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Sonntag, 20. Oktober 2013

HARALD SCHMIDT



Harald Schmidt wurde am 17. oder 18.08.1957 in Neu-Ulm geboren. Er ist deutscher Multi-Entertainer, der mit Schauspiel, Kabarett, Journalismus, Moderation und dann mit Comedy sein Geld verdient hat.


Kindheit und Jugend

Schmidt stammt aus einer Familie von Heimatvertriebenen aus Böhmen und Mähren und wuchs im schwäbischen Nürtingen auf. Seine Familie war katholisch und er war früh bei den katholischen St.-Georgs-Pfadfindern aktiv. Später sollte er Klavier spielen lernen und bekam das Angebot/die Verpflichtung, auch in der Kirche als Organist zu spielen.
Als Schüler war Schmidt zunächst gut, dann aber durch eine rebellische Haltung gegenüber Schule und Elternhaus und den damaligen Zeitgeist nach 1968 sehr schlecht. Besonders Naturwissenschaften lagen ihm nicht, aber auch sportlich war er nicht gut. Schmidts kritische Haltung zu Lehrern und einigen Mitschülern führte dazu, daß zu einer späteren Sendung "Klassentreffen" (Moderation: Wim Thoelke) während seiner TV-Karriere fast niemand kommen wollte. Schmidt meinte dazu gegenüber Sandra Maischberger: "Das war das erste Mal in der Geschichte der Sendung, daß das Bühnenbild zusammengeschoben werden musste, damit das kleiner aussieht!"
Er blieb wiederholt sitzen und machte sein Abitur am Hölderlin Gymnasium u. a. in Französisch, wo er nicht wusste, was rez-de-chaussée heisst (Erdgeschoss). Nach dem Abitur war er froh, dass die Schule "rum" war und er pinkelte mit seinen Kumpels in den schuleigenen Briefkasten.
In der Schule war Schmidt allerdings in ausserunterrichtlichen Aktivitäten vorne dabei. Seine Defizite im akademischen und sportlichen Bereich glich er durch Entertainerqualitäten aus.


Schauspielausbildung und Kabarett

Schmidt leistete danach seinen Zivildienst ab, weil er keinen Bock auf die Bundeswehr hatte und politisch links eingestellt war. Danach ging er gegen den Willen seiner Eltern auf die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Harald Schmidt war zunächst als Schauspieler in Stuttgart bis 1981 mittelmässig erfolgreich und wechselte dann nach Augsburg, wo er v. a. Kindertheater machte und bis 1984 tätig war.
Parallel zu seiner schauspielerischen Tätigkeit bewarb er sich bei der Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg und bei verschiedenen Kabaretts. Bei der Henri-Nannen-Schule glänzte er durch eine gute Allgemeinbildung, kam aber trotzdem nicht zu einem Ausbildungsplatz (1983). Möglicherweise ist das der Grund, warum er den Gruner+Jahr-Verlag später in seinem Kabarettprogramm als "Nervenheilanstalt" bezeichnete.
Kabarettistisch knüpfte Schmidt 1984 Kontakte zum Düsseldorfer Kom(m)ödchen unter Kay und Lore Lorentz. Am Anfang war Kai Lorentz von Schmidts Darbietungen nicht sehr überzeugt. Schmidt seinerseits begann, die damalige linke Kulturszene zu hinterfragen, weil er sie als nur vordergründig kritisch, in Wirklichkeit aber als elitär und besserwisserisch empfand. Schmidt blieb dort trotzdem bis 1989.
Schmidt entwarf Soloprogramme wie "Ich hab' schon wieder überzogen (1985)", "Überstehen ist alles (1988)" und "Schmidtgift" (1992). Auch in diesen Programmen zeigte sich eine leichte politische Kehrtwende. Während er Anfangs noch auf sog. Zeitgeistthemen der 1980er einging wie Waldsterben oder Bankenkritik, so machte er sich spätestens ab 1990 über die linken Gesellschaftskritiker selbst lustig. Gerade in "Schmidtgift" verarscht er Atomkraftgegner und Zukunftspessimisten und provoziert schon mit Nazianspielungen, was später sein Markenzeichen werden sollte.
Dieser Gesinnungswechsel kam nicht bei allen gut an. Sein ehemaliger Schauspielkollege Peter Reinwarth (Buch: "Wer ist Harald Schmidt?") bewertete es negativ, dass Schmidt seine anfängliche spontane und sozialkritische Witzigkeit mit zunehmender Anbiederung an den Kommerz eingebüsst habe. Reinwarths Kritiker wiederum werfen ihm Neid auf den kommerziell erfolgreicheren Ex-Kollegen vor.
Parallel arbeitete er gelegentlich für Zeitungen und Zeitschriften und knüpfte Kontakte zum Fernsehen. Anfänglich wollte er damit seine Kabarettkarriere vorantreiben, fand dann aber Gefallen am Fernsehen.


Fernsehkarriere bei der ARD

Schmidt begann 1988 beim SFB mit der Sendung "MAZ ab!", die schon 1989 ins Programm der ARD kam. 1990 moderierte er beim WDR die Rateshow "Pssst..." und "Schmidteinander". Schmidteinander war eine frühe Comedyshow mit Herbert Feuerstein. Beide Shows kamen Mitte der 90er-Jahre auch ins Programm der ARD. Angeblich soll Herbert Feuerstein ihn anfangs zu der Show überredet haben, obwohl Shows dieser Art nachher mit Schmidt identifiziert wurden.



Schmidteinander kann als ein früher Erfolg Harald Schmidts und Herbert Feuersteins gesehen werden. Die Show erhielt bald ihre feste Anhängerschaft. Schmidt machte Witze, lästerte über Zeitungsartikel und ludt diverse Gäste ein. Gäste waren u. a. Franziska van Almsick, Christiane Backer, Rudi Carrell, Elke Heidenreich, Jörg Kachelmann, Dieter Krebs, Jürgen von der Lippe, Uwe Ochsenknecht, Jean Pütz, Heinz Schenk, Helge Schneider, Helmut Thoma, Roger Willemsen und Konsul Weyer.
Schmidts kleiner Partner Feuerstein hatte oft die Rolle eines geistigen Fussabtreters. Beide spielten gerne Sketche und machten sich darin auch über Sprichwörter lustig. Dabei entstanden auch feste Sketchreihen wie Peer Theer, Feuerstein & Fozzi-Bär, Superstein - Retter der Hausfrauen, Oma Sharif und Familie Lucky.
Harald Schmidt bewies hier auch früh, dass er in der Lage war, die komischen Seiten des Schulunterrichtes für das Fernsehen aufzuarbeiten.
Künstlerische Begleitung erhielt die Sendung durch die "Schmidteinander Hupfdolls".

Zwischendurch moderierte Schmidt von Ende 1992 bis Anfang 1993 auch die ARD-Show "Gala!" von Radio Bremen.
Ein grösseres Projekt war von 1992 bis 1995 die Sendung "Verstehen Sie Spass?" in Nachfolge von Paola und Kurt Felix. Diese Sendung war für Schmidt anfangs ein Erfolg, allerdings funktionierte er sie zu einer auf sich zugeschnittenen Comedy-Show um, was beim Samstagabend-Publikum nur bedingt ankam.


Wechsel zu Sat.1



Nach dem Abkühlen des Klimas hatte Harald Schmidt keine Lust mehr auf die ARD und bekam glücklicherweise über Gottschalks Vermittlung Kontakte zu Leo Kirch und damit zu Sat.1. So konnte er sich vor einem Absturz retten. Überbrückungsweise ging er nochmal mit seinem Kabarettprogramm "Schmidtgift" auf Tournee.
Die Harald-Schmidt-Show bei Sat.1 sollte für Schmidt zu einer grossen Erfolgsphase werden, obwohl sie anfangs unter schärfster Kritik stand. Schmidt provozierte von Anfang an auf Teufel komm heraus. Sie lief vom 05.12.1995 bis zum 23.12.2003. Besonders seine Polenwitze (Thema: Autodiebstahl) erregten Anstoß und brachten ihm den Namen "Dirty Harry" ein. Interessant ist, dass Schmidt zuerst kritisiert wurde, aber dann, als er sich wider Erwarten doch bei Sat.1 halten konnte, imitiert wurde. Die 1990er-Jahre galten in Deutschland als Boomjahre der Comedy. Ein Beispiel wäre RTL Samstag Nacht.
Produziert wurde die Show zunächst von Brainpool und fand im Kölner Capitol statt und dann von Schmidts eigener Firma Bonito im Studio 449 in Köln-Mühlheim.
Harald Schmidt baute seine Show so auf, dass zuerst eine Witzestaffel abgefeuert wurde und dann Gäste eingeladen wurden. Zwischendurch brachte er kreative Einlagen. Er stellte beispielsweise historische Geschehnisse mit Playmobil nach oder ging zur Moderation plötzlich nach draußen. Ausserdem gab es Sendungen, die nur auf Französisch oder nur mit dem Rücken zur Wand geschahen.
Harald Schmidt beleidigte regelmässig bestimmte Ethnien, Randgruppen oder Einzelpersonen. Beliebte Opfer waren Bettina Böttinger oder Susan Stahnke.
In frühen Shows traten auch Figuren wie sein Fahrer Üzgür oder ein Pamela-Anderson-Double auf. Später verstritt sich Schmidt mit beiden.
Wichtige Verantwortliche bei der Gestaltung der Show waren Manuel Andrack, der später Schmidts Sidekick wurde und Peter Rütten. Für die Musik war Helmut Zerlett mit seiner Band zuständig.


