte. Die Mandschu wollte man vielleicht nicht, ihre territoriale Ausdehnung aber schon.
    Viele Anhänger der Revolution waren früher sogar in Diensten der Mandschu.
  • In der Zwischenkriegszeit versuchte die Guomindang, China militärisch zu einigen. Das Land war inzwischen aber in Einflussbereiche der Warlords zerfallen. Ärger machten auch die seit 1921 bestehnden Kommunisten.
    Tschiang Kai-shek arbeitete bei der Bekämpfung der Kommunisten in Städten wie Shanghai mit der Organisierten Kriminalität (Triaden) zusammen. Die Kommunisten auf dem Land wollte er in mehreren Umfassungsbewegungen erledigen, was aber durch kommunistische Fluchtkampagnen und Maos langen Marsch knapp misslang.
  • Im Zweiten Weltkrieg wurde die Guomindang durch die 1932 in die Mandschurei und ab 1937 ins chinesische Kernland eindringenden japanischen Truppen empfindlich geschwächt.
    Die Kommunisten erholten sich dagegen mit russischer Hilfe im nicht von Japan besetzten Hinterland. So konnten sie nach dem Rückzug der Japaner 1945 "erholt" die Mandschurei angreifen und danach ganz China einnehmen. Dabei schlossen sie die zu passiv agierenden nationalchinesischen Verbände der GMD in den großen Städten ein und betrieben eine rücksichtslose Aushungerungstaktik, in denen auch viele "Arbeiter und Bauern" starben, für die die Kommunisten eigentlich zu kämpfen vorgaben.
    Die kommunistische Propaganda verdrehte dann nach dem Sieg 1949 die geschichtlichen Tatsachen und stellte es so hin, als ob die Guomindang im Gegensatz zur KP nicht richtig gegen die Japaner gekämpft habe.
  • Mao Zedong hatte während des Bürgerkriegs den ethnischen Minderheiten noch - ähnlich wie Lenin - Unabhängigkeit oder Autonomie versprochen. Nach seinem Sieg 1949 konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Er lud Vertreter der Uighuren zu Gesprächen nach Peking ein, wobei aber deren Flugzeuge abstürzten. Es ist bis heute nicht klar, ob es sich um Unfälle handelte oder ob Mao nachhelfen ließ. Auch Tibet wurde immer stärker in Pekings/Beijings Zangengriff genommen.

8. Die Entkolonialisierungskriege:

Heute werden die Entkolonialisierungskriege so dargestellt, als hätten sich unterdrückte Kolonialvölker entschlossen, sich gegen ihr Joch zu erheben.
Das war teilweise so, aber auch nur teilweise.
  • Der indische Aktivist Mahatma Gandhi war zunächst nicht gegen, sondern für das britische Empire. Er wollte nur, dass die Inder darin mit den Briten gleichgestellt wurden.
    So unterstützte er auch den brutalen Burenkrieg in Südafrika.
    Seine spätere politische Linie fand er erst allmählich.
    Und trotz seines Engagements gegen Armut und Unterdrückung hielt er weitgehend am Kastenwesen fest.
  • Wenn man britische Kolonien wie Indien oder Teile Afrikas befreien will, muss man wissen, wie dort die Rechte von Minderheiten garantiert werden können. Es ist gefährlich, wenn sich ein Kolonialvolk befreit, aber dann andere Kolonialvölker unterdrückt.
  • In den französischen Kolonien in Indochina (1945/46 - 1954) und Nordwestafrika (1954 - 1962) kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu Kolonialaufständen.
    In Indochina kämpften die Einheimischen um ihre legitimen Freiheitsrechte. Man darf aber nicht vergessen, dass es auch unter den Unterdrückten Hierarchien gab. So hatten viele Bergstämme Probleme mit der Loslösung von Frankreich, weil sie dann eine Unterdrückung durch Südostasiaten befürchteten.
    In Nordwestafrika ist es so, dass sich zwar die FLN gegen die französische Oppression einsetzte, aber dann gleichzeitig auch Konkurrenten aus dem algerischen Lager umbrachte.
    Außerdem gibt es eine logische Inkonsitenz: Der Antikolonialismus und Antiimperialismus der FLN war nur ein halber.
    Begründung: Die Algerier sind im Kern Berber, die zuerst durch die Araber (ab 7. Jhd. n. Chr.) kolonialisiert wurden und dann durch die Franzosen (frühes 19. Jhd.). Es ist daher unlogisch, nur die französische Kolonialisierung rückgängig zu machen und sich dann als Araber zu definieren.
    Araber waren früher auf der arabischen Halbinsel beheimatet und nicht in Nordafrika.
  • Viele Entkolonialisierungsbewegungen wurden von der sich als sozialistisch betrachtenden Sowjetunion unterstütz. Das ist seltsam:
    Man wirft den Briten Kolonialismus vor und den Franzosen und fordert die Revision der Kolonialisierung.
    Aber wie steht es denn mit der eigenen Kolonialgeschichte? Schließlich hat die SU das einstige Russische Reich territorial fortgesetzt und die Russifizierung weiter vorangetrieben.

