Fachbereiche: Geschichte (Politik, Sowi, Philosophie) - Sprachen - Wirtschaft, Recht - Biologie (Chemie) - Technik (Physik) und Blödsinn.
Dieser Universal-Blog ist aus einer Seite für Geschichte, Politik (und Realienkunde) hervorgegangen, die sich dann in Richtung Humanwissenschaften weiterentwickelt hat.
Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch; Latein, Altgriechisch; Russisch; Japanisch, Chinesisch; Arabisch; Mittelägyptisch; Sanskrit und Hindi etc.
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Dienstag, 25. Juli 2023

TYT Network (THE YOUNG TURKS)

TYT


TYT (The Young Turks) ist ein US-amerikanisches linkes bis linksliberales Mediennetzwerk.
Der Name "Jungtürken" soll an junge Rebellen erinnern, obwohl die echte Bewegung der Jungtürken sehr umstritten ist.


TYT begann 2002 als Radiotalkshow. 2005 "sendete" man über das Internet und expandierte immer weiter.
2010 wurde der Radiobetrieb eingestellt.
Die Aufnahmestudios befinden sich in Los Angeles und wurden in Abständen erweitert.
Das Programm umfasst im Kern zwar Politik, es gibt aber auch Sendungen über Popkultur, Sport usw.

TYT ist inzwischen eines der größten TV-Netzwerke, die aus dem Internet entstanden sind und nicht aus dem klassischen (linearen) Fernsehen.

In Europa gibt es bis jetzt kein vergleichbar wirkmächtiges Netzwerk. In Deutschland gab es in den 1990ern in der frühen WWW-Zeit GIGA bzw. NBCGiga, das herkömmliches Fernsehen und (damals) neues Internet kombinierte. Jetzt existiert es jedoch nur noch als Internetpräsenz.
Viele der bekannten Moderatoren der Anfangszeit haben inzwischen zu etablierten Fernsehsendern oder in andere Jobs gewechselt.


GESCHICHTE

Der Hauptinitiator von TYT ist Cenk Uygur, ein Turko-Amerikaner, der ursprünglich aus Istanbul stammt. Uygur wuchs eigentlich in einer konservativen Familie und vertrat lange Zeit rechtskonservative Ansichten. In der Schule spielte er Football und unterstützte den Republikaner Bob Dole. Später lachte er darüber. Auch auf Wunsch seines Vaters hin studierte Uygur Jura.
Gegenüber Armeniern hat er sich in Artikeln sehr kritisch geäußert (Türkisch-Armenischer-Konflikt) und er befürwortete mehrfach traditionelle Geschlechterrollen.

Mit der Zeit wandelten sich Uygurs politische Vorstellungen nach links und er wollte statt einer vorgegebenen Juristenkarriere sein Glück in den Medien versuchen. Mitte der 1990er versuchte es Uygur bei einem Lokalsender in Miami (Florida) und traf Ben Mankiewicz, den Moderator der dortigen Sendung. Hier entstand schon die Keimzelle für den späteren Erfolg, denn beide hatten Großes vor.
Uygur wurde sogar von MSNBC engagiert und hatte eine erfolgreiche Show, wurde aber verwarnt, weil er zu oft die Regierung kritisiert hatte. Am Ende wurde seine Show abgesetzt.
Angeblich wurde ihm auch eine große Summe Geld angeboten.
Uygur entschied sich im Februar 2002, eine eigene Talkshow zu gründen und über einen Offenen Kanal (Radio) zu senden. Der Name The Young Turk war dafür schon "vorphantasiert".
Für die Show engagierte er Ben Mankiewicz, David Koller (einen Freund aus Kindertagen) und Jill Pike.
Aus dem Praktikantenpool prägten drei Journalisten später TYT: Ana Kasparian, Jayar Jackson und Jesus Godoy.

Im Jahre 2005, als TYT "auf Internet" ging, wurde auch eine 99-stündige Sendung unter dem Titel "Live, On Air Filbuster" über die Nominierung von Samuel Alitos zum Richter am Supreme Court veranstaltet. Zur Entlastung moderierten auch Thom Hartmann, Mike Malloy, Bob Kincaid, Brad Friedman und Peter B. Collins.

Ana Kasparian löste 2008 Jill Pike ab, deren Vater (Paramount Network, TV) nicht damit zufrieden war, dass sie ein liberales (linkes) Medienformat moderierte und der für sie einen lukrativeren Medienjob vorgesehen hatte.
Ana Kasparian stammte aus einer konservativen, christlich-orthodoxen armenischen Familie und hatte sich ähnlich wie Uygur später nach links entwickelt.
Jayar Jackson und Jesus Godoy kannten sich gut mit Medientechnik aus.
Wenn Uygur Godoy zu etwas befragten wollte, spielte er ein "What would Jesus say?"


PROGRAMM



Die mehrstündige Sendung umfasst mehrere Segmente.
In den ersten zwei Stunden werden aktuelle Entwicklungen der amerikanischen Politik besprochen.
Dann wird die Sendung mit einem halbstündigen "Postgame" beendet, das nur für zahlende Zuschauer erhältlich ist.
Nachher oder zwischenrein können auch andere Themen erörtert werden, z. B. aus Popkultur oder Sport. Z. T. wurden solche Themen aber auch in eigene Sendungen ausgelagert.

Die Moderatoren der Sendung sind politisch links bis linksliberal. Sie haben eine gewisse Nähe zur Demokratischen Partei, insbesondere zu ihrem linken Flügel, vertreten aber selten radikal linke Ansichten.
Für US-Verhältnisse (abgesehen von den linken Teilen der Kulturbranche) sind sie aber deutlich links.

Die Moderatoren von TYT setzen sich immer wieder auch für politische Kampagnen ein oder bilden PACs wie das "Wolf-PAC" gegen Korruption. Im Wahlkampf 2008 hat TYT Barack Obama unterstützt, war dann aber enttäuscht, dass dieser nach der Regierungsübernahme immer mehr nach rechts ging.
2016 waren viele Moderatoren für Bernie Sanders.
Da es in den USA auch in der Demokratischen Partei eine überstarken Einfluss von Großunternehmern gibt, unterstützt TYT die "Justice Democrats", die im Gegensatz zu etablierten Demokraten keine Großspenden annehmen. Die politische Wirksamkeit und Schlagkraft dieser Justice Democrats ist aber umstritten.

Die Videoaufzeichnung wird live gezeigt und anschließend einen Tag lang auf der Webseite als Stream zur Verfügung gestellt. Dann werden Ausschnitte davon auf dem Youtube-Kanal von TYT veröffentlicht.
Im Oktober 2009 überschritt der die 150.000.000-Grenze.

Im November 2010 wurde die Radioausstrahlung beendet.


GÄSTEAUSWAHL

Politik:
  • Jimmy Carter
  • Barney Frank 
  • Tulsi Gabbard (sie bestand darauf, dass Ana Kasparian nicht beim Interview anwesend war)
  • Jesse Jackson
  • Edward Kennedy
  • John Kerry
  • Alexandria Ocasio-Cortez
  • Nancy Pelosi
  • Bernie Sanders
  • Elizabeth Warren
Wirtschaft:

  • Alan Greenspan
  • Paul Krugman
Medien:
  • Jack Cafferty
  • Katie Couric
  • Lou Dobbs
  • Brian Williams
Populärkultur:
  • Amber Lee Ettinger
  • MC Hammer
  • Perez Hilton
Sonstige:
  • Noam Chomsky
  • Sam Harris
  • Gore Vidal

KRITIK

Wie viele Veranstaltungen zieht auch das TYT Network Kritiken an.

Manchen ist die Sendung zu links, anderen nichts links genug.

Es gibt aber auch klare Vorwürfe der Widersprüchlichkeit: So wird Cenk Uygur vorgeworfen, er verhindere die Gründung einer Gewerkschaft im TYT Network, obwohl er "on air" links rede.