Die Antike nach Schmidt

Anlässlich einer Sondersendung zum Amoklauf von Erfurt im Jahre 2002 geriet Harald Schmidt in einen starken Konflikt mit Johannes B. Kerner. Er kritisierte Kerners angeblich sensationslüsternes Interview mit einem elfjährigen Augenzeugen. Allerdings machte Schmidt aus seiner Abneigung gegen Kerner auch in der Folgezeit einen jahrelang andauernden Kult, was ihm wiederum Kritik einbrachte, er würde sich in eine solche feindliche Haltung hineinsteigern.


Rückwechsel zur Mutter ARD



Gegen Ende 2003 gab Harald Schmidt bekannt, zum neuen Jahr eine "kreative Pause" einzulegen. Über die Ursachen wurde viel spekuliert. Noch kurz zuvor sollte Harald Schmidt eine Show in der Woche mehr bekommen. Bei der Probeaufzeichnung einer Sendung soll er auch kurz zuvor gesagt haben, auch 2004 seine Show noch moderieren zu wollen.
Die ProSiebenSat.1 Media AG war kurz zuvor durch Haim Saban übernommen worden, der angeblich darauf bestand, dass Vorstandschef Urs Rohner den damaligen Sat.1-Geschäftsführer Martin Hoffmann entlassen würde. Hoffmann war aber ein Freund von Harald Schmidt. Sein Nachfolger sollte Roger Schawinski werden.
Schmidt zog daraufhin die Notbremse, stieg bei Sat.1 aus und lästerte lauthals über Roger Schawinski.
Nach anderen Vermutungen, die später auch von Manuel Andrack gestützt wurden, war Schmidt einfach ausgebrannt und suchte einen Vorwand zu gehen.

Schmidt ging erst einmal auf Weltreise und bereitete nebenbei sein Comeback zur ARD vor. Wie bei anderen Senderwechseln widersprach er damit seinen früheren Aussagen. Einst hatte Schmidt eine Rückkehr zur ARD noch kategorisch abgelehnt und gesagt: "Wer einmal mit Claudia Schiffer gebumst hat, kehrt nicht zu Muttern zurück!"
Am 19.01.2005 war er dann wieder bei Muttern. Eine Vorabausgabe der jetzt "Harald Schmidt" titulierten Show wurde aber schon am 23.12.2004 ausgestrahlt.
Die Show war ähnlich aufgebaut wie vorher bei Sat.1, hatte aber weniger Sendungen pro Woche. Während Schmidt vorher noch über die ARD gelästert hatte, lästerte er jetzt über das "Unterschichtenfernsehen" Sat.1.
Insgesamt lief die Sendung zwar nicht schlecht, Harald Schmidt wirkte aber manchmal etwas gelangweilt.
Nebenbei moderierte er andere Sendungen für die ARD - auch auf Druck von Günther Struve - wie "Olympia mit Waldi & Harry" über die Olympischen Winterspiele 2006. Ausserdem besuchte er einmal Report Mainz und das Heute-Journal.

Am 25.10.2007 moderierte Harald Schmidt seine Sendung mit Oliver Pocher. Damit wollte er die Show auch für ein jüngeres Publikum attraktiv machen. Schon bald bereute Schmidt jedoch seine Entscheidung und stellte Oliver Pocher, den er vorher selbst geholt hatte, mehrmals ins Abseits. Die journalistischen Bewertungen von Oliver Pocher waren unterschiedlich. Manche Kritiker hielten seine politischen Witze für niveaulos, andere lobten dagegen sein Talent für Parodien. Pocher wurde auch vorgeworfen, in einer Wehrmachtsuniform in Anspielung auf einen Stauffenberg-Film aufgetreten zu sein, obwohl Schmidt ähnliche Aktionen früher auch durchgeführt hatte.
Auf jeden Fall stellte sich bald heraus, dass Schmidt und Pocher nicht zusammenpassten. Auch wirkte die Show immer wieder etwas müde.
Im September 2010 wurde bekannt, dass Harald Schmidt seinen bis 2011 gültigen Vertrag bei der ARD nicht verlängert habe, sondern wieder zu Sat.1 gehen wolle. Viele Kommentatoren wunderten sich über den Rückwechsel zum "Unterschichtenfernsehen". Schmidt selber bemängelte die mangelnde Kommunikation des Senders mit ihm und sah wohl auch die Konkurrenz durch Günther Jauch aufkommen.


Rückwechsel zu Sat.1

Bei Sat.1 sollte alles wieder so werden wie früher. Harald Schmidt trat vor altbekannter Kulisse auf und bestand darauf, wieder mit vielen altbekannten Mitarbeitern zusammenzuarbeiten. Er wirkte in seiner ersten Show am 13.09.2011 auch wieder motivierter. Als er im Januar 2012 noch einen dritten Sendeplatz bekam, dachten viele, er sei wieder etabliert.
Aber schon im März 2012 wurde bekanntgegeben, dass die Harald-Schmidt-Show wegen schlechter Einschaltquoten bis zum 03.05.2012 wieder eingestellt würde. Das war zunächst ein schwerer Treffer und viele Beobachter wetteten auf ein Ende der Schmidtschen Karriere.


Wechsel zu Sky

Doch schon am 02.05.2012 gab der Pay-TV-Sender Sky bekannt, das Format zu übernehmen. Schmidt moderiert nun dreimal wöchentlich seine Show auf Sky (Sky Hits und Sky Atlantic HD).
Harald Schmidt verkündete, dass er nach Sky keine grössere Show mehr moderieren wolle.


Weitere Werke von Harald Schmidt

Harald Schmidt ist vielen durch Fernsehen und Bühne bekannt, aber er war auch anderweitig kreativ tätig. Neben einigen Journalistischen Titeln bspw. für Pardon oder eine Kolumne im Focus hat er einige Galas moderiert und mehrere Bücher verfasst - einige sagen auch verbrochen:
- Tränen im Aquarium. Ein Kurzausflug ans Ende des Verstandes; 1993
- Warum und wohin? Gesammelte Notizen aus dem beschädigten Leben; 2002
- Mulatten in gelben Sesseln. Die Tagebücher 1945-52 und die Focus-Kolumnen 2005
- Sex ist dem Jakobsweg sein Genitiv. Eine Vermessung; 2007
usw. usf.


Bewertung von Harald Schmidt

Ein Medienmensch, der so auftritt wie Harald Schmidt, ruft natürlich kontroverse Antworten hervor.

Seine Anhänger verehren Schmidt sei Jahren nahezu kultisch. Sie halten ihn für geistreich und kreativ und begrüssen es, dass er so oft aneckt.
Seine Gegner dagegen verurteilen seine persönlichen Angriffe als hohle Provokation und sehen hinter seiner nach aussen hin getragenen Unangepasstheit in Wirklichkeit ein reaktionäres Denkgerüst. Ausserdem wurde ihm Selbstüberschätzung und Launenhaftigkeit vorgeworfen.

Fakt ist, dass Schmidt sich mit etlichen seiner ehemaligen Weggefährten überworfen hat, was aber nicht nur an ihm liegen muss. Gegen einige, wie Oliver Pocher, hat er medial nachgetreten (stern: "Halt die Fresse!"), was ihm als unsouverän angelastet wurde. Auffällig ist auch, dass er wiederholt über ehemalige Sender hergezogen ist und dann später doch zu ihnen zurückkehrte.

