Fachbereiche: Geschichte (Politik, Sowi, Philosophie) - Sprachen - Wirtschaft, Recht - Biologie (Chemie) - Technik (Physik) und Blödsinn.
Dieser Universal-Blog ist aus einer Seite für Geschichte, Politik (und Realienkunde) hervorgegangen, die sich dann in Richtung Humanwissenschaften weiterentwickelt hat.
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Samstag, 30. September 2023

DER POLITISCHE VERRAT (IN HISTORISCHER PERSPEKTIVE)

Der Dolch als Symbol des Verrates!
(bei den Römern neben dem geraden Dolch (pugio) auch der Krummdolch (sica))


Wikipedia definiert Verrat wie folgt: "Verrat ist ein besonders schwerer Bruch des Vertrauens, der die angenommene Loyalität verletzt." (01.10.2023)
Ein Verräter kann eine Person oder (s)eine Gruppe im Stich lassen oder Geheimnisse an andere Nutznießer verraten.
Eine differenzierte Verratstheorie wurde bis heute noch nicht ausformuliert.
Im deutschen Kulturraum beschäftigte sich Margret Antonie Boveri mit dem Thema Verrat - besonders in Hinblick auf das Stauffenberg-Attentat. Ihre eigene Biographie ist aber auch voller Widersprüche.

Das Grundwort von verraten ist "raten".
Aber gehen wir schrittweise vor...

In der Soziologie und in der Verhaltensbiologie (Ethologie) lernt man, dass der Mensch gerne Gruppen bildet. Diese Gruppen bilden sich meist entlang von Gemeinsamkeiten (Homogenitäten, gemeinsamen Merkmalen) oder Ähnlichkeiten:
  • kulturelle Gemeinsamkeiten
  • ähnliche wirtschaftliche Interessen
  • politische Gemeinsamkeiten
  • sexuelle Gemeinsamkeiten
  • usw.
Diese Tendenz zur Gruppenbildung mag gesellschaftlich und/oder biologisch bedingt sein. Früher war das Thema "nature vs. nurture" ein beliebtes Streitthema.
Wie dem auch sei: Durch Gruppenbildung wird eine Gruppenidentität geschaffen, die sich auch auf die Psyche/das Bewusstsein des Einzelnen auswirkt.
Gleichzeitig kommt es immer wieder vor, dass ein Mensch seine Gruppenzugehörigkeit wechselt. Das mag als friedlicher Wechsel vorkommen oder eben als offener oder verdeckter Verrat. Ein Gruppenwechsel kann also friedlich oder destruktiv sein.
Verrat hängt häufig mit Gruppenzugehörigkeiten zusammen, kann aber auch auf rein individueller Ebene erfolgen.
 
Verrat mag viele Motive haben, die einzeln oder vermischt wirken:
  • wechselnde Überzeugungen
  • materielle Interessen
  • Rachegelüste
  • Spaß am Verrat selber
  • Erpressung zum Verrat
Solche verräterischen "Seitenwechsel" kommen in der Geschichte öfter vor als man denkt.
Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, wie oft und wie extrem ein verräterischer Gruppenwechsel vorkommt.
Neben modellartigen Analysen sollte man auch historische-empirische Tatsachen als Beispiele für Verrat nennen. Die Geschichte selbst kann quasi als "empirische Fundgrube" und "Alltagslabor" gesehen und benutzt werden.


1. Alexander der Große:

Alexander der Große hat nach dem Tod seines Vaters Philipp II. im Jahre 336 v. Chr. das makedonische Königtum übernommen. Und mit ihm den Plan, das Perserreich zu erobern und damit gleichzeitig die zerstrittenen Griechenstaaten zu einigen. (Es ist nicht ganz klar, ob sein Vater das ganze Perserreich erobern wollte. Und es ist auch nicht klar, ob hinter der Ermordung Philipps II. durch Pausanias nicht Alexanders Mutter Olympias stand oder sogar Alexander selbst. Denn Philipp II. hatte eine neue Frau geheiratet und die war schwanger, so dass die Thronfolge des "Halbmakedonen" Alexander gefährdet war.)

Als Alexander der Große 323 v. Chr. starb, ahnte er schon auf dem Sterbebett, dass sich nur der Stärkste (kratistos) unter seinen Feldherren durchsetzen würde und dass seine Totenfeiern interessant werden würden. Um Alexanders Tod selber ranken sich viele Theorien. Er starb auf einem Trinkgelage in Babylon. Es ist aber nicht klar, ob an Alkoholkonsum, allgemeiner Erschöpfung, einer Infektionskrankheit, einer sonstigen Krankheit oder an Gift. Fakt ist aber, dass er auf Druck seiner Mutter Olympias gerade die Antipatriden (Antipater und seine Söhne) entmachten wollte und der Antipatride Iolaos sein Mundschenk - auch beim Trinkgelage - war.
So kam es dann auch. Die Diadochen (Nachfolger), die eben noch an der Seite Alexanders des Großen gegen die Perser zu Felde gezogen sind, bekämpften sich plötzlich gegenseitig. Am Anfang ging es auch darum, ob man die Einheit des Reiches behalten sollte oder nicht. Dieser Gedanke trat immer mehr zurück, als sich die Partikulargewalten durchsetzten und sich die überlebenden Diadochen zum König ausriefen lassen. Aus der Herrscherfamilie Alexanders des Großen wurden in diesen Kämpfen alle wesentlichen Mitglieder ermordet.


2. Die Catilinarische Verschwörung und das Ende der Republik:

Im 1. Jhd. v. Chr. "schwächelte" die Römische Republik (res publica) deutlich.
Die Verfassung Roms war ursprünglich für eine Stadt gedacht. Jetzt musste sie durch die Eroberungen ein immer größeres Gebiet einbeziehen. Gleichzeitig nahm die soziale Ungleichheit immer mehr zu.
Berühmt sind die Machtkämpfe zwischen Optimaten und Popularen.
Im Jahre 63 v. Chr. zeigten sich die Schwächen des Systems erneut. Der Senator Lucius Sergius Catilina versuchte, die Macht in Rom an sich zu reißen - letztendlich vergeblich. Aber das Staatsschiff wankte bereits. Einige Jahrzehnte später sollte es im Kampf zwischen Verteidigern der Republik und Triumviraten (Dreimännerkollegien) und schließlich im Kampf der Triumvirn untereinander untergehen und die Macht an Gaius Octavi(an)us "Augustus" übergehen.
Aber so weit war es 63 noch nicht. Der Historiker und Politiker Gaius Sallustius Crispus beschrieb in seiner "Catillinarischen Verschwörung" ("Coniuratio Catillinae"), wie Catillina zusammen mit einem Netzwerk von Mitverschwörern den Consol Cicero ermorden und die Republik stürzen wollte.
Im Abschnitt 5 schreibt Sallust:
"Catillina fuit magna vi et animi et corporis, sed ingenio malo pravoque."
"Catillina besaß eine große geistige und körperliche Kraft", aber eine schlechte und verderbliche Veranlagung."
Hier geht es aber nicht um Catillina allein, der es u. a. nicht verkraftet hat, dass seine Bewerbung um das Konsulat nicht von Erfolg gekrönt war, sondern um die vielen Mitverschwörer, die "res novae" (eigentlich "neue Dinge", gemeint ist aber "Umsturz") haben wollten.
Es ist auffällig, dass der junge Gaius Iulius Caesar bei der Behandlung der besiegten Catilinarier sehr für Milde plädierte. Es ist bis heute nicht klar, ob er in die Verschwörung eingeweiht oder sogar aktiv an ihr beteiligt war.


3. Die Amerikanische Revolution:

Bei der Amerikanischen Revolution, also der Unabhängigkeitserklärung einiger der meist britischen, irischen, deutschen oder skandinavischen Siedler Nordamerikas, kam es auch häufig zu Verrat.
Eigentlich ist die Revolution an sich ein Verrat, auch wenn sie jetzt als "historisch erledigt" gilt.

Der Grund: Kurz vorher fand der French and Indian War statt, von vielen als Ausläufer des Siebenjährigen Krieges in Europa gesehen. Einige Historiker sehen die Kriege davor mit diesem als eine Reihe von French and Indian Wars.
Bei diesen Kriegen ging es, wie der Name sagt, darum, dass sich britische und französische Kolonialinteressen in Teilen Nordamerikas kreuzten und es zu Showdowns kommen "musste".
Viele Indianerstämme kämpften auf der Seite der Franzosen, einige auch (Irokesen) auf britischer Seite.

Während der French and Indian Wars, von denen gerade der letzte nur kurz vor der Unabhängigkeitserklärung stattfand, kämpften die regulären britischen Truppen und die Siedler noch Seit an Seit. Kaum jemand wäre auf die Idee gekommen, die britischen Truppen als Besatzungstruppen zu sehen oder gar zu bekämpfen. So ist die Unabhängigkeitserklärung wenig später recht seltsam, auch wenn es um erhebliche Zollstreitigkeiten ging.
Und George Washington, der plötzlich als Anführer der "freiheitsliebenden Patrioten" galt, war eigentlich ein britischer Offizier, der die Seiten gewechselt hat.

Wenn man die historischen Quellen genau betrachtet, waren auch längst nicht alle Siedler für die Unabhängigkeit von der britischen Krone. Es gab Neutrale/Unentschlossene. Es gab aber auch "Loyalisten", die sich weiterhin zur Krone bekannten und sogar für diese kämpften. Da sie aber in vielen Regionen den aggressiven Patriots unterlegen waren, flohen viele nach Boston, wo die Briten ihren Hauptstützpunkt hatten, oder nach Süden.

Nach der Niederlage akzeptierten einige Loyalisten den neuen Status quo, andere flohen ins weiterhin britische Canada oder wieder nach Süden.
Umgekehrt gab es in Canada auch Anhänger der Idee einer Loslösung von der britischen Krone. Man nimmt aber an, dass die freundschaftlichen Wirtschaftsbeziehungen zum Mutterland und zähe Grenzkonflikte zu den entstehenden USA dabei halfen, diese Idee wieder unter Kontrolle zu bekommen.


4. Die Französische Revolution:

Während der Französischen Revolution kam es oft zum Verrat.
Wie so oft bei einem gewaltsamen Regimewechsel, versuchten die Revolutionäre den Geschichtsverlauf so darzustellen, als ob durch die Revolution ein grausames "Ancien Régime" (Altes Regime) durch ein moralisch integres Neues Regime ersetzt worden sei.
Fakt ist aber, dass dem einmal nicht immer so ist und dass zweitens selbst viele Revolutionäre ihre frühe Biographie noch im Ancien Regime hatten. Außerdem ist oft auch das Neue Regime in Gefahr, so dass "taktisch kluge" (aber prinzipienlose Akteure) einmal oder mehrfach die Seiten wechseln.

In Bezug auf die Französische Revolution sind folgende Anmerkungen wichtig:
  • Revolutionäre betonen immer den Bruch durch die Revolution, also die Diskontinuität.
    In Wirklichkeit gibt es daneben aber auch eine Kontinuität.
  • Das Ancien Régime (Monarchie) war bestrebt, Frankreich zu einigen, um das Chaos der inneren Zerrissenheit im Hundertjährigen Krieg gegen Großbritannien nicht zu wiederholen.
    Die Revolution hat diese Einheitsbemühungen aber noch verstärkt.
    Die Gouvernements wurden aufgelöst und durch (schwächere) Departements ersetzt.
    Das Standardfranzösische wurde ebenso gegenüber französischen oder romanischen Sprachen/Dialekten und nichtfranzösischen Sprachen durchgesetzt.
Eine besondere Rolle in den Wirren der Revolution hatte Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord.
Er war zwar eigentlich Monarchist, kam aber in fast jedem "Zwischenregime" dieser Umbruchszeit gut weg.
Ein ähnliches Spiel versuchte Joseph Fouché, scheiterte aber nach der erneuten Niederlage Napoleons bei Waterloo (nach der Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig) mit seinem erneuten Überlaufversuch zu den Monarchisten und wurde 1815 entlassen. (Fouché hatte während der Revolution noch die Hinrichtung Ludwigs XVI. unterstützt und galt deshalb bei den Anhängern der Monarchie als Königsmörder bzw. régicide).