Jimmy Dore
Jimmy Dore
Dave Rubin


TYT erlebte auch Fälle, in denen Akteure das Boot verließen und hinterher vom Leder zogen:
  • Dave Rubin galt zunächst als liberaler Kalifornier, bis er um 2015 schrittweise die Seiten in Richtung Konservatismus wechselte.
    Ana Kasparian warf ihm vor, sein Weggehen angekündigt und viel aus dem TYT-Studio mitgenommen zu haben, aber erst später eine politische Begründung nachgeliefert zu haben.
    Außerdem sollen monetäre Überlegungen (rechte Geldgeber) im Spiel gewesen sein.
  • Jimmy Dore war lange ein integraler Bestandteil von TYT.
    Dann verließ er das Netzwerk und gründete die Jimmy-Dore-Show mit der politischen Richtung Linkspopulismus/Linksaktivismus.
    Am Anfang hielt er noch Kontakt zu Freunden aus seiner TYT-Zeit. Doch die Beschuldigungen und Gegenbeschuldigungen zwischen Dore und Uygur/Kasparian wurden immer heftiger.
  • Die linken Journalistinnen Nomiki Konst und Hannah Cranston verließen TYT wahrscheinlich nicht freiwillig.
  • Transsexuelle Journalisten/Aktivisten verließen die Show und hielten Uygur und Kasparian für gendertechnisch rückständig.

QUELLEN:

Wiki
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Eigenrecherche




 

Montag, 24. Juli 2023

DIE BANDEN IN JAPAN

Yakuza (Katakana)
Yakuza in Katakana-Schrift


Japan ist bekannt als ein Land mit geringer Kriminalität. Das heißt aber nicht, dass es keine gibt.
Und wenn sie auftritt, kann sie sehr gefährlich werden.

Das zeigen gerade die Yakuza, das sind organisierte und meist traditionsorientierte Banden.
Wahrscheinlich stammen sie historisch aus dem Glückspielgeschäft, heute sind sie in vielen Bereichen aktiv. Zu diesen Banden zog es häufig Leute aus der Unterschicht, aber auch Abenteurer und Glücksritter.
Entsprechend ist unter ihnen der Anteil von Burakumin (ethnische Japaner aus früher diskriminierten Klassen) und in Japan lebenden Koreanern erhöht. Wie hoch er jeweils ist, ist umstritten und gilt als Politikum.
Traditionell tragen Yakuza häufig Tattoos, was in der japanischen Mainstreamgesellschaft nicht so angesehen ist.

In den letzten Jahren haben radikale Maßnahmen ihre Wirkung gezeigt. Der Staat versucht, nicht nur Symptome zu bekämpfen, sondern - ähnlich wie auch in den USA - die Finanzströme der OK trocken zu legen.
Aber ganz gelingt das nie und in Machtlücken können andere Banden vorstoßen, z. B. Triaden aus China.

Wie viele kriminelle Banden leiten auch die Yakuza für sich ein Robin-Hood-Image ab.
Historisch ist es schwer zu sagen, ob eine kriminelle Struktur anfangs einmal für Ideale gekämpft hatte und dann zwecks Versorgung zu einer "Räuberbande" wurde oder ob sie immer schon kriminell war.
Frühere Vergleiche führten gerne zu Mafia oder Triaden, heutige vielleicht zu Untergrundgruppen wie der IRA.


GESCHICHTE

Es gibt verschiedene historische Erklärungen zur Entstehung der Yakuza.

Die Edo-Periode (Gründer: Tokugawa)

Eine prominente Erklärung ist die Entstehung aus Glückspielsyndikaten (博徒/bakuto) in der Edo-Periode (ca. 1600 - 1868). Damals wurde Japan in brutalen Einigungskriegen durch die drei "Reichseiniger" Oda Nobunaga, Hideyoshi Toyotomi und Oda Nobunaga zwangsgeeint.Danach wurde die Gesellschaft straff und autoritär geregelt, das sich bereits festsetzende Christentum verfolgt und das Land nach außen weitgehend abgeschlossen. Einige Historiker sehen diese Epoche als Epoche der Stabilität, andere als Epoche der Unfreiheit. Im 19. Jhd. kam Japan durch Ausschluss der Konkurrenz des Auslands auf jeden Fall technisch nicht mehr gegen die Großmächte der Zeit an.
Man sprach von der "pax Tokugawa".
Mit "Edo" ist die Hauptstadt gemeint, die später Tokyo genannt wurde.

Die damaligen Yakuza kamen häufig aus der Unterschicht, also z. B. Bauern und Handwerkern, Kaufleuten oder sonstwie ausgegrenzten Menschen.


Ein Yakuza eilt seinem Komplizen gegen die Polizei zu Hilfe.
(Suzuki Kinsen, um 1900)


Einige suchten sicher das Abenteuer und die Zugehörigkeit zu einer starken Gruppe, aber viele waren auch ökonomisch gezwungen, sich über Wasser zu halten. So konnte es sein, dass jemand seinen Besitz durch Naturkatastrophen, Streitereien, Ronin (herrenlose Samurai), staatliche Strafverfolgung oder Glückspiel verloren hatte.
Die Polizeikräfte kamen damals in der pax Tokugawa aus dem Stand der Samurai. So sorgte der Shogun Tokugawa einerseits für Sicherheit und band andererseits die zuvor aufsässigen Samurai an sich.
Somit gab es zwischen Polizei/Samurai und Yakuza auch Standesdünkel. Die Yakuza wurden gerne als Möchtegern-Krieger (vgl. Bushido) betrachtet.
Die Yakuza waren in "kumi" genannte Banden unterteilt. Vereinzelt gab es auch eine Zusammenarbeit mit anderen Schichten, aber offiziell selten.


Das 19. Jhd. und 20. Jhd: Radikale Modernisierung Japans

Die Tokugawa-Zeit ging im 19. Jhd. zu Ende und Japan unterzog sich einer radikalen Modernisierung. Für die Yakuza war dies eine schwere Phase, aber man suchte in der neu entstehenden "kapitalistischen" Wirtschaftsordnung bereits nach neuen Geschäftsfeldern. Hinzu kam, dass die straffe Modernisierung des Landes auch zu einer Entwurzelung vieler Menschen führte.

Eine neue Wachstumsphase erlebten die Yakuza zu Anfang der Showa-Zeit ab 1926 bis zum Ende des
Zweiten Weltkriegs und darüber hinaus.
Die Yakuza organisierten den Schmuggel und illegalen Handel und konnten auch in einer Zeit, als sich der Zusammenbruch des japanischen Militärapparates abzeichnete, mit Gewalt legale oder illegale Ansprüche durchsetzen.

1945 war Japan zwar militärisch besiegt, aber die USA wollten gegen die von ihnen so wahrgenommene kommunistische Bedrohung ein Bollwerk schaffen, für das sie auch mit den alten Machtgruppen zusammenarbeiten wollten. Man kann hier Vergleiche zum besiegten Deutschland ziehen. 1952 wurde im Friedensvertrag von San Francisco die staatliche Souveränität Japans wiederhergestellt, allerdings unter dem Zugeständnis, dass amerikanische Militärbasen in Japan weiter betrieben werden dürfen.

Im jetzt beginnenden Wirtschaftswachstum Japans nistete sich die Yakuza v. a. in den Bereichen Glücksspiel, Erpressung und Bauwirtschaft ein.
Aus Konflikten entwickelten sich blutige Bandenkriege um Einflussphären.

Lange Zeit ließ man die Yakuza gewähren, bis ab Mitte der 1960er-Jahre der Repressionsdruck des Staates erhöht wurde. Die Yakuza reagierte darauf mit einem Konzentrationsprozess zu den bis heute bestehenden Großbanden Yamaguchi-gumi, Sumiyoshi-kai und Inagawa-kai.

Politisch gesehen entstanden "seltsame Netzwerke" zwischen rechtsbürgerlichen Politikern, Geschäftsleuten, Rechtsextremisten und der Yakuza.
Gerade in der 68er-Zeit, als durch die auch in Japan zu beobachtende Eskalation immer mehr linksgerichtete Gruppen auftreten, die ihrerseits bandenmäßig organisiert war, griff die Rechte neben offizieller Verfolgung durch die Polizei auf (Kampf-)Sportclubs, rechte Landjugendgruppen und Banden der Yakuza zurück.
Ein Vergleich zu den 60er- und 70er-Jahren in Italien mit Anarchokommunisten, Alt- und Neofaschisten und Mafiabanden bietet sich an.