 9. Die Islamische Revolution im Iran:

Eine Revolution, die auch viel mit Verrat und Manipulation zu tun hat, ist die im Iran in den Jahren 1978/79.
Im Iran herrschte damals der Schah, also ein Monarch. Seine Herrschaft war nicht unumstritten: Er stand im inneriranischen Machtkampf der 1950er-Jahre gegen Mossadegh, pflegte eine aufwändige Hofhaltung, rüstete die Armee massiv auf (allerdings auch in Anbetracht der Tatsache, dass sein Land vorher ein Spielball ausländischer Mächte wie GB und Russland/Sowjetunion war).
Der Schah setzte durchaus auch auf Modernisierungen, die aber als sehr technokratisch galten. Seine Weiße Revolution sollte soziale Ungerechtigkeiten etwas abmildern, galt aber als halbherzig.

Dagegen entwickelte sich eine Oppisition: Diese bestand aus Linken, Linksnationalisten und Islamisten.
Der Geheimdienst SAVAK war bemüht, diese Opposition unten zu halten.
Hier entstand ein Problem: Die Linken, die anfänglich die Opposition dominierten (man denke auch an die '68er-Proteste gegen den Schahbesuch in Berlin), konnten zwar durch Repressionsmaßnahmen unten gehalten werden. Dadurch gelang es aber der religiös-islamistischen Opposition, sich auf den Unmut draufzusetzen und innerhalb der Moscheen relgiöse Widerstandsnester aufzubauen.
Der Schah züchtete sich sozusagen eine starke Opposition heran. Diese wurde noch dadurch verstärkt, dass durch die Weiße Revolution viele junge Iraner die ländlichen Gebiete Irans verließen und um die Hauptstadt Teheran herum ein revolutioniäres Potenzial zu bilden begannen.

Die Haltung der iranischen Geistlichkeit ist sehr ambivalent. Einige Geistliche lehnten zunächst Einmischungen in die Politik ab. Andere dagegen, darunter Ayatollah Chomeini, mischten sich ein, lehnten aber zunächst die Weiße Revolution des Schahs ab, um ihm dann vorzuwerfen, er habe nicht genug für die Armen getan.
Die Interessen des Klerus waren durchaus zwielichtig: Es ging ihm nicht nur um soziale Gerechtigkeit. Er wollte vielmehr verhindern, dass ihm durch die Weiße Revolution zuviel Besitz verloren ging. Und er wollte verhindern, dass er durch die technokratische Modernisierung des Schah zu sehr an tradiertem Einfluss verlor.

Chomeini konnte sich zum Anführer der Revolution machen, ohne dass viele Iraner genau wussten, wie sein Programm war. Er konnte aber aufgrund seines Charismas die Oppositon vordergründig einigen.
Eine wichtige Rolle spielte die Tatsache, dass seine Leute während seines Exils im Irak viele Tonkassetten in den Iran einschmuggelten, was damals als "neues Medium" galt.
Als er dann in Frankreich widerwillig ins nächste Exil ging, stellte sich das mediale Potenzial des nichtislamischen Gastlandes als phänomenal heraus.

Ein wichtiger Faktor war, dass die religiösen Hardliner Anschläge auf Kinos verübten, die als Kern westlicher Propaganda galten. Bei einem Brandanschlag auf das Cinema Rex in Abijan, einer recht wohlhabenden Gegend, in der viele Arbeiter noch schahtreu waren, starben aufgrund der einfachen Bauweise des Kinos rund 400 Menschen. Der Anschlag war höchstwahrscheinlich islamistisch motiviert, wurde aber zusätzlich noch dem Schahregime in die Schuhe geschoben.

So konnte es passieren, dass der Schah, der Anfang der 1970er-Jahre noch kraftstrotzende Paraden mit Kämpfern in modernen und historischen Uniformen abhielt, von Ende 1977 bis 1979 in recht kurzer Zeit gestürzt werden konnte. Der Schah floh ins Exil, Chomeini kehrte in einem Passagierflugzeug nach Teheran zurück - begleitet von internationalen Journalisten (einschließlich Peter Scholl-Latour), die sicherstellen sollten, dass das Flugzeug nicht abgeschossen würde und die sich nach anfänglichen Straßenkämpfen als neutral erklärenden Armeeführer wurden hingerichtet.
Einige Geheimdienstler des SAVAK wurden ebenfalls hingerichtet, doch dann merkte man, dass man die Erkenntnisse des Dienstes im heraufziehenden Kampf gegen den Irak Saddam Husseins benötigen würde.