Fachbereiche: Geschichte (Politik, Sowi, Philosophie) - Sprachen - Wirtschaft, Recht - Biologie (Chemie) - Technik (Physik) und Blödsinn.
Dieser Universal-Blog ist aus einer Seite für Geschichte, Politik (und Realienkunde) hervorgegangen, die sich dann in Richtung Humanwissenschaften weiterentwickelt hat.
Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch; Latein, Altgriechisch; Russisch; Japanisch, Chinesisch; Arabisch; Mittelägyptisch; Sanskrit und Hindi etc.
Personen-Link: http://novatlan.blogspot.de/2014/08/personen-pool.html

Mittwoch, 28. August 2024

JURA: ÖFFENTLICHES RECHT - STAATSRECHT ... im Aufbau!

Hammer, Waage, Gericht, Justiz, Recht
Öffentliches Recht (Quelle: pixabay; succo)

29.08.2024 (pub) - 08.10.2024


Das öffentliche Recht (Öffentliches Recht) ist derjenige Teil der Rechtsordnung, der das Verhältnis zwischen Trägern der öffentlichen Gewalt (ca. Staat) und einzelnen Privatrechtssubjekten (Bürgern) oder anderen Hoheitsträgern regelt.

Im Unterschied dazu regelt das Zivilrecht/Privatrecht die rechtlichen Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten.

Das öffentliche Recht umfasst auch das Verwaltungsrecht (die Rechtsbeziehungen der Verwaltungsträger) und das Staatsorganisationsrecht (Organisation und Funktion des Staates; z. B. Zuständigkeiten von Behörden und Gerichten, Regelungen über das Dienstverhältnis von Beamten).

Das öffentliche Recht umfasst viele Materien bzw. Teilgebiete:

I. Nationales öffentliches Recht:
- Staats- und Verfassungsrecht
  (Staatsorganisationsrecht, Grundgesetz, Staatskirchenrecht)
- Verwaltungsrecht
  (Bes. VR: Öfftl. Baurecht, Kommunalrecht, Dienstrecht, Polizeirecht, Umweltrecht,
  Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bes. Verfahrensrecht und Prozessrecht
- Sozialrecht
- Steuerrecht
- Innenrecht von öfftl.-rechtl. Religionsgemeinschaften
- Strafrecht (meist eigenständig behandelt)

II. Supranationales Recht:
- Europarecht (Ius publicum europaeum)

III. Völkerrecht:
- Allgemeines Völkerrecht
- Menschenrechte
- Recht internationaler Organisationen
- Wirtschaftsvölkerrecht (z. B. Welthandelsrecht)
- Umweltvölkerrecht
- Seerecht
- Weltraumrecht
- Humanitäres Völkerrecht
- Völkerstrafrecht



JURA: ZIVILRECHT (PRIVATRECHT) ... im Aufbau!

Zivilrecht

Begriffe und Abgrenzungen

Begriffe: Zivilrecht, Privatarecht und Bürgerliches Recht
- Zivilrecht und Privatrecht werden weitgehend synonym gebraucht
  (lat.: ius civile)
- der Begriff "Bürgerliches" Rechtt stammt zwar auch von ius civile,
  meint aber im Deutschen meist nur einen Teil des Zivilrechts (siehe BGB!)

Definition: Zivilrecht
Das Zivilrecht ist ein Rechtsgebiet, das Beziehungen von rechtlich gleichgestellten Rechtssubjekten untereinander regelt. Rechssubjekte können natürliche oder juristische Personen sein.
(Wirtschaftlich sind die Rechtssubjekte oft keineswegs gleichgestellt.)

Abgrenzung: Öffentliches Recht - Zivilrecht
In der Rechtswissenschaft steht das Zivilrecht neben dem öffentlichen Recht. Während das öffentliche Recht das Verhältnis zwischen Trägern der öffentlichen Gewalt und einzelnen Privatrechtssubjekten regelt., regelt das Zivilrecht nur die Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten. Es basiert damit auf Privatautonomie und Willensfreiheit.
Das Zivilrecht bzw. Privatrecht erlaubt die Gestaltung des Rechts aufgrund des privatrechtlichen Vertrags o. ä. ohne staatlichen Einfluss.

Bsp.e Öffentliches Recht:
- Strafrecht (z. B. StGB)
- Verfassungsrecht (GG)
- Verwaltungsrecht (z. B. Baurecht, Polizeirecht)
- Steuerrecht (z. B. EStG)

Gliederung: Allgemeines Zivilrecht - sonstiges Zivilrecht
- allgemeines Zivilrecht/Privatrecht
- sonstiges Zivilrecht/Privatrecht, Sonderprivatrecht

Das bürgerliche Recht liefert als allgemeines Zivilrecht die Grundregeln über Personen, Sachen und Schuldverhältnisse (Obligationen).
z. B.: BGB
Das sonstige Zivilrecht (z. T. mit Wirtschaftsprivatrecht) steht im Handelsrecht, Arbeitsrecht und Mietrecht.
z. B. HGB


Allgemeines Zivilrecht/Privatrecht

Merke (Wh.):
Das öffentliche Recht regelt das Verhältnis von Staat und Privatpersonen und ist durch ein Über- und Unterordnungsverhältnis gekennzeichnet.
Das Zivilrecht/Privatrecht regelt das Verhältnis zwischen Privatpersonen und ist durch den Grundsatz der Gleichberechtigung und Privatautonomie gekennzeichnet.

 

Gliederung: Pandetensystem und Institutionensystem (selten)

Die Gliederung des Privatrechts nach dem Pandektensystem teilt das Zivilrecht in fünf  (oder sechs) Teilbereiche auf. Pandektistische Kodifikationen sind z. B. das deutsche BGB und andere moderne Gesetzbücher im deutschen Rechtskreis.

Pandekten (πανδέκτης/pandektes - Allumfassendes) bzw. Digesten (digesta - Geordnetes) waren ursprünglich in der Spätantike unter Kaiser Justinian Zusammenfassungen/Kompilationen von Jurisprudenz.)

- Allgemeiner Teil
- Schuldrecht
- Sachenrecht
- Familienrecht
- Erbrecht

Die Gliederung des Privatrechts kann auch nach dem Institutionensystem erfolgen, das sich am klassischen römischen Recht orientiert. Heute hat diese Einteilung fast nur noch historischen Wert (manchmal aber auch interpretativen).
Das Institutionensystem trennt in Personenrecht (personae) und Sachenrecht (res).

Diese Einteilung stammt vom Römischen Recht, das von dem Juristen Gaius beschrieben wurde und spielte in mehreren späteren Kodifikationswellen eine Rolle. Besonders ist das der Fall bei der Inkraftsetzung des französischen Code Civil, an das auch das österreichische ABGB m. E. angelehnt ist.


BGB


Der Aufbau des BGB

Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) ist in fünf Bücher eingeteilt:

1. Allgemeiner Teil: §§ 1 - 240
- natürliche und juristische Personen (§§ 1 - 89)
- Rechtsgeschäfte (§§ 104 ff)
- Zustandekommen eines Vertrages (§§ 145 ff)
- Vertretung und Vollmacht (§§ 164 ff)
2. Schuldrecht: §§ 241 - 853
- Allgemeines Schuldrecht (§§ 241 - 432)
- Besonderes Schuldrecht (§§ 433 - 853):
  Kauf, Tausch, Darlehen, Schenkung, Miete, Werkvertrag, Bürgschaft
3. Sachenrecht: §§ 854 - 1296
- Besitz (§ 854)
- Eigentum (§ 903)
- Hypothek, Grundschuld (§§ 1113, 1191)
4. Familienrecht: §§ 1297 - 1921
- Verlöbnis (§ 1297)
- Eheliches Gütterrecht (§§ 1363 ff)
- Scheidung, Unterhalt (§ 1313, § 1360)
5. Erbrecht: §§ 1922 - 2385
- Erbfolge (§§ 1922)
- Testament, Erbvertrag (§§ 2064 ff)
- Erbschein (§§ 2353 ff)


Der Allgemeine Teil (AT) des BGB enthält die Regelungen, die "vor die Klammer gezogen" wurden und für alle anderen Bücher auch gelten.
Das Schuldrecht und das Sachenrecht sind aber enger mit dem AT verbunden als das Familienrecht und das Erbrecht.

Beispiele:
§§ 145 ff: Zustandekommen eines Vertrages
§§ 164 ff: Stellvertretung

Das BGB ist Teil des Privatrechts (s. o.).
Zum Privatrecht gehört außer dem BGB auch das Handelsgesetzbuch (HGB), dass die Regelungen des BGB für Kaufleute ergänzt.


Der Vertrag (Zustandekommen)

Das Zustandekommen eines Vertrages ist in §§ 145 ff geregelt. Unter einem Vertrag versteht man die von zwei oder mehr Personen erklärte Willensübereinstimmung über die Herbeiführung eines bestimmten rechtlichen Erfolgs (Rechtsfolge).
[genaugenommen ist das der Konsensualvertrag im Ggs. zum Realvertrag]

Die erforderliche Einigung erfordert selbst zwei Willenserklärungen (WE = declaratio voluntatis), nämlich das Angebot und die Annahme.
Der Inhalt des Vertrags muss so bestimmt sein, dass die Annahme durch ein einfaches JA erfolgen kann.

Im täglichen Leben werden viele Verträge nicht durch ausdrückliches, sondern durch konkludentes (schlüssiges) Verhalten geschlossen. Ein bestimmtes Angebot kann so zum Ausdruck gebracht werden, das gleiche gilt aber auch für eine Annahme.

Entscheidend für die Prüfung des Bindungswillens (nach § 145) sind zwei Punkte:
[Auslage und Annonce (und die Gefälligkeit) sind keine Angebote!]

1. Die Auslage von Waren stellt i. d. R. kein Angebot dar.
Der Inhaber eines Geschäfts will normalerweise selber entscheiden, ob er einen Kaufvertrag abschliesst.
Vielmehr gibt meist der Kunde durch Vorlage der Ware an der Kasse ein Angebot ab.

2. Eine Annonce in der Zeitung stellt ebenso kein Angebot an. Sie ist eine invitatio ad offerendum.
Wenn eine Zeitungsannonce schon ein Angebot wäre, könnte jeder, der sich auf sie meldet, durch Annahme einen Kaufvertrag zustandebringen. Der Verkäufer könnte dann wohl nicht alle Kunden beliefern und würde sich u. U. schadensersatzpflichtig machen.
Eine Annonce ist also nur eine invitatio ad offerendum. Bekundet der Kunde sein Interesse (z. B. telefonisch, per Computer), so gibt er ein Angebot ab.