In den 1970er-Jahren mit diversen Öl- und sonstigen Krisen stieg die Yakuza auch in die Finanzbranche ein. Durch den erneut gezündeten Turbokapitalismus der 1980er-Jahre mit seiner "immer wieder platzenden" Blasenökonomie konnten die Yakuza ihre Verankerung in der "offiziellen" Wirtschaft weiter festigen.
Es kam zu Schutzgelderpressungen börsennotierter Aktiengesellschaften, die mit "quertreibenden" Kleinaktionären (Einsprüche, Klagen) unter Druck gesetzt wurden. Die weiter wachsende Schifffahrt (besonders die Containerschifffahrt) befeuerte den Schmuggel.

In den 1980er stand in vielen großen Verbrechersyndikaten ein Generationenwechsel an, der besonders in der Yamaguchi-gumi das ganze Jahrzehnt hindurch blutig ausgetragen wurde.


Spätes 20. Jahrhundert: Stärke, staatliche Gegenmaßnahmen und Tod von ITAMI Juzo

Die Banden der Yakuza führten sich durch die vorangegangen Wachstumsphase und ihr Machtbewusstsein irgendwann so selbstbewusst auf, dass dies zu einer Gegenwehr führen musste.
Viele Banden waren mit ihrer Adresse sogar offen im Telefonbuch verzeichnet.
In der Bevölkerung erhöhte sich der Druck gegen diese Zustände.

Diese Zustände begannen sich zu ändern, als der japanische Staat das Boryokudan-Gesetz im März 1992 auf Schiene brachte. Das Gesetz galt (Name!) allen "gewalttätigen Gruppen".
Die Mitgliedschaft in diesen Gruppen war zwar immer noch nicht illegal, wohl aber jede Betätigung in diesen. Sie konnte mit drastischen Strafen geahndet werden.
Viele Yakuza-Banden gingen jetzt in den Untergrund. In der wirtschaftlichen Stagnation der 1990er-Jahre war in Japan aber sowieso nicht mehr so viel zu holen.
Die Yakuza mussten sich mühsam anpassen. Neben Glücksspiel, Bauwirtschaft und Erpressung dachte man jetzt vermehrt über Drogen- und Menschenhandel nach. Junge Frauen aus Südostasien wurden unter falschen Versprechungen angelockt.
Das Internet war außerdem dabei, sich zu entwickeln.

Das Fass zum Überlaufen brachte aber der Film "Minbo no Onna" (quasi: Die Frau der/für die Erpressung) von ITAMI Juzo, in dem eine Anwältin (gespielt von Itamis Ehefrau) der Yakuzi bei deren Erpressungsversuchen Paroli bietet. Das Auftreten der Yakuza ist im Film sehr realistisch dargestellt, einige Schauspieler sollen sogar Ex-Yakuza gewesen sein.
Die Folge war nur, dass die Yakuza sich durch diesen Film in der Ehre gekränkt fühlte und einen Anschlag auf Itami durchführte, bei dem dieser geschlagen wurde und dann eine Klinge langsam durch das Gesicht gezogen bekam. Itami musste deshalb lange Zeit im Krankenhaus zubringen, erlebte die dortige Bürokratie und hatte damit gleich seine nächste Filmidee.

Für die japanische Öffentlichkeit war damit aber das Maß voll. Der Druck auf die Politik war extrem.
Trotz einiger Verschleppungsversuche wurden jetzt Gesetze auf den Weg gebracht, die nicht nur die äußeren Phänome der Organisierten Kriminalität (OK) bekämpften, sondern auch deren Finanzströme wirksam austrocknen sollten.
Die Yakuza konnten sich in den 1990ern noch gut halten, aber in der Folgezeit brach für sie eine schwere Zeit an.
Itami konnte seinen Trimpf aber nicht mehr erleben: Er starb 1997 durch einen Sprung vom Hochhaus. Zuerst hieß es, er sei empört gewesen über Presseberichte über eine angebliche Liebesaffäre mit seiner Mitarbeiterin (die Yellow Press hatte berichtet), doch dann mehrten sich die Anzeichen, dass die Yakuza ihre Finger im Spiel hatte. 2008 äußerte sich ein Ex-Yakuza in einem Interview mit dem investigativen Journalisten Jake Adelstein entsprechend.
Das Problem war wohl, dass Itami einmal 1997 einen Film über namens "Marutai no Onna" gemacht hat, in dem es um eine Frau im Zeugenschutzprogramm ging und zweitens, dass er einen neuen Film plante, in dem er angebliche Verbindungen zwischen Yakuza und der mächtigen buddhistischen Gemeinschaft Soka Gakkai aufzeigen wollte. Die Soka Gakkai war zu einem Finanzgigangen mit dubiosem Finanzgebaren herangewachsen und hatte sogar eine eigene Partei, die Komeito, die aber aufgrund der Trennung von Religion und Staat in der Nachkriegsverfassung offiziell getrennt agierten.


Yakuza bei einem Zeremoniell in Tokio.
2007


DAS 21. JAHRHUNDERT: ZUNEHMENDE REPRESSION GEGEN DIE YAKUZA

Japan ging durch den Kampf gegen die Geldflüsse der Yakuza einen ähnlichen Weg wie die USA.
In beiden Fällen dauerte es aber eine gewisse Zeit, bis die Maßnahmen wirkten.

2004 entschied aber der Oberste Gerichtshof, dass der damige Anführer der Yamaguchi-gumi nach den Bestimmungen des geltenden Gesetzes auch für die Machenschaften seiner Untergebenen haftbar gemacht werden konnte. Damit war dieser Bande das Messer an die Kehle gesetzt
Der Anführer der Yamaguchi-gumi kam damals zwar noch mit einem blauen Auge davon, aber künftig mussten die Banden der Yakuza genauer aufpassen, ob und wann sie offene Gewalt anwenden sollten.

Seit Oktober 2011 ist in Japan sogar jegliche finanzielle Zusammenarbeit mit Yakuza-Gruppen unzulässig. Alle japanischen Banken und viele andere Unternehmen haben Ausschlussklauseln in ihre Geschäftsbedingungen aufgenommen!
In der Folge wird es für Yakuza-Mitglieder immer schwieriger, sich überhaupt ein Konto anzulegen oder auch nur eine Wohnung zu mieten oder zu kaufen.
2013 ging die japanische Finanzaufsicht gegen die Mizuho Financial Group vor, weil sie ihre Geschäftspartner nicht ausreichend überprüft hatte. Es soll zu Transaktionen von und für Yakuza-Mitgliedern gekommen sein.
Ende 2015 wurde der oberste Leiter der Sumiyoshi-kai wegen Wahlbetrugs zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
2016 wurde ein Leiter der Osaka-Yamaguchi-gumi beschuldigt, illegal (ohne Angabe seiner Gangmitgliedschaft) ein Auto gekauft zu haben.

Sogesehen wird es eng für die Yakuza.
Nun muss man schauen, ob es ihr gelingt, ähnlich wie einige Zweige der Mafia in die Internetkriminalität zu wechseln.
Ein weiteres Problem in den Augen der Beobachter ist aber, dass in ein solches kriminelles Machtvakuum leicht kleinere oder ausländische Banden wie die Triaden aus China stoßen können.





DETLEV ROHWEDDER

Detlev Rohwedder



* 16.10.32, in Gotha
+ 01.04.91, in Düsseldorf
 
Detlev Karsten Rohwedder war ein deutscher Manager und Politiker. In der Wendezeit war er Präsident der Treuhandanstalt und wurde in dieser Funktion von einem Scharfschützen erschossen.
Die RAF bekannte sich zu diesem Anschlag, aber es gibt noch andere Täterhypothesen.


LEBEN

Detlev Rohwedder wurde als Sohn des Buchhändlers Ingo Julius Rohwedder (1896 - 1981) und dessen Frau Elisabeth, geb. Ott (1905 - 1991), in Gotha geboren.
Rohwedder besuchte die Grundschule in Berlin und legte 1953 am Realgymnasium in Rüsselsheim das Abitur ab.


STUDIUM

Rohwedder studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Hamburg und Mainz. Dort war er Mitglied der Leipziger Universitäts-Sängerschaft zu St. Pauli in Mainz.

1960 heiratete er die aus Königsberg stammende Hergard Toussaint (1933 - 2019), die er im gemeinsamen Jurastudium kennengelernt hatte.
1961 wurde er zum Dr. jur. promoviert, 1962 absolvierte er sein Assessorexamen.