Bei der Nachwirkung der Revolution ist auch festzuhalten, dass sie von vielen falsch gesehen wurde:
Das "andere Frankreich", das sich nicht zur Republik bekannte, war noch lange nicht tot.
Schon nach der Niederlage Napoleons bei Waterloo wurde die Monarchie restauriert. Sie hielt zwar nur 15 Jahre, aber in Frankreich gab es lange erhebliche Teile der Bevölkerung, die katholisch-royalistisch und nicht republikanisch gesinnt waren. Insbesondere in der Diplomatie blieb lange der Adel stark.
Zu diesen Monarchisten und Bonapartisten auf der Rechten gesellten sich nach dem Ersten Weltkrieg noch Faschisten, die oft - ähnlich wie Mussolini - sozialistische und ultranationalistische Ideen verknüpften.


5. Die Russische Revolution:

Ein weiterer Ort des munteren Seitenwechsels war die Russische Revolution.
Eigentlich gab es aus Unzufriedenheit über den sich in die Länge ziehenden Ersten Weltkriegs überall in Europa revolutionär-sozialistische ("rote") Tendenzen.
Allein das ist schon ein Verrat - gemessen an der alten Linie.
Viele, die 1914 noch im nationalistischen Taumel "Hurra!" schrien, waren 1917/18 plötzlich anti-nationalistisch, sozialistisch und internationalistisch gesinnt.

In Russland ging das so weit, dass sogar Generäle der Zarenarmee plötzlich den Sozialisten in sich entdeckten und den Treueeid brachen.
Menschen wie Lenin waren zwar schon vor dem Weltkrieg revolutionär. Aber die Ochrana, der zaristische Geheimdienst, sah sie nicht als große Gefahr an. Viel stärker waren damals Narodniki ("Volkstümler", vielleicht Linksnationalisten) und Anarchisten, die überhaupt im 19. Jhd. das größere revolutionäre Potenzial hatten als die Kommunisten und noch im spanischen Bürgerkrieg eine Rolle spielen sollten.

In Russland waren 1917 der Hunger und die Verluste so groß, dass besonders nach gescheiterten Westoffensiven die Stimmung "am Kippen" war. Der erste Ansatz einer Revolution war aber noch nicht kommunistisch. Erst als deutsche Geheimdienste Lenin im versiegelten Eisenbahnwaggon nach Finnland fahren ließen und ihn gleichzeitig mit einer großen Geldsumme ausstatteten, kippte die Stimmung ins Kommunistische bzw. Bolschewistische.
Die revolutionären Handlungen waren dann gar nicht so spektakulär, wie es später im Film dargestellt wurde. Brutal war vielmehr der daraufhin folgende russische Bürgerkrieg, der im Kern bis 1921 dauerte. Kriegsparteien waren die Rote Armee, die Weiße Armee, Warlords, Anarchisten und einfache Kriminelle.

Interessant sind auch hier wieder die Wendungen: Während die Weiße Armee das Ziel hatte, Russland groß, einig und stark zu erhalten, erreichte die Rote Armee genau dieses Ziel.
Dafür schraubten Lenin und Trotzki und später Stalin viele Freiheitsrechte, die es in der frühen Revolutionszeit noch gegeben hatte, auf nahe 0 herunter.
Insbesondere das Verständnis für Belange nichtrussischer Nationalitäten, das Lenin vor der Revolution in der Hoffnung auf Unterstützung für seine Sache noch gezeigt hatte, war jetzt hinüber.
In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass die "Roten Zaren" die Russifizierungspolitik der gestürzten Zaren fortgesetzt haben.


6. Der national-sozialistische Expansionskrieg:

In der Geschichtsschreibung stellt man es oft so dar, als ob Hitler ab 1939 fast alle Länder Europas überfallen hätte. Man erwähnt vielleicht noch, dass er Verbündete wie Italien oder bedingt Japan hatte.
Was man nicht sagt, ist, dass er viel mehr Verbündete hatte und dass es in vielen überfallenen Ländern ein erhebliches Ausmaß an Kollaboration gab. Neben der Unterstützung für die Verwaltung kämpften viele Kollaborateure in der Waffen-SS mit, die sich im Kriegsverlauf in Richtung einer europäischen Armee wandelte.
Nach 1945 galten diese Kämpfer als Verräter. Viele wurden einer harten Strafverfolgung unterzogen.
Einige aber, die nützlich waren oder gute Beziehungen besaßen, kamen fast ungeschoren davon.
Die Kollaborateure sahen sich meist selber nicht als Verräter, sondern z. B. als Antikommunisten, Paneuropäer/Euronationalisten oder auch als Antiamerikanisten.
Anhänger des französischen Kollaborateurs Doriot warfen Franzosen, die auf Seiten der Westalliierten kämpften, selber einen Kampf für fremde Mächte vor.

  • In Frankreich entschloss sich 1940 die große Mehrheit der Nationalversammlung (Assemblé nationale), den aus dem Ersten Weltkrieg populären Philippe Pétain zurückzuholen. Pétain war bereits in Richtung Ruhestand unterwegs.
    Als sich der Wind 1944/45 drehte, bewies Frankreich ein kurzes Gedächtnis: Pétain galt nun als Verbrecher. Ihm wurde der Prozess gemacht und er sollte hingerichtet werden. Dann wurde er zur Festungshaft verurteilt und starb dort.
    Die Hauptverbrechen des Vichy-Regimes liegen entsprechend nicht in der partiellen Kollaboration - man nahm nämlich auch französische Interessen wahr. Die Hauptverbrechen des Regimes liegen in den Deportationen.
    Im Krieg kämpften Franzosen in Wehrmacht und Waffen-SS. Ein berühmtes Beispiel ist die SS-Brigade und spätere SS-Divison Charlemagne.
  • In den Ländern, die man heute Benelux nennt, war die Kollaboration ebenfalls hoch.
  • In Norwegen unterstützten viele Vidkun Quisling. Trotzdem wurde dieser später als Verräter betrachtet und wie einige andere Kollaborateure hingerichtet.
  • In der Ukraine gab es eine erhebliche Kollaboration, weil unter Stalin in den 1930ern mehr als 3 Mio. Ukrainer verhungert sind (heute als "Holodomor" bezeichnet). Außerdem ließ der sowjetische Geheimdienst NKWD vor seinem Abzug in den Gefängnissen viele Gefangene massakrieren.
    Heute wird dieses Thema benutzt, um die Ukraine als "faschistischen Staat" darzustellen. Man vergisst dabei aber 1. die vorausgegangenen Massaker an Ukrainern und 2. die Tatsache, dass es auch eine russische Kollaboration gab.
  • In Russland waren nicht alle Menschen am Widerstand gegen Hitler beteiligt, auch wenn das in der Sowjetzeit in Schulbüchern und auf öffentlichen Feiern so verkündet wurde.
    In Russland gab es diverse Kollaborateure, die durch den Rückzug des Stalinismus eine Renationalisierung des Landes gekommen sahen. Auf deutscher Seite kämpften in der Wehrmacht die Anhänger General Andrej Wlassows in der "Russischen Befreiungsarmee" (ROA; auch "Wlassow-Armee"), in der SS unter Bronislaw Kaminski die "Waffen-Sturm-Brigade" (RONA; auch "Kaminski-Brigade"), deren Umwandlung in eine Waffen-Grenadier-Division nicht mehr gelang.
  • Auf dem Balkan gab es erhebliche Kollaboration in der ehemaligen Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, dem ehemaligen SHS-Staat (späteres Yugoslawien) und in Bulgarien.
  • Über den Grad der Kollaboration in Griechenland wird gestritten. Sicher ist aber, dass es sie gab.

7. Die chinesischen Revolutionen des 20. Jhd.:

Nicht nur in Frankreich oder Russland kam es zu Revolutionen und Regimewechseln, sondern auch in China - und zwar reichlich!
  • 1912 kam es zu einer Revolution gegen die Mandschuh-Herrschaft (Qing-Dynastie).
    Die Mandschu galten als Fremdherrscher und als reformunfähig.
    Nicht gesagt wird aber, dass es viele chinesische Kollaborateure der Qing gegeben hat und dass China unter den immer mehr assimilierten (sinisierten) Manschu seine größte Ausdehnung erreicht hatte. Die Mandschu wollte man vielleicht nicht, ihre territoriale Ausdehnung aber schon.
    Viele Anhänger der Revolution waren früher sogar in Diensten der Mandschu.
  • In der Zwischenkriegszeit versuchte die Guomindang, China militärisch zu einigen. Das Land war inzwischen aber in Einflussbereiche der Warlords zerfallen. Ärger machten auch die seit 1921 bestehnden Kommunisten.
    Tschiang Kai-shek arbeitete bei der Bekämpfung der Kommunisten in Städten wie Shanghai mit der Organisierten Kriminalität (Triaden) zusammen. Die Kommunisten auf dem Land wollte er in mehreren Umfassungsbewegungen erledigen, was aber durch kommunistische Fluchtkampagnen und Maos langen Marsch knapp misslang.
  • Im Zweiten Weltkrieg wurde die Guomindang durch die 1932 in die Mandschurei und ab 1937 ins chinesische Kernland eindringenden japanischen Truppen empfindlich geschwächt.
    Die Kommunisten erholten sich dagegen mit russischer Hilfe im nicht von Japan besetzten Hinterland. So konnten sie nach dem Rückzug der Japaner 1945 "erholt" die Mandschurei angreifen und danach ganz China einnehmen. Dabei schlossen sie die zu passiv agierenden nationalchinesischen Verbände der GMD in den großen Städten ein und betrieben eine rücksichtslose Aushungerungstaktik, in denen auch viele "Arbeiter und Bauern" starben, für die die Kommunisten eigentlich zu kämpfen vorgaben.
    Die kommunistische Propaganda verdrehte dann nach dem Sieg 1949 die geschichtlichen Tatsachen und stellte es so hin, als ob die Guomindang im Gegensatz zur KP nicht richtig gegen die Japaner gekämpft habe.
  • Mao Zedong hatte während des Bürgerkriegs den ethnischen Minderheiten noch - ähnlich wie Lenin - Unabhängigkeit oder Autonomie versprochen. Nach seinem Sieg 1949 konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Er lud Vertreter der Uighuren zu Gesprächen nach Peking ein, wobei aber deren Flugzeuge abstürzten. Es ist bis heute nicht klar, ob es sich um Unfälle handelte oder ob Mao nachhelfen ließ. Auch Tibet wurde immer stärker in Pekings/Beijings Zangengriff genommen.

