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Freitag, 3. November 2017

NEUE BURSCHENBÜNDE IN DEUTSCHLAND: DIE NDB (1996) UND DIE ADB (2016)


Wenn man sich die Szene der Burschenschaften in Deutschland anschaut, dann stellt man einige Umwälzungen fest.

Lange Zeit war die Deutsche Burschenschaft der Dachverband, unter dem sich viele Burschenschaften sammelten. Die Deutsche Burschenschaft wurde 1881 als Allgemeiner Deputierten-Convent gegründet, existiert seit 1902 unter dem Namen Deutsche Burschenschaft. In der Nazizeit wurden Burschenschaften trotz ihrer oft rechten Wertvorstellungen bis 1936 aufgelöst, einige existierten aber als Kameradschaften weiter. Man vermutet, dass die Nazis in ihrem Konzept des totalen Staates die verwinkelten Verbindungsgeflechte nicht völlig ausleuchten konnten und deshalb Risiken sahen. Man kann aber nicht sagen, dass Verbindungen und speziell Burschenschaften generell im Widerstand gegen den NS waren.
1950 kam es in der Bundesrepublik zur Neugründung der DB, und zwar sofort nach der Aufhebung des alliierten Vereinsverbotes.

Einige Burschenschaften sind auch in anderen Dachverbänden (außerhalb der DB) organisiert oder ganz ohne Dachverband,
Es gibt Burschenschaften im Schwarzburgbund (SB), der verschiedene Verbindungsarten integriert und Burschenschaften im Ring Katholischer Deutscher Burschenschaften (RKDB; gegr. 1924).

Innerhalb der Deutschen Burschenschaft gab es auch immer wieder Auseinandersetzungen um Themen wie die Aufnahme von Frauen, die Frage, ob Mensuren verpflichtend sein sollen, die Frage, ob Burschenschaften aus deutschsprachigen Gebieten außerhalb des Deutschen Reiches bzw. der Bundesrepublik Deutschlands auch aufgenommen werden sollen, den Abstimmungsmodus (Gewicht kleinerer Bünde gegenüber den größeren) und die Aufnahme von Wehrdienstverweigerern.
Erläuterung:
Bei der Aufnahme von Burschenschaften aus deutschsprachigen Gebieten außerhalb Deutschlands (D. im engeren und weiteren Sinne) sei hier vor allem an Österreich gedacht. Das hängt davon ab, ob man den Begriff der Deutschen Kulturnation akzeptiert und wie man ihn auslegt.
Burschenschaften aus ehemals deutschen Gebieten wie Pommern, Schlesien, Preußen, deutschsprachigen Gebieten Böhmens und vorher sogar des Reichslandes Elsass-Lothringen sind in vielen Fällen in weiterhin-deutsches Gebiet übergesiedelt worden.

Ein historisch etwas neueres Phänomen war die Zunahme an Wehrdienstverweigerern seit den 1960/70er-Jahren. Die Deutsche Burschenschaft verbot auf dem Burschentag 1973 ihren Mitgliedsbünden die Aufnahme von Wehrdienstverweigerern bis hin zum automatischen Selbstausschluss bei Zuwiderhandlungen. Erst 1996 wurde diese Bestimmung aufgehoben.

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Diese Konflikte führten dann seit den 1990er-Jahren zu Abspaltungen:
Der Dachverband Neue Deutsche Burschenschaft wurde 1996 gegründet und der Dachverband Allgemeine Deutsche Burschenschaft 2016.