Anders verhält es sich bei der Aufstellung von Automaten. Hier handelt es sich um eine offerta ad incertas personas, ein Angebot an jedermann.

Auch bei der Zusendung nicht bestellter Waren an einen Empfänger ist auch ein Bindungswille anzunehmen. Es liegt ein Angebot vor (in der Zusendung).
Der Empfänger kann das Angebot grundsätzlich annehmen, indem er die zugesandte Sache in Gebrauch nimmt. [umstrittene Sachlage]
Wenn ein Empfänger die Waren liegen lässt (ignoriert), dann kommt ein Kaufvertrag nicht zustande.
Schweigen ist grundsätzlich keine Willenserklärung!
(Ausnahmen: § 108 II, 2 BGB; § 177 II, 2 BGB; § 362 I HGB)
Wenn ein Unternehmer (§ 14) an einen Verbraucher (§ 13) eine unbestellte Sache liefert, wird ein Anspruch gegen den Verbraucher nicht begründet (§ 241 a I).
Auch wenn der Verbraucher die Sache in Gebrauch nimmt, kommt ein Vertrag dennoch nicht zustande.

Es gibt noch weitere Fälle (Fallgruppen), in denen kein Angebot vorliegt: Die (sog.) Gefälligkeit.
Auch bei der Gefälligkeit fehlt es regelmässig an einem Rechtsbindungswillen des Antragenden. [Anbieter]

Bei einer Klausur muss bei der Ermittlung der Frage, ob ein Angebot vorliegt, geklärt werden, ob eine invitatio (Gefälligkeit) vorliegt, indem man eine Auslegung des Empfängerhorizontes durchführt (gem. §§ 133, 157).


Die Wirksamkeit des Vertrags

Wenn ein Vertrag durch Angebot und Annahme geschlossen wurde, heisst das noch nicht, dass er auch wirksam ist. Bei Missachtung bestimmter Vorschriften oder nachträglicher Anfechtung ist der Vertrag i. d. R. von Anfang an unwirksam oder nichtig.

Einige Gründe:
- Geschäftsunfähigkeit, § 105
- beschränkte Geschäftsfähigkeit, § 106 ff
- Formmangel, § 125
- Verstoss gegen ein gesetzliches Verbot, § 134
- Sittenwidrigkeit, § 138
- erfolgte Anfechtung, § 142 I

[
Eine Willenserklärung (Angebot, Annahme, Anfechtung, Kündigung) wird je nur dann wirksam, wenn sie abgegeben wurde und dem Vertragspartner zugeht.
Abgegeben wurde/ist sie, wenn sie willentlich so auf den Weg gebracht wurde, dass der Erklärende nichts mehr tun muss, damit die Willenserklärung wirksam wird.

Die Voraussetzung des Zugangs sind in § 130 geregelt.
1. Die schriftliche Willenserklärung wird unter Abwesenden abgegeben.
2. Die mündliche Willenserklärung wird unter Abwesenden abgegeben.
[???]

Die Fallgruppe 1 wird in § 130 I geregelt.
Die WE muss dem anderen zugehen (Wirksamkeit).

Zwei notwendige Bedingungen:
- Die Erklärung muss in den Machtbereich des Empfängers gelangen.
- Mit der Kenntnisnahme muss unter gewöhnlichen Umständen (und zeitlich) zu rechnen sein.



]


Die Stellvertretung (§§ 164 ff)

Stellvertretung ist das Handeln im Namen (für Rechnung) eines anderen (§§ 164 ff). Daran beteiligt sind i. d. R. drei Personen:
1.der Vertretene
2. sein Vertreter (mit Vertretungsmacht)
3. der Vertragspartner (z. B. Kaufpreiszahlung).

Verlauf:
- der Vertretene erteilt dem (Stell-)Vertreter eine Vertretungsmacht und eine Beauftragung
- der Stellvertreter schliesst einen Kaufvertrag mit dem Vertragspartner
- der Vertragspartner verlangt nun eine Kaufpreiszahlung von dem Vertretenen (nach § 433 II)

Die Stellvertretung hat drei Voraussetzungen:
- eigene Willenserklärung des Vertreters
- im Namen des Vertretenen
- mit Vertretungsmacht

1. eigene Willenserklärung des Vertreters

Nicht jeder, der für einen anderen handelt, ist automatisch dessen Vertreter. Man muss einen Entscheidungsspielraum besitzen. Sonst müsste man von einem "Boten" sprechen.

Stellvertreter:
- Erzeuger eigenen Willens
- eigener Entschluss ("fasst Entschluss selbst")
- Entschliessungsfreiheit bezüglich Partner, Objekt, Preis

Bote:
- Träger fremden Willens
- ausschliesslich Sprachrohr
- keine Entschliessungsfreiheit

Bsp. Bote: "Ich will im Auftrag von A eine Flasche Schnaps für * Euro kaufen!"

Die Frage, ob jemand Stellvertreter (eigener Wille) oder Bote (fremde Nachricht) ist, richtet sich nach seinem äusseren Auftreten.


2. Im Namen des Vertretenen

Nach dem Offenkundigkeitsprinzip muss der Vertreter deutlich machen, dass er für einen anderen handelt. Es kann sich nach § 164 I 2 auch aus den Umständen ergeben, dass der Vertreter für einen anderen auftritt.

Der Name des Vertretenen muss nicht ausdrücklich genannt werden, solange er bestimmbar ist (als Vertrauensperson). Wenn der Vertreter nicht deutlich macht, dass er für einen anderen handelt, dann kommt der Vertrag nach § 164 II zwischen dem Vertragspartner und dem Vertreter (selbst) zustande! Es handelt sich dann um ein Eigengeschäft.

Ausnahmen des Offenkundigkeitsprinzips:
- Geschäft für den, "den es angeht"
- Geschäft für den Betriebsinhaber


-----


Begriffe:

Essentialia negotii: Hauptbestandteile des Vertrags [jeweils benennen!]
(z. B. § 433 BGB Kaufvertrag, § 535 BGB Mietvertrag, § 631 BGB Werkvertrag)

Einwendungen:
- rechtshindernde Einwendungen
- rechtsvernichtende Einwendungen
- rechtshemmende Einwendungen











Donnerstag, 13. Juni 2024

POLITIKWISSENSCHAFT: PERSONEN

(Quelle: Pixabay; Gerd Altmann)



(Eine Auswahl bedeutender Politikwissenschaftler:)


Kenneth N. Waltz (08.06.1924 - 13.05.2013):
  • US-amerikanischer Politikwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Internationale Bez.
  • Waltz gilt als Begründer des Neorealismus, den er aus dem klassischen Realismus Hans Morgenthaus heraus entwickelte
  • bereits in "Man, the State, and War" (1959) unterscheidet Waltz drei Analyseebenen:
    • Image 1: die Ebene des Individuums
    • Image 2: die Ebene des politischen Systems
    • Image 3: die Ebene des internationalen Systems
  • Nur auf der Ebene des internationalen Systems lassen sich zufriedenstellende (nach naturwiss. Maßstäben) Theorien begründen, denn nur die anarchische Struktur des internationalen Systems macht die Entstehung/Führung von Kriegen überhaupt möglich

Ernst Otto Czempiel (22.05.1927 - 11.02.2017):
  • deutscher Politikwissenschaftler und Friedensforscher
  • von 1980 - 85 war Czempiel Mitglied des Heisenberg-Ausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • 1987 wurde er Expert Adviser des Centre on Transnational Cooperation der UN (NY)
  • 1996 wurde er Mitglied des International Advisory Board of the Joan Kroc Institue of International Peace Studies der University of Notre Dame 

André Gunder Frank (24.02.1929 - 23.04.2005):
  • deutsch-amerikanischer Ökonom, Sozialwissenschaftler und Entwicklungsforscher
  • Frank vertrat jahrelang Dependenz-Theorien (Dependencia)
  • erst spät schloss er sich der Weltsystemtheorie Immanuel Wallersteins an, verlegte aber den Beginn des kapitalistischen Weltsystems immer wieder vor

Immanuel Wallerstein (28.09.1930 - 31.08.2019):
  • US-amerikanischer Soziologe und Sozialhistoriker
  • Begründer der Weltsystemtheorie: Die Welt wird als großes kapitalistisches Weltsystem gesehen mit Zentrum - Semi-Peripherie - Peripherie.
  • dieser Ansatz beruht auf Ideen von Karl Marx, Fernand Braudel u. a.

Seyom Brown (28.05.1933):

  • US-amerikanischer Politik- und Sozialwissenschaftler
  • Lawrence A. Wien Professor of International Cooperation (Department of Politics; Brandeis University)
  • führende Position für Forschung und Politikanalyse in der RAND Corporation, der Brookings Institution und dem Carnegie Endowment for International Peace
  • Werke:
    The Causes and Prevention of War (1994; sehr empfehlenswerkte multiperspektivische Darstellung von Kriegsursachen und Gegenmaßnahmen; biologisch, psychologisch, sozial, wirtschaftlich, politisch usw.)
    The Faces of Power: Constancy and Change in United States Foreign Policy from Truman to Clinton (1994)
    New Forces, Old Forces, and the Future of World Politics (1995)
    Human Rights in World Politics (2000)

 

Dieter Senghaas (27.08.1940):
  • deutscher Politikwissenschaftler und Friedensforscher
  • Forschung: Ost-West-Konflikt, Nord-Süd-Konflikt ("Globaler Süden")
  • zivilisatorisches Hexagon: Gewaltmonopol, Rechtsstaatlichkeit, Interdependenzen und Affektkontrolle, politische Teilhabe, Verteilungsgerechtigkeit, Kultur konstruktiver Konfliktbearbeitung

Robert O. Keohane (03.10.1941):
  • US-amerikanischer Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen (Princeton University)
  • Keohane ist in den IB weltbekannt, insbesondere für seine Interdependencetheorie;
    oft publiziert er mit seinem Kollegen Joseph S. Nye
  • Werke:
    Power and Interdependence: World Politics in Transition (Interdependenz-/Regimetheorie)
    After Hegemony: Cooperation and Discord in the World Political Economy (1984)