Besonders kritisch, manchmal auch überzogen-larmoyant ist das Buch "Wer ist Harald Schmidt?" seines ehemaligen Schauspielkollegen Peter Reinwarth.

Trotzdem erhielt Harald Schmidt in seiner langen Karriere etliche Preise, zu denen er sich in einigen Fällen selbst vorschlug (z. B. Grimme-Preis).


Literatur

Kay Sokolowsky: Late Night Solo - Die Methode Harald Schmidt; Berlin 2003
Mariam Lau: Harald Schmidt - Eine Biographie; Berlin 2004
Peter Reinwarth: Wer ist Harald Schmidt? Köln 2006

https://twitter.com/BonitoTV
http://www.wer-ist-harald-schmidt.de/


Samstag, 19. Oktober 2013

LINKSEXTREMISMUS IN DEUTSCHLAND (BRD)


Rechtsextremismus in Deutschland

An dieser Stelle soll ein Überblick über linksextremistische Gruppen in Deutschland erfolgen. Hauptthema ist die RAF.
Linksterrorismus gab es in verschiedenen Formen schon über eine längere Zeit. Der heute im Zentrum der Betrachtung stehende Linksextremismus meint aber die Politisierung in Folge der Bewegung der Neuen Linken.
Beide Abhandlungen dienen nur der Information, nicht der Motivation zur Imitation.
Sie versuchen aber zu zeigen, wie Menschen, die sich einmal stark unter Druck gesetzt fühlten, aus übersteigertem Idealismus heraus zu Killern wurden und wie diese arbeiteten.
Es ist interessant zu sehen,
  • wie schnell als Folge der 68er-Bewegung eine Linksmilitanz entstand
  • wie gewalttätig diese ausfiel
  • wie einige der Täter ihren ursprünglichen Idealen gegenüber loyal blieben und andere sie zu vertuschen suchten und wieder bürgerlich wurden
  • aus welchen Kreisen die Akteure stammten und dass viele aus dem gehobenen Bürgertum kamen
  • wie gut die Aktivisten mit denen anderer Länder vernetzt waren (Italien, Frankreich, Belgien; bei Befreiungsnationalismen Israel/Palästina, Irland) und von welchen Staaten sie unterstütz wurden



DIE RAF

Die Rote Armee Fraktion war eine linksextreme Terrororganisation der Bundesrepublik Deutschland. Sie wird für über 30 Tötungen sowie diverse Bombenanschläge, Banküberfälle und Entführungen verantwortlich gemacht. Die eigenen Verluste durch staatliche Einheiten, Selbstmord oder sonstige Ursachen beträgt ungefähr 27.
Die RAF wurde 1970 gegründet. Zu ihren Gründungspersonen gehörten Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Horst Mahler.
Sie trug anfangs auch den Namen Baader-Meinhof-Bande oder Baader-Mahler-Meinhof-Bande. Damit sind einige führende Akteure genannt. Aber auch wenn die Journalistin Ulrike Meinhof einige theoretische Ansätze der neuen Gruppe beisteuerte, war das Führungspaar der RAF eindeutig Andreas Baader und Gudrun Ensslin.

Die RAF gilt offiziell als terroristische Vereinigung mit kommunistischer und anarchistischer Ausrichtung. Ideologisch war sie auch am Maoismus und an Befreiungsideologien der 60er-Jahre ausgerichtet.
Ihrem Selbstbild nach galt die RAF aber als Befreiungsbewegung, die der Unterdrückung der Dritten Welt (und der Unterdrückung des Proletariats in der Ersten Welt) dadurch entgegenwirkte, dass man die Zentren Angriff. Der Begriffsdualismus Zentrum-Peripherie war in der damaligen Theoriebildung üblich (vgl. Dependencia-Theorie). Dem Imperialismus des Zentrums musste man durch Antiimperialismus entgegenwirken.
Diese Erweiterungen des Marxismus' und Maoismus' fanden ihre damalige Umsetzung bei Ernesto "Che" Guevara, den Tupamaros und Carlos Marighella. Che Guevara wollte die Revolution durch einige Foci (soz. heisse Kerne) zünden und Carlos Marighella entwickelte das Konzept der Stadtguerilla.
Die RAF stellte bei ihrem Kampf auch praktische Verbindungen zum Ausland her. Schon früh setzte sie auf die Zusammenarbeit mit arabischen Gruppen, vorzugsweise aber nicht ausschliesslich marxistischer Provenienz. Zu nennen sind da al-Fatah und die PFLP. Als unterstützende Länder kommen v. a. der Libanon, Jordanien, Syrien und der Südjemen in Frage.
Später arbeitete sie wohl auch mit osteuropäischen Geheimdiensten zusammen. In den 80er-Jahren versuchte die RAF europaweite Netzwerke führ ihre angestrebte antiimperialistische Front zu knüpfen. Für diese Zeit wird von einigen Autoren auch eine immer grössere Zusammenarbeit mit und Abhängigkeit von der Stasi behauptet. Dass es eine solche gab, kann als gesichert gelten, wie weit sie ging, ist dagegen umstritten. Ging es um die Bereitstellung von Rückzugsräumen, logistische Unterstützung oder sogar die Federführung der Stasi bei einigen Anschlägen.
Unklar ist auch, inwieweit es nach dem Muster der Japanischen Roten Armee (JRA), aus der die Antiimperialistischen Internationalen Brigaden (AIIB) entstanden sind, zu einer Zusammenarbeit mit Muammar al-Gaddafi kam.


VORGESCHICHTE

Interessant ist, dass die RAF im Gegensatz zur heutigen Wahrnahmung als gewalttätige Bande "utopistischer Spimmer" damals durchaus Sympathien genoss. Das betraf zwar bei weitem nicht die Mehrheit der (west-)deutschen Bevölkerung, aber doch erhebliche Teile der kritischen Jugend, der Subkulturen und der Intellektuellenzirkel. Viele dieser Sympathisanten führten später ein bürgerliches Leben und konnten sich angeblich nicht mehr an die Haltungen ihrer frühen Jugend erinnern.

Der Ursprung, wenn auch nicht die nominelle Gründung der RAF fällt auf die Studentenunruhen der späten 60er-Jahre, die heute als "68er-Bewegung" bekannt ist. Schon vor 1968 kam es durch universitätsinterne Proteste und durch Proteste gegen den Schah von Persien und dann gegen den Vietnamkrieg zu Unruhen. Im Jahre 1967 (02.06.) eskalierte die Situation, als der Student Benno Ohnesorg vom Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen wurde. Eine zweite Initialzündung der Proteste waren die Schüsse auf den Studentenführer Rudi Dutschke am 11.04.1968 durch den Arbeiter Bachmann, die Dutschke schwer verletzten. In beiden Fällen wurden die rechtskonservative und die rechtsradikale Presse für eine Pogramstimmung verantwortlich gemacht und es kam zu schweren Strassenschlachten.


Attentate auf Benno Ohnesorg ('67) und Rudi Dutschke ('68).

Diese Eskalation führte zu einer raschen Militarisierung der entstehenden linken Szene und zur Gründung mehrerer Untergrundgruppen, von der die werdende RAF nur eine von vielen ist. Ein Brennpunkt war damals West-Berlin, das durch seine besondere Lage im Kalten Krieg ein Anziehungspunkt für Subkulturen war. Aber auch andere Grossstädte verfügten über eine linke Szene.
Allgemein machte der Begriff "Revolution" in der Szene die Runde und man diskutierte, welche Art von Gewalt nun legitim sei, also z. B. "Gewalt gegen Sachen" oder "Gewalt gegen Personen".
Es entstanden Gruppen wie die RAF, die Bewegung 2. Juni (um 1972, eher anarchistisch), die Revolutionären Zellen (um 1973) und später deren feministische Formation Rote Zora.


Einige der Waffenlieferanten und Agitatoren der linken Szene stellten sich später als V-Leute des Verfassungsschutzes heraus. Hier ist Peter Urbach (mittig, neben Otto Schily und Fritz Teufel), der in der frühen linken Szene Berlins eskalierend wirkte. Er hätte dies aber nicht tun können, wenn nicht schon Grundsympathien für Militanz vorhanden geworden wären. 