8. Die Entkolonialisierungskriege:

Heute werden die Entkolonialisierungskriege so dargestellt, als hätten sich unterdrückte Kolonialvölker entschlossen, sich gegen ihr Joch zu erheben.
Das war teilweise so, aber auch nur teilweise.
  • Der indische Aktivist Mahatma Gandhi war zunächst nicht gegen, sondern für das britische Empire. Er wollte nur, dass die Inder darin mit den Briten gleichgestellt wurden.
    So unterstützte er auch den brutalen Burenkrieg in Südafrika.
    Seine spätere politische Linie fand er erst allmählich.
    Und trotz seines Engagements gegen Armut und Unterdrückung hielt er weitgehend am Kastenwesen fest.
  • Wenn man britische Kolonien wie Indien oder Teile Afrikas befreien will, muss man wissen, wie dort die Rechte von Minderheiten garantiert werden können. Es ist gefährlich, wenn sich ein Kolonialvolk befreit, aber dann andere Kolonialvölker unterdrückt.
  • In den französischen Kolonien in Indochina (1945/46 - 1954) und Nordwestafrika (1954 - 1962) kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu Kolonialaufständen.
    In Indochina kämpften die Einheimischen um ihre legitimen Freiheitsrechte. Man darf aber nicht vergessen, dass es auch unter den Unterdrückten Hierarchien gab. So hatten viele Bergstämme Probleme mit der Loslösung von Frankreich, weil sie dann eine Unterdrückung durch Südostasiaten befürchteten.
    In Nordwestafrika ist es so, dass sich zwar die FLN gegen die französische Oppression einsetzte, aber dann gleichzeitig auch Konkurrenten aus dem algerischen Lager umbrachte.
    Außerdem gibt es eine logische Inkonsitenz: Der Antikolonialismus und Antiimperialismus der FLN war nur ein halber.
    Begründung: Die Algerier sind im Kern Berber, die zuerst durch die Araber (ab 7. Jhd. n. Chr.) kolonialisiert wurden und dann durch die Franzosen (frühes 19. Jhd.). Es ist daher unlogisch, nur die französische Kolonialisierung rückgängig zu machen und sich dann als Araber zu definieren.
    Araber waren früher auf der arabischen Halbinsel beheimatet und nicht in Nordafrika.
  • Viele Entkolonialisierungsbewegungen wurden von der sich als sozialistisch betrachtenden Sowjetunion unterstütz. Das ist seltsam:
    Man wirft den Briten Kolonialismus vor und den Franzosen und fordert die Revision der Kolonialisierung.
    Aber wie steht es denn mit der eigenen Kolonialgeschichte? Schließlich hat die SU das einstige Russische Reich territorial fortgesetzt und die Russifizierung weiter vorangetrieben.

 9. Die Islamische Revolution im Iran:

Eine Revolution, die auch viel mit Verrat und Manipulation zu tun hat, ist die im Iran in den Jahren 1978/79.
Im Iran herrschte damals der Schah, also ein Monarch. Seine Herrschaft war nicht unumstritten: Er stand im inneriranischen Machtkampf der 1950er-Jahre gegen Mossadegh, pflegte eine aufwändige Hofhaltung, rüstete die Armee massiv auf (allerdings auch in Anbetracht der Tatsache, dass sein Land vorher ein Spielball ausländischer Mächte wie GB und Russland/Sowjetunion war).
Der Schah setzte durchaus auch auf Modernisierungen, die aber als sehr technokratisch galten. Seine Weiße Revolution sollte soziale Ungerechtigkeiten etwas abmildern, galt aber als halbherzig.

Dagegen entwickelte sich eine Oppisition: Diese bestand aus Linken, Linksnationalisten und Islamisten.
Der Geheimdienst SAVAK war bemüht, diese Opposition unten zu halten.
Hier entstand ein Problem: Die Linken, die anfänglich die Opposition dominierten (man denke auch an die '68er-Proteste gegen den Schahbesuch in Berlin), konnten zwar durch Repressionsmaßnahmen unten gehalten werden. Dadurch gelang es aber der religiös-islamistischen Opposition, sich auf den Unmut draufzusetzen und innerhalb der Moscheen relgiöse Widerstandsnester aufzubauen.
Der Schah züchtete sich sozusagen eine starke Opposition heran. Diese wurde noch dadurch verstärkt, dass durch die Weiße Revolution viele junge Iraner die ländlichen Gebiete Irans verließen und um die Hauptstadt Teheran herum ein revolutioniäres Potenzial zu bilden begannen.

Die Haltung der iranischen Geistlichkeit ist sehr ambivalent. Einige Geistliche lehnten zunächst Einmischungen in die Politik ab. Andere dagegen, darunter Ayatollah Chomeini, mischten sich ein, lehnten aber zunächst die Weiße Revolution des Schahs ab, um ihm dann vorzuwerfen, er habe nicht genug für die Armen getan.
Die Interessen des Klerus waren durchaus zwielichtig: Es ging ihm nicht nur um soziale Gerechtigkeit. Er wollte vielmehr verhindern, dass ihm durch die Weiße Revolution zuviel Besitz verloren ging. Und er wollte verhindern, dass er durch die technokratische Modernisierung des Schah zu sehr an tradiertem Einfluss verlor.

Chomeini konnte sich zum Anführer der Revolution machen, ohne dass viele Iraner genau wussten, wie sein Programm war. Er konnte aber aufgrund seines Charismas die Oppositon vordergründig einigen.
Eine wichtige Rolle spielte die Tatsache, dass seine Leute während seines Exils im Irak viele Tonkassetten in den Iran einschmuggelten, was damals als "neues Medium" galt.
Als er dann in Frankreich widerwillig ins nächste Exil ging, stellte sich das mediale Potenzial des nichtislamischen Gastlandes als phänomenal heraus.

Ein wichtiger Faktor war, dass die religiösen Hardliner Anschläge auf Kinos verübten, die als Kern westlicher Propaganda galten. Bei einem Brandanschlag auf das Cinema Rex in Abijan, einer recht wohlhabenden Gegend, in der viele Arbeiter noch schahtreu waren, starben aufgrund der einfachen Bauweise des Kinos rund 400 Menschen. Der Anschlag war höchstwahrscheinlich islamistisch motiviert, wurde aber zusätzlich noch dem Schahregime in die Schuhe geschoben.

So konnte es passieren, dass der Schah, der Anfang der 1970er-Jahre noch kraftstrotzende Paraden mit Kämpfern in modernen und historischen Uniformen abhielt, von Ende 1977 bis 1979 in recht kurzer Zeit gestürzt werden konnte. Der Schah floh ins Exil, Chomeini kehrte in einem Passagierflugzeug nach Teheran zurück - begleitet von internationalen Journalisten (einschließlich Peter Scholl-Latour), die sicherstellen sollten, dass das Flugzeug nicht abgeschossen würde und die sich nach anfänglichen Straßenkämpfen als neutral erklärenden Armeeführer wurden hingerichtet.
Einige Geheimdienstler des SAVAK wurden ebenfalls hingerichtet, doch dann merkte man, dass man die Erkenntnisse des Dienstes im heraufziehenden Kampf gegen den Irak Saddam Husseins benötigen würde.




 

DIE TERRORANSCHLÄGE AUF DAS WORLD TRADE CENTER AM 11.09.2001 (KURZ: "9/11")

Die brennenden Zwillingstürme (Twin Towers) des World Trade Centers.
Links steht die Freiheitsstatue.
Wikipedia/National Park Service



Als am 11. September 2001 Flugzeuge in die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Centers (WTC) und andernorts einschlugen und durch den Einsturz beider Türme fast 3.000 Menschen starben, war das für die Welt ein Schock.
Viele Menschen können sich noch heute erinnern, wo sie am 11.09.2001 waren - ähnlich wie beim Attentat auf John F. Kennedy am 22.11.1963. Wir waren damals auf der Rolltreppe in einem Mannheimer Hochhaus und wunderten uns, dass auf der Etage so viele Leute gebannt auf einen oben angebrachten Monitor starrten. Das Textlaufbahn berichtete, dass die Zwillingstürme des WTC von Flugzeugen getroffen worden waren. Etwas später wurde gemeldet, dass erst ein und dann beide Zwillingstürme eingestürzt sind. Damals gab es noch keine Smartphones. Ein Bekannter von uns war kurz vor dem Anschlag bei einem Außenpraktikum in den USA sogar im World Trade Center.
Erst erschien ein Unfall noch als möglich, aber dann wurde ein Terroranschlag wahrscheinlich. Bald war das sicher.

Früh bildeten sich auch Legenden um diesen Anschlag:
  • Der Anschlag auf das WTC 2001 war nicht der erste. Am 26.02.1993 erfolgte in der Tiefgarage ein Anschlag mit einer Harnstoffnitrat-Bombe mit 6 Toten und hunderten Verletzten.
    Mitglieder dieser Gruppe hatten bereits am 05.11.1990 Meir Kahane, einen rechtsgerichteten US-Israeli, in Manhattan/New York getötet.
  • Im Internet kursierten sogenannte Verschwörungstheorien, dass Regierungskreise der USA den Anschlag selbst inszeniert haben. Dies erscheint aufgrund der Faktenlage als sehr unwahrscheinlich. Was allerdings später ans Licht kam, ist, dass die Regierung verschwieg, dass viele Organisatoren in der Logistik der Anschläge aus Saudi-Arabien kamen, also von einem Verbündeten der USA.
  • Bis heute ist umstritten, wie das Gebäude WTC 7 zum Einsturz kam. Denkbar wäre, dass das Gebäude durch brennende Trümmer der Zwillingstürme in Brand geriet und dann die defekte hausinterne Löschanlage eine Erhitzung der tragenden Gebäudeteile nicht verhindern wollte.

09:03 Uhr: Flug UA 175 ist gerade in das WTC 2 (Südturm) eingeschlagen.
Wikipedia/Robert J. Fisch (CC BY-SA 2.0)

Der Anschlag

WTC-Gelände mit den Einschlagstellen.
Wikipedia/Fred the Oyster

Um 08:46 Uhr flog ein Flugzeug (Flug AA 11) in den Nordturm (WTC 1) des World Trade Centers. Es schlug zwischen dem 93. und dem 99. Stockwerk ein. Das Flugzeug war fast vollgetankt und explodierte laut hörbar. Daraufhin richteten viele Fernsehanstalten ihre Kameras auf das brennende Gebäude.

Diese filmten dann, wie 17 Minuten später um 09:03 Uhr ein zweites Flugzeug (Flug UA 175) in den Südturm (WTC 2) zwischen dem 77. und dem 85. Stockwerk einschlug.

Innerhalb der nächsten anderthalb Stunden stürzten beide Türme ("Twin Towers") ein. Viele Menschen rannten um ihr Leben und wurden von einer Staubwolke und herumfliegenden Trümmern verfolgt.

Dann wurde bekannt, dass zwei weitere Flugzeuge entführt worden waren. Eines (Flug AA 77) traf das Pentagon (Verteidigungsministerium), das andere (Flug UA 93) stürzte auf ein Feld im Bundesstaat Pennsylvania. Es war damit klar, dass es sich um einen Terroranschlag handelte und keinen Unfall.

Man schätzte die Anzahl der Toten zunächst auf über 3.000, später wurde sie auf unter 3.000 korrigiert (wahrscheinlich < 2.800).


Die Flugrouten der 4 entführten Flugzeuge.
Wikipedia/FBI


Die Folgen des Anschlags


Löscharbeiten am WTC 6.
Wikipedia/Mike Goad

Die Anschläge auf das World Trade Center versetzten die USA und die Welt in einen Schockzustand. Unter den knapp 3.000 Toten waren 343 Feuerwehrleute. Fast 200 Leute sind aus den Fenstern in den Tod gesprungen, weil es im Gebäude heiß wurde und die Fluchtwege zerstört waren.

Die Stahlkonstruktion der Zwillingstürme stand in Ruinen und drumherum befanden sich Trümmer und Staub. Die Aufräumarbeiten dauerten ca. 8 Monate.

Sozial ungerecht war, dass die Familien von Feuerwehrleuten viel weniger Schadensersatz erhielten als die Familien von Bankern. Außerdem entwickelten viele Betroffene der Anschäge Krankheiten, die z. B. die Atemwege betrafen. Hier zeigte sich wieder, dass das US-Gesundheitssystem solche Risiken völlig ungenügend abdeckt. Eine Frau, die im Gesicht und an ihrer Businesskleidung völlig verstaubt war und deren Photo als "Dust Lady" um die Erde ging, starb an den Folgekrankheiten aufgrund ihres mangelnden Versicherungsschutzes.
Besonders in Lower Manhattan lag viel giftiger Staub. Man rechnet mit fast 20.000 Kranken als indirekte Folge der Anschläge.



Die Drahtzieher des Anschlags



Sofort nach dem Anschlag schossen Spekulationen ins Kraut, wer hinter der Aktion gesteckt haben könnte. Einige Überlegungen gingen in Richtung Al-Qaida (die Basis). Deren damaliger Anführer, Osama Bin Laden hatte vorher Angriffe auf US-Einrichtungen befohlen. Darunter waren auch Sprengstoffanschläge auf US-Kriegsschiffe mit "harmlosen" zivilen Booten.