Rohwedder wurde danach Teilhaber einer Treuhand- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Düsseldorf.
Von 1969 bis 1978 war er Staatssekretär der SPD im Bundeswirtschaftsministerium in Bonn, wo er sich unter anderem mit dem Export westdeutscher Atomtechnologie beschäftigte.
1971 trat Rohwedder der SPD bei.

Im Jahr 1979 wurde Rohwedder an die Spitze des Stahlkonzerns Hoesch in Dortmund berufen. Er sollte das Unternehmen sanieren und neu ausrichten.
Dazu gehörte auch die Auflösung des Estel-Konzerns (ein Zusammenschluss des niederländischen Stahlproduzenten Hoogovens mit Hoesch). 1983 wurde Rohwedder zum Manager des Jahres gewählt.
1985 verlieh ihm der Presseverein Ruhr die Auszeichnung "Eiserner Reinoldus" (Schutzpatron von Dortmund). 1991 erwarb der Krupp-Konzern die Anteilsmehrheit an Hoesch.

Am 03.07.1990 wurde Rohwedder vom Ministerrat der DDR zum Vorsitzenden der Treuhandanstalt bestimmt, im August 1990 übernahm er dieses Amt kommissarisch und am 01.01.1991 übernahm er es offiziell.
Er sollte die Volkseigenen Betriebe der DDR sanieren und privatisieren (oder abwickeln). Dieser Ansatz war sehr umstritten und das Amt des Treuhandvorsitzenden entsprechend heikel.
Im Interessenkampf zwischen westlichen Kapitalinteressen, Ostseilschaften und Arbeitnehmern konnte man in einer personell unterbesetzten Behörde nur verlieren.
Im November 1990 wurde Rohwedder erneut als Manager des Jahres ausgezeichnet.

Rohwedder war Träger des Bundesverdienstkreuzes und des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen (1990).


ANSCHLAG

Rohwedders Düsseldorfer Wohnhaus im Stadtteil Niederkassel war nur im Erdgeschoss mit Fenstern aus Panzerglas ausgestattet. Dies ist sehr unprofessionell, war aber mglw. von Rohwedder gewollt.
Das Haus wurde zwar von der Polizei überwacht, aber sehr bürokratisch, sichtbar und regelmäßig.
Diese Überwachung wurde ausgespäht.

Vor dem Anschlag auf ihn hatte sich eine sehr negative Stimmung aufgebaut. Seine Witwe Hergard Rohwedder berichtete später, dass er besonders kurz vor dem tödlichen Anschlag viele Morddrohungen erhielt. Das Telefon klingelte oft ohne Wortmeldung und an der Tür klingelte es oft ohne Personen.

Ihrer Bitte nach verstärktem Polizeischutz (4 Tage vor dem Anschlag) wurde nicht erhöht. Sie empfand das überlegene Auftreten ihr gegenüber als sehr hochnäsig. Die Bewacher taten so lange so, als ob sie die Situation im Griff hätten, bis Detlev Rohwedder tot war.

Am Ostermontag, dem 1. April 1991, gegen 23:30 Uhr, wurde Rohwedder durch das Fenster im ersten Stock seines Wohnhauses mit dem ersten von drei Gewehrschüssen getötet. Der zweite Schuss wurde einige Sekunden später abgegeben und verletzte seine Frau am Arm, wahrscheinlich galt er auch ihr.
Der dritte Schuss traf ein Bücherregal.
Die Schüsse wurden aus 63 Metern Entfernung aus einer schräg gegenüberliegenden Schrebergartensiedlung abgegeben.

Die Tatwaffe war ein Selbstladegewehr vom Typ FN FAL (Belgien) mit dem NATO-Kaliber 7,62 x 51 mm. Das Gewehr wurde nicht gefunden, wohl aber Patronen.
Das FN FAL ist verwandt mit dem deutschen Gewehr G3. Beide stammen ab vom spanischen CETME-Gewehr, das seinerseits auf dem deutschen Sturmgewehr 45 beruht, welches im Zweiten Weltkrieg nicht mehr zum Einsatz kam. Einige NS-Entwickler flohen nach dem Krieg in das noch von Franco beherrschte Spanien.
(Das Sturmgewehr 45 ist nicht mit dem berühmten Sturmgewehr 44 zu verwechseln, das so aussieht, als ob es für das spätere AK-47 Kalaschnikow Pate gestanden hätte.)
Der gleiche Waffentyp und wohl die gleiche Waffe war auch schon bei einem Anschlag der RAF auf die US-Botschaft im Schloss Deichmannsaue in Bonn am 13. Februar 1991 verwendet worden.
Wenige Tage vor dem Attentat waren bei inhaftierten RAF-Terroristen Strategiepapiere gefunden worden, die neue Aktivitäten ankündigten.

Drei Minuten nach den Schüssen löste die Düsseldorfer Polizei eine Großfahndung aus, bei der sie den gesamten Ortsteil Oberkassel, zu dem auch Niederkassel gehört und der größtenteils über Rheinbrücken zu erreichen ist, absperrte, aber Täter und die Tatwaffe wurden nicht gefunden.

Am Tatort fanden sich drei Patronenhülsen, ein Plastikstuhl, ein Handtuch und ein Bekennerschreiben mit der Unterschrift "Rote Armee Fraktion Kommando Ulrich Wessel".

Der Plastikstuhl diente vermutlich zum Aufsetzen der Waffe als Unterlage, um auf die Entfernung sicherer zielen zu können. Er wurde rheinwärts einer Laube entwendet.
Außerdem wurden ein Feldstecher und drei Zigarettenstummel gefunden.
Der oder die Täter konnten nicht ermittelt werden. 1992 bekannte sich die RAF noch einmal zu dem Mord.

Einige Spuren konnten aufgrund verbesserter Labormethoden erst Jahre später Rückschlüsse preisgeben. Die Haare auf dem am Tatort gefundenen Handtuch wurden laut BKA dem inzwischen verstorbenen RAF-Mitglied eindeutig Wolfgang Grams zugeordnet. Der Bundesanwaltschaft reichte dieses Indiz jedoch nicht.
Die Blutgruppenbestimmung an den Zigarettenstummeln ergab aber die Blutgruppe A, die nicht zu Grams passt. Eine DNA-Analyse war hier nicht möglich.

Im November 2018 berichtete die Witwe Hergard Rohwedder, dass sie mit ihrem Mann am Ostersonntag (das Attentat war am Ostermontag) nach Hause kam und auf dem Nebengrundstück ein großes Auto mit einem jungen Paar gesehen hätte(n). Beide wunderten sich, dass auf dem Gelände einer Anwaltskanzlei am Ostersonntag ein Auto stand.
Hergard Rohwedder verstarb am 01.05.2019.

Die Rohwedders hatten einen Sohn und eine Tochter.


HINTERGRÜNDE


Mögliche Tätergruppen

Über die Hintergründe der Tat ist viel spekuliert worden. Eine Täterschaft der RAF ist wahrscheinlich. Die RAF bekannte sich auch selber zu dem Anschlag.

Umstritten ist aber, ob dir RAF durch das Aufgreifen eines "Ostthemas" von sich aus ihre Beliebtheit bei der deutschen Linken wiederherstellen wollte, oder ob die sich auflösende Stasi, die vorher schon mit RAF-Flüchtlingen zusammengearbeitet hat, ihrerseits die RAF noch einmal auf ihre Seite gezogen hat.

Birgit Hogefeld verbuchte die RAF auf das Konto der RAF.
Die Personen der III. Generation der RAF sind bis heute umstritten.
Damals wurden auf Fahndungsplakaten genannt: Sabine Elke Callsen, Daniela Klette, Andrea Martina Klump, Barbara Meyer, Horst Ludwig Meyer, Christoph Eduard Seidler, Ernst-Volker Staub.

Ferner gibt es - ähnlich wie beim Anschlag auf Alfred Herrhausen - Spekulationen, ob nicht sogar westliche Eliten Rohwedder auf dem Gewissen haben könnten.



Fundstücke am Tatort

Noch einmal zu den Fundstücken:

Man kennt das Gewehr, das gegen Rohwedder von dem Gartengrundstück eingesetzt wurde, auch wenn es vor Ort nicht gefunden wurde: Es war ein belgisches FN FAL.