Die Bewegung 2. Juni (nach den Schüssen auf Rudi Dutschke benannt) war ihrerseits von der Ende der 60er-Jahre entstehenden Berliner Untergrundszene (auch: Berliner Blues) inspiriert, aus der verschiedene Gruppen wie der Zentralrat der umherschweifenden Hasch-Rebellen, die Tupamaros West-Berlin und die Schwarzen Ratten hervorgingen. In West-Berlin war damals eine subkulturelle Szene aus vielen einzelnen WGs entstanden, die sich mehr oder weniger an der Kommune I orientierten und das Kommunarden-Leben nach den Ideen von Dieter Kunzelmann radikalisieren wollten. Diese Szene ging auch intensiv dem Drogenkonsum nach, was von Befürwortern als positive Protestform und von Gegnern als geistige Vernebelung und Hingabe an einen neuen Kapitalismus (Drogenmarkt) betrachtet wurde. Die Tupamaros in Berlin waren verantwortlich für viele Brandanschläge. Ihr bayerischer Ableger, die Münchener Tupamaros, führten ebenfalls Anschläge durch, bei dem es zu Todesopfern kam. Federführend war hier neben Dieter Kunzelmann auch Fritz Teufel. Interessant ist, dass die Anschlagsziele in Berlin wie München nicht nur staatliche Behörden, sondern auch jüdische Einrichtungen waren. Vorwand war die Befreiung der Palästinenser. Bei einem Anschlag auf ein jüdisches Altersheim in München gab es 7 Todesfälle!
Vorbild der deutschen Tupamaros waren die Tupamaros in Uruguay, die Movimiento de Liberación National (MLN-T), die seit 1985 eine reguläre politische Partei existieren.
Diese Widerstandsgruppen der alternativen Szene lieferten später über "Quereinsteiger" ab und an auch Material und Personal an die RAF.

Der personelle Kern der RAF war aber ein anderer. Eine Auftaktaktion für die Aktionen der späteren RAF waren am 02.04.1968 zwei Brandanschläge auf Frankfurter Kaufhäuser (sog. Frankfurter Kaufhausbrandanschlag). Die Brandstifter waren Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein. Sie wurden schon am 04.04.1968 gefasst. In einem spektakulären Prozess wurden sie zu je drei Jahren Haft verurteilt.
Beim Bundesgerichtshof wurde die Revision des Urteils beantragt, doch als dieser Antrag abgelehnt wurde, tauchten Andreas Baader und Gudrun Ensslin mit Gesinnungsgenossen unter - darunter ihr Anwalt Horst Mahler - und planten die Gründung einer Stadtguerilla nach lateinamerikanischem Vorbild. Carlos Marighella war damals ein führender Theoretiker und Praktiker des Konzepts der Stadtguerilla und hatte eine regelrechte "Guerilla-Fibel" (engl.: Minimanual of the Urban Guerilla) erstellt. Dahinter steckte der Gedanke, dass die Aufstandskonzepte Ernesto "Che" Guevaras mit ihren Foci (Brandherden) in die Städte getragen werden müssten. Dazu muss man wissen, dass Brasilien ab 1964 eine Militärdiktatur war und man darüber nachdachte, wie Guevaras Konzepte einer Revolution an den Kampf in den Städten angepasst werden könnte. Marighella selbst konnte allerdings nicht mehr lange wirken, da er im November 1969 in einen tödlichen Hinterhalt geriet. Ein anderer Theoretiker der Stadtguerilla war der Ire Michael Collins.
Neben Marighella und Che Guevara basierte das Guerilla-Konzept der RAF natürlich auch auf den Theorien von Mao Tse-tung (Zedong), der damals als grosser Revolutionär galt und dessen Rotes Buch ("Mao-Bibel") gerne rezipiert wurde.
(...)

ERSTE GENERATION



Als Geburtsstande der später so genannten Ersten Generation der RAF galt die sog. Baader-Befreiung.
Die Journalistin Ulrike Meinhof wollte am 14.05.1970 offiziell mit Andreas Baader für ihr neues Buch über Heimzöglinge recherchieren. Das war aber nur ein Vorwand, um ihn aus der Haft zu befreien. Bei dieser Befreiung, an der mehrere Aktivisten beteiligt waren, wurde ein Mitarbeiter des Deutschen Zentralinstituts für Soziale Fragen in Berlin angeschossen. Georg Linke erhielt einen Schuss in die Leber. Ulrike Meinhof, die eigentlich nur die Befreiung initiieren wollte, sprang spontan bei der Flucht mit aus dem Fenster und war damit ein Teil der entstehenden Gruppe.

In der Zeitschrift Agit 883 erschien am 05.06.1970 der Artikel "Die Rote Armee aufbauen!"
Die Presse verwendete zuerst noch den Namen Baader-Meinhof-Bande (bzw. Baader-Meinhof-Mahler-Bande). Erst allmählich setzte sich der Name RAF durch, hatte dann aber einen Ruf wie Donnerhall.
Die Flüchtigen bewegten sich zunächst über Frankreich durch Westeuropa nach Italien und flohen dann nach Jordanien. Horst Mahler stiess in Frankreich oder Italien hinzu.


Baader und Ensslin in Paris. Mit dabei war Astrid Proll und später Horst Mahler. 

Dort liessen sie sich in einem Camp der Fatah militärisch ausbilden. Zur Gruppe gehörten zuerst Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof, Horst Mahler, Peter Homann, Brigitte Asdonk und weitere Personen. Es kam sowohl innerhalb der Gruppe wie zwischen Gruppe und Ausbildern zu Konflikten.
Baader vertrat die Ansicht, dass eine Stadtguerilla kein so hartes und autoritäres Wüstentraining benötige.
Nachdem die Gruppe schon im August über Berlin zurück nach West-Deutschland gereist war, überfiel sie zu ihrer Finanzierung zunächst mehrere Banken. Hinzu kamen Diebstähle und Fälschungen. Am 29.09.1970 z. B. wurden im sog. "Dreierschlag" in Berlin gleichzeitig drei Banken überfallen, möglicherweise gingen aber nur zwei davon auf das Konto der werdenden RAF. Durch diese riskanten Manöver, an denen sehr viele Personen beteiligt waren, verlor die RAF aber auch ihre ersten Mitglieder durch Verhaftungen. Am 09.10.70 wurden Horst Mahler, Irene Goergens, Ingrid Schubert, Brigitte Asdonk und Monika Berberich in Berlin in der Knesebeckstrasse 89 verhaftet.

Im April 1971 folgte das Strategiepapier "Das Konzept Stadtguerilla". Den harten Kern der Gruppe bildeten jetzt Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Holger Meins, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe. Um diesen herum hatten sich aber schon ca. 50 Menschen geschart. Derweil lief die bundesweite Fahndung nach RAF-Mitgliedern auf Hochtouren. Die beginnende Eskalation forderte Todesopfer: "Am 15.07.1971 wurde Petra Schelm erschossen (Festnahme Werner Hoppes), am 22.10. der Polizist Norbert Schmid, am 22.12. der Polizist Herbert Schoner, am 02.03.1972 Thomas Weisbecker (Bewegung 2. Juni), am 01.03.1972 der Lehrling Richard Epple, der mit der RAF nichts zu tun hatte.
Ab 1972 verübte die Gruppe auch Anschläge gegen staatliche Einrichtungen und US-Militärlager. Auch die Zentrale des Axel-Springer-Verlags in Hamburg war betroffen, was zu Kritik in der linken Szene führten, da einfache Arbeitnehmer verletzt wurden. Die RAF verübte im Zuge ihrer Mai-Offensive fünf Bombenanschläge und tötete dabei 4 Menschen und verletzte über 30. Der Schaden an den betroffenen Gebäuden war enorm. Eines der RAF-Kommandos war nach Petra Schelm benannt.

