+ 415 oder 416
frühes Leben:
Hypatia (von Alexandria) war eine griechische Philosophin und Mathematikerin, die lange Zeit an der Hochschule (Museion) von Alexandria lehrte.
Hypatia war die Tochter des Philosophen, Mathematikers und Astronomen Theon von Alexandria, ihr Bruder war wohl Schwester des Mathematikers Epiphanios.
Das Geburtsjahr der Hypatia ist nicht genau zu bestimmen. Der Historiker Johannes Malalas behauptet aber, dass sie als alte Frau gestorben sei. Hypatia hat sich wohl die längste Zeit ihres Lebens in Alexandria aufgehalten. Sie hatte früh Zugang zu guter Bildung und wurde durch alexandrische Philosophie und durch das Museion beeinflusst. Sie gehörte einer Denkrichtung an, die später neuplatonisch genannt wurde.
Hypatia wuchs aber auch in einer Zeit der Auseinandersetzung mit dem erstarkenden Christentum auf.
Lehrtätigkeit:
Hypatia übernahm auch bald Lehrtätigkeiten in Alexandria. Sie unterrichtete Philosophie im weiteren Sinne, also auch Mathematik, Astronomie und Naturwissenschaften. Dabei soll sie auch mit Messgeräten gearbeitet haben.
Hypatia hielt Vorlesungen über Platon, Aristoteles, Mathematiker wie Diophantos und Apollonios und hing möglicherweise der "neuplatonischen" Lehre des Iamblichos von Chalkis an, der diese Denkrichtung stärker mystisch-orientalisch auslegte und stark an einer Offenbarungsreligion orientierte.
Ziel war es, angesichts der christlichen Bedrohung aus den heidnischen Gedanken ein weitgehend einheitliches Lehrgebäude zu formen. In diesen Synkretismus flossen die Lehren Platons, Aristoteles' und der Stoa ein. Die Lehren Epikurs blieben aussen vor. Die religiösen Elemente kamen v. a. durch die Theurgie in das Lehrgebäude, womit die rituelle Kontaktaufnahme zu den Göttern gemeint war. Die Christen betrachteten dies abfällig als Zauberei.
Spekuliert wird auch, ob sie sich zu dem Streit zwischen geozentrischem und heliozentrischen Weltbild (Aristarchos) geäussert hat.
Hypatia hatte Schüler aus den verschiedensten Regionen. Sie soll mit einigen (z. B. Synesios) Briefwechsel geführt haben. Auch vertrat sie offenbar das Ziel, ihre Lehre weiten Teilen der Bevölkerung zuteilwerden zu lassen. Sie soll im Philosophenmantel (tribón) an mehreren Stellen der Stadt öffentlich unterrichtet haben. Beides erregte Begeisterung wie Anstoss. Der Philosophenmantel galt als männliches Statussymbol und das öffentliche Lehren verstiess für manche gegen das Gebot der Verschwiegenheit (echemythía).
Hypatia soll sehr schön gewesen sein. Trotzdem blieb sie mutmasslich ihr Leben lang unverheiratet. Die Quellen sind da aber nicht ganz eindeutig.
Konfliktlinien:
Doch Hypatias Erfolg im Leben dauerte nicht ewig. In Alexandria herrschten schon seit dem ausgehenden 4. Jhd. schwere Machtkämpfe zwischen Christen, Juden und Heiden. Besonders ging es darum, dass die Christen die Philosophie ihrer Theologie unterordnen wollten. Dabei wurden immer wieder Stätten des jeweiligen Gegners zerstört, z. B. der heidnische Serapis-Tempel (Serapeum) unter Theophilos von Alexandria.
Dazu gab es noch weitere Konfliktlinien wie die innerhalb des Christentums und zwischen Alexandria und Konstantinopel als kaiserlichen Machtzentrum des Reiches.
Der machtbewusste Bischof Kyrillos, seit 412 Nachfolger des Theophilos, hatte auch Streit mit dem kaiserlichen Statthalter (Präfekten) Orestes und man unterstellte Hypatia, einem Ausgleich zwischen beiden im Wege zu stehen. Dabei waren die damaligen führenden Beamten des Römischen Reiches bereits Christen. Gleichzeitig gab es Kämpfe zwischen Christen und Juden.
Eskalation - Staatsmacht gegen christliche Miliz, Kampfmönche, Juden und Heiden:
Die am Konflikt beteiligten Parteien hatten innerhalb wie ausserhalb der Stadt ihre entsprechenden Stützpunkte. Die heidnische Macht ging bis zu dessen Zerstörung vom Serapis-Tempel aus und konnte sich dann noch lange in den Lehrstätten halten. Die jeweils gegnerischen Stützpunkte wurden wiederholt überfallen und Menschen getötet. Als die Lage vollständig eskalierte, sollen tausende Menschen getötet worden sein.