Zum Zielen wurde aller Wahrscheinlichkeit nach ein Gartenstuhl aus Kunststoff benutzt. Zusätzlich wurde ein Handtuch benutzt. Daneben lagen Zigarettenstummel.

Auf dem Handtuch wurden DNA-Spuren festgestellt, die so gering waren, dass sie erst Jahre später ausgewertet werden konnten. Sie deuten auf Wolfgang Grams.
Die DNA-Spuren der Zigarettestummel konnten nicht komplett ausgewertet wurden. Die Blutgruppe des Rauchers war aber A - also  nicht die von Wolfgang Grams.

Dieter Fox (ehem. GSG 9) bezeichnet den Schützen als erfahren (Schuss aus Winkelposition).

Da der Täter vor und nach der Tat höchstwahrscheinlich den Rhein durchschwommen hat, überlegt man auch, ob er auf dem Gebiet der früheren DDR die Durchquerung bewegter Gewässer geübt hat.
Entsprechende Anlagen neben Schießanlagen gab es.


mögliche Trainingsorte (falls RAF-Stasi-Connection)

Anfang der 80er-Jahre (bis 1984?) bildete die Stasi RAF-Schützen z. B. bei Frankfurt/Oder aus.

Ein anderes Objekt wäre Börnecke nördlich von Berlin.
Harry Ewert.
Anti-Terror-Einheit des MfS für Personen mit Auslandsbestimmung.
Entsprechend viel NATO-Munition (auch Israel).
In einem angeblichen "Feuerlöschteich" wurden Tauchübungen im trüben und bewegten Wasser durchgeführt. Das ehem. Pumpenhäuschen enthielt rumänische Technik.


Der Verdacht von Anhängern der Theorie einer "RAF-Stasi-Connection" ist, dass Teile der DDR-Eliten in den 80er-Jahren merkten, dass es mit der DDR-Wirtschaft bergab ging und vorsorgen wollten.
Als dann die Wende nahte, sahen sie sich noch mehr unter Zeitdruck gesetzt.
Dabei sollte erhebliches Vermögen über Firmen und Banken in der Schweiz verschoben werden.
Genau diesen Verbindungen war angeblich Rohwedder kurz vor seinem Tod auf den Fersen.


Der Topferhof-/Rhönhild-Kreis (falls RAF-Stasi-Connection)

Hans Schwenke (Bürgerbewegung)
Geheime Treffen im Süden Thüringens seit Mitte der 1980er-Jahre.
Rhönhild nahe der innerdeutschen Grenze.
VEB Töpferhof.
Auswechsel der Wachmannschaften in Richtung: Wachregiment Feliks Dscherschinsky.
Gastgeber:
Kombinatsdirektor Siegfried Gramann (1924 - 1991).
Verstarb 14 Tage vor Untersuchungsausschuss.
Sekretärin Walburg Zitzmann:
Besaß Gramanns Terminkalender 1986 - 89.
Verstarb durch Verkehrsunfall. Danach in Klinik angeblich Hirntumor festgestellt.
RA Manfred Wünsche:
Rechtsanwalt, Devisenexperte (Schalck-Golodkowski)

- Wolfgang Berghofer mit 2 Genossen
- 5 Genossen


Auslangsspione (HVA) mit wahrscheinlichen TH-Kontakten (falls RAF-Stasi-Connection)

Peter Feuchtenberger:
- HVA
- persönlicher Referent von Markus Wolf
- IT-Spionage (für robotron)

Thilo Kretschmer:
- IT-Spionage (für robotron)

Ralf-Peter Devaux:
- Oberst
- Mitarbeiter: Vogel, Geyer, Prosetzky, Lauchert
- politische Aufklärung BRD, Sabotagevorbereitung
- IT-Spionage (für robotron)
- Kontakte nach Röhmhild
- später angeblich USA/CIA


Schweizer "Zwischenfirmen" (falls RAF-Stasi-Connection)

1987: Firma Fuba (Hoesch-Tochter) aus Niedersachsen soll einen DDR-Deal annehmen.
Es geht um 3 Leiterplattenwerke, besonders für robotron. Anfangs genehmigt, dann verboten.
=> INTRAC (Lugano):
- Schweizer Firma, die Technologien vermittelt hat
- Ottokar Hermann


QUELLEN/LITERATUR:

Czaschke, Werner/Clemens Schmidt: Wer erschoss den Treuhandchef?
                     Neue Spuren im Mordfall Rohwedder; 1998
                     (ARD/WDR-Doku)







ALFRED HERRHAUSEN

 
Black Box BRD
In Black Box BRD vergleicht Andres Veiel die Leben von Alfred Herrhausen und Wolfgang Grams.
Grams baute die 3. Generation der RAF auf. Es ist aber nicht sicher, ob er auch am Attentat beteiligt war. BBB enthält aber viele Lebensstationen von Herrhausen und Grams.

* 30.01.30 in Essen
+ 30.11.89 in Bad Homburg vor der Höhe

Alfred Herrhausen war ein deutscher Ökonom, Manager und Vorstandssprecher der Deutschen Bank.
Anhänger von Herrhausen sehen ihn als letzten Vertreter einer Zeit, als es noch "Bankiers" gab und nicht "Banker". Kritiker sehen seine strategischem Maßnahmen bereits als Schritt in die späteren Zustände der "wilden Zockerei".


JUGEND

Alfred Herrhausen wurde im Januar 1930 in Essen geboren und wuchs zunächst dort auf.
Er wuchs bald in der Zeit des Nationalsozialismus hinein.
Herrhausens Vater war der Vermessungsingenieur Karl Herrhausen, seine Mutter war Hella Herrhausen.
Er hatte eine Zwillingsschwester Anna. Später sagte Anna in einem Interview, ihr Vater habe Alfred früh gelehrt, wenn er es zu etwas bringen wolle, müsse er jeden Tag eine Stunde länger arbeiten als die anderen.
Alfred Herrhausen ging zunächst in das Carl-Humann-Gymnasium in Essen-Steele. Dann sorgten seine Eltern und HJ-Vorgesetzten dafür, dass er die NS-Eliteschule "Reichsschule Feldafing" aufgenommen wurde.
Aus Herrhausens Jugendzeit, in der auch körperliche Fitness und Wehrertüchtigung großgeschrieben wurde, existieren Aufnahmen, die zeigen, wie der kleine Alfred Herrhausen bei einem Geländespiel einen Überfall auf einen Trupp Hitlerjungen inszeniert. Er stürmt aus dem Feld auf sie zu.

Das Kriegsende erlebte Herrhausen im Mai 1945 mit 15. Wie viele seiner Generation beschloss er, künftig vorgefertigte Dogmen kritischer zu hinterfragen. Außerdem wollte er sich jetzt für die neuen Werte, Freiheit und Demokratie, einsetzen, behielt aber seinen missionarischen Anspruch und seine Größenphantasien.


STUDIUM UND BERUFSEINSTIEG

Nach dem Krieg studierte Herrhausen an der Universität Köln Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre. Er gehörte ab 1951 dem Corps Hansea Köln an.
Seine Doktorarbeit schrieb er bei Theodor Wessels über den Grenznutzen. 1955 wurde er in Köln zum Dr. rer. pol. promoviert.

Herrhausens Vater wollte jedoch nicht, dass sein Sohn sich zu lange an der Universität aufhält.
So ging er zur Ruhrgas AG und dann zu den Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW), obwohl sein Vater, der dort auch tätig war, dies kritisch sah.


WECHSEL ZUR DEUTSCHEN BANK

1969 wechselte Herrhausen überraschend die Branche und wurde vom Vorstandssprecher Friedrich Wilhelm Christians zur Deutschen Bank geholt.
1970 wurde er stellvertretendes und 1971 ordentliches Vorstandsmitglied.
Als Ende 1972 das von der Deutschen Bank dominierte Kölner Schokoladen-Unternehmen Stollwerck durch Hans Imhoff übernommen wurde, hatte Herrhausen den Vorsitz des dortigen Aufsichtsrates inne.

1974 wurde Herrhausen von der Bundesregierung unter Helmut Schmidt in die Bankenstrukturkommission berufen.