Die Neue Deutsche Burschenschaft (NDB) wurde 1996 mit acht Bünden gegründet. 
Ihr Motto lautet: Freiheit - Ehre Vaterland. (Statt Ehre - Freiheit - Vaterland.) 
Die NDB sollte deutlich liberaler sein als die DB. Ihre Bünde bekannten sich auch weiterhin zu Deutschland, machten das aber weniger am Pass fest und schon gar nicht an der biologischen Abstammung.
Gründe für die Abspaltung gab es einige, sie liegen in den bereits beschriebenen längeren Querelen innerhalb der DB wie der Frage nach der Definition des Deutschtums, der Aufnahme nicht-deutscher Mitglieder, der Fechtfrage (obwohl diese schon etwas gelockert worden war) und dem Abstimmungsmodus.
Ein akuter Grund für die Abspaltung war auch die Debatte um die Wehrdienstverweigerung in den 1990er-Jahren. 
Die NDB war bei ihrer Gründung deutlich kleiner als die DB, von der sie sich abgespalten hatte. Sie konnte zunächst einige weitere Bünde aufnehmen, verlor dann aber ab 2011 wieder viele Mitglieder. 
Laut Meinung von Kritikern wies besonders die Organisation Defizite auf.

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Ähnliches Foto


Die Allgemeine Deutsche Burschenschaft (ADB) wurde Ende 2016 mit über 20 Verbindungen gegründet und steht politisch zwischen der NDB und der DB. Sie ist damit schon rechts, sucht aber nicht den Konflikt mit Verfassungsorganen.
Ihr Motto lautet: Ehre - Freiheit - Vaterland.

In der ADB muss man nicht "blutsdeutsch/biodeutsch" sein, sich aber deutlich zum deutschen Vaterland bekennen. Die meisten Verbindungen fechten auch Mensuren.
Anders als die NDB ist die ADB stärker medial aktiv. Besonders in den sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Instagram stellen sie sich gut auf. Ich habe selber getestet, dass auf Anfragen schnell reagiert wird.

Vorausgegangen waren schwere innere Auseinandersetzungen in der Deutschen Burschenschaft, bei der so viele Bünde ausgetreten sind, dass sich der Verband von deutlich über 100 auf rund 70 Mitgliedsbünde reduzierte.
Dabei war es zu Kämpfen zwischen der liberalen IBZ und der BG (Burschenschaftliche Gemeinschaft) gekommen.
Die BG steht weit recht und hat einen sehr hohen Anteil an österreichischen Bünden (die sich als deutsch sehen).
An der ADB haben österreichische Burschenschaften bislang kein Interesse gezeigt.

Streitgründe in der DB gab es viele, kulminiert und in die Medien gelangt ist der Konflikt aber dadurch, dass sich die Mannheimer B! (Burschenschaft) Hansea nicht von einem chinesischstämmigen deutschen Bundesbruder trennen wollte. 
Insbesondere die Alte Breslauer B! der Raczeks zu Bonn hatte den Ausschluss Kai Ming Aus gefordert und später, als dem nicht stattgegeben wurde, den Ausschluss der gesamten B! Hansea. Im Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzungen sind seltsame Biotheorien über die Physiognomie verschiedener ethnischer Gruppen an die Öffentlichkeit gelangt, die dann den Konflikt weiter angeheizt haben.

In Folge der Auseinandersetzungen kam es zu verschiedenen Sondertreffen, auf denen der innere Riss aber nicht mehr gekittet werden konnte. Dabei griffen sogar hochrangige Politiker und Wirtschaftskapitäne ein.
Viele Bünde traten aus. Einige davon arbeiteten an der Gründung eines neuen Dachverbandes.


INFORMATIONEN:

Wikipedia
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Spiegel.de (12.12, 06.11, 06.11):
http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/kai-ming-au-spricht-ueber-den-austritt-aus-der-deutschen-burschenschaft-a-874424.html
http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/burschenschafter-kai-ming-au-ich-war-fassungslos-a-769149.html
http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/expertin-fuer-burschenschaften-das-ist-blanker-rassismus-a-767787.html
FAZ online (02.14):
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/studentische-verbindungen-die-krise-der-deutschen-burschenschaft-12795301.html
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Deutsche Burschenschaft (Hrsg.): Handbuch der Deutschen Burschenschaft, Verlag BurschenDruck; 2005 [selbstredend positiv zur DB]
Heither, Dietrich/Michael Gehler/Alexandra Kurth/Gerhard Schäfer:
Blut und Paukboden. Eine Geschichte der Burschenschaften; 1997 [kritisch zur DB]


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