Diese Serie von Anschlägen der RAF zeitigte eine harte Gegenwehr. BKA-Präsident Horst Herold plante die "Aktion Wasserschlag", in der er die eigentlich unabhängigen Landespolizeien vorübergehend dem BKA unterstellte und zuschlagen liess. Dabei wurde schrittweise die erste Generation der RAF "einkassiert". Der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher gratulierte Herold voreilig zu seinem Erfolg. Dieser blieb skeptisch.
Die RAF selbst hatte durch ihre Anschläge zwar einige Erfolge erzielt (aus ihrer Sicht), dafür aber viele Kader verloren und es gleichzeitig nicht geschafft, durch das Erzwingen einer repressiven staatlichen Reaktion das Volk auf ihre Seite zu bringen (Volksfront-Konzept). Auch innerhalb ihrer Anhängerschaft verlor sie an Sympathien, gewann aber neue durch die folgenden Prozesse gegen ihre Anführer.
Anfang der 70er-Jahre hatten noch erhebliche Teile der Gesamtbevölkerung Sympathien für die RAF!
Die Polizei hatte inzwischen überall in Deutschland ihre Observationen verstärkt. Anfangs hatte sie damit wenig Erfolg. Das änderte sich aber, als in Frankfurt/Main (Hofeckweg) ein Anwohner verdächtige Bewegungen meldete und eine Garage observiert wurde. Der RAF wurde auch zum Verhängnis, dass Baader einen Hang zum Angeben hatte und auffällige Sportwagen fuhr, die er gerne auch noch falsch parkte.
Baader fuhr beispielsweise (gestohlene) Wagen vom Typ Alfa Romeo oder BMW, was im damaligen Volksmund zur Scherzübersetzung Baader-Meinhof-Wagen führte.

(...)


ZWEITE GENERATION



Die Zweite Generation der RAF entstand, nachdem die Erste Generation grösstenteils festgenommen wurde und ihr dann in Stuttgart-Stammheim der Prozess gemacht wurde. Das martialische Auftreten des Staates führte zu vielen Sympathiekundgebungen. Ausserdem gelang es den Behörden nicht, die Anführer der RAF im Gefängnis wirksam zu isolieren. Über ihre Anwälte konnten die inhaftierten Terroristen über Kassiber mit den Sympathisanten in der Aussenwelt kommunizieren und Befehle erteilen.

Ein Teil der Unterstützer der Zweiten Generation entstammte dem Heidelberger Sozialistischen Patientenkollektiv (SPK) oder wurde von Rechtsanwälten der Ersten Generation rekrutiert, darunter Siegfried Haag und Claus Croissant. Wegen der herausragenden Rolle von Siegfried Haag und Roland Mayer sprach man auch von der "Haag-Mayer-Bande". Diese Bezeichnung wurde aber nie so berühmt wie der Name Baader-Meinhof-Bande für die frühe RAF.

Am 27.02.1975 wurde der Spitzenkandidat der Berliner CDU, Peter Lorenz, entführt. Drei Tage danach wäre die Wahl gewesen. Die Entführer von der Bewegung 2. Juni forderten die Freilassung mehrerer Terroristen, darunter auch von RAF-Mitgliedern. Die Bundesregierung ging auf einen Austausch ein: Verena Becker, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Ingrid Siepmann, Rolf Heißler und Rolf Pohle wurden freigelassen und in den Jemen ausgeflogen. Peter Lorenz wurde darauf am 04.03.1975 freigelassen.
Dieser Austausch war umstritten. Als dann einige der Freigelassenen weiter an terroristischen Aktionen teilnahmen, beschloss die Bundesregierung, in solchen Fällen fortan hart zu bleiben.

Die Zweite Generation der RAF versuchte im folgenden, die inhaftierte Erste Generation mit allen Mitteln freizubekommen. Am 24.04.1975 nahm die RAF in der westdeutschen Botschaft von Stockholm Geiseln. Bei dieser Geiselnahme forderte ein Kommando von sechs RAF-Terroristen die Freilassung der gesamten RAF-Spitze. Die Besetzung endete in einem Fiasko, weil zuerst zwei Diplomaten erschossen wurden und dann durch eine versehentliche Detonation eines Sprengsatzes die gesamte Botschaft in Flammen geriet.
Dabei starben Ulrich Wessel und Siegfried Hausner, die übrigen Geiseln konnten entkommen. Bei der Verhaftung der Täter konnte man feststellen, dass sie vom Anwalt Siegfried Haag angeworben waren. Es handelte sich um Hanna Krabbe, Karl-Heinz Dellwo, Lutz Taufer und Bernhard Rössner. Am 30.11.1976 wurde Siegfried Haag verhaftet. Dabei wurden die sog. Haag-Mayer-Papiere gefunden, die die Anschlagsplanungen für das Jahr 1977 enthielten. Die kodierten Papiere konnten aber nicht rechtzeitig entschlüsselt werden. Unklar blieb auch, ob die deutschen RAF-Terroristen Hilfe von schwedischen Gesinnungsgenossen hatten. Taufer bestritt entsprechende Fragen von schwedischen Journalisten. Es ging dabei v. a. um die Anmietung von Wohnungen.

Durch Haags Verhaftung entstand für die RAF zwar eine überraschende Lücke, die aber schon bald durch Brigitte Mohnhaupt geschlossen werden konnte. Brigitte Mohnhaupt war die eigentliche Verbindung zwischen Erster und Zweiter Generation der RAF, weil sie schon zur Zeit der Ersten Generation inhaftiert wurde, ihre Haftzeit aber so kurz war, dass sie bald in der Zweiten Generation wirksam werden konnte. Dazu kam noch, dass sie nach Ulrike Meinhofs Tod zu Baader und Ensslin in den Gefängnistrakt verlegt wurde.

Mohnhaupt als Revoluzzerin.

Baader, Ensslin und Mohnhaupt im Gefängnis.

Brigitte Mohnhaupt, die "Terrorqueen" der Zweiten Generation, stammt aus bürgerlichen, aber nicht unproblematischen Verhältnissen. Sie wuchs im Rheinland (Rheinberg) als Tochter eines Verlagskaufmannes als Einzelkind auf und blieb dann nach der Scheidung ihrer Eltern bei ihrer Mutter.
Mohnhaupt wird charakterlich als heiss-kalt beschrieben. Sie war sehr intelligent, aber nicht besonders motiviert in der Schule. Gleichzeitig konnte sie Menschen gegenüber zurückhaltend und freundlich sein, aber auch äusserst aggressiv und dominant. Die kleine Frau ging nach ihrem Abitur zum Studium nach München, wo sie Geschichte, Englisch und Zeitungswissenschaften studieren wollte. Zunächst hatte sie sogar Kontakt zu adeligen Kreisen, geriet dann aber in Kontakt mit der linken Szene und lernte Rolf Heißler kennen.
Damals gab es eine wichtige Kommune in der Metzstrasse 15. Damals erfolgte durch den Vietnamkrieg eine weltweite Politisierung junger Menschen. Kritiker meinen aber, dass das Morden in Vietnam nur als Hintergrund-Kulisse für einen sich im Inneren der Gesellschaft anbahnenden Generationenkonflikt herhalten musste. Ende der 1960er-Jahre herrschte auf jeden Fall in bestimmten Milieus eine Revolutionsromantik. Mohnhaupts Eintritt in die RAF erfolgte im Jahre 1971. Rolf Heißler tauchte ebenfalls unter.
Mohnhaupt erwies sich im Untergrund als den Anführern der Ersten Generation loyal ergeben, steuerte aber auch eigene ideologische Beiträge bei. Nach dem für die RAF weitgehend fehlgeschlagenen Deutschen Herbst entwickelte sie die Idee eines antiimperialistischen Bündnisses verschiedener linker Gruppen in Europa. Eventuell bekam die RAF dabei "Schützenhilfe" durch die DDR.
Mohnhaupt konnte dieses Konzept aber nicht mehr umsetzen, da sie Ende 1982 verhaftet wurde. Das Konzept wirkte aber bei der Dritten Generation der RAF weiter. Mohnhaupts Führungsstil wurde von Fahndern und von einigen Terroristen als sehr autoritär bezeichnet ("Feminat"), allerdings sicherte sich Mohnhaupt immer wieder durch Adjutanten ab.

Mohnhaupt auf der Flucht (mit verändertem Aussehen).


Das Jahr 1977 sollte zu einem Jahr der neuen Offensive der RAF werden.
Am 07.04.1977 erschoss das Kommando Ulrike Meinhof der RAF den Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Mit unter den Toten waren auch sein Fahrer Wolfgang Göbel und der Leiter der Fahrbereitschaft Georg Wurster. Die bisher unbekannten Täter schossen von einem Motorrad aus auf das Auto.