Hartmut Elsenhans (13.10.1941 - 18.01.1924):
  • deutscher Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Internationale Beziehungen
  • Theoretiker eines globalen Keynesianismus und der "Staatsklassen"
  • Elsenhans sah den Kapitalismus als weltweit vorherrschendes System;
    dieses kann seiner Meinung nach nur als Fordismus (mit keynesianischer Nachfragestimulation) funktionieren, sonst bricht es zusammen
  • seine Theorien hatten eine gewisse Nähe zur Weltsystemtheorie Immanuel Wallersteins, obwohl er dessen Denkschule nicht angehörte
 
 John J. Mearsheimer (14.12.1947):
  • US-amerikanischer Politikwissenschaftler (Univ. Chicago) mit Schwerpunkt IB
  • offensiver Neorealist (vgl. "The Tragedy of Great Power Politics", 2001)
  • nach seiner neorealistischen Ansicht sind Staaten in den IB mit einem gegebenen Maß an Macht nicht zufrieden, sondern streben aus Sicherheitsgründen (?) nach Hegemonie
  • Mearsheimer äußerte sich - auch in den sozialen Medien - kontrovers zum Russisch-Ukrainischen Krieg: er gab seinem eigenen Land (USA) die Hauptschuld am Kriegsausbruch aufgrund der im Vorfeld angeblich gefahrenen außenpolitischen Strategie einer Einkreisung von Russland
  • er wirft seinem Land auch vor, einerseits Kriege zu beginnen und dann die Verbündeten im Stich zu lassen (USA als unzuverlässiger Verbündeter)
  • Mearsheimer ist aber nicht generell für Deeskalation, sondern fordert die USA auf, ihr strategisches Hauptgewicht gegen China zu richten


(Quelle: Pixabay)

Dienstag, 11. Juni 2024

GESCHICHTE DER POLITIKWISSENSCHAFT (POLITOLOGIE)

Politik im Bundestag (Quelle: Pixabay; Jörn "tvjoern" Heller)


Politikwissenschaft: Personen
Geschichte der Soziologie

Die Politikwissenschaft hat ihre Ursprünge wie viele oder alle Sozialwissenschaften in der Philosophie.
In frühen politischen Erörterungen werden politische Analysen noch kaum von den vertretenden Moralvorstellungen getrennt, man hat also Ist-Zustand und Soll-Zustand nicht getrennt. Heute würde man auch von einem normativ-ontologischen Verständnis der Politikanalyse sprechen.


PHILOSOPHISCHE URSPRÜNGE


Antike

Seit dem Altertum sind politische Analysen bekannt. Sie kamen in den frühen Hochkulturen wie Ägypten, Mesopotamien, Griechenland, der Hindus-Kultur (Indien) und der Hwangho-Kultur (China) vor.
Bei den Alten Griechen dachte man über die Grundlagen des Zusammenlebens der Menschen in staatsähnlichen Gebilden wie der Polis, dem Stadtstaat, nach. Verbunden wurde diese Betrachtung mit Moralprinzipien. Die überlieferten Schriften beeinflussen bis heute den philosophisch-ideengeschichtlichen Zweig der Politikwissenschaft. Die Überlegungen gehen dabei weit über die Beschäftigung mit tagespolitischen Inhalten hinaus. Sie sind aber trotzdem in einem bestimmten historischen Zusammenhang verankert.
Wichtige Autoren in Griechenland waren Platon und Aristoteles. Altertumswissenschaftliche Forschungen deuten aber an, dass es viele weitere wichtige Denker gab, von denen wir aber allenfalls Fragmente besitzen.


Mittelalter

Im europäischen Mittelalter wurde die politische Philosophie stark von dem schon in der Spätantike siegreichen Christentum dominiert ("überwuchert"). Spätantike Kirchenväter wie Augustinus blieben bestimmend und immer wieder wurde ein Rückgriff auf Aristoteles vorgenommen.
Gegen Ende des Hochmittelalters setzte der Philosoph und Theologe Thomas von Aquin, der dem Dominikaner-Orden angehört, als "Kirchenlehrer" neue Maßstäbe des Denkens. Er sah den Menschen als vernunftbegabtes Wesen, aber auch als Mängelwesen (Anthropologie) und er vertrat gesellschaftspolitisch aus heutiger Sicht recht autoritäre Vorstellungen.



Neuzeit

In der Renaissance-Zeit gab es eine Rückbesinnung auf die Antike und auf den Wert des Menschen als Individuum. Die Phase der Entdeckungen durch verbesserte Nautik erweiterte das Weltbild.
Wenigstens gilt das für gewisse Eliten. Das Los der einfachen Menschen änderte sich im Grunde nur wenig.
Für die politische Philosophie ergab sich eine stärkere Disseitsorientierung und eine größere Distanz zur Theologie. Dies führte aber - ähnlich wie bei den Sophisten der Antike - dazu, dass sich ein "zynisch-realistisches" Machtdenken einstellte, wie z. B. bei Niccolo Macchiavelli.
Macchiavelli nahm viele seiner Anschauungen den ständigen blutigen Auseinandersetzungen der italienischen Teilstaaten seiner Zeit und antiken Klassikern. Er träumte von einem geeinten Italien.

Im Barock gab es weitere Rationalisierungstendenzen. Dies kann man z. B. bei René Descartes oder bei Baruch de Spinoza sehen. Spinoza meinte, man könne in vielen Dingen eine geometrische Präzision sehen, auch in menschlichen Angelegenheiten, und nahm dies zur Grundlage seiner Politanalyse.
Bei Thomas Hobbes, der von einem Gesellschaftsvertrag ausging, durch den sich Menschen hinter einem mächtigen Herrscher und Staat versammelten, wurde durch das Denken der Zeit sowie durch seine schlimmen Erlebnisse im britischen Bürgerkrieg beeinflusst.

Die politische Philosophie wurde selbstverständlich auch sehr stark von juristischen Diskussionen beeinflusst wie der Debatte um eine Reichsreform des Römisch-Deutschen Reiches um 1500 oder durch die Ideen des Juristen Samuel von Pufendorf im 17. Jhd.
Von Pufendorf war Staats- und Völkerrechtler und vertrat eine Pflichtenlehre, die er naturrechtlich und nicht religiös begründete. Man kann ihn zur Frühaufklärung hinzurechnen.

Bedeutend für die politische Philosophie war auch die Aufklärung, die stark auf eine Breitenbildung setzte und das Individuum befreien wollte. Die Religion sollte weiter zurückgedrängt werden. Es waren aber nicht alle Aufklärer Atheisten, sondern auch Agnostiker oder Deisten. Man muss aber bedenken, dass damals atheistische Positionen oft noch unter Strafe standen und deshalb "verblümt" geäußert werden mussten.
Einigen Aufklärern wie Voltaire wurde vorgeworfen, dass sie in ihrem eigenen Leben ihre hehren Ideale nicht immer befolgten. Gerade im Nachhinein wurde verstärkt darauf hingewiesen, dass der universalistische Anspruch der Aufklärung dem europäischen Kolonialismus Vorschub geleistet habe. Auch Voltaire soll Aktien im Sklavenhandel gehabt haben.

Bei Philosophen und Schriftstellern wie de Sade kam auch der Vorwurf, dass ihre Betonung eines Naturrechtes im Gegensatz zum göttlichen Recht in Wirklichkeit als ein Recht des Stärkeren (in diesem Fall auch sexuell Aggressiveren) führen könne.

Praktisch-politisch führte die Aufklärung nicht nur zu einer oft gewaltsamen Verbreitung europäischer Kultur und wirtschaftlicher Dominanz, sondern auch in den USA und dann in Frankreich zu Revolutionen. Diese Revolten, die ursprünglich monarchistische Gewaltherrschaften beseitigen sollten, führten zu neuer Gewalt:

  • im Falle der Amerikanischen Revolution zur Vernichtung vieler Indianerstämme und zu Siegen über andere Kolonialmächte
  • im Falle der Französischen Revolution nach einer Phase der Freiheitseuphorie zu einem neuen französischen Nationalismus und Imperialismus, unter dem andere europäische Nationen und Kolonialgebiete zu leiden hatten

Auch wenn es nicht zu einer Revolution kam und monarchische Herrscher "aufgeklärt regierten", kam es zu massivem Machtmissbrauch:

  • Friedrich II. von Preußen präsentierte sich, auch in Abgrenzung von seinem Vater, als aufgeklärter Monarch, was ihn aber nicht davon abhielt, Habsburg/Österreich zu überfallen und später mit Russland und Österreich Polen aufzuteilen.
  • Katharina von Russland (eigtl. Sophie) gab sich zwar als aufgeklärte Monarchin, beseitigte aber Thronkonkurrenten durch Mord, verzichtete aus machttaktischen Gründen auf eine Befreiung der russischen Bauern und vervielfachte das Gebiet ihres Landes zu Lasten von Nachbarstaaten oder der indigenen Bevölkerung


Als die "Errungenschaften" der Französischen Revolution nach dem Wiener Kongress 1815 wieder zurückgenommen werden sollten, kam es zu lang anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern der republikanischen Staatsordnung. Frankreich sei dafür exemplarisch genannt.
Interessant ist aber, dass die Gegner der Aufklärung nicht alle wieder zum alten religiös-autoritären Denken zurückkehren wollten, sondern dass einige von ihnen, wie de Bonald, die Religionskritik der Aufklärung zum Teil akzeptieren und einfach nach "moderneren" Formen der Herrschaft über und Unterdrückung von Menschen suchten.


DIE POLITIKWISSENSCHAFT ALS AKADEMISCHE DISZIPLIN

Die moderne Politikwissenschaft gilt eher als angelsächsisches Phänomen, obwohl es in Deutschland oder Frankreich und einigen anderen Ländern auch entsprechende Ansätze gab.
Viele frühe Politikwissenschaftler kamen eigentlich von der Juristerei (Staatsrecht), der Philosophie, der Geschichtsforschung oder von verwandten Fächern.
Im Deutschen Kaiserreich erschien mit der "Zeitschrift für Politik (Organ der Hochschule für Politik München)", Kürzel: ZfP, die erste quasi politikwissenschaftliche Zeitschrift. Der Begriff Politikwissenschaft war damals noch weniger gebräuchlich, weil sich das Fach erst konstituieren musste und seine Aufgaben am Anfang (wie gesagt) noch von Juristen wahrgenommen wurden. Die Zeitschrift für Politik wurde am Anfang von Rechtsprofessoren ins Leben gerufen.
Die Politikwissenschaft entsprang der Rechtswissenschaft im Verbund mit den Staatswissenschaften. Man sprach im 19. und frühen 20. Jhd. auch von "Policeywissenschaftlicher und kameralwissenschaftlicher Forschung".
Unter Kameralwissenschaft (Kameralistik) verstand man besonders die öffentliche Wirtschaftsverwaltung, deren Anfänge noch auf den Absolutismus und Merkantilismus des 18. Jhd.s (!) zurückgehen.
In der frühen Abgrenzungsphase beschäftigte sich die Politikwissenschaft noch sehr mit dem "Untersuchungsobjekt Staat", was zwar immer noch eine Rolle spielt, aber nicht mehr eine so herausragende.