Dieses netzwerk wollte den US-Einfluss in islamischen Ländern zurückdrängen.
Ihr Anführer hatte zunächst in den 1980er-Jahren im Afghanistankrieg mit Billigung und Unterstützung der USA gegen die Sowjetunion gekämpft, störte sich aber nach dem Ende des Kalten Krieges und besonders durch den Golfkrieg 1991 an der Truppenpräsenz der USA in der Nahost-Region. Außerdem störte Bin Laden die israelfreundliche Haltung der USA.

Es ist davon auszugehen, dass ungefähr 19 Terroristen die vier Flugzeuge am Morgen des 11. September entführt haben. Vier davon haben sich vorher in US-Flugschulen ausbilden lassen. Den Fluglehrern ist nicht aufgefallen, dass die späteren Attentäter v. a. den Flug und kaum Starten und Landen üben wollten.
Neben diesen "Hauptterroristen" muss es aber ein noch größeres Netzwerk von Unterstützern gegeben haben - sozusagen die Logistik. Erst schrittweise kam durch Untersuchungsausschüsse heraus, dass darunter viele saudi-arabische Staatsbürger waren. Viele führen das darauf zurück, dass Saudi Arabien als Geschäftspartner und z. T. Verbündeter der USA gilt, während später die Länder Afghanistan (2001) und der Irak (2003) angegriffen wurden.

Es wurde auch bekannt, dass die Anschläge zu einem nicht unerheblichen Teil in Hamburg in Norddeutschland geplant worden waren.
Sogar drei der Todespiloten waren Mitglieder der so genannten "Hamburger Terrorzelle", eines deutschen Ablegers von Al-Kaida.
Für die Bundesregierung war dies äußerst peinlich.
Viele Attentäter waren in Hamburg als Studenten eingeschrieben und radikalisierten sich an einer dortigen Moschee. Sie lebten großteils in der Marienstraße 54. Trotz starker Geheimdienststrukturen in Hamburg ließ man das Geschehen offenbar einfach so laufen. Eigentlich war seit Jahren bekannt, dass es in Hamburg Treffpunkte von radikal-religiösen Aktivisten gab.
Sowohl der Verfassungsschutz, der die dortige religiöse Szene offenbar nur oberflächlich überwacht hatte, als auch der Bundesnachrichtendienst, der eine Arabistin mit der Übersetzung abgefangener Kommunikation beauftragt hatte, die aber die Bedeutung des Textinhaltes nicht verstand und ins Wochenende ging, bekamen es mit heftigen Verbalinjurien zu tun.


Das World Trade Center und seine Twin Towers als Wahrzeichen New Yorks

Bis zum Anschlag vom 11. September galten die Zwillingstürme (Twin Towers) als eines der Wahrzeichen New Yorks und prägten seine Skyline.
Sie standen an der Südspitze Manhattans (Stadtteil von NY) und waren das Aushängeschild des World Trade Centers. Das WTC und seine Türme galten jedoch nicht nur als Symbol New Yorks, sondern mithin auch des US-Kapitalismus. Es symbolisierte die wirtschaftliche und finanzielle Macht der USA. Damit war es aber auch auch Angriffsziel von deren Gegnern.

Das World Trade Center war bzw. ist ein riesiger Bürokomplex, der ursprünglich aus 7 Gebäuden bestand. Die Bauzeit betrug 1966 bis 1973. In dem Film "French Connection" (dt. "Brennpunkt Brooklyn") von 1971 ist das gerade im Bau befindliche WTC zu sehen.
Die Zwillingstürme hatten 110 Stockwerke und waren bei ihrer Eröffnung waren sie die höchsten Gebäude der Welt (Nordturm: 417 m; Südturm: 415 m). Die Antenne war noch einmal über 100 m lang.
Auch nach unten dehnte sich das WTC aus. Eine riesengroße Einkaufspassage erstreckte sich über 6 UGs.

Im Gesamtkomplex sollen an die 50.000 Menschen gearbeitet haben. Hier waren viele Unternehmen aus vielen Ländern der Welt vertreten. Dazu kamen noch riesige Ströme an Besuchern. Besonders in den Zwillingstürmen gab es Aussichtsplattformen und Restaurants.

Möglicherweise hat es aber auch Baumängel gegeben. Der Zeitdruck war enorm und die Hitzeschutzkacheln, die das tragende Stahlgerüst schützen sollten, waren möglicherweise nicht überall korrekt aufgesetzt oder haben sich mit der Zeit gelöst und sind nicht richtig gewartet worden.

Die Zwillingstürme waren oft Schauplatz spektakulärer Aktionen: 1974 wurde ein Seil zwischen beiden Türmen gespannt, damit ein Hochseilartist darüber balancieren konnte. 1975 sprang ein Bauarbeiter mit einem Fallschirm vom Nordturm. Auch Gebäudekletterer übten mehrfach an der Außenfassade. Einige kamen sogar bis zum Dach.

In Europa weniger bekannt ist, dass es bereits 1993 einen religiös motivierten Anschlag gegen das WTC gab.
Am 26.02.1993 erfolgte in der Tiefgarage ein Anschlag mit einer Harnstoffnitrat-Bombe mit 6 Toten und hunderten Verletzten. Mindestens einer der Attentäter war schon am 05.09.90 in ein Attentat auf Meir Kahane in Manhatten beteiligt.


Der "Krieg gegen den Terror"

Die USA wollten nach diesem für sie demütigen Angriff sofort zurückschlagen. Sie mussten aber erst die Täterstruktur noch genauer ermitteln.
George W. Bush verkündete einen weltweiten Kampf gegen den Terror ("War against terror").
Bereits am 07.10.2001 wurde Afghanistan von den USA und NATO-Verbündeten angegriffen. Man beschuldigte es, Osama bin Laden, den Chef von Al-Qaida, beherbergt zu haben. Die USA bombardierten das Land erst aus der Luft und griffen dann am Boden mit Hilfe der einheimischen "Nordallianz" an.
Hier gab es wieder moralische Kritik, weil die Nordallianz ein loser Verbund unterschiedlicher Interessengruppen war: Warlords, ehemalige Sozialisten (Dostum), Drogen- und Menschenhändler.

Im Jahre 2003 griffen die USA zusätzlich noch den Irak an. Dies wurde damit begründet, dass Saddam Hussein wahrscheinlich Massenvernichtungswaffen und Verbindungen zur Al Qaida hätte. Beides wurde früh angezweifelt und erwies sich tatsächlich später als falsch.
Es gab auch Streit mit dem NATO-Verbündeten Frankreich, weil französische Offiziere behauptet haben, die USA seien nicht wirklich an einem schnellen Ergreifen Bin Ladens interessiert und würden Hinweise auf seine Aufenthaltsorte liegen lassen, um stattdessen andere Missionen (Agenden) im Land auszuführen.

Erst knapp zehn Jahre nach den Anschlägen, am 02.05.2011 wurde Osama bin Laden bei dem Einsatz einer mit Hubschraubern herangeflogenen US-Spezialeinheit in einem Haus in Pakistan an der afghanischen Grenze getötet und danach im Meer "bestattet".
Seit 2008 war nicht mehr George W. Bush sondern Barack Obama Präsident der USA.

Neben diesen militärischen Maßnahmen wurden die Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten deutlich erhöht. In vielen Ländern traten Gesetze zur Terrorismusbekämpfung in Kraft. Die Rechte von Privatpersonen wurden stark eingeschränkt.
Bei Flügen wurden Körper- und Gepäckkontrollen intensiviert und die Regeln für mitgeführte Gegenstände verschärft (keine Messer, keine waffenähnlichen Gegenstände, keine großen Flüssigkeitsmengen).

Aus der Sicht von Kritikern gehen diese Maßnahmen zu weit. Die an sich gerechtfertigte Terrorabwehr werde immer mehr als Vorwand genutzt, um die Bürger auszuspionieren. Hinzu kommt, dass viele Gesetze am Anfang nur zeitlich begrenzt wirksam sein sollten, jetzt aber schon längst Normalzustand sind.
Gerade in den USA wurden unter Bush die Maßnahmen zum Ausbau des staatlichen Sicherheitsapparates und der Geheimdienste vorangetrieben. Dabei kam es auch zu schweren Menschenrechtsverletzungen bei der Behandlung von Gefangenen (z. B. Guantanamo). Inzwischen haben die USA so viele und so mächtige Geheimdienste, dass diese sich neben dem enormen Verbrauch an Steuergeldern bei ihrer Arbeit gegenseitig auf den Füßen stehen.


Gedenken an die Anschläge

Die Anschläge vom 11. September 2001 (kurz: "9/11") blieben über die Jahre in den Köpfen der Menschen präsent. Es ist klar, dass es viele Gedenkfeiern gab. An der Stelle der eingestürzten Zwillingstürme wurde z. B. das blaue Lichtdenkmal "Tribute in Light" installiert.

Knapp zehn Jahre nach den Anschlägen wurde auf "Ground Zero", dem Gebiet der zerstörten Twin Towers, das "9/11 Memorial" eröffnet. Es besteht aus einem Museum, einem Park und Wasserbassins. An den Rändern sind die Namen aller Opfer - auch der des Anschlags von 1993 - eingraviert.

Ab 2002 wurde an der Anschlagsstelle außer dem "9/11 Memorial" ein neuer Bürokomplex errichtet. Dessen berühmtestes Gebäude ist das "One World Trade Center", das mit 541,30 m zum Bauabschluss das höchste Gebäude der USA war und heute ähnlich wie einst die Zwillingstürme die Skyline von New York prägt.


QUELLEN UND LITERATUR:

Wikipedia
-
planet wissen: Die Terroranschläge vom 11. September 2001
https://www.planet-wissen.de/kultur/metropolen/new_york/new-york-11-september-100.html
-
Aust, Stefan: 11. September. Geschichte eines Terrorangriffs; München (dtv) 2011
(in verschiedenen Verlagen erschienen)

-
Die Anschläge vom 11. September 2001 werden auch in diversen Büchern von Daniele Ganser aufgearbeitet. Während Ganser über Stay-Behind-Strukturen der NATO ("Gladio") sehr gute Werke verfasst hat (z. B. "NATO Geheimarmeen in Europa. Inszenierter Terror und verdeckte Kriegsführung"), neigt er beim Thema 9/11 zum Spekulieren. Er deutet sogar an, dass er glaubt, dass Zirkel der USA die Türme selber gesprengt hätten, sagte es aber (auch) nicht klar.
Problematisch erscheint bei Ganser nicht nur, dass er sogenannte "Verschwörungstheorien" verbreitet (einige davon können durchaus wahr sein, z. B. beim Mord an John F. Kennedy), sondern dass er sich in seinen Schriften und Vorträgen ständig auf den "US-Imperialismus" stürzt und damit impliziert, dass fast alle krummen Touren der Imperien aus den USA kommen. Dirty Tricks anderer Imperien wie Russland oder China vernachlässigt er oder verschweigt sie sogar ganz.




Donnerstag, 7. September 2023

BUDDHISMUS

Internationale Buddhistische Flagge
Internationale Buddhistische Flagge
(seit 1885, seit 1950 internationales Symbol)

Buddha-Statue


Der Buddhismus gilt als eine der großen Weltreligionen, auch wenn es umstritten ist, ob man ihn eher als Religion oder als Philosophie bzw. Lebenslehre sehen soll. Genau genommen enthält er Elemente von beidem.

Auf jeden Fall ist er keine "theistische Religion", verehrt also keinen allmächtigen Gott oder eine Gruppe von Göttern.

Der Buddhismus basiert auf den Lehren Siddhartha Gautama, genannt Buddha. Die Lehren Buddhas und seiner Nachfolger stellen ein Sammelsurium von philosophischen Überlegungen und Vorschlägen zur Lebensführung dar. Manche vergleichen ihn mit dem Daoismus oder dem Konfuzianismus auch China.
Der gelebte Buddhismus befasst sich auch sehr viel mit Meditation.