Am 30.07.1977 erschoss die RAF Jürgen Ponto, den Vorstandssprecher der Dresdner Bank AG. Wahrscheinlich war zunächst seine Entführung geplant, die aber an seiner Gegenwehr scheiterte. Später versuchte die RAF, diesen "Faux pas" zu vertuschen. Dem Bankier wurde zum Verhängnis, dass Susanne Albrecht mit seiner Familie befreundet war und Zutritt zu seiner Villa erhielt. Mit ihr erschienen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar. Wahrscheinlich hat Christian Klar den sich wehrenden Ponto aus Nervosität angeschossen und Danach flohen Mohnhaupt, Albrecht und Klar in einem von Boock gesteuerten Auto. Alternative Tattheorien gehen davon aus, dass Fahrer und Schützen andere Personen der Gruppe waren.

Am 25.08.1977 versuchte die RAF einen Anschlag auf die Bundesanwaltschaft Karlsruhe. Die aufgebaute Raketenwerferkonstruktion hatte aber einen technischen Defekt.

Im Herbst 1977 erreichte der Linksterrorismus in Deutschland seinen vorläufigen Höhepunkt. Man spricht auch vom "Deutschen Herbst". Am 05.09.1977 wurde der Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer in Köln entführt. Seine vier Begleiter wurden bei der Aktion erschossen. Ziel dieser Aktion war die Freilassung der gefangenen RAF-Mitglieder der Ersten Generation.
Als Reaktion auf die Entführung berief Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) den Grossen Krisenstab ein, dem Mitglieder aller Bundestagsfraktionen angehörten. Im Oktober wurde das Kontaktsperregesetz durchgesetzt, dass Verbote von Gesprächen zwischen Häftlingen und ihren Anwälten ermöglichte.
Im selben Monat wurde die Strafprozessordnung dahingehend geändert, dass ein Angeklagter in einem Strafverfahren höchstens drei Rechtsanwälte benennen darf. Einige Angeklagte hatten vorher bis zu 15 Wahlverteidiger.

Die Bundesregierung entschied sich aufgrund vorheriger schlechter Erfahrungen, nicht auf die Forderungen der Entführer einzugehen. Darauf wurde am 13.10.1977 die Lufthansamaschine Landshut mit 87 Personen an Bord von einem Kommando der PFLP entführt. Eigentlich sollte die Maschine von Palma de Mallorca nach Frankfurt fliegen und wurde dann nach Osten umgelenkt. Nachdem sich die italienischen Behörden bei einer Landung in Rom weigerten, die Reifen der Maschine zu erschiessen, flog diese weiter über Zypern und arabische Staaten nach Aden im sozialistischen Südjemen. Hier wurde der Pilot Jürgen Schumann erschossen, weil er zu lange vom Flugzeug abwesend war. Die Bundesregierung konnte die dortige Regierung aber überzeugen, die Maschine zum Weiterflug zu drängen. Die angeschlagene Maschine landete nun in Mogadischu in Somalia. Den Entführern war aber nicht klar, dass ihnen inzwischen eine Maschine mit Kämpfern der GSG 9 folgte, die selber nur mit knapper Not und Treibstoffmangel in Somalia landen konnte. Inzwischen versuchten die einheimischen und deutschen Behörden, die Entführer hinzuhalten, um Zeit zu gewinnen. Mit der Zeit hatte aber der Anführer des PFLP-Kommandos die Geduld verloren und drohte, sich mit einer installierten Bombe mitsamt der gesamten Maschine in die Luft zu sprengen. Da die GSG 9 inzwischen einsatzbereit war, gab Wischnewski als Vertreter der Bundesregierung vor Ort zum Schein nach und sagte, dass nur noch die freizulassenden Terroristen der RAF in Frankfurt versammelt werden müssten.
Die Palästinenser wähnten sich irrtümlich in Sicherheit und gaben nicht mehr ausreichend Acht auf ihre Umgebung. Plötzlich stürmte am 18.10.1977 gegen Mitternacht ein GSG 9-Kommando die Maschine und tötete 3 der 4 Terroristen. Alle 86 noch lebenden Geiseln wurden befreit. Bei der Aktion gelang es den Entführern nicht, die Bombe im Flugzeug doch noch zu zünden. Auch ihre Handgranaten und ihr Gegenfeuer konnten nur noch Verletzungen bewirken und keinen Menschen mehr töten.

Für die inhaftierten RAF-Terroristen erlosch damit die Hoffnung auf eine Befreiung. Wenige Stunden später begingen Baader, Ensslin und Raspe kollektiven Selbstmord. Irmgard Möller überlebte schwer verletzt.
Angeblich haben die Terroristen durch ein selbstgebautes Radio von der Nachricht der Landshut-Befreiung gehört. Man sprach danach in den Medien von der "Todesnacht von Stammheim".
Nach gegensätzlichen Theorien handelte es sich bei den Ereignissen dieser Todesnacht aber um Mord. Angeblich soll einer der zuständigen Wächter in dieser Zeit von seinem Posten abberufen worden sein.

Die Rote Armeefraktion sprach von Mord und wollte sich nun am entführten Hanns Martin Schleyer rächen. Am 19.10.1977 wurde der ermordete Schleyer in Mühlhausen im Elsass erschossen in seinem Auto aufgefunden. Die Anweisung für die Ermordung Schleyers soll u. a. von Brigitte Mohnhaupt erfolgt sein.

Fast wäre es der Bundesregierung gelungen, im kommenden Jahr die RAF-Spitze in ihre Hand zu bekommen. Am 11.05.1978 wurden Brigitte Mohnhaupt, Peter-Jürgen Boock, Sieglinde Hofmann und Rolf Clemens Wagner im jugoslawischen Zagreb verhaftet (heute: kroatisch). Die Bundesregierung wollte ihrer habhaft werden, weigerte sich aber, im Gegenzug kroatische "Terroristen" auszuliefern. Deshalb durften die Gefangenen RAF-Terroristen im November in den Südjemen ausreisen.

Die RAF blieb weiter gefährlich, obwohl der Fahndungsdruck immer mehr zunahm. Am 25.06.1979 verübte die RAF morgens einen Anschlag auf den NATO-Oberbefehlshaber in Europa, Alexander Haig, auf dem weg zu seinem Arbeitsplatz im belgischen Casteau. Die Terroristen hatten ein Rohr unter der Strasse mit Sprengstoff gefüllt, konnten aber seinen Dienswagen (Mercedes) nur beschädigen.

Der Staat verschärfte daraufhin seinen Verfolgungsdruck weiter und machte es der RAF immer schwerer, in der Bundesrepublik konspirative Wohnungen zu unterhalten. Die Terroristen wichen deshalb in den Nahen Osten aus, möglicherweise auch schon in die DDR, was später häufiger vorkam. Es ist dabei nicht klar, ob die DDR nur als Fluchtpunkt für Aussteiger diente oder nicht vielmehr Terroristen weiter ausbildete.
In der Bundesrepublik hatte die RAF inzwischen nicht nur ein Netz von konspirativen Wohnungen aufgebaut, sondern auch sehr viele Waffenverstecke unterhalten. Durch die bessere Überwachung von Staats wegen wurden diese Verstecke aber für viele führende Terroristen zur Falle, so dass bis 1982 fast alle wichtigen Terroristen der Zweiten Generation "abgefischt" werden konnten.
Viele Fahnder glaubten nun irrtümlich, das Kapitel RAF sei damit erledigt, doch dem war nicht so.


DRITTE GENERATION



Die Dritte Generation der RAF ist im Vergleich zu ihren Vorgängern schwerer greifbar. Einige Beobachter meinen, dass das auch damit zusammenhing, dass sie eine direkte Unterstützung der DDR erhielt. Auf jeden Fall diente die DDR als Rückzugsraum. Sicher ist aber, dass viele Terroristen der Dritten Generation durch die Stammheimer Prozesse politisiert wurden, allen voran Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld. Auch an den Universitäten gab es bis in die frühen 80er-Jahre noch ein linkes Klima, aus dem sich Sympathisanten rekrutieren liessen.

Der Verfassungsschutz rechnet der Dritten Generation ungefähr 20 Menschen in der Kommandoebene zu und einige hundert Unterstützer. Die Dritte Generation hatte nicht mehr das Hauptziel, Gefangene freizupressen, sondern führte Anschläge auf herausragende Persönlichkeiten der bundesdeutschen Politik und Wirtschaft aus. Diese waren in vielen Fällen aus RAF-Sicht erfolgreich.
Programmatisch für diese neue Ausrichtung war das im Mai 1982 veröffentlichte Mai-Papier. Es ging nicht mehr um die "Big Raushole", sondern um präzise Angriffe auf Repräsentanten des "Systems" und um eine verbesserte Zusammenarbeit mit anderen (west-)europäischen Terrorgruppen. Dazu zählten die Action Directe (AD) aus Frankreich, die Roten Brigaden (Brigate Rosse, BR) aus Italien, die Cellules Communistes Combattantes (CCC) aus Belgien und die nur z. T. marxistische IRA aus Irland.
Stichworte für das Vorgehen wären Internationalismus und Europäisierung der Terrorzusammenarbeit.
Im Jahre 1986 wurde diese Planung im Papier "Die revolutionäre Front aufbauen" präzisiert.