Dieser Zustand (Beschäftigung mit dem Staat, juristische Einflüsse) änderte sich auch zwischen den Weltkriegen nicht. Trotzdem gab es schon nach dem Ersten Weltkrieg Ansätze, eine Disziplin in Richtung einer "Politikwissenschaft" im Deutschen Reich zu etablieren. 1920 wurde die Deutsche Hochschule für Politik in Berlin gegründet. Daraus entstand nach dem Zweiten Weltkrieg das Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin.

In der Nazizeit wurden die Bereiche, die man als proto-politikwissenschaftlich bezeichnen könnte, erwartungsgemäß der NS-Ideologie unterstellt.
Der Begriff Politische Wissenschaft meinte damals, dass man die Wissenschaft an politischen Zielen - und zwar denen des Nationalsozialismus' - ausrichtet. 

Die Politikwissenschaft wurde nach dem Zweiten Weltkrieg (1939 - 1945) sehr stark von der Entwicklung in den Vereinigten Staaten beeinflusst. Nach Deutschland wurde sie bewusst als normative "Demokratiewissenschaft" importiert.
Einige eigene deutsche Traditionsstränge sind durch die beiden Weltkriege unterbrochen worden, die NS-Traditionsstränge galten als nicht mehr "anschlussfähig".
De facto gab es natürlich eine Vielzahl personeller Kontinuitäten und Opportunismen.

Hier zeigte sich auch schon eine Dreiteilung politikwissenschaftlicher Denkansätze, die über Jahrzehnte sehr bedeutend wurde, heute aber nicht mehr in "schulbuchmäßiger Reinform" betrieben wird:

  • Die normativ-ontologische Denkschule:
    Sie betrachtet Politik und Politikforschung als durch Normen und Werte geleitet und geht bei dieser Normenorientierung oft bis in die Philosophie der Antike zurück.
    Häufig gilt dieser Ansatz als konservativ, es können aber z. B. auch liberalistische Denkansätze verwendet werden.
  • Die empirisch-analytische Denkschule:
    Diese Richtung ist an den quantitativen Methoden der Sozialwissenschaften orientiert, die oft auf US-amerikanischem Einfluss beruhen. Dieser US-Einfluss kann positiv oder negativ konnotiert sein.
    Dieser Ansatz beruft sich gerne auf "positivistische" Denker wie Popper und Carnap.
    Kritiker sehen in diesem Ansatz aber auch eine theorie- und konzeptlose Zahlenmeierei und Fliegenbeinzählerei, die mathematisch-wissenschaftlich (pseudopräzise) daherkomme, aber wenig genau erklären könne.
  • Die kritisch-dialektische Denkschule:
    Diese Richtung ist durch klassischen oder Neomarxismus beeinflusst, häufig speziell durch die Frankfurter Schule.
    Sie möchte scheinbar wissenschaftlich-objektive Begriffe und Methoden ideologie- und herrschaftskritisch hinterfragen und stellt ins Zentrum Machtfragen, die sich v. a. im ihrer Meinung nach heute existierenden Kapitalismus zeigen. Häufig spielen neben marxistischen Ansätzen auch freudo-marxistische mit hinein.
    Die Frankfurter Schule wurde nach dem Ersten Weltkrieg gegründet. Ihre Ideen nahmen durch die Protestbewegungen der 1960er-Jahre erneut Fahrt auf und blieben bis zum Ende des Kalten Krieges recht stark. Danach verloren sie mit ihrem "kapitalismus- und machtkritischen Geist" allerdings an Boden.


Mit der Zeit bildeten sich natürlich mehr als diese 3 Grundansätze heraus. Man denke z. B. auch an Einflüsse aus anderen Sozialwissenschaften wie der Psychologie: Der Behavior(al)ismus und die Tiefenpsychologie spielten auch eine Rolle.

Im Teilbereich der Internationalen Beziehungen stehen Ansätze wie Realismus, Liberalismus, Rationalismus, Marxismus, Strukturalismus, Neoinstitutionalismus nebeneinander.

Der "Mainstream" der heutigen Politikwissenschaft ist aber eher empirisch ausgerichtet. Er sieht Politik nicht nur als etwas Staatliches an, sondern will die gesellschaftlichen Hintergründe und Strukturen begreifen und sichtbar machen.


Gegner werfen diesem "empirisch-analytischen Paradigma" aber einiges vor:

  • (nomothetische) Ausgedachtheit aufgrund des intensiven "Spiels" mit Begrifflichkeiten und Modellen
  • theorielose statistische "Fliegenbeinzählerei" bzw. "Erbsenzählerei"
  • Vorgaukeln von "Pseudoexaktheit"
  • Ahistorizität bzw. Ignoranz gegenüber der historischen Genese von Zuständen;
    Vernachlässigung von (ideographischen) Geschichtsquellen
  • Wissenschaft ist in der Praxis oft nicht wertfrei: z. B. besteht die Gefahr, dass die Pharmaindustrie die Diagnosen psychischer Krankheiten beeinflusst (z. B. Kriterien verschärft)
Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Analyse von Jürgen Falter, "Wer wählte die NSDAP?" Darin wertet Falter große Datenmengen über Unterstützer der NSDAP aus, ohne die historischen Hintergründe eines Beitritts zur Partei darzulegen, z. B. Zeitpunkt des Beitrittes, Verpflichtung bei Beamten usw.

Der empirisch-analytische Grundansatz arbeitet sowohl quantitativ als auch qualitativ (in der Forschungspraxis überwiegt oft aber das Quantitative).
Mit abschließenden Wertungen tut man sich hier schwer.
Analytisch wie methodisch orientiert sich dieser Ansatz an den Naturwissenschaften.
Es geht - auch wieder beeinflusst durch US-Entwicklungen - um analytische Stringenz (mathematische Modelle, Theorie der rationalen Entscheidung) und methodische Rigorosität (mathematisch-statistische Verfahren).

Etwas anders stellt sich das Fach im Bereich der normativen Politikwissenschaft dar, der oft mit der eher geisteswissenschaftlich orientierten Politischen Theorie oder gar Politischen Philosophie zusammenfällt.
Gesellschaftliche Werthaltungen werden hier in ideen- und philosophiegeschichtliche Kontexte eingeordnet. Hierbei werden auch geisteswissenschaftliche Methoden wie die Hermeneutik hinzugezogen.


DER NAME DER DISZIPLIN

Problematisch für die Außendarstellung - wenn auch nicht zwingend unwissenschaftlich - ist, dass sich die Diszplin nicht einmal auf einen Namen einigen kann.

In Deutschland spricht man heute gerne von Politikwissenschaft.
Früher sprach man häufiger von Politischer Wissenschaft, Wissenschaftlicher Politik oder Wissenschaft von der Politik (bes. mit Beginn der Disziplin im D der 1950er-Jahre).
Anlehnungen an die angelsächsische "Political Science" sind beabsichtigt.

Der Begriff Politologie ist auch gebräuchlich, wenn auch in den Medien stärker als an Akademien. Er wirkt medial griffiger, weil es schon die Soziologie und die Psychologie gibt.
In einigen europäischen Sprachen spricht man auch von Politikologie, das sich dann von Politik und nicht von Polis (beides griech.) ableitet.

Der Begriff der Politischen Wissenschaft ist auch deshalb umstritten, weil in der NS-Zeit Politische Wissenschaft eine im Sinne des Nationalsozialismus politisierte Wissenschaft meinte.

Politische Wissenschaft kann auch als "irgendwie politisierte Pseudowissenschaft" verstanden werden. Das Fach selber möchte aber möglichst objektiv bzw. intersubjektiv auftreten.
In der Praxis muss man sich aber im Klaren sein, dass auch Politikwissenschaftler einen bezahlten Beruf ausüben möchten und daher gewissen Einflüssen und Tendenzen unterliegen.
Man sieht auch an den Unis, dass z. B. ein linker Politikwissenschaftler bisweilen den Eindruck erweckt, eine ganz andere Wissenschaft zu betreiben als sein rechter Kollege und umgekehrt.

Eine Wertneutralität und eine Unabhängigkeit von der realen Politik wird zwar postuliert, in der Praxis aber oft nicht eingehalten. Einige Politikwissenschaftler beraten z. B. Parteien und neben dann deren "Farbe" an. Geht diese Partei zu Grunde, wechseln viele unbesehen zu einer anderen Partei und nehmen deren "Farbe" an.

Da die Politikwissenschaft viele Inhalte und Methoden benachbarter Wissenschaften aufnimmt, versteht sie sich außerdem als Integrationswissenschaft.


TEILDISZIPLINEN

So wie die Politikwissenschaft keinen festen Namen hat, so ist auch ihre Einteilung in Teildisziplinen sehr variabel.

Wir nennen hier einige Teildisziplinen, wie sie auch bei Lehrstühlen häufig auftreten:
  • Politisches System (Regierungslehre):
    z. B. das Deutschlands
  • Politische Theorie/Politische Philosophie:
    politische Denker, z. B. von Platon bis Rawls
  • Politikgeschichte/Zeitgeschichte:
    politische Geschichte, insbesondere der "späten Neuzeit"
  • Internationale Politik/Internationale Beziehungen
  • Europäische Politik/European Studies
  • Vergleichende Politikwissenschaft/Vergleichende Regierungslehre (Komparatistik)
  • Politische Soziologie:
    Verknüpfende Darstellung von Politik und Gesellschaft,
    z. B. Russel Dalton



QUELLEN UND LITERATUR:

Wiki
-
Alemann, Ulrich von/Erhard Forndran: Methodik der Politikwissenschaft: Eine Einführung in Arbeitstechnik und Forschungspraxis; (Urban) 2005
Bleek, Wilhelm/Hans J. Lietzmann (Hg.): Schulen in der deutschen Politikwissenschaft; Opladen (Leske + Budrich) 1999
Fetscher, Iring/Herfried Münkler (Hg.): Politikwissenschaft. Begriffe - Analysen - Theorien; Reinbek (Rowohlt) 1985




GESCHICHTE DER SOZIOLOGIE


Die Soziologie erforscht das Verhalten des Menschen in der Gesellschaft.