Wie viele Religionen oder Philosophiesysteme hat der Buddhismus ein breites Spektrum an "Schulen" entwickelt. Man denke an griechische Philosophenschulen und ihre Richtungskämpfe oder an moderne Denksysteme wie den Marxismus.
Die Zwischenstellung zwischen Religion und Philosophie sieht man auch daran, dass einige Schulen Elemente der Volksfrömmigkeit aufgenommen haben und dass es ein buddhistisches Klosterwesen gibt.
Es gibt im Buddhismus aber keine zentrale Autorität wie im es im katholischen Christentum der Papst darstellt. Das heißt aber nicht, dass einzelne buddhistische Anführer nicht autoritär und dogmatisch auftreten können.


1. Der historische Buddha

Siddhartha Gautama (später "Buddha" genannt) gilt als historisch einigermaßen greifbare Person. Er soll im 6. Jhd. v. Chr. oder später im Norden/Nordosten Indiens gelebt haben. Es ist davon auszugehen, dass er Sohn eines Königs oder zumindest eines hohen Adeligen war. Wir nennen ihn hier Prinz.
Der Prinz Siddhartha Gautama wuchs in Wohlstand auf, stellte beim Verlassen des Palastes aber fest, dass viele Menschen in Armut und im Leiden lebten. Siddhartha Gautama reagierte auf diesen Schock sehr stark und lebte eine Zeit lang in Askese. Dabei stellte er aber fest, dass diese ihn nur schwächte und die Probleme der Welt nicht löste. Dann entschied er sich für einen Mittelweg zwischen Luxus (Hedonismus) und Askese und nahm diesen als Grundlage für seine Philosophie.
Als er zu höherer Erkenntnis "erwacht" war, erhielt er den Beinamen bzw. Ehrentitel "Buddha" (der Erwachte/Erleuchtete). Den Prozess von Erwachen/Erleuchtung nennt man "Bodhi".

Buddha war aufgrund seiner Herkunft natürlich sehr stark von den Denktraditionen der indischen Philosophie beeinflusst. Deren Schulen sahen das Leben meistens als eine Abfolge von Werden und Vergehen und hatten somit ein "zyklisches" (kreisförmiges) Weltbild, kein "lineares" wie das Judentum oder später das Christentum oder der Islam, die glaubten, dass sich das Weltgeschehen linear auf ein Ziel zubegwegt.
Das Dasein wird in vielen Schulen der indischen Philosophie auch gerne als leidhaft angesehen, obwohl sich Buddha durchaus Gedanken um Abhilfe machte. Eine dieser Abhilfen ist eben der angestrebte Mittlere Weg sowie die Absage an Radikalismus. Man soll vom Töten von Lebewesen absehen und armen Menschen helfen. Es ist aber nicht richtig, dass diese Lehren immer eingehalten wurden.

Über die Jahre wurde die Überlieferung von Buddhas Leben und Lehre immer mehr von Mythen überrankt, so dass es heute schwer ist, eine Unterscheidung zwischen dem historischen und dem mythischen Buddha zu erreichen.


2. Die Entwicklung des Buddhismus

Neben diversen Volksmythen wurde die Lehre Buddhas auch durch "offizielle" Konzile beeinflusst, in denen ein allgemeinverbindlicher Kanon an Schriften festgelegt und die Lehre strukturell gestrafft werden sollten.
Das erste Konzil fand der Überlieferung nach drei Monate nach dem Tod des Buddha in Rahagarha statt. Hier ging es um den Dharma/Dhamma (Lehre, Gesetz) und den Vinaya (Mönchsregeln).
Rund 100 Jahre später fand das zweiten Konzil in Vesali statt. Um diese Zeit kam es zur Bildung von bis zu 18 verschiedenen Schulen (Nikaya-Schulen), von denen die Mahasanghika die Vorläuferin des Mahayana-Buddhismus war.
Die ersten beiden Konzile sind von allen buddhistischen Schulen anerkannt. Ihre Historizität ist aber umstritten. Ein drittes Konzil in Pataliputra (heute: Patna) sollte unter der Schirmherrschaft des Königs Ashoka die buddhistische Lehre vereinheitlicht und "Häretiker" ausgeschlossen werden.

Auch wenn sich in der Folgezeit verschiedene Arten der Buddhaverehrung etabliert haben - auch gegenüber errichteten Buddhastatuen, so wurde der Buddhismus nicht im strengen Sinne zu einer dogmatischen Offenbarungsreligion.

Der Buddhismus hat sich zwar über Indien und über Ostasien bis nach Südostasien ausbreiten können, er veränderte dabei aber z. T. sein Gesicht und verlor später auch Gebiete.
Die Ausbreitung nach Westen wurde durch das Perserreich und nach der persischen Niederlage gegen Alexander den Großen durch das Alexanderreich und seine Nachfolgereiche blockiert. Es kam aber in den östlichen Nachfolgereichen zur Bildung einer "graeco-baktrischen Mischkultur" (vg. Gandhara-Kultur).
Nach Norden breitete sich der Buddhismus nach Zentralasien aus, geriet dort aber in Konkurrenz mit den Anschauungen diverser Reitervölker und später mit dem Islam.
Nach China konnte sich der Buddhismus ausbreiten, wurde aber "sinisiert". Es kam zum Austausch mit Daoismus und Konfuzianismus. Buddhistische Statuen bekamen chinesische Züge. Trotzdem blieb der Buddhismus hier stark vertreten. Selbst nach der Machtübernahme durch die Kommunisten 1949 konnten Atheisierungskampagnen seine Stärke nur bedingt reduzieren. Heute lebt ca. die Hälfte aller Buddhisten der Welt in China.
Von China aus gelangte der Buddhismus nach Japan (ab 5. Jhd. n. Chr. nachweisbar). Auch hier verschmolz er z. B. mit einheimischen Traditionen wie dem Shinto. Manche Forscher meinen allerdings, dass der Buddhismus erst den Shinto(ismus) dazu gebracht habe, eine festes Denksystem auszubauen. Der Buddhismus teilte sich auf in Strömungen und Schulen (shu; auch "Sekten" genannt).
Frühe Schulen waren die "Sechs Schulen der Südlichen Hauptstadt", die in der Nara-Zeit (8. Jhd.) ihren Höhepunkt erlebten: 1. Risshu (Vinaya), 2. Jojitsu-shu (Satyasiddhi), 3. Kusha-shu (Abhidharma), 4. Sanron-shu (Madhyamika), 5. Hosso-shu (Yogacara), 6. Kegon-shu (Hua-yen).
In der frühen Heian-Zeit gelang der "esoterische/tantrische Buddhismus" nach Japan.
In der Kamakura-Zeit (12. - 14. Jhd.) legten die Lehren des Reinen Landes ihren Schwerpunkt auf die Verehrung Amitabhas, eines transzendenten Buddhas, der die Bevölkerung erretten sollte. Es gab "Vier neue buddhistische Schulen": 1. Zen (chin. Chan; für die Ritter und Bauernkrieger), 2. Jodo-shu von Honen (amidistisch, Erlösung durch Glauben statt Taten, Kritik an gelehrten Sutras), 3. Joso-Shinshu/Ikko-shu von Shinran (amidistisch, kein Priestertum mehr, für einfache Menschen), 4. Nichiren-Buddhismus von Nichiren (Abgrenzung zu den anderen 3 Schulen, religiöses Schrifttum wichtig).
Der Zen-Buddhismus baute meist auf die Sitzmeditation, die zu ihm gehörende Fuke-Sekte betrieb dagegen Wandermeditation: Ihre Komosu-/Komuso-Mönche wandermeditierten mit Hilfe der Shakuhachi-Flöte durch Japan (chinesische Vorgänger hatten noch andere Instrumente eingesetzt). Selbst in der strengen Tokugawa-Zeit (17. - 19. Jhd.), als Japan absolutistisch regiert wurde, ließ man den Anhängern der Fuke-shu lange Zeit ihr Recht auf Bewegungsfreiheit, bis man sie im 19. Jhd. nach Spionageverdacht zuerst eingeschränkt und dann auflöste.
In Südostasien breitete sich der Buddhismus ebenfalls stark aus und vermischte sich dort mit schon bestehenden Traditionen.

Wie erwähnt verlor der Buddhismus aber auch Gebiete:
In Indien hat die "hinduistische Renaissance" den Buddhismus fast ganz vom Subkontinent verdrängt (nicht aus Sri Lanka/Ceylon, nicht aus Nepal).
In Teilen Südostasiens wie z. B. Indonesien hat der durch arabisch-islamische Händler importierte Islam den Buddhismus ebenfalls stark zurückgedrängt. Man sieht das heute daran, dass in vielen Gebieten buddhistische Tempel von einer muslimischen Bevölkerung umgeben sind.

Im Westen (Europa, Nordamerika, z. T. Australien) gewann der Buddhismus erst im 19. und 20. Jhd. an Boden.
Durch Philosophen wie Arthur Schopenhauer gelangte der Buddhismus im 19. Jhd. nach Europa und in andere "westliche" Gebiete.
Stärkere Impulse für eine Hinwendung zum Buddhismus kamen im 20. Jhd. (besonders nach den Weltkriegen) durch westliche "Sinnsucher", Anti- und Postmaterialisten und Prominente.
Der Buddhismus wurde dabei als "Geistesphilosophie"gegen einen als übertriebenen empfundenen westlichen Materialismus angesehen. Ob asiatische Länder generell mehr geistlich als materiell denken, ist aber umstritten.
So war die Verbreitung des Buddhismus in Europa, Nordamerika und Australien auch von Klischees, Idealisierungen und Halbwahrheiten begleitet. Es ist erstaunlich, dass viele "autoritätskritische" junge Menschen der späten 60er-Jahre recht kritiklos östlichen Autoritäten folgten.
Auf jeden Fall existieren in als westlich geltenden Ländern verschiedene Strömungen des Buddhismus nebeneinander.


Komuso-Mönche (nach Neugründung der Schule)


3. Die buddhistische(n) Lehre(n)


Wir haben gesehen, dass der Buddhismus intensive Entwicklungen durchmachte. Trotzdem können einige zentrale Inhalte der Lehre(n) dargestellt werden.

Das Dharma (Sanskrit)/Dhamma (Pali), "Gesetz":
  • die Lehre Buddhas
  • die Gesamtheit aller weltlichen Phänomene und ihrer Gesetze
Das "bedingte Entstehen":
  • eine Kette von 12 ineinander verwobener Elemente
  • "dieses ist, weil jenes ist"
Ursache und Wirkung und Karma (Sanskrit)/Kamma (Pali), "Tat, Wirken":
  • sinnliches Begehren und Anhaften an weltliche Erscheinungen
  • es gibt gutes, schlechtes und neutrales Karma
Das Samsara, "ständiges Wandern" (gemeint: Kreislauf des Lebens):
  • dieser Begriff besteht in vielen indischen Glaubenssystemen
  • Samsara ist das "ständige Wandern", der Kreislauf des Lebens aus Werden und Vergehen
Das "Nicht-Selbst" und die "Wiedergeburt":
  • in der indischen Philosophie glauben Astika-Schulen an das Selbst ("atman"/"atta")
  • der Buddhismus glaubt als Nastika-Schule an das Nicht-Selbst ("anatman"/"anatta")
Das Bodhi, "Erwachen":
  • Voraussetzung: u. a. geist. Erfassen der "Vier edlen Wahrheiten", Überwindung der Daseinsbindungen und Vergehen aller karmischen Kräfte
  • Samsara, der Kreislauf des Lebens und Leidens wird verlassen und Nirwana erlangt
Das Nirwana/Nibbana, "Verlöschen":
  • höchste Verwirklichungsstufe des Bewusstseins
  • das endgültige Verlöschen im Tod wird als Parinirwana bezeichnet
Die praxisorientierte Meditation
  • Atembetrachtung, Liebende-Güte-Meditation ("metta"), Mantra-Rezitation, Sitzmeditation, Gehmeditation, Visualisierung, thematisch gebundene Kontemplation
  • Zielung: Sammlung und Beruhigung des Geistes ("samatha"), tiefes Sehen ("vipassana"), Auflösung der Ich-Verhaftung, Kultivierung von Empathie

Das Rad des Lebens als Dhamma.