1977 bekam Alfred Herrhausen aufgrund der Scheidung von seiner ersten Ehefrau Ulla innerhalb der Chefetagen der Deutschen Bank Probleme. Die katholisch geprägte Bankführung brachte ihr Missfallen zum Ausdruck und isolierte ihn für einige Zeit.
Wilhelm Christians durchbrach diese Isolation dann bewusst.

1983 wurde Herrhausen zusammen mit zwei weiteren "Stahlmoderatoren" von der neuen Bundesregierung - jetzt unter Helmut Kohl - beauftragt, ein Konzept zur Neuordnung des deutschen Stahlmarktes zu erstellen.

Innerhalb der Deutschen Bank wurde Herrhausen im Mai 1985 nach dem Ausscheiden Wilfried Guths neben Christians einer von zwei Vorstandssprechern.
Am 11. Mai 1988 wurde er alleiniger Vorstandssprecher. Jetzt betrieb er mit Nachdruck den Umbau der Konzernstrukturen und machte die Bank zum Marktführer in Deutschland. Darüber hinaus stieg die Deutsche Bank unter seiner Führung durch strategische Umstrukturierungen und Zukäufe in die Spitzengruppe der internationalen Geschäftsbanken auf.
Seine Schwerpunkte lagen auf dem "Allfinanzkonzept" und der Internationalisierung.
Es kam zur Gründung der Deutsche Bank Bauspar AG und der Deutsche Bank Lebensversicherungs AG und zur Übernahme der britischen Investmentbank Morgan Grenfell im Jahre 1989.
Diese Planung wurde am 27.11.89, also drei Tage vor Herrhausens Tod, bekanntgegeben.

Herrhausen hatte auch ein offensives Verständnis von medialer Kommunikation. Damals wurde den Banken von linken Kritikern oft vorgeworfen, sie hätten zuviel Macht. Herrhausen nahm den Begriff der "Macht" offensiv auf und äußerte, dass Banken in der Tat Macht hätten, diese aber zum Guten in der Gesellschaft einsetzen müssten.


KRITIK

Herrhausen galt als begabter Wirtschaftslenker, dessen volkswirtschaftliche Expertise auch jenseits seiner Firma gefragt war. Deshalb wurde er von der Politik mehrmals um Beratung gebeten.

Als Generalist setzte er sich aber auch oft in die Nesseln.
Da waren zum einen "Finanzkapitalisten", die die Bank drängten, sich immer mehr in Richtung riskanter Finanzgeschäfte zu bewegen, "Traditionalisten", die die Dinge gerne so gelassen hätten wie sie waren und "68er und Grüne", die damals so langsam mediale Machtpositionen erreicht hatten und generell nicht viel vom Bankenwesen hielten.

In dieser Gemengelage setzte sich Herrhausen um 1987 und 1988 für einen bedingten Schuldenerlass für die Dritte Welt ein. Einige Akteure fanden das gut, andere - die davon negativ betroffen wären, entsprechend nicht. (1987 hatte es eine große internationale Finanzkrise gegeben.)
Ihm wurde sogar vorgeworfen, durch eine solche pseudo-moralische Offensive zum Schuldenerlass gar nicht der Dritten Welt helfen, sondern der angelsächsischen Bankenwelt (und Konkurrenz) schaden zu wollen.
Besonders die Übernehme der Investmentbank Morgan-Grenfell wurde von vielen als Wildern in fremden Revier gesehen.

Daher gab es nach dem Attentat auch Spekulationen um die Frage, ob die Tätergruppe nicht in RAF-Kreisen oder Stasi-Kreisen zu suchen sei, sondern gar in Finanzkreisen!


DAS ATTENTAT

Alfred Herrhausen starb am 30.11.1989 durch ein gegen ihn gerichtetes Sprengstoffattentat. Und zwar handelte es sich bei um ein Deformationsgeschoss, dass von dem Gepäckträger eines an der Straßenseite abgestellten Fahrrades abgeschossen wurde, das gepanzerte Fahrzeug Herrhausens traf und im Inneren eine Streuung von Fahrzeugsplittern auslöste. Der Werfer auf dem Gepäckträger wurde durch eine Lichtschranke gezündet, die bei Herannahen der Fahrzeuge mit einem Schalter aktiviert wurde (damit keine anderen Fahrzeuge getroffen werden).
Der Fahrzeugkonvoi Herrhausens bestand aus zwei gepanzerten Pkws vom Typ Mercedes S-Klasse.

Die Sicherheitsmaßnehmen von Staat und privaten Personenschützern waren wie üblich bei RAF-Anschlägen dilettantisch. Herrhausen blutete stark, lebte aber noch. Man hätte ihn sofort ins das nächstliegende Krankenhaus befördern müssen. Ein Auto war ja noch intakt.
Stattdessen hatten die Personenschützer Angst vor einer zweien Explosion (was bei Anschlägen durchaus vorkommen kann) und hielten sich in Deckung.
Außerdem waren die Wegstrecken, die Herrhausen zu seinem Arbeitsplatz nahm, aber auch für seine Ausfahrten mit dem Rennrad in der Gegend bekannt und wurden zu wenig variiert.
Peinlich ist auch, dass das am Straßenrad seit Wochen abgestellte Fahrrad nicht untersucht wurde. Ein pingeliger Anwohner hat sich zwar durch das zum Fahrrad führende Kabel gestört gefühlt und dieses entfernt, aber er kam nicht auf die Idee, dieser Sachlage eine höhere Bedeutung beizumessen und so konnten die Angreifer das Kabel erneut verlegen.
Durch all diese Schlampereien verblutete Alfred Herrhausen in seinem Auto.

Dieser Anschlag schockierte die mediale Öffentlichkeit. Durch Frankfurt am Main fanden Trauermärsche statt. Zehntausend Menschen gingen in einem Schweigemarsch durch das Bankenviertel.
Umstritten blieb allerdings bis heute die Frage nach der Urheberschaft.


DIE URHEBER DES ATTENTATES

Kurz nach dem Anschlag ging ein Bekennerschreiben der linksterroristischen Roten Armee Fraktion (RAF) ein.
Es gab durch den Einsatz von V-Leuten einige Verdachtsmomente gegen RAF-Terroristen. Diese konnten jedoch letztendlich nicht ausreichend erhärtet werden.

Bei den Hinweisen von V-Leuten handelt es sich v. a. um Aussagen von Siegfried Nonne. Nonne kam aus der linksalternativen Bewegung. Er konsumierte Drogen und galt als psychisch instabil. Seine Zuverlässigkeit als Kronzeuge war daher umstritten. Ob allerdings alle seine Aussagen unwahr waren/sind, ist keineswegs klar. Insgesamt war der Druck in dieser Sache hoch.
Nonne lieferte im Januar 1992 publizierte Hinweise, die auf Akteure hindeuten, die damals auf Fahndungsplakaten mit der 3. Generation der RAF in Zusammenhang gebracht wurden.
Er belastete Christoph Seidler, Andrea Klump, zwei nicht näher bekannte Männer namens Stefan und Peter sowie sich selbst.
Die 4 RAF-Terroristen sollen vor dem Anschlag längere Zeit in Nonnes Bad Homburger Wohnung (Am Hessenring 116) gelebt und dort Sprengstoff deponiert haben. Die Fahnder fanden tatsächlich geringe Sprengstoffreste, aber 2,4-Dinitrotoluol, 2,4-Dinitroethylbenzol und Spuren von Nitroglycerin. Bei dem Anschlag wurde aber Trinitrotoluol verwendet.
Nonnes Halbbruder Hugo Föller, der auch in der Wohnung gelebt haben soll, widersprach diesen Aussagen jedoch. Kurz nach Nonnes Aussage starb er an Lungenentzündung.

Christoph Seidler, der sich zur damaligen Zeit in Nahost (auch im Libanon) aufhielt, stellte sich 1996 den deutschen Behörden. Er will zu mehreren Tatzeiten der RAF ein Alibi gehabt haben.
Ob das so stimmt, war damals unter Juristen umstritten und ist es bis heute. Investigative Journalisten (z. B. Telepolis) haben vermutet, dass sich Seidler nicht immer wirklich dort aufgehalten hat, wo er vorgab, gewesen zu sein.
Andrea Klump war 1984 untergetaucht und hielt sich dann in Nahost (auch im Libanon) auf. Von 1988 - 1995 ist ihr Aufenthalt bis auf 1993 unbekannt.
Seidler und Klump bestritten eine RAF-Mitgliedschaft. Doch an ihrer Version bestehen Zweifel.
(Nach bundesdeutschem Recht ist schon die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129s StGB strafbar.)