Es ist schwer, bei der Geschichte der Soziologie einen Anfangspunkt zu setzen. Die Soziologie als selbständige Disziplin unter diesem Namen entstand erst spät, grob der Psychologie vergleichbar.
In religiösen Vorstellungen und in der Philosophie gab es jedoch schon sehr lange soziologische Aspekte und Überlegungen.

(...)

Soziologie: Personen
Geschichte der Politikwissenschaft (Politologie)


PHILOSOPHIEN MIT PROTO-SOZIOLOGISCHEN INHALTEN

Aus heutiger Sicht soziologische Inhalte hatte schon die Philosophie der Alten Griechen, wenn nicht schon bei den Weisheitslehren Ägyptens und Mesopotamiens, Indiens und dem frühen China.
Griechische Philosophen lösten sich schrittweise von mythischen Weltbildern, beschäftigten sich aber anfangs noch hauptsächlich mit der Naturphilosophie (z. B. Thales von Milet; ca. 624/23 - 548/44 v. Chr.). Es war v. a. Sokrates (469 - 399 v. Chr.), der den Focus der Philosophie auf den Menschen und die menschliche Ethik lenkte. Viele von Sokrates' Schülern brachten es ebenfalls zu Berühmtheit und/oder gründeten eigene Schulen: Platon (428/27 - 348/47 v. Chr.), Aristoteles (384 - 322 v. Chr.), Antisthenes (445 - 365 v. Chr.), Aristippos (435 - 355 v. Chr.) usw.
Später wurde das Denken über das Verhalten des Menschen in der Gesellschaft immer mehr ausgebaut. Der Bezugsrahmen war aber nach den Eroberungen Alexanders des Großen nicht mehr so sehr die Polis (= Stadtstaat), sondern das jeweilige Königreich oder gleich der ganze Kosmos. Dies schlägt sich v. a. in der Philosophie des Hellenismus nieder: Hier seien die Akademiker (Schule nach Platon), Peripatetiker (Schule nach Aristoteles), Stoiker (Schule nach Zenon von Kition) und Epikureer (Schule nach Epikur) genannt.
Im antiken China dachten Denker wie Konfuzius und Menzius über richtige Staats- und Gesellschaftsordnungen nach oder über individuelle Moralfragen wie Mo oder Yang Zhu. Lao Zi spielte auch eine große Rolle.
Denker wie Han Fei vertraten dagegen eine rigide Machtpolitik und -philosophie.

Im europäischen Mittelalter das das proto-soziologische Denken sehr stark durch den christlichen Glauben bestimmt. Es gab zwar auch Rückgriffe auf die an sich heidnische Antike, aber deren Denker - wenn sie überhaupt bekannt waren - wie Platon oder noch mehr Aristoteles wurden christianisiert gedacht und interpretiert.

In der frühen Neuzeit brachte die Renaissance - zumindest in einigen Schichten - eine Rückbesinnung auf die Antike und eine erneute Wertschätzung des Individuums.
Diese Entwicklung und die folgende Zeit der Frühaufklärung um das 17. Jhd. herum, steigerten das Bedürfnis, den Menschen und seine Handlungen und Interaktionen mit anderen Menschen nicht nur aus Tradition oder Religion heraus zu erklären, sondern aus seinen eigenen Mechanismen.
Spinoza ging bei solchen Analysen oft mit mathematisch-geometrischer Präzision vor.
In der Zeit der Aufklärung, ungefähr während des 18. Jhd.s wollte man sich generell von Traditionen lösen, wenn sie nicht wie die Philosophien der Antike zu wirklicher Erkenntnis führten. Der Mensch wurde genau erforscht und Denkblockaden aufgehoben.
Voltaire war bekanntermaßen einer der Vorreiter dieser Bewegung.
LaMettrie war noch radikaler und privat im Zwist mit Rousseau. Er entwarf in "L'homme machine" (Der Mensch als Maschine) ein biologistisch-materialistisches Menschenbild.
Ein wichtiger Philosoph ist Jean-Jacques Rousseau, dessen Naturalismus bzw. Naturverherrlichung und Zivilisationskritik jedoch auch wieder Kritiker hervorriefen.



DIE ENTSTEHUNG DER SOZIOLOGIE AUS DER PHILOSOPHIE (ca. 19. Jhd.)

August Comte



Man kann leicht sehen, dass die Soziologie unterschwellig schon lange in der Philosophie existierte. 

Der Begriff "Soziologie" entstand aber erst durch Auguste Comte (1798 - 1857) in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Comte war ein Mathematiker und positivistischer Philosoph und ein Schüler von Henri de Saint-Simon (1760 - 1825), einem aufgeklärten Adeligen und (laut seiner Schüler) Frühsozialisten.
Der Terminus Soziologie setzt sich aus dem lateinischen "socius" (Genosse) und dem griechischen "λόγος/logos" (Wort, Sinn; Ratio...) zusammen.
Comte stellte sich darunter eine Art positive ("gesetzte", tatsachenorientierte) Naturwissenschaft des Sozialen vor, quasi eine Art "soziale Physik". Der Begriff Soziologie blieb bestehen, auch wenn Comtes Ideen nur bedingt Anklang fanden.

Wenigstens war damit der Grundstein gelegt, das Gesellschaftliche genauer zu erforschen. Ähnlich wie in der Psychologie setzte sich mit der Zeit die Überlegung durch, dafür Lehrstühle an Hochschulen einzurichten. Dies geschah in vielen Teilen Europas und in Nordamerika gegen Ende des 19. Jhds.





DIE BEGRÜNDUNG UND FESTIGUNG DER SOZIOLOGIE ALS AKADEMISCHE DISZIPLIN
(2. Hälfte 19./1. Hälfte 20. Jhd.)

In führenden Industriestaaten kämpfte die Soziologie an der Wende zum 20. Jhd.  um ihre Etablierung als Wissenschaft.


Die Begründung der Soziologie in Großbritannien
und ihre Entwicklung bis 1945


In Großbritannien wurde 1895 die London School of Economics gegründet. Sie kann als Durchbruch für eine Theorie und Faktenforschung integrierende Gesellschaftslehre gelten. In den USA wurde 1892 an der Universität Chicago das erste Department für Soziologie geschaffen. Die Deutsche Gesellschaft für Soziologie wurde 1909 gegründet.

Der Brite Herbert Spencer war Philosoph und Autodidakt, der sich neben soziologischen Aspekten sehr stark für die Welt der Naturwissenschaften interessierte und in seinem späteren Werk Erkenntnisse der zeitgenössischen Biologie in die Soziologie integrierte. Das half ihm auch bei seinen Jobs als Techniker und Journalist, bis er durch ein reiches Erbe unabhängig wurde. Später versuchte er sich an einem "System der synthetischen Philosophie".
Im 20. Jhd. hinderte eine starke Sozialanthropologie (Ethnosoziologie) die Soziologie in Großbritannien allerdings am Wachstum.


Die Begründung der Soziologie in Frankreich
und ihre Entwicklung bis 1945

Französische Philosophen und Soziologen haben einen großen Beitrag zur Entwicklung der Soziologie geleistet.

Émile Durkheim erlebte als Franzose die militärischen Niederlage seines Landes 1870/71 und besuchte anschließend das Deutsche Reich, um die Ursachen der Stärke des damaligen Deutschlands zu erforschen.
Berühmt wurde Durkheim auch für seine Studien über den "Selbstmord", den er u. a. auf "Anomie" zurückführte. Der Anomie-Begriff spielte heute noch eine Rolle in der Kriminoloigie.

Der Einfluss von Emile Durkheim war so groß, dass es fähige Soziologen wie Gabriel Tarde (1843 - 1904) und Arnold van Gennep (1973 - 1957) schwer hatten, sich Gehör zu verschaffen.
Tarde war auch Jurist und Kriminologe und untersuchte anders als Durkheim kleine psychologische Wechselbeziehungen zwischen Individuen (Nachahmung, Innovation).
Van Gennep war Deutsch-Franzose und bekannt für seine ethnologischen Studien, in denen er u. a. Übergangsriten untersuchte.

Später wurden Marcel Mauss (1872 - 1950; auch Ethnologie und Religion) und Maurice Halbwachs (1877 - 1945; Kollektives Gedächtnis) bedeutend. Halbwachs starb im KZ Buchenwald.


Die Begründung der Soziologie in den USA
und ihre Entwicklung bis 1945


In den USA war die Soziologie also auch schon um 1900 aktiv. Hier entwickelten sich diverse Theorieansätze und Denkschulen.
Einige Soziologen wollten gezielt "sozial-verbessernd" und sozialarbeiterisch wirken und beschäftigten sich z. B. mit dem Schicksal von Arbeitern und Schwarzen, die damals noch Neger genannt wurden. Dies galt besonders für die frühen Projekte in Chicago.
Thorstein Veblen betrieb eine noch bis heute bekannte Elitenforschung und befasste sich mit dem Thema "Luxus". Hier gab es gewisse Überschneidungen mit dem Deutschen Werner Sombart, der aber politisch recht viel "wanderte" zwischen Nationalismus, Sozialismus, nationalem Sozialismus und anderen Ansätzen.


Die Begründung der Soziologie in Deutschland
und ihre Entwicklung bis 1945

Als fachliche Begründer der Soziologie im Deutschen Reich gelten Ferdinand Tönnies, Georg Simmel und Max Weber.

SIC: in Frankreich Émile Durkheim und in Großbritannien Herbert Spencer.


Ferdinand Tönnies (Wiki: Ferdinand Urbahns)

In Deutschland gilt die 1887 erschienen Studie von Ferdinand Tönnies "Gemeinschaft und Gesellschaft" als Begründung des modernen Faches Soziologie.

Ferdinand Tönnies gilt zusammen mit Georg Simmel und Max Weber als Begründer der deutschsprachigen Soziologie und war bis 1933 erster Präsident der "Deutschen Gesellschaft für Soziologie".

Georg Simmel war ein Kulturphilosoph, Stadt- und Konfliktsoziologe. Er systematisierte viele Begriffe und verfasste z. B. eine Philosophie des Geldes.