4. Die buddhistischen Schulen

Der Buddhismus hat drei Hauptrichtungen: Hinayana ("Kleines Fahrzeug"; heute: Theravada, die "Lehre der Älteren"), Mahayana ("Großes Fahrzeug") und Vajrayana ("Diamant-Fahrzeug"; oft als Tibetischer Buddhismus oder Lamaismus bezeichnet, obwohl diese Schule nicht nur dort existiert).


Hinayana-Buddhismus: "Kleines Fahrzeug":
  • Der Hinayana ist neben dem Mahayana eine der beiden Hauptströmungen des Buddhismus und von beiden die ältere.
  • Im Hinayana strebt der/ein Mensch nach dem Erwachen (Erlösung vom Leiden), nicht aber andere Lebewesen.
  • Der Theravada-Buddhismus (Lehre der Älteren/Ordensälteren [die Buddha noch erlebt haben]) ist die einzige noch bestehende Lehre des Hinayana.
Mahayana-Buddhismus: "Großes Fahrzeug":
  • Der Mahayana geht auf die Mahāsāṅghika (Große Gemeinde) zurück, die sich nach dem zweiten buddhistischen Konzil entwickelt hat.
  • Der Mahayana verwendet neben dem Tripitaka den Sanskrit-Kanon (mit den Sutras). Zu diesen Sutras/Sutren gehören das Diamant-Sutra, das Herz-Sutra, das Lotos-Sutra und das Sutra vom reinen Land.
  • Im Unterschied zum Theravada-Buddhismus, in der das Erreichen von Bodhi durch eigenes Bemühen im Vordergrund steht, nimmt im Mahayana das Bodhisattva-Ideal eine zentrale Rolle ein. Bodhisattvas sind Wesen, die als Menschen bereits Bodhi erfuhren, jedoch auf das Eingehen in das Parinirvana verzichteten, um stattdessen allen anderen Menschen (und allen Wesen) bei der Erreichung dieses Ziels zu helfen.
  • Der Mahayana umfasst auch den Amitabha-Buddhismus, den Nichiren-Buddhismus und den Zen-Buddhismus, die besonders in Japan stark vertreten sind.
Vajrayana-Buddhismus: "Diamant-Fahrzeug":
  • Der Vajrayana ist im Kern ein Teil des Mahayana, ergänzt diesen aber durch tantrische Techniken, die den Pfad zum Erwachen beschleunigen sollen (Meditation, Visualisierung, Mantras, Guruyoga [Einswerden mit dem Geist des Lehrers] usw. gehören).
  • Der Vajrayana gilt auch als "esoterische Lehre", weil er stark auf Ritualisierung und "Geheimniskrämerei" setzt. Der Mahayana gilt dagegen als "exoterische Lehre".
    Im Zentrum des Vajrayana steht die direkte Unterweisung/Übertragung von Lehrer zu Schüler.
  • Im tibetischen Buddhismus ist der Dalai Lama eine wichtige (nicht die einzige!) Autorität.
    Es gibt im hier vier Hauptschulen: Nyingma (die Alten), Kagyü (Linie der mündlichen Überlieferung), Sakya (Graue Erde), Gelug (die Tugendhaften; "Gelbmützen").
  • In Japan wird der Vajrayana von der Shingon-Schule weitergeführt.

5. Der moderne Buddhismus


Der Buddhismus nimmt derzeit (2020er) unter den Weltreligionen den vierten Platz ein (nach Christentum, Islam und Hinduismus. Es ist aber umstritten, wie viele Buddhisten es weltweit gibt, weil nicht alle Anhänger gezählt wurden und es auch "Doppelmitgliedschaften" in verschiedenen Philosophien/Religionen geben kann.

Als wichtiger Vertreter des tibetischen Buddhismus (genaugenommen einer Stilrichtung, der Gelug-Schule) und mit der Zeit des Buddhismus insgesamt gilt seit der 2. Hälfte des 20. Jhd.s Tenzin Gyatso (* 1935), der 14. Dalai Lama. International wird er manchmal auch als "der Dalai Lama" wahrgenommen. Seine formelle Bezeichnung ist: "Seine Heiligkeit".

Tenzin Gyatso wurde 1940 inthronisiert und herrschte bis 1959 im Potala-Palast in Lhasa. Anfangs hatte der chinesische Kommunistenführer Mao Zedong Zugeständnisse an ethnische Minderheiten einschließlich der Tibeter gemacht - auch um im Bürgerkrieg gegen seinen Kontrahenten Tschiang Kai-shek siegen zu können. Als die Kommunisten dann 1949 die Macht errungen hatten, sah das schon anders aus. Die Tibeter um Tenzin Gyatso dachten anfangs, dass sie mit Mao einen "Deal" machen könnten, merkten aber dann, dass Rotchina es auf das Leben des Dalai Lama abgesehen hatte. Deshalb musste dieser 1959/60 nach Indien fliehen und lebte von da an im Exil in Dharamsala.

Der Dalai Lama gilt als Vertreter des Prinzips der Gewaltfreiheit und wehrt sich ohne Waffeneinsatz gegen die Assimilierung seiner tibetischen Heimat durch China. In religiös-philosophischen Auseinandersetzungen wird im indischen Exil aber auch zu rabiaten Maßnahmen gegriffen. Es kam in der Community auch schon zu Mordfällen.
Kritiker der tibetischen Exilregierung weisen darauf hin, dass die alte tibetische Herrscherelite der Lamas durchaus als Gruppe feudalistischer Unterdrücker angesehen werden könne. Der Widerstand gegen die chinesischen Truppen war anfangs auch nicht gewaltlos, sondern man baute mit Hilfe US-amerikanischer Geheimdienste Guerillatruppen aus, die aber trotz einiger Nadelstiche am Ende erfolglos waren und deren Unterstützung von den USA schließlich im Namen einer Annäherung an die VR China eingestellt wurde.
Diese Kritik der Rückschrittlichkeit ist z. T. richtig. Allerdings wäre es naiv zu glauben, dass die VR China Tibet militärisch in die Zange genommen hat, um "den Feudalismus zu besiegen" und "das Land zu modernisieren". In Wirklichkeit geht es natürlich um eine Sinisierung der Region, um eine politisch-militärische Stärkung zum Rivalen Indien hin und um eine Ausbeutung der Ressourcen.

Einige Organisationen des heutigen Buddhismus werden auch kritisch gesehen:
  • Der Diamantweg(-Buddhismus):
    Der Diamantweg ist eine vom Dänen Ole Nydahl (* 1941) und seiner Frau Hannah Nydahl (* 1946 - 2007) initiierte Schule des Buddhismus, die sich auf den 16. Karmapa der Karma-Kagyü-Linie des tibetischen Buddhismus beruft und Thaye Dorje als den 17. Karmapa betrachtet.
    Er gehört damit nicht zur tibetisch-buddhistischen Tradition des Dalai Lama Tenzin Gyatso.
    Der Name Diamantweg wurde deshalb gewählt, weil die Schule sich zur Richtung des Vajrayana bekennt. Dieses Sanskritwort bedeutet Diamant-Weg oder Diamant-Fahrzeug.
    Ole Nydahls Vorgehen ist sehr eigenwillig und daher umstritten:
    Kritiker werfen ihm Selbstherrlichkeit und Personenkult vor.
    Anhänger weisen dagegen darauf hin, dass er Dinge voranbringe und nicht nur rede.
    So hat Nydahl in der Tat viele Diamantweg-Zentren weltweit aufbauen können. Im Jahre 2007 ließ der oft aus Deutschland heraus agierende Däne in Immenstadt im Allgäu ein "Europazentrum" aufbauen. Im selben Jahr starb seine Frau.
    Ole Nydahl ist wie seine Frau bürgerlich in Kopenhagen aufgewachsen. Dann nahmen beide aber in den 1960ern exzessiv an der "Hippiebewegung" teilgenommen. Beide wollten sich von bürgerlichen Zwängen befreien, Abenteuer erleben und Drogen nehmen.
    Angeblich plante Hannah Nydahl in einem dänischen Gefängnis, in dem sie wegen Drogendelikten einsaß, über der dänischen Hauptstadt Kopenhagen LSD an Fallschirmen abzuwerfen, um das Bewusstsein der Menschen zu befreien.
    Beide merkten aber mit der Zeit, dass diese Form der Bewusstseinserweiterung auch Nachteile hatte und für einige ihrer Freunde sogar tödlich ausging. So reisten sie dann auf ihrer Hochzeitsreise nach Asien, um dort neue Formen der Bewusstseinserweiterung zu kennenzulernen. Dort trafen sie auf buddhistische Geistliche, waren beeindruckt und wollten deren Lehre nach Europa bringen. Das Ehepaar kehrte mehrmals nach Asien zurück, studierte weiter buddhistische Lehrinhalte und auch diverse Abenteuer wie das Entkommen vor chinesischen Verfolgern.
    Dieses Leben ist gut dokumentiert im 2018 erschienen Film "Hannah - Ein buddhistischer Weg zur Freiheit", auch wenn der Film bisweilen hagiographische Züge hat.
    Nydahls Persönlichkeit ist auch deshalb umstritten, weil er trotz postmaterieller Einflüsse der Hippiezeit an klassisch-männlichen Verhaltensweisen wie Boxtraining, Fallschirmspringen, schnellen Autos, Motorrädern, Karrierismus (wenn auch auf eine andere Art) und Egozentrismus festhält. Außerdem vertritt er eine positive Haltung zu sexueller Freizügigkeit.
    Aufgrund zunehmender Einwanderung in Mitteleuropa aus islamischen Ländern fiel Nydahl auch durch anti-islamische Sprüche auf.
    Nydahls Aussagen sind insgesamt sehr direkt: So sagt er, dass der Westen gerade durch die Hippiezeit (an der Nydahl selbst exzessiv teilgenommen hat) Vorsprünge an weltweite Konkurrenten verschenkt habe und dies auch der Grund sei, warum gute Chips jetzt in Asien hergestellt würden.
    2020 verließ der Diamantweg nach längeren Querelen dann die Deutsche Buddhistische Union (DBU) und kam so einem Rauswurf aus selbiger zuvor.
    Es ist bislang unklar, wer nach Nydahl den Diamantweg weiterführen wird. Seine Art ist zwar umstritten, Erfolge beim Aufbau von Infrastruktur lassen sich aber nicht leugnen.
  • Die Soka Gakkai:
    In Japan existierten entsprechend der Tradition des Landes viele buddhistische Schulen nebeneinander. Im 20. Jhd. entwickelte sich aber eine Schule, die Soka Gakkai (Werteschaffende Gesellschaft), besonders stark.
    Die Soka Gakkai berief sich auf den Nichiren-Buddhismus, wurde aber nach einigen Jahrzehnten 1991/97 aus der Nichiren-Shoshu "hinausgeworfen". Was war passiert?
    Die Soka Gakkai entstand schon in den 1930er-Jahren (offiziell 1937) und nahm für sich in Anspruch, Widerstand gegen den japanischen Imperialismus/Expansionismus dieser Zeit geleistet zu haben. Tatsächlich wurden Vertreter von ihr eingesperrt oder hingerichtet. Ihr Gründer und Präsident Makiguchi Tsunesaburo starb 1944 im Gefängnis.
    Allerdings weisen kritische Historiker darauf hin, dass die Soka Gakkai nicht per se gegen den japanischen Imperialismus war, sondern eher eine geistigere Variante davon bevorzugt hätte.
    Nach dem Zweiten Weltkrieg nutzte die Soka Gakkai die neuen Freiheiten Japans - besonders im religiösen Bereich  - und baute eine gigantische Organisationsstruktur auf. Ihr zweiter Präsident wurde Toda Josei, der noch mit Makiguchi im Gefängnis gesessen und überlebt hatte.
    Die Soka Gakkai baute mit der Komeito sogar eine eigene Partei auf. Offiziell müssen beide Entitäten aber getrennt auftreten, weil dies die japanische Nachkriegsverfassung so vorsieht.
    Die Komeito ist zwar keine Großpartei, diente den regierenden Liberal-Demokraten aber oft als zuverlässiger Mehrheitsbeschaffer und handelte somit aus Sicht von Kritikern gegen die Interessen der Arbeiterbewegung.
    Der dritte Präsident der Soka Gakkai war von 1960 - 1979 Ikeda Daisaku. 1975 wurde er Präsident der Soka Gakkai International (SGI), die heute in vielen Ländern der Welt operiert.
    Unklar ist, woher die Soka Gakkai ihre enormen Finanzreserven hat. Die Soka Gakkai wirbt ihre Mitglieder recht offensiv ("Shakubuku" - brechen und unterwerfen) und fordert von ihnen dann hohe Geldbeträge. Diverse Großspenden soll es auch geben.
    Der japanische Filmemacher Juzo Itami vermutete sogar Verbindungen zur Yakuza (Organisierte Kriminalität in Japan), konnte 1997 seinen geplanten Film über dieses Thema aber nicht beenden, weil er vorher von einem Hochhaus stürzte (wahrscheinlich ein Mord der Yakuza).