Der Patriarch Kyrill von Alexandria setzte voll auf den Kurs der religiösen Militanz. Er benutzte dabei Agitatoren wie Hierax, der wild gegen die Juden hetzte, was zu jüdischen Gegenschlägen führte und wiederum Judenverfolgungen hervorrief und die Staatsmacht unter Orestes vor die schwierige Herausforderung stellte, in diesem Chaos Ordnung zu schaffen.
So entwickelte sich aus dem Kampf zwischen Christen und Juden ein Machtkampf zwischen Kyrillos und Orestes, also den Vertretern von Kirche und Staat und Kyrillos stützte sich als Ausgleich für die fehlenden staatlichen Einheiten auf seine christliche Miliz sowie aus der Wüste herbeigeholte Kampfmönche. Diese Mönche, unter denen Kyrill selber einige Zeit gelebt hatte, liessen sich leicht gegen Orestes aufhetzen und überfielen diesen unter Führung des Ammonios. Dabei flohen Orestes' Anhänger und liessen den Präfekten in höchster Gefahr zurück. Daraufhin griffen aber herbeieilende Bürger in das Geschehen ein und konnten Ammonios festsetzen, wonach er verhört und zu Tode gefoltert wurde.
Das Ende der Hypatia:
Für Hypatia bedeutete diese Lage das Todesurteil. Der Bischof Kyrillos oder sein Beraterkreis beschlossen nun, ein leicht zu ergreifendes Opfer aus dem Umfeld des Orestes' anzugehen. Hypatia eignete sich auch deshalb als Ziel, weil man ihr nachsagte, einen Keil zwischen Staat und Kirche zu treiben. Orestes selber wurde vorgeworfen, ein heimlicher Heide zu sein.
Wohl im Jahre 415 ergriffen Milizionäre und fanatisierte Mönche unter der Leitung eines Lektors Petros zur Fastenzeit die Philosophin in ihrem Wagen, zerrten sie heraus, zogen sie dann nackt aus und schleppten sie wie in einer Opferprozession zur Kirche Kaisarion. Dort wurde sie grausam ermordet, indem man sie auseinanderriss, ihr Fleisch mit Scherben oder Muscheln (unterschiedliche Quellendeutung) von den Knochen schabte und dann ihre Glieder in Kinaron ins Feuer warf. Einer etwas anderen Version nach wurde sie in den Strassen zu Tode geschleift. So oder so brachte das Vorgehen der gewalttätigen Menge Kyrillos Pluspunkte bei der christlichen Bevölkerung ein. Das Heidenproblem schien gelöst zu werden.
Die Anstiftung durch Kyrillos wird in den Quellen nahegelegt, konnte aber nicht sicher bewiesen werden.
Nachwirkungen - kurzfristig und langfristig:
Diese Tat stärkte die Position Kyrillos' gegenüber dem Präfektein Orestes deutlich. Die Täter selber gingen aus dem nachfolgenden Prozess straffrei heraus. Vermutlich war Bestechung der Grund. Allerdings konnte im Herbst 416 durch kaiserlichen Beschluss die Macht Kyrillos' eingeschränkt werden, indem man die bischöflichen Gesandtschaften zum Hofe und die Miliz des Bischofs beschränkte. Viele Jahre später wurde er sogar heilig gesprochen. Kyrillos konnte einige dieser Massnahmen später aber wieder aufweichen.
Für die Heiden und ihre Philosophie war diese Tat aber ein harter Schlag. Auf Dauer sollten sie sich von solchen Bekämpfungsmassnahmen nicht mehr erholen können.
Die Quellen über das Ende ihres Lebens sind Sokrates Scholastikos (Sokrates von Konstantinopel), Johannes von Nikiu und ein gewisser Damaskios. Eine weitere wichtige Quelle ist die Suda, ein byzantinisches Lexikon aus der Zeit vor 1000.
Der Fall Hypatia geriet über lange Zeit in Vergessenheit, wurde aber durch Wissenschaftler und Schriftsteller wie den Historiker Gibbon, den Aufklärer Voltaire, Friedrich Schiller, Charles Kingsley (Roman: Hypatia), die Feministin Henriette Harich-Schwarzbauer, Arnulf Zitelmann und Peter Chotjewitz wieder bekannt. Sie hat auch musikalische Werke inspiriert.
Verfilmt wurde ihr Leben 2009 in Agora - Die Säulen des Himmels.
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