Der Jurist Max Weber galt als typischer Wissenschaftler des aufstrebenden Zweiten Deutschen Kaiserreiches. Er war zwar etwas liberaler als viele der damals rechtskonservativen Professoren, aber durchaus national gesinnt und unterstützte den Erwerb von Kolonien. Weber erforschte Bürokratien genauer und untersuchte in ihnen Routinen und Machtgefälle.

Die erste ordentliche Soziologie-Professur hatte seit 1919 Franz Oppenheimer inne (Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main: Lehrstuhl für Soziologie und theoretische Nationalökonomie).
Die erste "Nur-Soziologie-Professur" hatte ab 1925 Hans Freyer inne (Universität Leipzig).

Die Soziologie im beschriebenen Sinne konnte in Nazideutschland nicht mehr weiterbestehen. Viele Forscher waren Juden und wurden von ihren Lehrstühlen entfernt, aber selbst der alte Ferdinand Tönnies musste gehen.
Von den jüdischen Forschern wanderten viele in die USA aus. Karl Mannheim, der selber das Thema Ideologie erforschte, wurde vor dem NS gewarnt, ging aber weiter seiner Lektüre nach und nahm Hitler lange nicht ernst. Vielen passierte der gleiche Fehler (eine Ausnahme ist z. B. der Philosoph Günther Anders).
Solche Ereignisse werfen immer wieder die Frage von Forscherleben und Realitätsbezug auf.
Wer nicht in die USA floh, floh z. B. in die Schweiz, nach Skandinavien (Theodor Geiger; Theorie der sozialen Schichtung), in die Türkei oder nach Neuseeland.
Wer es aber nicht ins Exil schaffte, war direkt vom Tode bedroht.
Die Soziologin Hanna Meuter wies darauf hin, dass sehr viele der im NS schikanierten Soziologen 1948 nicht mehr am Leben waren.

Die Nazis stellten aber die Soziologie nicht völlig kalt, sondern erschufen die "Deutsche Soziologie". Es ist also nicht wahr, wenn manche behaupten, im NS habe es keine Soziologie gegeben. Die Soziologie hatte von da an nur klaren machtpolitischen und ideologischen Zielen zu dienen - dasselbe galt für ihre empirischen Studien.
Einige Lehrstühle wurden auch umbenannt, so z. B. in Philosophie (Arnold Gehlen), Politische Wissenschaften (Hans Freyer) o. ä.
Viele der verbliebenen oder neu hinzugekommenen Soziologen waren NSDAP-Mitglieder und/oder Mitglieder von NS-Unterorganisationen.
Ähnlich wie bei Juristen, Philosophen, Historikern, Sozialhistorikern usw. setzten einige Forscher ihre Studien nach 1945 fort, änderten nur ab und zu ein paar verfängliche Begriffe ab.
Von Gehlen überlebte z. B. die "Institutionentheorie" den Regimewechsel von 1945. Interessant ist, dass er aber nach dem Zweiten Weltkrieg von Österreich als Ausländer ausgewiesen wurde, obwohl sich viele Österreicher vor 1945 noch als Deutsche gesehen und kollaboriert hatten.


Sonstige

Weitere wichtige Soziologen der Frühzeit waren: Der jüdische "Österreich-Ungar", Deutsche, Brite und Weltbürger Karl Mannheim (* 1893), der Italiener Vilfredo Pareto, dessen Eliten- und Ideologietheorien ihn in die Nähe des Faschismus führten, die Polen Ludwig Gumplowicz und Bronislaw Malinowski uvam.


DIE SOZIOLOGIE NACH 1945


USA

Ein berühmter Soziologe, der die verschiedenen Ansätze vereinheitlichen wollte, war Talcott Parsons (1902 - 1979). Parsons versuchte unter Heranziehen von Konzepten von George Herbert Mead und Alfred Schütz eine allgemeine Handlungstheorie aufzustellen.
Da Parsons ursprünglich aus der Biologie kam, kannte er die dortigen Systeme/Regelkreise und wollte sie auch auf die Soziologie anwenden. Methodologisch ist das aber umstritten.
Parsons Ansatz nannte man auch struktur-funktionalistisch. In den Struktur-Funktionalismus gingen auch Erkenntnisse der britischen Sozialanthropologie ein.
Ein deutscher Jurist, der sich auch für soziologische Fragen interessierte, Niklas Luhmann, hörte Parsons bei einem Bildungsaufenthalt in den USA und übernahm viele von dessen Ideen für seine funktional-strukturalistische Theorie bzw. Systemtheorie.
Parsons in den USA und Luhmann in der BRD mussten beide mit heftigem Widerspruch leben.
Einmal gab es in den 1960er-Jahren Konkurrenz durch kommunikationstheoretische Ansätze und Theorien des symbolischen Handels, andererseits deutete sich der Neomarxismus der '68er an.

Die US-Soziologie des 20. Jhd.s, insbesondere seiner zweiten Hälfte, war jedoch nicht nur durch Talcott Parsons berühmt.
Auch durch die Chicagoer Schule immer wieder Meilensteile gesetzt, z. B. von Robert Ezra Park.
Robert K. Merton (1910 - 2003) lehre an mehreren renommierten Universitäten. Er war ein Schüler von Talcott Parsons und von Pitirim Sorokin, neigte aber anders als Parsons nicht zu "gigantischen" Makro-Theorien sondern zu Theorien mittlerer Reichweite.

Sehr bedeutsam war auch die Theorie der rationalen Entscheidung, die stark an ökonomischen Grundsätzen orientiert wer.

Eine weitere starke Theoriefamilie war die des Symbolischen Interaktionismus und der Ethnomethodologie. Beide beeinflussten auch das Denken in Deutschland stark.
Bisweilen war der Einfluss aber beidseitig: Talcott Parsons und Charles Wright Mills waren in ihren Anfängen stark von der deutschen Soziologie beeinflusst worden, insbesondere vom Max Webers Herrschafts- und Bürokratietheorie.

Eine eigenständige, aber dennoch sehr wirkmächtige Richtung nachm die Weltsystemtheorie an, die eng mit einem ihrer Begründer, dem US-Soziologen Immanuel Wallerstein (1930 - 2019) verbunden ist. Diese Theorie sieht die ganze Welt als Kapittalistisches Weltsystem, das durch Ausbeutungs- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Zentrum, Semi-Peripherie und Peripherie gekennzeichnet ist.
Theoretisch kombiniert diese Großtheorie Ansätze der Annales-Schule um Fernand Braudel und von Karl Marx und Friedrich Engels mit weiteren Ansätzen.
Wallerstein wollte außerdem die Sozialwissenschaften "unthinken" (kaputtdenken?) und auf postmoderne Ansätze wie Genderfragen, Multipolarismus und Methodenpluralismus (nomothetische und idiographische Ansätze) eingehen.
Die Weltsystem reibt sich ein bisschen mit der ebenfalls verbreiteten Dependenz-Theorie (bzw. Dependencia-Theorie), die die Abhängigkeit des "globalen Südens" von den kapitalistischen Zentren der Welt beschreibt und analysiert.
Einige Dependenz-Theoretiker wie André G. Frank sind aber zur Weltsystemtheorie "übergelaufen" (1929 - 2005).



Deutschland

Die Soziologie hatte es bis in die 1960er-Jahre schwer Lehrstühle zu etablieren und Institute auf- und auszubauen. Auch in der Bevölkerung traf man nur auf wenig Gegenliebe. Das Fach galt als nicht klar umgrenzt und es wurde nach seinem Nutzen für die Allgemeinheit gefragt.
Das änderte sich in den 1960er-Jahren bis zu einem gewissen Grad, weil im Zusammenhang mit der beginnenden 68er-Bewegung soziale Ungerechtigkeiten und Konflikte ("Spannungen") thematisiert wurden. Mit der Großen Koalition und besonders mit der Rot-Gelben-Koalition (sozialliberal) wurde das Thema Bildungsgerechtigkeit und Bildungsexpansion ein Thema. So kam es zu zahlreichen Lehrstuhl- und Institutsgründungen.
Kritiker hielten dagegen, dass es damals nur Mode wurde, wortreich irgendwelche vermeintlichen oder wirklichen sozialen Missstände anzuprangern ohne wirklich Abhilfe zu schaffen und sich dies noch vom Staat und damit der Allgemeinheit bezahlen zu lassen.
So oder so: Das Fach Soziologie wurde in den späten 1960ern plötzlich "in".

Ein Vorreiter der Expansion der Soziologie wurde an der neugegründeten Universität Bielefeld Helmut Schelsky, der allerdings politisch ein mehrfacher Seitenwechsler war.
In der Nazizeit war er durchaus auf Linie, dann hatte er eine relativ liberale Phase und dann in der Auseinandersetzung mit der Studentenbewegung wieder einen Rechtsdrift.

In der DDR wurde auch Soziologie betrieben, die aber sehr stark einem (angeblichen) Klassenstandpunkt unterzogen wurde. Die etablierte Soziologie musste marxistisch-leninistisch sein. Infolge des Linksdralls von 1968 wirkte dieser ML-Trend sogar nach Westdeutschland hinein!

Insgesamt waren für die nationale und internationale soziologische Debatte Soziologen wie Helmut Schelsky bedeutsam (Leipziger Schule), René König und im Verlauf der 1960er-Jahre die Frankfurter Schule, die eigentlich schon nach dem Ersten Weltkrieg gegründet worden war. Nach Vertretern der "Ersten Generation" wie Max Horkheimer und Theodor W. Adorno wurden Jürgen Habermas einflußreich, Oskar Negt und Alex Demirovic.
In Opposition zur Frankfurter Schule stand oft die bereits erwähnte Systemtheorie von Niklas Luhmann.


Frankreich

Nach dem Krieg wurden in Frankreich Soziologen wie Pierre Bourdieu und (Sozial-)Philosophen wie Jean Baudrillard und Michel Foucault berühmt.