Mittwoch, 6. September 2023

INDISCHE PHILOSOPHIE

Panshalingeshwara
Hindu-Tempel (Panshalingeshwara)


Die indische Philosophie hat eine sehr lange Traditionslinie. Sie ist ähnlich stark wie die griechische Philosophie oder die chinesische Philosophie, wobei sich indische und chinesische Philosophie gegenseitig beeinflussten, als sich v. a. der Buddhismus nach Osten ausbreitete.
Es kam auch zu einer Verschmelzung zwischen griechischer und indischer Philosophie im "graeco-baktrischen Zwischenraum" zwischen dem Reich Alexanders des Großen und denen seiner Nachfolger und indischen Reichen (z. B. Gandhára-Kultur). Man spricht auch vom "graeco-baktrischen Synkretismus".

Die indische Philosophie geht zurück auf die Veden ("Wissen"), die eine Sammlung aus historischen, naturphilosophischen und religiösen Texten darstellen. Auf dieser Basis entstanden mehrere Strömungen, die modern als -ismen benannt werden:
  • Hinduismus
  • Buddhismus
  • Jainismus
Der Hinduismus konnte nach einer Renaissance den in Indien schon sehr stark verankerten Buddhismus weitgehend aus seiner Heimat vertreiben, während dieser in Ostasien weitgehend stabil blieb. In China wurde er allerdings stark sinisiert.
In Teilen Südostasiens verlor der Buddhismus mit der Zeit aber Einflussgebiete an den Islam, der wahrscheinlich von arabisch-islamischen Händlern importiert worden war. Durch die Expansion europäischer Kolonialmächte drang auch das Christentum vor.

Dem Buddhismus wird nachgesagt, dass er eine besondere Achtung vor dem Leben predige und gewaltlos sei (vgl. Ahimsa). Das war und ist in der Realität nur manchmal richtig. Buddhisten können Ziele durchaus mit Gewalt durchsetzen.


Viele Schriften der indischen Philosophie sind naheliegenderweise in Sprachen des indischen Subkontinentes verfasst. Hier wäre Sanskrit zu nennen, aber auch das volkstümlichere Pali.
Viele indische Sprachen enthalten viele a-Laute, u. a. weil es bei den ostindogermanischen Sprachen noch nicht zur Ablautung (Apophonie) gekommen ist. Man muss hier aber kurze und lange a-Laute unterscheiden. Die kurze Endung [a] ist oft maskulin (vgl. o-Deklination; griech. -os und lat. -os/-us).
Im Vergleich zu der griechischen Philosophie sind aber nicht so viele Autoren namentlich bekannt.

Indische Philosophiesysteme wurden durch Gelehrte wie Arthur Schopenhauer im 19. Jhd. auch in Europa und später in den USA bekannt. Im 20. Jhd. geschah die Hinwendung zu süd- und ostasiatischer Philosophie im Zusammenhang mit der Abkehr vom "westlichen Materialismus" und einer behaupteten Hinwendung zum Postmaterialismus.
Man muss aber vor Irrtümern und einer falschen Rezeption warnen:

  • z. T. ist die Rezeption asiatischer Philosophiesysteme naiv und vereinfachend
  • hinter hohen Moralansprüchen philosophischer Systeme können auch Hierarchie und Machtansprüche stehen (z. B. Kult um Gurus, eine Kaste von Priestern und "Weisen" usw.)
  • einige indische Denkansätze können als "Geistesphilosophie" bezeichnet werden, es gibt aber auch Schulen, die auf einem "Materialismus" aufbauen
  • während westliche Intellektuelle und Sinnsucher in den 1960ern den "Materialismus" und "Ökonomismus" ihrer Gesellschaften kritisierten, haben Teile Asiens vom "Materialismus" und dem "Technizismus" des Westens gelernt und stellen jetzt erfolgreich Halbleiterchips her.
  • viele Post- und Anti-Materialisten sind durch die Verbreitung ihrer Lehren reich geworden (vgl. John Lennon)
In der klassischen indischen Philosophie werden zwei Hauptgruppen unterschieden:

  1. Sechs orthodoxe Systeme (= Darshanas), die die Autorität der Veden/Veda anerkennen:
    Astikas
    • Nyaya (Schule der Logik und Erkenntnistheorie)
    • Vaisheshika (Naturphilosophie)
    • Samkhya (dualistische Erlösungsphilosophie)
    • Yoga (praktischer Erlösungsweg)
    • Purva Mimansa (Ritualistik und Erkenntnisphilosophie)
    • Vedanta (Uttara Mimamsa; monistische Erlösungsphilosophie
  2. Die heteroxoxen Systeme erkennen die Autorität der Veden/Veda nicht an:
    Nastikas
    • Charvaka (Lokyata; Schule der Materialisten)
    • Jainismus (Schule der strengen Asketen)
    • Theravada (Vibhajjavada; Schule der Unterscheidung): Theravada-Buddhismus
    • Sarvastivada (Vaibhashika; Schule des Alles-ist/der ausführl. Erläuterung): Hinayana B.
    • Sautrantika (Sutra-Schule): Hinayana Buddhismus
    • Yogacara (Vijñānavāda; Nur-Bewusstseins-Schule): Mahayana-Buddhismus
    • Madhyamaka (Schule des Mittleren Weges): Mahayana-Buddhismus
    • Pramanavada (Erkenntnis- und-Logikschule): Mahayana-Buddhismus

QUELLEN UND LITERATUR:

Wiki
-
Störig, Hans Joachim: Kleine Weltgeschichte der Philosophie; Stuttgart 1950 (viele Neuauflagen)
Sandvoss, Ernst R.: Geschichte der Philosophie. Band1; München 1989


Dienstag, 5. September 2023

DIODOROS ("DIODOR")

Gedruckte Ausgabe von 1746


Diodor (Διόδωρος ὁ Σικελιώτης/Diódōros ho Sikeliṓtēs; latinisiert: Diodorus Siculus, also Diodor der Sizilier bzw. von Sizilien) war ein antiker griechischer Geschichtsschreiber des späten Hellenismus. Er lebte wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 1. Jhd.s v. Chr.

Wir wissen wenig über Diodors Leben. Es wird gesagt (Beiname!), dass er aus Sizilien stammte, und zwar aus der Polis Argyrion. Man weiß, dass er für sein Quellenstudium längere Zeit in Rom weilte und dass er generell viel reiste. Zu seinen Zielen gehörte auch Ägypten (180. Olympiade bzw. 60/59 - 57/56 v. Chr.). Im Jahre 59 v. Chr. sah er nach eigenen Angaben in Alexandria eine römische Gesandtschaft zu König Ptolemaios XII.

Diodors Geschichtswerk ist auf Griechisch verfasst und trägt den Namen Βιβλιοθήκη ἱστορική/Bibliothḗkē historikḗ (vollständig: Διοδώρου τοῦ Σικελιώτου Βιβλιοθήκη ἱστορική), lateinisch Diodori Siculi Bibliotheca historica.
Es handelt sich um eine Universalgeschichte in 40 Büchern. Davon sind die Bücher 1 - 5 und 11 - 20 erhalten, davon weist das 17. Buch eine Lücke auf.
Die übrigen Bücher sind fragmentarisch v. a. durch die byzantinische Überlieferung erhalten (Kaiser Konstantin VII. und Patriarch Photios ab Buch 31). Des weiteren haben wir Exzerpte von David Höschel aus dem Jahr 1603 von den Büchern 21 - 26.
Die geschichtliche Darstellung reicht von der sagenhaften Vorzeit bis zur Zeit Caesars, und zwar ungefähr bis zu dessen Konsulat 60/59 v. Chr.
Es ist damit das umfassendste griechische Geschichtswerk der Antike.

Diodor ist für sein Geschichtswerk nach eigenen Angaben 30 Jahre lang gereist und hat viele Quellen ausgearbeitet, die er auch mehrfach nennt. Dabei hat er diese gekürzt und auch die damals üblichen Reden gekürzt oder weggelassen.
Sein Schreibstil/Erzählstil ist hellenistisch-vorattizistisch, also in Koine-Griechisch verfasst. Der Text ist dadurch gut lesbar, galt aber in der Kaiserzeit, als man sich wieder auf das klassische Athen berief (Attizismus), als nicht so elegant.
Hier seien einige Quellen genannt:
Hekataios von Abdera (Ägypten), Ktesias von Knidos (Assyrien und Persien), Megasthenes (Indien), Dionysios Skytobrachion, Theopompos von Chios (?), Ephoros von Kyme, Kleitarchos (Alexander der Große), Hieronymus von Kardia (?; sonst kaum erhalten; Diadochenkriege), Duris von Samos, Timaios von Tauromenion, Philinos von Akragas, Silenos von Keleakte (Ort unklar?), Polybios (Universalgeschichte), Agatharchides (Asiatika) und Poseidonios (Universalgeschichte).

Aus heutiger Sicht bedeutende Historiker wie Herodot, Thukydides und Xenophon werden zwar genannt, fanden aber wohl nur indirekt Eingang in das Werk (über Ephoros?).

Diodor benutzt eine eigene Zeiteinteilung/Chronologie: Olympiaden, Archontenjahre, Konsulate.

Sein Werk ist besonders für das 5. und das 4. Jhd. v. Chr. wichtig (Philipp, Alexander der Große, Diadochen), sowie für die Geschichte Siziliens.
Durch Diodors Werk sind uns auch wichtige Zitate aus ansonsten verlorenen Werken erhalten.
Insgesamt ist die Universalgeschichte also ein wertvolles Werk, auch wenn sie einige Fehler und Ungenauigkeiten aufweist, bei denen man oft nicht weiß, ob sie vom Autor stammen oder aus seinen benutzten Quellen.


QUELLEN UND LITERATUR

Diodors Werk liegt in der Übersetzung von Gerhard Wirth und Koautoren vor, aber auch in der von Julius Friedrich Wurm aus dem 19. Jhd.

Historisch-literarische Analysen liegen u. a. von Kai Brodersen und von Gerhard Wirth vor.




Montag, 4. September 2023

PLUTARCHOS

Plutarch von Chaironeia (Authentizität umstritten)



* um 45 in Chaironeia
+ um 123

Plutarch (Πλούταρχος/Ploútarchos; latinisiert: Plutarchus) war ein antiker griechischer Schriftsteller aus Chaironeia im westlichen Böotien.
Er verfasste historisch-biographische und philosophische Schriften und gilt als umfassend gebildet.
In der griechischen Literaturgeschichte gilt Plurarch als wichtiger Vertreter des Attizismus.
Sein bekanntestes - aber bei weitem nicht einziges - Werk sind die "Parallelbiographien", die die Lebensgeschichte je eines Griechen und eines Römers gegenüberstellen.
Es ist in der Forschung umstritten, ob man Plutarch mit seinen Parallelbiographien eher als Historiker oder eher als Biographen mit philosophisch-ethischen Absichten werten soll. (Wir lassen das hier offen.)
Plutarch soll an die 260 Schriften verfasst haben.