Immer wieder gab es auch den Verdacht, die RAF könne - ähnlich wie es beim Attentat auf Detlev Rohwedder vermutet wird - zusammen mit der Stasi den Anschlag geplant oder sogar durchgeführt haben. Ein Motiv der Stasi könnte darin gelegen haben, dass der Ostblock Ende 1989 gerade im Zusammenbruch begriffen war.
Auch eine Beteiligung italienischer Linksterroristen oder der marxistischen PFLP wird nicht ausgeschlossen. Zumindest können von dort aus Hinweise zum Bau der Sprengfalle gekommen sein.

Etwas weiter hergeholt sind Theorien, der Anschlag sei gar nicht von links geplant und ausgeführt worden, sondern von rechts und zwar aus dem System heraus. Diese Spekulationen beziehen sich darauf, dass sich Herrhausen mit seinen Forderungen nach einem massiven Schuldenerlass für arme Länder in der internationalen Finanzwelt sehr unbeliebt gemacht hat.

Von offizieller Seite her wird seit 2004 nur noch gegen Unbekannt ermittelt.


QUELLEN UND LITERATUR:

Wiki
-
Aust, Stefan:
Peters, Butz:
Wisnewski, Gerhard: Das RAF-Phantom - Wozu Politik und Wirtschaft Terroristen brauchen






Samstag, 22. Juli 2023

TARNMUSTER (CAMOUFLAGE)










Tarnmuster
8 Tarnmuster:
Oliv (einfarbig) - Splittertarn Schweden - CCE aus Frankreich - Flecktarn Deutschland -
Lizardmuster Frankreich - Duck Hunter USA - Strichtarn DDR - Matrixtarn.



ANFÄNGE

Einfache Tarnungen wurden vom Menschen wahrscheinlich schon seit der Frühgeschichte angewendet, um sich an Beute oder an einen menschlichen Gegner heranzuschleichen.

Trotzdem gab es erst spät systematische Tarnungen in Armee.

Erste Ansätze hierfür gab es bei den Briten während der Napoleonischen Kriege, die einige Jäger-Einheiten in Grüntönen einkleideten.
Bereits im Unabhängigkeitskrieg der entstehenden USA haben viele Loyalisten, also Siedler, die der britischen Krone loyal blieben, in Grün gekämpft. Es ist aber nicht klar, ob schon damals eine Tarnabsicht bestand. (Die regulären britischen Einheiten waren als "Rotröcke" bekannt und die amerikanischen Unabhängigkeitskämpfer ("Patriots") kämpften in dunkelblau, wenn sie überhaupt einheitlich uniformiert waren.)


ERSTER WELTKRIEG

Systematischer ging man die Sache erst kurz vor und im Ersten Weltkrieg an. Nach 1900 stellten viele Europäische Armeen auf eine Einfarben-Tarnuniform um. Deutschland wählte 1908 Feldgrau, wobei einige Jäger auch in graugrün gekleidet waren. Frankreich blieb bei Blau, die Briten experimentierten mit Khaki. Man verwendete auch Vorerfahrungen aus den Kolonien.
Blitzende (reflektierende) Applikationen wurden reduziert oder ganz abgeschafft.

Während des Ersten Weltkrieg machte man sich auch Gedanken über Mehrfarbentarnanstriche und Tarnmuster.
Britische und später US-amerikanische Schiffe wurden durch Dazzle-Camouflage unkenntliche gemacht, damit U-Boote sie schwerer versenken konnten. Gemeint sind damit eckige Hell-Dunkel-Muster. Selbst wenn ein Schiff entdeckt wurde, konnten seine Struktur und seine Geschwindigkeit nur erschwert eingeschätzt werden.
Bei den Flugzeugen experimentierten die Deutschen mit Polygon-Mustern (Vieleckmuster, also mit scharfen Kanten). Die Briten nannten diese deutsche Konzeption Lozenge-Camouflage (also Rauten-Tarnung).


Lozenge Camouflage
Lozenge Camouflage
(Sie konnte zum Boden hin grüner und zum Himmel hin blauer sein.
Heute seltsam sind die Farben Rosa für den Himmel und Violett für den Boden.)


Die Briten und später Franzosen ahmten dies nach und verwendeten es auch auf ihren Panzerfahrzeugen ("Tanks"), bei deren Entwicklung sie schneller waren als die Deutschen.
Viele Tarnmuster waren anfangs aber noch nicht standardisiert, sondern individuell gefertigt. Farben wurden auch meistens mit Pinsel aufgetragen und noch nicht gesprüht.


Buntfarbenanstrich


Richtige Verordnungen kamen erst 1918 in Deutschland auf, als der Krieg schon fast verloren war. Im Juli 1918, also als quasi die letzte Deutsche Westoffensive nach dem Zusammenbruch Russlands im Osten gescheitert war, wurde in Deutschland offiziell als erstes standardisiertes Tarnmuster der "Buntfarbenanstrich" eingeführt. Er galt für Heer wie für Luftwaffe, die allerdings noch keine eigene Truppengattung war.
Diese Tarnung war für "Großgerät" wie Panzer (nur wenige vorhanden), Kanonen, Flugzeuge, Lkws und Kisten gedacht. Bei der Ausrüstung des Infanteristen sollte zumindest der Helm getarnt werden.
Der Buntfarbenanstrich bestand aus scharfkantigen Polygonen, die durch dicke schwarze Striche getrennt waren. Die Grundfarben waren Rostbraun, Grün und Ockergelb. So sollten verschiedenfarbige Böden und Vegetation nachgeahmt werden.


ZWISCHENKRIEGSZEIT

Das erste auf Stoff gedruckte Tarnmuster in der Zwischenkriegszeit war das "Telo Mimetico", das in etwa die Farben des deutschen Buntfarbenanstrichs übernehm. Es wurde 1929 beim (faschistischen) italienischen Militär für die Zeltbahnen eingeführt. Ab 1937 wurden diese Stoffe auch für Uniformen verwendet. Zum Beispiel rüstete die italienische Luftwaffe damit ihre Fallschirmjäger aus.
Das Telo Mimetico wurde erst 1992 endgültig abgeschafft.


Telo Mimetico

Die deutsche Reichswehr zog nur wenig später nach. 1931 wurde ein neues Buntfarbenmuster (heute "Splittertarn" bzw. "Splinter Camo" genannt) eingeführt. Das Buntfarbenmuster war dadurch gekennzeichnet, dass auf einem beigen Untergrund grüne und braune Polygonflächen zu sehen ware, über die zusätzlich noch grüne Striche gelegt waren.

Buntfarbenmuster 31
Buntfarbenmuster 31


Auch hier wurde der Stoff zuerst für Zeltbahnen verwendet, die von Scharfschützen aber auch als Tarnponcho verwendet werden konnten.
Aus diesem Muster wurden dann später offiziell oder auf Eigeninitiative diverse Uniformteile gefertigt.
Die Fallschirmjäger verwendeten das Buntfarbenmuster z. B. für ihren "Knochensack" genannten Jumpsuit. Während des Weltkrieges wurden vom Buntfarbenmuster leichte Abweichungen gefertigt, z. B. mit kleineren Polygonen.

Einen großen Schritt nach vorne in der Tarnforschung machte in den 1930er-Jahren die Waffen-SS. Sie ließ Grafiker besonders durchdachte Tarnmuster entwickeln, die heute als "Flecktarnmuster" bekannt sind und etwas variiert weltweit verwendeten. Führend war hier Professor Johann Georg Otto Schick, Leiter der 1935 aufgebauten Abteilung T ("Tarnung") und Wim Brant
Flecktarnuniformen waren die weltweit ersten in Massenproduktion hergestellten Mehrfarbenuniformteile (v. a. Jacken).
Die SS achtete aber auch die Patentierung dieser Entwicklung, so dass Wehrmachtseinheiten nur selten in den "Genuss" solcher Unformteile kamen.
Oft war auch nur die Jacke einer Uniform in Mehrfarbentarn.


