16.08.2025
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ἀναρχία | anarchía (pixabay.com) |
Die "Baracken-Anarchisten" (Anarchici della Baracca; Barracks Anarchists) waren eine Gruppe aus fünf jungen Erwachsenen, die ihr Leben in einem Autounfall in der Nacht das 26.09.1970 verloren haben.
Der Unfall ereignete sich auf ihrem Weg nach Rom.
Die Umstände des Unfalls sind äußerst verdächtig. Die Anarchisten waren gerade dabei, Dokumente, die die Kollaboration von italienischen Spitzenpolitikern mit Neofaschisten und mit der Organisierten Kriminalität belegen sollten, abzuliefern.
Insbesondere ging es um das Gioia-Tauro-Massaker vom 22.07.1970 und um die Reggio-Revolte.
Der Name der Gruppe stammt von der Freiheitsvilla ("Baracca") bei Reggio Calabria, bei der sich seit den 1960er-Jahren alternative und anarchistische Jugendliche trafen.
Die Freiheitsvilla wurde 1908 nach dem Erdbeben von Messina erbaut.
Die Opfer des Autounfalls waren:
- Gianni Arico (22)
- Annelise Borth (18)
- Angelo Casile (20)
- Franco Scordo (18)
- Luigi Lo Celso (26)
HINTERGRUND
Gianni Aricò, seine deutsche Freundin Annelise "Muki" Borth, Angelo Casile, Franco Scordo und Luigi Lo Celso hatten sich zum Ziel gesetzt, zwei Ereignisse zu dokumentieren, die beide im Sommer 1970 stattfanden:
- die Reggio-Revolte
- die Entgleisung des "Sonnenzugs" am 22.07.1970
Ihre Vermutung war, dass Neofaschisten vom Ordine Nuovo (Neue Ordnung) und von der Avanguardia Nazionale die Ereignisse der Reggio-Revolte infiltriert hatten und darauf aus waren, diese für subversive Zwecke zu nutzen.
Sie gingen außerdem davon aus, dass die Entgleisung des "Sonnenzugs" am 22.07.1970 in Gioia Tauro durch eine Sprengladung verursacht wurde, die von Neofaschisten in Zusammenarbeit mit der 'Ndrangheta verursacht wurden.
Die Gruppe unternahm eigene Recherchen zu diesem Thema. Sie operierte dabei in der Nähe der "Italienischen Anarchisten-Föderation" (FAI) und galt als "Bruno-Misefari-Gruppe".
Als die Gruppe in ihren Recherchen weit gekommen war, wollte sie nach Rom fahren, um das Material dort der "Umanità Nova" zu übergeben und den Rechtsanwalt Di Giovanni zu treffen, der sich bereits mit den Untersuchungen zum Bombenanschlag auf der Piazza Fontana befasste.
Insbesondere Gianni Aricò hatte im Vorfeld seiner Mutter gesagt, dass er Sachen entdeckt habe, "die Italien erschüttern werden".
Möglicherweise hatte die Gruppe aber nicht konspirativ genug agiert, denn am Ende kam es nicht zur Veröffentlichung des Materials.
DER AUTOUNFALL
Die Fahrt, die mit der Ankunft von US-Präsident Richard Nixon in Rom und geplanten Gegenprotesten zusammenfallen sollte (27.09.1970), endete 58 km vor Rom.
Zwischen Ferentino und Frosinone kollidierte ihr Mini mit einem Lkw und wurde unter diesen geschoben. Angelo Casile, Franco Scordo und Luigi Lo Celso waren auf der Stellt tot. Gianni Arico und Annelise Borth starben kurze Zeit später.
Am Dienstag, den 29.09.1970 fanden die Beerdigungen von Angelo Casile, Francesco Scordo und Gianni Aricò in Reggio Calabria statt, während Luigi Celsos Beerdigung zeitgleich in Cosenza stattfand.
UNTERSUCHUNGEN
Am 28.01.1971 verwies die Öffentliche Strafverfolgungsbehörde von Rom die Untersuchungen zum Fall zurück an die Strafverfolgungsbehörde von Frosinone. Der Untersuchungsrichter entschied per Dekret, dass der Fall als Unfall im Straßenverkehr zu betrachten sei.
Viele Menschen waren mit dieser "offiziellen Version" der Ereignisse nicht einverstanden.
Private Ermittlungen brachten zu Tage, dass der von zwei Männern gesteuerte Lkw für eine Firma fuhr, die "Prinz" Junio Valerio Borghese gehörte. Genau dieser Borghese galt als rechtsextrem und wollte wenige Wochen darauf einen Staatsstreich starten, der aber kurz nach dem Beginn aus bis heute ungeklärten Gründen abgeblasen wurde.
Borghese stammte aus einer angesehenen Familie und war im faschistischen Italien ein hoher Marineoffizier. Nach dem Sturz Mussolinis 1943, seiner anschließenden Befreiung durch die Nazis und seiner Einsetzung als Oberhaupt der "Republik von Salò" (Repubblica Sociale Italiana; RSI) arbeitete Borghese mit Feuereifer für die RSI. Auch nach dem Krieg bereute er nichts und hielt an seinem Kurs fest.
Zuerst engagierte er sich im politisch organisierten und mit der Zeit etablierten Neofaschismus. Allerdings war er so rechts, aktivistisch und antidemokratisch, dass er sogar diesen etablierten Neofaschisten zu rechts war.
Der Staatsstreich namens "Golpe Borghese" sollte wahrscheinlich in der Nacht vom 07. auf den 08.12.2025 durchgeführt werden (Pearl Harbor!). Gerüchte besagen, dass die Haltung der USA - insbesondere von Akteuren aus Politik, Militär und CIA - nicht einheitlich war. Für einen wirksamen Putsch hätte Borghese auch der NATO unterstellte Verbände benötigt, was eine Zustimmung oder wenigstens Duldung aus Washington vorausgesetzt hätte.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass damals die NATO-Mitglieder Spanien, Portugal und Griechenland bereits Militärdiktaturen waren. Und in der Türkei griff das Militär wiederholt in die Politik ein, und zwar als Folge von wirklichen oder inszenierten Bedrohungen durch linke Kräfte innerhalb der Türkei. Insofern sahen sich die italienischen Putschisten "im Trend".
Veröffentlicht wurde der geplante Staatsstreich erst am 18.03.1971 in der "Paese Sera", der Nachmittagsausgabe der/des eher linken "Il Paese".
Junio Borghese floh mit einigen Verbündeten nach Spanien. Dort herrschte noch Diktator Franco. Auffälligerweise starb Borghese bereits im August 1974 in seinem Exil an einem Herzinfarkt. Gerüchte reißen nicht ab, dass er von rechten Kameraden vergiftet wurde.
Aber wenn es so war, was war dann das Motiv?
- allgemeine Machtkämpfe unter Rechtsextremen
- "Bestrafung" für die Unentschlossenheit beim Putsch
- Borghese wusste zuviel
- eine Mischung verschiedener Faktoren
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