1. Biographische Schriftstellerei

Plutarchs biographische Schriftstellerei begann mit seinen Kaiserbiographien, die allerdings nur noch bruchstückhaft erhalten sind. Die Lebensbeschreibungen von Galba und Otho sind ganz erhalten.
In seinen Parallelbiographien schildert Plutarch Persönlichkeiten, die er als positive und negative Vorbilder sah. Durch seine Vergleiche versucht Plutarch, das Gemeinsame herauszuarbeiten und die historischesn Leistungen von Griechen und Römern darzustellen. Plutarchs Parallelbiographien bilden daher einen Höhepunkt der antiken Biographik. Unklar ist dagegen die genaue Reihenfolge der Parallelbiographien. Es gibt aber einige Hinweise in den Texten selber. Am Anfang soll das Vitenpaar Epeiminondas - Scipio gestanden haben (welcher Scipio, ist unbekannt).
Plutarch verfasste auch Einzelbiographien, von denen nur die von Aratos von Sikyon und die von Großkönig Artaxerxes II. erhalten sind.

Plutarch hat für seine Biographien verschiedene Quellen konsultiert: Ktesias von Knidos, Dinon von Kolophon, Herakleides von Kyme, Timagenes von Alexandria, Theophanes von Mytilene und Gaius Asinius Pollio.
Allerdings zitiert er manchmal nur ungenau.


2. Philosophische Schriftstellerei

Plutarch war aber auch als philosophischer Schriftsteller produktiv, obwohl nur ein Teil seiner Werke erhalten ist. Er stand in der Tradition des Platonismus und verwendete z. T. auch Platons Dialogform.
Plutarch beschäftigte sich auch mit dem Peripatos und kritisch mit der Stoa. Den Epikureismus lehnte er ab.
In der (modernen) Sammlung "Moralia" sind 78 Schriften mit vorwiegend ethischem Inhalt zusammengestellt. Einige davon gelten als unecht.


Plutarch befasste sich aber auch mit Themen der Naturphilosophie, Logik, Erkenntnistheorie, Politik und Rhetorik.
Sein Interesse reichte auch in den Bereich Relgion und Mystik: Ägyptische Religion, Orakel von Delphi usw.
Plutarch beschrieb auch frühe griechische Denker und Autoren wie Homer, Hesiod und die Sieben Weisen.


QUELLEN UND LITERATUR:

Von Plutarch liegen viele Übersetzungen vor:
Otto Apelt, Kai Brodersen, Marion Giebel, Bruno Snell u. a.

Erler, Michael: Plutarch; in: Phillip Mitsis (Hrsg.): Oxford Handbook of Epicurus and Epicureanism; Oxford 2020
Ziegler, Konrat: Plutarchos von Chaironeia; in: "Großer Paulys"/RE



 

MEINUNG: WAR PUTINS AGGRESSIVES VERHALTEN VORHERSEHBAR?

Krieg in der Ukraine


Wir haben jetzt seit gut eineinhalb Jahren Krieg in Osteuropa (der Ukraine).

Interessant ist, dass viele Menschen zunächst nicht glauben wollten, dass Putin angreift. Auch sogenannte Experten nicht. Auch dann nicht, als Putin über 100.000 Soldaten um die Ukraine herum versammelt hat (besonders im Norden und Osten) und bereits Blutbanken an die Front bringen ließ.

Interessant war Kommentare in Richtung: "Wir haben uns in Putin getäuscht." 
Wirklich?

Irgendwie schien es so, als ob viele Menschen die offensichtlichen Signale nicht lesen konnten:

  1. Der Anfang seiner Präsidentschaft:
    Als Putin als Präsident Russlands kandidierte, war er noch relativ unbekannt. Plötzlich flogen in und um Moskau herum Hochhäuser in die Luft. Ein Sprengsatz - Granulat im Keller eines Hochhauses von Ryazan - explodierte nicht, weil ein aufmerksamer Beobachter zwei Männer und eine Frau Säcke aus einem Auto mit gefälschtem Nummernschild heraustragen sah. Der Mann informierte die Polizei und diese nahm in einer Großfahndung die drei Personen fest: Es waren alles Agenten des Geheimdienstes FSB. Es gab noch weitere Vorkommnisse und Spuren, die auf eine "False-Flag-Operation" hinwiesen.
    Putin aber behauptete, die Anschläge in Moskau (und in Dagestan) stammten von Tschetschenien und nahm dies als Vorwand oder Grund für den Zweiten Tschetschenienkrieg. Die zerstörten Hochhäuser wurden schnell eingeebnet.
    Was bedeutet das? Putin war schon zu Beginn seiner Amtszeit fähig, rund 300 Menschen (viele davon Russen) zu opfern, um seine politischen Ziele umzusetzen.
  2. Kriege:
    Putin führte während seiner Amtszeit viele Kriege. Neben offiziellen Kriegen führte er auch viele kleine Interventionen durch, z. B. in Afrika. (Man muss allerdings sagen, dass auch die USA, GB, Frankreich, China und andere Ähnliches tun.)
    • 1999 - ca. 2009 : Zweiter Tschetschenienkrieg
      Die tschetschenischen Verteidiger ließen anfangs die russischen Bodentruppen in die Hauptstadt Grozny einmarschieren und nahmen die ungesicherte Kolonne dann von den Häusern aus unter Feuer. Dabei zerstörte man zuerst die ersten und die letzten Fahrzeuge, damit die Kolonne in der Falle saß. Putin rächte sich, indem er die Stadt durch seine Luftwaffe zerstören ließ. Mit der Zeit ermüdete der tschetschenische Widerstand und Putin suchte Kollaborateure, die er für ihre Zusammenarbeit belohnte.
      Es gab trotzdem immer wieder kleine Widerstandsnester, so dass sich der Krieg fast zehn Jahre hinzog.
    • 2008: Georgienkrieg
      Putin störte sich an der Expansion der NATO nach Georgien, auch wenn dieses nicht Mitglied wurde. Unter der Präsidentschaft Medwedews initiierte er einen Krieg gegen Georgien und begünstigte die Abspaltung aufständischer Provinzen.
    • 2014: Annexion der Krim und Förderungen von Aufständen in der Ostukraine
      Putin versuchte erfolgreich, den relativ pro-russischen ukrainischen Präsidenten dazu zu bringen, Verhandlungen mit der EU abzubrechen. Dies führte aber zu schweren Protesten auf dem Maidan, worauf dieser nach Russland floh. Russland seinerseits annektierte die Halbinsel Krim, auf der auch die russische Flotte in Sewastopol stationiert war, mit Einheiten, die zunächst nicht als russisch gekennzeichnet waren ("grüne Männchen"). Zusätzlich initiierte er in der Ostukraine "Gegen-Maidans", wobei es in Odessa zum Brand eines Gewerkschaftshauses mit vielen Toten kam. Es ist unklar, ob die Belagerer zuerst von oben mit Molotowcocktails angegriffen worden waren oder ob sie zuerst das Haus in Brand setzten.
    • 2015: Eingriff in den Syrischen Bürgerkrieg
      Im "Arabischen Frühling" entwickelten sich in vielen arabischsprechenden Ländern Aufstände gegen autoritäre Herrscher. Der syrische Präsident Assad glaubte zunächst nicht, dass diese Aufstände auch sein Land erfassen würden. Als dies dann doch geschah, zögerte er zunächst und ließ dann die Proteste - auch von Schülern - von seinen Familienmitgliedern gewaltsam ersticken. Daraus entstand dann ein Bürgerkrieg, der das Assad-Regime an den Rand eines Zusammenbruchs brachte. Putin griff 2015 militärisch ein, um die Waage doch wieder zu Assads Gunsten zu "kippen".
    • 2022: Angriff auf die Ukraine
      Nachdem das Minsker Abkommen nicht richtig vorankam, stationierte Putin russische Truppen entlang der ukrainischen Grenze. Der Aufmarsch bezog auch Weißrussland im Norden der Ukraine mit ein. Offiziell war das ganze als Übung deklariert.
      Im Februar 2022 griff Russland dann die Ukraine an. Der erste Blitzvorstoß mit Luftlandetruppen gegen den Kyiver/Kiewer Flughafen war fast erfolgreich. Hätten die russischen Truppen einen Brückenkopf errichten und halten können, wären sie mit Elitetruppen im Zentrum der Ukraine gewesen. Die Ukraine hat alle verfügbaren Einheiten einschließlich bewaffneter Zivilisten zum Flughafen beordert, um den Überraschungsangriff noch abschlagen zu können, was nach schweren Kämpfen schließlich gelang.
  3. Haltung zur Kriminalität:
    Putin trat auf als starker Mann, der mit der Kriminalität aufräumt und eigenmächtige Oligarchen "zurechtstutzt". Aber ist das wahr?
    Zunächst einmal begann Putins Aufstieg nach seiner Agententätigkeit in der DDR damit, dass ihn Sobtschak nach St. Petersburg holte. Hier war Putin wahrscheinlich in dunkle Machenschaften involviert. Die Stadt brauchte dringend Versorgungsgüter aus Zentraleuropa, bei denen er Waren umlenkte und sich bereicherte. Später als FSB-Vorsitzender ignorierte er Berichte von Litwinenko, dass Geheimdienstagenten mit der Organisierten Kriminalität als Bodyguards und als Killer zusammenarbeiten.
    Putin schützte also nicht Russland vor der OK oder vor Oligarchen, sondern nur vor den Oligarchen, die ihm nicht willfährig waren.
    Dieses Vorgehen setzte sich fort.
  4. Umgang mit Gegnern:
    Während Putins Amtszeit wurde nicht nur die Macht zentralisiert ("Vertikale der Macht"), indem die politische Verwaltung gestrafft, Militär und Geheimdienste gestärkt und eigenwillige Oligarchen entmachtet wurden, sondern es wurden viele Gegner eingesperrt oder gleich liquidiert. Mit der Zeit vergisst man, wie viele es waren, aber wenn man sich bewusst erinnert, wird die Liste lang:
    • Igor Domnikow (+ 2000)
    • Iskander Chatloni (+ 2000)
    • Sergej Juschenkow (+ 2003)
    • Jurij Schtschechotschichin (+ 2003)
    • Paul Klebnikow (+ 2004)
    • Anna Politowskaja (+ 2006)
    • Alexander Litwinenko (+ 2006)
    • Stanislaw Markelow (+ 2009): Menschenrechtsanwalt
    • Anastasia Baborowa (+ 2009): zusammen mit Markelow erschossen
    • Natalia Estamirowa (+ 2009)
    • Sergej Magni(t)zki (+ 2009)
    • Boris Beresowski (+ 2013)
    • Boris Nemzow (+ 2015)
    • gleich zu Beginn des Ukrainekrieges starben viele "kritische Geister" aus der russischen Elite durch seltsame Umfälle (Sturz vom Balkongeländer, Treppensturz, angebl. Suizid usw.)
    • Jewgenij Prigoschin und Dmitri Utkin (+ 2023): Der finanzielle und der militärische Anführer der Söldnergruppe (PMC) Wagner sterben in ihrem Flugzeug. Offiziell war dies ein Unfall, wahrscheinlich enthielt das Flugzeug aber eine Bombe oder wurde abgeschossen.
  5. Umgang mit Frauen:
    Putins Verhalten zu Frauen war auch nie ein Geheimnis.
    Es ist nicht nur bekannt, was er zu DDR-Zeiten über Frauen allgemein und über seine eigene Frau sagte.
    Man weiß auch, dass er bei einem Treffen mit Julia Timoschenko vor allen Menschen so tat, als ob er ihr an die Brüste fassen wolle.
    Man weiß auch, dass Putin dem israelischen Präsidenten Katzav, den er während der Untersuchungen wegen Vergewaltigung gegen ihn empfing, sagte, dass es ihn wundere, dass diese Vergewaltigungen in Israel negativ gesehen würden. In Russland würde man ihn als "starken Kerl" sehen. Die Wirtschaftszeitung Kommersant schrieb darüber und bekam deswegen Ärger.