  
Die Logos der Action Directe (F), der Brigate Rosse (I) und der CCC (B). 

Während in der Öffentlichkeit gerne so getan wird, als ob die RAF ein "Problem der 70er" gewesen sei, fanden in Wirklichkeit viele verheerende Anschläge in den 80ern statt, bis die Gruppe dann durch den Zusammenbruch des Ostblocks langsam an Rückhalt verlor und schwächer wurde. Die Fahnder der BRD haben sich vorher durch Fahndungserfolge immer wieder zu früh gefreut und behauptet, die RAF sei zu keinen grossen Anschlägen mehr fähig.

Die Mitglieder der Dritten Generation sind kaum bekannt. Die Gruppe arbeitete jetzt präziser als zu Baaders Zeiten, wo man noch mit auffälligen Sportwagen provozierend gegen die Fahrtrichtung parkte. Genau das hat aber auch Spekulationen über eine Zusammenarbeit mit der Stasi (MfS) oder anderen Diensten genährt. An der ideologischen Zielsetzung ist jetzt auch interessant, dass man jetzt Führungskräfte Westeuropas angriff ("Imperialisten"), die nicht unbedingt ehemalige Nazis oder in den Vietnamkrieg verwickelt waren. Von Seiten des linken Milieus gab es zwar noch Sympathisanten, aber nicht mehr so viele wie in den 70er-Jahren.
Es ist aber auch nicht so, dass keine Spuren zur Dritten Generation vorlägen.
Zur Kommandoebene werden sicher Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld zugerechnet. Ferner hielt man Sabine Callsen, Daniela Klette, Andrea Klump, Barbara Meyer, Horst Ludwig Meyer, Christoph Seidler (der das bestritt) und Ernst Volker Staub für Terroristen. Von einigen der erwähnten Personen wurden Spuren an Tatorten gefunden. Man darf nicht vergessen, dass erst seit den 80er-Jahren das Verfahren zur Ermittlung des "genetischen Fingerabdrucks" existierte (und seither verbessert wurde)!
Manche Forscher stören sich alleine schon am Begriff Dritte Generation, weil diese erstens nicht ganz fassbar sei und zweitens auch viele ihrer bekannten Mitglieder wie die Zweite Generation bei den Stammheimer Prozessen politisiert wurden. Allerdings kann man schon nach der Verhaftung der führenden Köpfe der Zweiten Generation von einem personellen und bedingt ideologischen Bruch sprechen. Die Ideen der Brigitte Mohnhaupt über Anti-Imperialismus wurden aber weitergedacht.

Die RAF befand sich nach den Fahndungserfolgen der BRD um 1982 in einer schweren Krise. Nach Birgit Hogefeld war es Wolfgang Grams, der die RAF wieder aufbaute. Er hatte dabei aller Wahrscheinlichkeit nach die Unterstützung östlicher Geheimdienste und allem voran die Stasi. Heute wissen wir, dass die DDR als Rückzugsgebiet für RAF-Genossen diente. Wahrscheinlich war sie aber auch Ausbildungsort.
Die Behörden der BRD wähnten sich ähnlich wie anfang der 70er-Jahre nach der "Enthauptung" der Ersten Generation der RAF (Aktion Wasserschlag) als Sieger. Die Aussagen über die angebliche Handlungsunfähigkeit der RAF einiger Politiker und BKA-Beamter grenzten an Selbstüberschätzung und Höhenrausch.
Grams stammte aus einem autoritär-gewalttätigen Elternhaus und schwor den Autoritäten Rache. Er besuchte nicht nur die Stammheimer Prozesse, sondern arbeitete auch in den linken Anwaltsbüros Weidenhammer und Croissant, die wohl auch der Stasi nahestanden. 1984 tauchte er endgültig ab, passierte aber nachweislich immer wieder die Grenzen zur BRD. Am 08.03.1988 wurde er im Tschad nahe der libyschen Grenze festgesetzt. Er war offenbar Teil einer ca. 20-köpfigen Gruppe internationaler Terroristen, die Goma in Zaire (Kongo) erreichen wollte, das in der Nähe zur ruandischen Grenze liegt. Die Gruppe war auf Lkws der Marke Leyland unterwegs. (In dieser Gegend wurden sonst auch Pickups von Toyota eingesetzt, die man auch militärisch aufrüsten konnte.)  
Diese Indizien einer starken Vernetzung der Gruppe wurden von Regine Igel genauer untersucht und u. a. auf "telepolis" veröffentlicht.

Im Jahre 1985 bewies die RAF, dass sie trotz der Fahndungserfolge des Staates noch handlungsfähig war.
Am 01.02.1985 wurde Ernst Zimmermann, Chef der MTU, in seinem Haus erschossen.
Schon im Sommer schlug die RAF wieder zu. Am 08.08.1985 wurde der US-Soldat Edward Pimental erschossen, um an seine ID Card zu kommen. Täter waren Birgit Hogefeld und/oder Eva Haule.
Die ID Card wurde benutzt, um einen Sprengstoffanschlag auf die Rhein-Main-Airbase durchzuführen. Bei dem Anschlag wurden ein Soldat und eine Zivilangestellte getötet und elf Personen verletzt. Diese Opfer führten zu heftiger Kritik in der linken Szene. Der Anschlag soll von der RAF in Kooperation mit der französischen Action Directe durchgeführt werden sein. In dieser Zeit führte die AD auch in Frankreich viele Anschläge durch.

Am 09.07.1986 tötete das "Kommando Mara Cagol" den Siemens-Manager Karl Heinz Beckurts und seinen Chauffeur Eckard Groppler in Straßlach mit einer Bombe. Die Urheber dieses Anschlags konnten nicht ermittelt werden. Man vermutet eine Beteiligung von Horst Ludwig Meyer.
Am 10.10.1986 wurde Gerold von Braunmühl, Diplomat im Auswärtigen Amt (AA), in Bonn-Ippendorf erschossen. Die Tat soll von zwei Tätern ausgeführt worden sein.

Nachdem man wieder einmal dachte, die RAF sei zu keinen grösseren Anschlägen mehr fähig, schlug die Gruppe 1989 wieder zu.
Am 30.11.1989 wurde Alfred Herrhausen, der Chef der Deutschen Bank, in Bad Homburg in der Nähe seines Hauses in seinem Auto getötet. Der Anschlag erfolgte durch eine auf einem Fahrrad deponierte Bombe, die eine Art Hohlladungsgeschoss auf das Auto abfeuerte. Herrhausen wurde durch den Angriff schwer verletzt und starb durch das unprofessionelle Verhalten der Sicherheitskräfte. Sein Fahrer überlebte leicht verletzt. Die Täter sind bis heute unbekannt. Aufgrund der Lichtschrankenkonstruktion der Bombe muss es sich um mindestens zwei Täter gehandelt haben (der Mechanismus wurde vorher aktiviert).
In den Medien sickerte durch, dass das BKA eine Beteiligung von Wolfgang Grams vermutet.

Der Anschlag auf Alfred Herrhausen fiel schon in eine Zeit, in der sich mit dem Fall der Mauer (09.11.) ein Ende des Ostblocks abzeichnete. Es ist unklar, ob der Anschlag auf ihn damit vielleicht zusammenhing.
Auf jeden Fall zeichnete sich ab, dass die RAF, die spätestens seit den 80er-Jahren ihren Rückzugsraum nicht nur in arabisch-sozialistischen Staaten hatte, sondern auch im sozialistischen Osteuropa, sowohl ideologisch wie auch operativ ihren Rückhalt verlor. Bis heute wird diskutiert, inwieweit die DDR auch aktiv in die Anschläge der RAF involviert war, die in den 80er-Jahren mit hoher Präzision durchgeführt wurden.
Es ist auch nicht nur der fehlende Rückzugsraum, der die RAF zu schwächen begann, sondern jetzt hatten die Strafverfolgungsbehörden der BRD auch Zugriff auf das Territorium der ehemaligen DDR und fischten dort viele geflüchtete RAF-Terroristen ab.