Bourdieu (1930 - 2002) machte sich einen Namen, soziale Ungleichheit genauer zu erforschen und die Mechanismen, die sie erhalten. Er verwendet Leitbegriffe wie: Habitus, sozialer Raum, soziales Feld, Kapital und Klasse.
Nach seiner Habitus-Theorie haftet Menschen entsprechend dem Milieu, aus dem sie stammen, ein bestimmter Habitus an. Es ist sehr schwer, diesen durch eigene Faktoren wie Motivation und Fleiß positiv zu beeinflussen, sofern er unvorteilhaft ist.
Bourdieu fasst auch den Begriff des Kapitals weiter und spricht z. B. von ökonomischem Kapital, sozialem Kapital, symbolischem und kulturellem Kapital.
Kritisch sah er die Begeisterung einiger französischer Intellektueller für deutsche Philosophen wie Heidegger, deren Nationalismus und Rassismus er klar herausstrich.
Bourdieu, der gerne sportlich auftrat und praktisch-empirische Beispiele einsetzte, verwendete seinen eigenen Vater Albert, der aus einfachen Verhältnissen kam und als Bauer und als Postbote arbeitete und immer ein Kleinbürger blieb.
Sein Schüler Loic Wacquant führte die Forschungen Bourdieus fort und neigte auch zu praktischen und "aktionsgeladenen" Studien, an denen er bisweilen selber Teilnahm:
So trainierte er z. B. Boxen und schleuste sich verdeckt in das Boxermilieu ein, um die dortigen Verhaltensweisen und Ausgrenzungsmechanismen zu studieren.


Großbritannien

In Großbritannien machten sich Max Gluckman und Anthony Giddens einen Namen.

Max Gluckman (1911 - 1975) stammte aus Südafrika und führte viele ethnosoziologische Studien auf dem afrikanischen Kontinent durch. Seine akademische Karriere führte ihn nach Großbritannien.

Anthony Giddens (1938 - ) hat die "Theorie der Strukturierung" (auch: Strukturationstheorie) entwickelt, die einen Mittelweg zwischen einer Fokussierung auf das Individuum und einer Fokussierung auf soziale Systeme finden will.
Giddens untersucht dabei insbesondere das Handeln über Raum und Zeit und hier wiederum insbesondere das oft unbewusst gesteuerte Alltagshandeln.
Für ihn bildet sich das Handeln in sozialen Systemen ab, was beide Bereiche als eng verbunden erscheinen lässt.

In der politischen Soziologie fordert Giddens schon länger einen Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus - sowohl vor als auch nach dem Fall des "Eisernen Vorhanges".

Auch zu Diskussionen über Themen wie Moderne/Modernisierung und Globalisierung hat Giddens sich rege beteiligt. Die Globalisierung hat er anhand von Kategorien wie Risiko, Tradition und Demokratie erörter.


Brasilien


Gilberto Freyre.



Welt

Heute ist die Soziologie nicht mehr so umstritten wie in ihren Anfängen und noch Jahrzehnte danach. Das fach gilt inzwischen als weltweit institutionalisierte Wissenschaft. Es gibt eine International Sociological Association (ISA) und diverse Weltkongresse. Man blickt über die nationalstaatlichen Grenzen hinaus und diskutiert über Begriffe wie Weltgesellschaft und Globalisierung. Allerdings sind solche Begriffe manchmal schon zu Floskeln verkommen und einige Sozialforscher sprechen von einer Renationalisierung.

Auch wenn die Soziologie als Fach langsam vom ihren Zentren aus in die Peripherien drängt, sind soziologische Publikationen aus Ländern wie Indien noch nicht so verbreitet.


QUELLEN UND LITERATUR:

Wiki
-
Kaesler, Dirk: Klassiker der Soziologie I. Von Auguste Comte bis Alfred Schütz; München (C. H. Beck) 2020
Kaesler, Dirkl: Klassiker der Soziologie II. Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu; München (C. H. Beck) 2020
Kaesler, Dirk: Aktuelle Theorien der Soziologie. Von Shmuel N. Eisenstadt bis zur Postmoderne ; München (C. H. Beck) 2020
Korte, Hermann: Einführung in die Geschichte der Soziologie; Stuttgart (UTB) 2000
Treibel, Annette: Einführung in Soziologische Theorien der Gegenwart; Stuttgart (UTB) 2000




Mittwoch, 5. Juni 2024

ZWISCHENSTAND: KLICKS AUF DIESEN BLOG

Zählen (Pixabay; Prawny)


Anzahl der Klicks: 637337




SIGMUND FREUD



* 06.05.1856 in Freiberg (heute: Pribor) in Böhmen
+ 23.09.39 in London, Großbritannien

Sigmund Freud war ein österreichisch-jüdischer Arzt und Begründer der Psychoanalyse.

Jung, Carl Gustav

Dienstag, 28. Mai 2024

BRETTSPIEL: GO

Go-Brett (Wiki)


Go verfügt über einfache Grundregeln, die in drei Komplexe zusammengefasst werden können.
Wenn man aber in die Details geht und mit taktischer Finesse spielen will, wird die Erklärung viel länger.
Informationen hierzu gibt es beim Deutschen Go-Bund (dgob), dessen Homepage als eine der Grundlagen dieser Seite diente.


1. Setzen:


Schwarz beginnt.

Die beiden Spieler setzen abwechselnd einen Stein ihrer Farbe auf einen freien Schnittpunkt.

Der Stein oder die dazugehörige Steinkette müssen mindestens eine "Freiheit" (waagerecht oder senkrecht ein freies Nachbarfeld) haben oder durch Schlagen gegnerischer Steine eine solche Freiheit erhalten.

Die Spieler dürfen jederzeit auf ihren Zug verzichten (passen).

Ein gesetzter Stein wird nicht mehr bewegt (außer er wird geschlagen).


2. Schlagen:


Verliert ein gegnerischer Stein (oder eine Steinkette) durch einen Zug die letzte Freiheit, so wird er als Teil des Zuges vom Brett genommen.


3. Ko (Ko-Regel):


Wurde vom Gegner im letzten Zug ein einzelner Stein geschlagen und könnte dieser Stein im nächsten Zug zurückgeschlagen werden, so dass eine identische Brettstellung wie vor dem letzten Zug entsteht, so ist der Zug nicht erlaubt.


Abrechnung:


Das Spiel endet, sobald beide Spieler nacheinander gepasst haben.
Danach werden alle gefangenen Steine vom Brett entfernt und in die Gefangenenschale gelegt.
Für jeden gefangenen Stein und jeden umzingelten Gitterpunkt gibt es einen Punkt.
Man kann auch vereinbaren, dass Weiß zusätzliche Punkte erhält, um den Anfangsvorteil von Schwarz auszugleichen (Komi).
Gewinner ist der Spieler mit den meisten Punkten.
Bei Gleichstand endet die Partie unentschieden (Jigo).


QUELLEN/LITERATUR:

Wiki
-
https://www.dgob.de/
Erläuterungen des Computerspiels igo(win)

Montag, 27. Mai 2024

COMPUTER-LEXIKON

Computer-Icons (pixabay.com; Camilo Garcia)


(2016 begonnen; 2024 wiederbelebt)

BSD - v. a. FreeBSD:

BSD steht für Berkeley Software Distribution. Eigentlich meint man damit das Berkeley-Unix, einen Zweig des berühmten Betriebssystems Unix (ähnlich wie System V einer ist), das aber nicht Unix genannt werden soll.
Das liegt einmal daran, dass BSD am Anfang eher ein Package von Erweiterungen für Unix war und zweitens daran, dass man so Lizenzstreitigkeiten aus dem Wege gehen wollte.

Unix an sich war in den 1970ern nach seiner Entwicklung um 1970 zunächst frei verfügbar. Das war damals auch nicht so ein "Thema", weil es noch nicht so viele Computer im Privatgebrauch gab. Erst mit der Wende zu den 1980ern wurde Unix zunehmend lizensiert und pilzte in viele Varianten auf.

Der Mathematiker Richard Stallman wollte dem entgegensteuern und gründete das GNU-Projekt. Aus diesem Projekt und den Leistungen von Linus Torvalds ging ab 1991 Linux hervor.

Man fragte sich, ob die BSD-Familie Ähnliches schaffen würde. Mitte der 1990er-Jahre war BSD noch in Rechtsstreitigkeiten verwickelt, aus denen man sich aber zunehmend herauswinden konnte. Unter bestimmten Bedingungen kann BSD (z. B. als Server) sogar Leistungsfähiger sein als Linux. Sein Problem ist aber, dass die Entwicklergemeinde viel kleiner ist  als die von Linux.
So hat man für BSD und besonders für FreeBSD eine Kompatibilität zu Linux-Software hergestellt, so dass die meisten Linux-Programme auch auf BSD laufen können.

BSD will wie Linux ein "freies Betriebssystem" sein, obwohl Freiheit anders definiert wird. Die Freiheit wird auch als wichtiger angesehen als reine Quell(code)offenheit.
Die andere Denkweise zeigt sich auch bei der Lizenz: Mit BSD-Code kann man relativ frei umgehen, darf aber den Urheber des Codes nicht verschweigen. Man darf den Code dann auch für kommerzielle Zwecke einsetzen, weshalb BSD (über NextStep/OpenStep, Darwin) die Grundlage für Apples macOS ist!
Die Lizenz von Linux ist dagegen viel präziser und enger gefasst.
Generell gilt BSD - anders als Linux - nicht als Kernel (Kern), sondern als autonomes Betriebssystem. Linux ist in der Form einer Distribution aber quasi auch als Betriebssystem einsetzbar.

Inzwischen gibt es BSD in 4 Hauptvarianten:
  • FreeBSD:
    • die meistgenutzte BSD-Variante
    • häufig als Server eingesetzt, aber auch als Desktop-OS einsetzbar
    • populäre Varianten: GhostBSD, PC-BSD/TrueOS (leider eingestellt)
  • OpenBSD:
    • hat den Anspruch, besonders sicher zu sein (vgl. Open-SSH)
    • Spin Doctor Theo de Raadt gilt als sehr eigenwillig
  • NetBSD:
    • man sagt, NetBSD sei auf vielen Plattformen - sogar Toastern - lauffähig!
    • im Desktop-Bereich spielt es aber kaum eine Rolle
  • DragonFlyBSD:
    • DragonFly ist eine Fork von FreeBSD



Grafikprogramme:


Grafikprogramme (Grafiksoftware) ist der Oberbegriff für Computerprogramme (Software) die der Erstellung und Bearbeitung von Grafiken aller Art dienen.