ZWEITER WELTKRIEG

Die SS entwickelte innerhalb der Flecktarnreihe verschiedene Muster, die meist mit Nachkriegsnamen benannt werden, weil die zeitgenössischen Namen verloren gegangen sind. Das Platanenmuster wurde vor dem Krieg entwickelt und zu Kriegsbeginn eingesetzt. Dann kamen im Krieg weitere Entwicklungen zum Tragen.

  • Platanenmuster
  • Palmentarn
  • Eichenlaub
  • Erbsentarn
Platanenmuster - Sommer
Platanenmuster (Sommerseite)


1941 führte die Luftwaffe eine eigene Version des Splittertarnmusters, das Splittertarnmusters 41 mit kleineren Polygonen ein.

1943 wurde neben dem Splittertarnmuster noch das Sumpftarnmuster entwickelt und 1944 abgewandelt, das an Splittertarn angelehnt war. Die braunen Partien waren jetzt kleiner als die grünen Partien und von diesen etwas abgesetzt und die Kanten wurden etwas "weichgezeichnet".


Sumpftarnmuster
Sumpftarn-Muster


Ungefähr zu der Zeit wurden aber auch Tarnmuster aus Italien (Tele Mimetico) oder aus Ungarn (größere abgerundete Flächen) übernommen.

Gegen Ende entwickelte man im Deutschen Reich noch das "Leiber-Muster" (benannt nach den Entwicklern), dass ein universelles Tarnmuster für Wehrmacht und Waffen-SS sein sollte und bei dem schon Infrarot-Tarneigenschaften berücksichtigt wurden.
Das Muster kam aber nur noch begrenzt zum Einsatz.
Trotz der Vereinheitlichungsabsichten soll die Wehrmacht an einem verbesserten Splittertarnmuster weitergearbeitet haben.

Die Vereinigten Staaten machten sich auch Gedanken um eine bessere Tarnung.
Sie entwickelten - wahrscheinlich beeinflusst durch das SS-Flecktarn - ein Tarnmuster, dass vulgo "Duck Hunter-Pattern" genannt wurde. Weil es aber zu Verwechslungen mit SS-Kämpfern kommen konnte, setzte man es lieber im Pazifikkrieg gegen Japan ein.

Duck Hunter
Duck Hunter


NACHKRIEGSZEIT BIS 1990

Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten die deutschen Tarnmuster Splittertarn und Sumpftarn noch eine Weile weiter.
Die frühe Bundeswehr wurde ab 1955 mit Splittertarn-Uniformen ausgerüstet (vgl. Dienststelle Blank), passte sich aber 1960 an das in der NATO übliche oliv an (RAL 6014 - Gelboliv). Der Bundesgrenzschutz nutzte dagegen ab 1952 eine abgewandelte Version des Sumpftarnmusters weiter. Vereinzelt sah man das Muster als Helmüberzug bei der GSG9 noch bis ca. 2000.

Auch die andere europäische Armeen wie die der Schweiz und anfangs sogar Polens experimentierten mit Splittertarn. In Österreich entwickelte man es für den alpinen Raum zu Steintarn weiter (mit hohen Grauanteilen).

In den 1970ern begann man wieder, mit Mehrfarbentarnmustern zu experimentieren. Die Bundeswehr entwickelte neue Flecktarnmuster, die aber noch zu "gepunktet" aussahen und sich nicht durchsetzen konnten.

Vor Westdeutschland führten jedoch die Österreicher das Flecktarnmuster in begrenzter Anzahl wieder ein (angelehnt an das Erbsentarn-Muster der Waffen-SS). In den 1980ern entwickelten die Dänen ihr eigenes "grünlastiges" Flecktarn.

Die DDR entwickelte zwar ein eigenes "Blumentarn-Muster", das aber nicht lange im Einsatz war. Stattdessen übernahm mit nur das Strichtarnmuster des Buntfarbenmusters/Splittertarn von 1931 und blieb dabei.

Die USA nutzten z. T. ihr Duckhunter-Muster weiter, verwendeten aber auch wieder olivgrüne Uniformen oder suchten nach neuen Mustern. Man entwickelte jetzt bereits Vorformen des später berühmten Woodland-Tarnmusters, das seit den 1980er-Jahren so berühmt werden sollte.
Im Vietnamkrieg übernahmen einige US-Einheiten das südvietnamesische Tigerstripes-Muster, das seinerseits aus dem französischen Lizard-Muster der Nachkriegszeit entwickelt worden war.
Mit Beginn der 1980er war es dann so weit und die US-Streitkräfte bekamen ihr Woodland-Muster.
Später wurde dieses mehrfach verbessert und es wurden für den Wüsteneinsatz 6-Farben-Tarnmuster ("Chocolate Chips des Golfkriegs von 1991) und 3-Farben-Tarnmuster entwickelt.

Woodland
Woodland aus den USA


Frankreich führte bereits 1947 ein Mehrfarbenmuster ein, das man Lizard-Pattern nannte und das in den damaligen Entkolonialisierungskriegen in Indochina und Algerien berühmt-berüchtigt wurde. Den einheimischen prägten sich folternde Eliteeinheiten in Lizard-Muster tief ein.
Das französische Lizard-Muster wurde z. T. in Afrika weiterverkauft und tauchte über diesen Weg oder als portugiesische Abänderung in diversen Kolonialkriegen auf.

Lizard
Lizard


In Frankreich hielt man aber nicht am Lizard-Muster fest, sondern dachte über eine Rückkehr zu Oliv nach und entwickelte dann das Waldtarn-Muster CCE (Camouflage Central Europe), das an das US-amerikanische Woodland-Muster angelehnt war.

CCE
CCE

Großbritannien ging mit seinem DPM (Disruptive Pattern Material) auch einen "Pinselstrich-Weg" - ähnlich wie die Franzosen mit ihrem Lizard-Muster, forschten dann aber in andere Richtungen.

Disruptive Pattern Material
DPM


AB 1990

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden größere militärische Beschaffungsprojekte zusammengestrichen. Trotzdem setzte die Bundeswehr in den 1990ern endgültig ihre lange gehegten Flecktarnpläne durch und führte ein 5-Farben-Muster ein.

Generell machte das Flecktarnmuster international Karriere.

Die USA mischten ihr bewährtes Woodland-Muster mit Flecktarnelementen (z. B. Multicamo), Italien entwickelte mit Veggetato (und Vegettato) deserto Flecktarnmuster, in denen auch größere zusammenhängende Farbflächen erkennbar waren, Japan entwickelte ein Flecktarnmuster und China ebenso, wobei man sich an gestohlenen Unterlagen orientierte.

Die Entwicklung von Tarnmustern erfolgt immer mehr auch computergeneriert. Der Trend zu Matrixmustern (kleine "digitale" Rechteckmuster) scheint jedoch wieder abzuebben. Die USA haben damit bei einigen Auslandseinsätzen schlechte Erfahrungen gemacht.
In Kanada ist es ähnlich.

Es gibt natürlich noch weitere Tarnansätze, wie Amöbentarn, Netztarn oder "batikähnliche" Muster, die aber schwer herzustellen sind:

Außerdem möchte man nicht durch durch ein Mehrfarbenmuster eine "Konturauflösung" erzeugen, sondern z. B. durch Formveränderung. Besonders deutlich wird das am Ghillie-Suit von Scharfschützen.

Bei Heer, Luftwaffe und Marine versucht man auch, mit "Counter Shadowing"-Mustern den Schattenwurf zu verschleiern und die erkennbarkeit zu erschweren.

Absehbar ist, dass bei einer Weiterentwicklung der Technik bald immer mehr "Chamäleon"-Tarnanzüge und generell Tarnflächen aufkommen werden. Bislang sind die nur noch zu teuer und zu fehleranfällig.

Da wir immer mehr auf einen Roboterkrieg zusteuern, wird man sich auch über die Tarnung dieser Kriegsgeräte Gedanken machen müssen. Roboter werden immer mehr fähig sein, auch in Schwärmen anzugreifen und sich selber zu steuern. Die Gefahr ist jedoch, dass sie dabei gehackt werden und gegen ihre eigenen Einheiten zurückmarschieren.