Der letzte grosse vitale Anschlag der RAF erfolgte 1991. Sein Ziel war Detlev Karsten Rohwedder.
Doch auch danach kam es noch zu Todesfällen auf beiden Seiten.
Am 01.04.1991 wurde Detlev Karsten Rohwedder, der Präsident der Treuhandanstalt, erschossen und seine Ehefrau verletzt. Rohwedder wurde bei der Arbeit bei sich zuhause zum Verhängnis, dass nur in einigen Räumen, nicht aber in seinem Dienstzimmer Panzerglas eingebaut war. Ausserdem war wohl der Dienstplan der vorbeifahrenden Polizeistreifen ausspioniert worden.
Der Schütze schoss aus der Distanz und war vorher möglicherweise durch den Rhein geschwommen. An der Stelle, wo er vermutlich angelegt hatte, fand man einen Stuhl und ein Handtuch. Später wurde an diesem Handtuch DNA festgestellt, die der von Wolfgang Grams ähnlich sein soll. Die DNA-Analyse wurde erst allmählich verbessert, so dass mehrere Untersuchungen (zeitlich versetzt) durchgeführt wurden.

Im Jahre 1992 versuchte der Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) der RAF entgegenzukommen, wenn sie zu einem Stop der Anschläge bereit wäre. Möglicherweise zielte der Vorschlag auch auf eine Spaltung der Gruppe. Kinkel stellte vorzeitige Haftentlassungen in Aussicht.
In der Tat hat diese Kinkel-Initiative Instabilität innerhalb der Gruppe ausgelöst. Brigitte Mohnhaupt wollte den alten Kurs halten, Karl-Heinz Dellwo und Lutz Taufer wollten dem Staat entgegenkommen.

Fortan führte die RAF Anschläge gegen Sachziele durch.
Am 26.03.1993 kam es nachts zu einem Sprengstoffanschlag auf die JVA Weiterstadt. Die Terroristen warnten diesmal die Justizbediensteten mit Schildern vor einer "Knastsprengung". Die gerade im Bau befindliche moderne JVA wurde dabei schwer beschädigt. Über 200 kg Sprengstoff sollen einen Sachschaden von über 100 Mio. DM verursacht haben. Die Inbetriebnahme wurde bis 1997 verzögert. Als Tatverdächtige gelten aufgrund der Organisationsstruktur der RAF und aufgrund von DNA-Spuren Wolfgang Grams, Birgit Hogefeld, Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg.

Im selben Jahr gelang dem Staat aber auch ein schwerer Schlag gegen die RAF, der wohl aufgrund von mindestens einem V-Mann möglich war und nicht ohne eigene Verluste ablief.
Am 27.06.1993 versuchte die GSG 9, die Terroristen Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld in Bad Kleinen in Mecklenburg festzunehmen. Während Birgit Hogefeld ohne Gegenwehr festgenommen wurde, konnte Wolfgang Grams zunächst entkommen und schoss zurück. Aufgrund Fehler im Funkverkehr erfuhren einige Beamte nichts davon und liefen in seine Schusslinie. Dabei starb Michael Newrzella. Grams konnte noch auf die Bahngleise flüchten, wurde dann aber erschossen. Es ist dabei nicht klar, ob er Selbstmord beging oder von GSG 9-Beamten aus nächster Nähe erschossen wurde. Einige Zeugenaussagen deuten auf letzteres hin.

Bei dem Einsatz sollen weit über 100 Polizisten und Grenzschützer beteiligt gewesen sein. Die Pannen des Einsatzes führten zu einer erregten politischen Debatte. Helmut Kohl sprach den GSG 9-Beamten in einer direkten Ansprache vor Ort das Vertrauen aus. Bundesinnenminister Rudolf Seiters trat dagegen zurück und Generalbundesanwalt Alexander von Stahl wurde von der Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Die RAF konnte aufgrund dieses schweren Schlages gegen ihre Kommandoebene und aufgrund des jetzt fehlenden osteuropäischen Rückzugsraumes keine grösseren Aktionen mehr durchführen.
Am 20.04.1998 erklärte sie ihre Selbstauflösung (eingegangen bei der Nachrichtenagentur Reuters in Köln).
Bekannt wurde der Satz: "Vor fast 28 Jahren, am 14.05.1970, entstand in einer Befreiungsaktion die RAF. Heute beenden wir dieses Projekt. Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte."
Die RAF begründet in ihrem Schreiben die eigene Auflösung und zieht eine insgesamt positive Bilanz. Sie äussert auch Häme darüber, dass die Strafverfolgungsbehörden die Strukturen der späten RAF nicht durchschauen konnten.
Weiter zählt die RAF 26 Opfer aus den eigenen Reihen auf, zu denen sie auch die RZ und die Bewegung 2. Juni zählt. Abschliessend wird Rosa Luxemburg zitiert.
"Die Revolution sagt: ich war   ich bin   ich werde sein"

Um die RAF wurde es damit aber noch lange nicht still. Immer wieder wurde über Haftbedigungen der inhaftierten "Genossen" in der Öffentlich gesprochen oder es trafen sich ehemalige RAF-Terroristen zu relativ bunten Treffen, auf denen die Schattenseite der eigenen Biographie nicht zu deutlich diskutiert wurden.
Es gab aber noch weitere Konfrontationen mit ehemaligen RAF-Mitgliedern.

Am 20.07.1999 überfielen Ernst-Volker Staub und Daniela Klette einen Geldtransport in Duisburg mit einer Panzerfaust und einem Sturmgewehr und raubten mindestens 1 Mio. DM. Neben den Ermittlungen wegen des Überfalls, bei dem die DNA der betreffenden sichergestellt werden konnte, ermittelte die Bundesanwaltschaft auch wegen der erneuten Gründung einer terroristischen Vereinigung. Eine solche Absicht des Paares wird aber von vielen Experten in Frage gezogen.

Am 15.09.1999 wollte die österreichische Polizei Andrea Klump und Horst Ludwig Meyer im Auto anhalten. Es ist nicht ganz klar, ob es sich um eine gewöhnliche Verkehrskontrolle handelte, oder ob die beiden Terroristen der Polizei als solche bekannt waren. Auf jeden Fall verlor Meyer die Nerven, zog die Waffe und wurde daraufhin von der österreichischen Polizei erschossen.

Nach der Jahrtausendwende wurde die Entlassung von ehemaligen RAF-Häftlingen zum Thema. In den Medien wurden diese Fälle kontrovers diskutiert, weil auch Mehrfachmörder entlassen wurden.

- Brigitte Mohnhaupt wurde 2007 entlassen
- Eva Haule wurde 2007 entlassen
- Christian Klar wurde 2008 entlassen
- Birgit Hogefeld wurde 2011 entlassen

Es kam aber auch zu neuen Haftstrafen: Verena Becker wurde 2012 wegen Beihilfe zum Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback zu 4 Jahren Haft verurteilt.


Brigitte Mohnhaupt nach der Haftentlassung. 



Einige Angehörige der RAF gelten bis heute als vermisst.

- Ingeborg Barz soll von Andreas Baader in den frühen 70er-Jahren ermordet worden sein
- Angela Luther soll ebenfalls zu dieser Zeit entweder bei einer Sprengsatzpräparation getötet oder auch ermordet worden sein; vielleicht lebt sie auch unter falscher Identität im In- oder Ausland weiter
- Ingrid "Ina" Siepmann, die ehemalige Freundin von Dieter Kunzelmann, soll 1982 im Libanon-Krieg getötet worden sein
- Friederike Krabbe wird im Irak vermutet
- Daniela Klette, Ernst-Volker Staub (Überfall auf Geldtransport 1999!) und Burkhard Garweg werden weiterhin per Haftbefehl gesucht


LITERATUR

Aust, Stefan: Der Baader-Meinhof-Komplex; u. a. 2008 (mehrfach überarbeitet)
Igel, Regine: Wolfgang Grams. Terrorist an der Seite der Stasi; 2013
Peters, Butz: RAF. Terrorismus in Deutschland; 1991
Peters, Butz: Tödlicher Irrtum. Die Geschichte der RAF; 2004
Winkler, Willi: Die Geschichte der RAF; 2008


WEITERE GRUPPEN


BEWEGUNG 2. JUNI




REVOLUTIONÄRE ZELLEN


 

ROTE ZORA