Man teilt z. B. nach Zielen und Zielgrafiken ein:
  • reine Anzeigeprogramme:
    • XnView, Irfanview, Gwenview
  • Bildbearbeitungsprogramme:
    • Photoshop, GIMP
  • Mal- und Zeichenprogramme:
    • Krita
  • 3D-Zeichenprogramme

Oder nach der Art der Darstellung:

  • Pixelgrafiken:
    • z. B. für Photos oder realistische Zeichengeräte wie Pinsel
    • Photoshop, GIMP, Krita
  • Vektorgrafiken:
    • v. a. für Symbole oder Grafiken, die vergrößert/verkleinert werden müssen
    • AdobeIllustrator, Inkscape
  • 3D-Voxelgrafiken:
    • selten; wie Pixelgrafiken in 3D (vgl. Minecraft)
  • 3D-Vektorgrafiken:
    • Blender

Grafiken können grob in Pixel- und Vektorgrafiken unterteilt werden.
Pixelgrafikprogramme arbeiten mit Bildpunkten, Vektorgrafikprogramme mit geometrischen Modellen, die mathematisch mit Hilfe von Vektoren berechnet werden.
Pixelgrafikprogramme sind gut geeignet für Photographie-Bearbeitung und Malprogramme mit "realitätsnahen" Zeichengeräten wie Bleistift und Pinseln.
Vektorgrafikprogramme haben zwar Schwierigkeiten mit bestimmten Detaildarstellungen, weil sie auf geometrischen Modellen beruhen, sie können dafür aber beliebig vergrößert und verkleinert werden.



IIS (Internet Information Services):

Internet Information Services (IIS, früher Internet Information Server) ist eine Diensteplattform des Unternehmens Microsoft für PCs und Server. Über sie können Dokumente und Dateien im Netzwerk zugänglich gemacht werden.
Kommunikationsprotokolle sind: HTTP, HTTPS, FTP, SMTP, POP3, WebDAV etc.
Es können auch ASP.NET-Applikationen gesetzt werden sowie eingeschränkt PHP und JSP (ISAPI-Filter).

IIS stammt von der Firma Microsoft und kann auf Microsoft-eigenen Betriebssystemen für den Netzwerkgebrauch eingesetzt werden. Dazu gehören Windows NT, Windows 2000 und deren Nachfolger.
Bei Betriebssystemen für den Endnutzer kann/können IIS erst seit Windows XP und dort auch nur eingeschränkt genutzt werden.



Linux bzw. GNU/Linux:

Linux ist ein Betriebssystem (bzw. ein Betriebssystemkern), das seit 1991 von Linux Torvalds (Finnoschwede) unter Zuhilfenahme von Vorarbeiten des GNU-Projektes von Richard Stallman aufgebaut worden ist.
Linux ist angelehnt an das Unix-Betriebssystem MINIX von Andrew Tanenbaum. Daher gilt es zwar nicht selber als Unix, aber als "unixoid" oder unixähnlich.

Linux legt großen Wert darauf, als FOSS - Free and Open-Source Software - zu gelten.
Seine Lizenz ist dabei deutlich komplizierter als die von BSD.

Linux kann bei den Betriebssystemen neben MS Windows und macOS unter die "Großen Drei" gezählt werden.
Bei den Endanwendern hat es zwar bei PCs und Notebooks nur einen Marktanteil von ungefähr 2 - 3 %, bei den Smartphones ist aber das verwandte Android (Bibliotheken stark verändert) und bei den Servern ist Linux inzwischen führend. Es hat dort viele Unix-Server abgelöst, die sich in verschiedene Versionen und Stammbäume verzweigt haben und oft kommerziell (gebührenpflichtig) waren.

Linux ist im Prinzip nur ein Betriebssystem Kern/Kernel, funktioniert mit einer Distribution aber wie ein reguläres Betriebssystem.
Die Zahl der Distributionen beträgt mehrere 100.
Trotzdem kann man sich einen Überblick verschaffen, indem man sich die 5 wichtigsten Linux-Familien ansieht und Distributionen verwendet, die bei Rankings wie dem von Distrowatch.com recht weit vorne sind.

Die 5 wichtigsten Linux-Familien:
  • Debian
    • Debian, Ubuntu, Mint, MX Linux, ...
  • RedHat:
    • RHEL, Fedora, CentOS, Nobara, ...
  • Arch:
    • Arch, Manjaro, EndeavourOS, Garuda, Artix, ...
  • Gentoo:
    • Gentoo, Sabayon, ...
  • Slackware:
    • Slackware, (open)SUSE (inzwischen unabhängig)



localhost:

"localhost" ist ein Domainname, der den lokalen Rechner (engl.: local host) benennt.
Der Begriff kommt aus der Netzwerktechnik.
Mit diesem Domainnamen können netzwerkfähige Computerprogramme (innerhalb eines Rechners) namensbasiert miteinander kommunizieren.

Die Internetstandards RFC 2606 und RFC 6761 reservieren localhost als Top-Level-Domain im Domain Name System (DNS). Sie soll einen statischen AAAA Resource Record bzw. einen A Resource Record auf IP-Adressen des Loopback-Interface enthalten.
Konkret: IPv6-Adresse : : 1 und IPv4-Adresse 127.0.0.1.
Einige DNS-Server setzen diese Empfehlung aber nicht um.
Unabhängig davon übersetzen Betriebssysteme aber localhost unter Verwendung der hosts-Datei in die oben genannten Adressen.




NAS:


NAS (Network Attached Storage) bezeichnet einen einfach zu verwaltenden Dateispeicher, der meist dazu eingesetzt wird, unabhängige Speicherkapazität in einem Rechnernetz (→ Storage) bereitzustellen.



Sound-Frameworks:


ALSA (Advanced Linux Sound Architecture):

ALSA ist eine freie Soundarchitektur für Linux-Systeme, die über (PCM-)Audio- und MIDI-Funktionalität verfügt. ALSA steht unter den Lizenzen GPL und LGPL.

ALSA besteht aus Linux-Kernelmodulen, die verschiedene Kerneltreiber für Soundkarten bereitstellen.
Verschiedene Aufgaben wie Sound, Midi, Wave, Synthesizer, Hardware werden durch einzelne Gerätetreiber im Soundstack abstahiert.
Eine Dolby-Digital-Widergabe ist möglich.
ALSA soll sicherstellen, dass in einem System mehrere Soundgeräte leicht handhabbar sind.
Andere Frameworks wie PulseAudio und JACK nutzen ALSA für professionelle Audiobearbeitung mit niedriger Latenz.

ALSA hat in vielen Fällen das Treibersystem OSS (Open Sound System) abgelöst.

Das System wurde auch für OS/2-basierte Betriebssysteme portiert.


GStreamer:

GStreamer ist ein freies Multimedia-Framwork.
Lizenz ist die LGPL.
GStreamer ist in C geschrieben und verwendet die Programmbibliothek GObject.
GStreamer ist ein Projekt von freedesktop.org.


JACK (JACK Audio Connection Kit; rekursives Akronym):

JACK ist ein Daemon bzw. eine Software-Schnittstelle für Audioprogramme.
Es ist für unixoide (Unix-ähnliche) Betriebssysteme konzipiert (POSIX-Standard).
Lizenzgrundlagen sind GPL und LGPL.

Der JACK-Daemon verwaltet die Ein- und Ausgänge von Audioprogrammen (z. B. Sequenzer, Synthesizer) und Audio-Hardware (z. B. Mikrofoneingang, Lautsprecherausgang) und routet die Audiosignale zwischen ihnen.
So können die Elemente eines computergestützten Tonstudios miteinander verbunden werden.

Der JACK-Server synchronisiert die Clients, indem er zu Festen Zeiten Callback-Funktionen aufruft, die einen Block von Audiodaten lesen oder schreiben.

Durch virtuelle Adapter kann man auch Programme, die nicht für den Einsatz mit JACK programmiert sind, unter JACK verwenden. Man denke hier an Software für ALSA oder OSS.

JACK hat eine niedrige Latenzzeit. Hierfür sind aber moderne Rechner mit modernen Betriebssystemen zu empfehlen.

Inzwischen gibt es benutzerfreundliche Oberflächen auf Basis von Qt- oder GTK-Bibliotheken für JACK.

Das Programm verwaltet zusätzlich noch das MIDI-Routing unter ALSA.

JACK funktioniert als Backend mit ALSA, PortAudio, FFADO/FreeBob und OSS..

Seit 2010 setzt sich neben Jack 1 immer mehr die Variante Jack2/jackdmp durch.
Jack 2 ist abwärtskompatibel, aber für modernere Computer optimiert.

HINWEIS: Wenn man Musikprogramme wie Rosegarden verwenden will, benötigt man dazu meistens noch zusätzliche JACK-Programme!


PulseAudio (PolypAudio):

PulseAudio ist eine netzwerktransparente, plattformunabhängige Sound-Middleware.
Der Pulse-Audio-Daemon ist ein zentraler Soundserver und eine Hardware-Schnittstelle mit zusätzlichen Hilfsprogrammen.
PulseAudio ist besonders gut auf unixoiden Betriebssystemen (POSIX-Standard) einsetzbar.
Es gibt auch Ansätze für Windows.
Die Lizenzgrundlage ist LGPL.

Ihre API lehnt sich an Konzepte des davon abgelösten Enlightended Sound Daemon (ESD) an.

Die Client-Bibliotheken sind auf jeder netzwerkfähigken Plattform nutzbar (auch eingebettet oder mobil).





Sonntag, 26. Mai 2024

KARTENSPIEL: SKAT

 
Kartenspiel - französisches Bild/Blatt


Die Spielkarten


Das Skat-Blatt besteht aus 32 Einzelkarten.

Farben:

  • Die Karten sind in 4 Farben unterteilt: Kreuz, Pik, Herz, Karo.
  • Man kann das Spiel mit Französischem Bild/Blatt, Deutschem Bild/Blatt oder mit Turnier-Bild/-Blatt (Französischem Bild mit deutschen Farben) spielen.
  • Traditionell werden im Französischen Bild/Blatt Kreuz und Pik schwarz dargestellt und Herz und Karo rot.
  • Heute neigt man dazu, dass Turnier-Bild/-Blatt (Französisches Bild mit Deutschen Farben) zu verwenden:
    Kreuz - schwarz
    Pik - grün
    Herz - rot
    Karo - gelb

Karten:
  • Das Blatt kann ein Französisches oder ein Deutsches sein (oder Französisches mit Deutschen Farben).
  • Zu jeder der 4 Farben gehören 8 Karten, also insgesamt 32:
    7, 8, 9, 10 (Zahlkarten); Bube, Dame, König, Ass (Bildkarten)
  • Jede Karte hat einen bestimmten Wert, genannt Augen, der für jede Farbe gleich ist:
    Ass     - 11
    10       - 10
    König - 4
    Dame - 3
    Bube  - 2
    9         - 0
    8         - 0
    7         - 0

Geben (Verteilen) der Karten

Jeder Spieler erhält 10 Karten.
Zwei Karten bleiben verdeckt auf dem Tisch liegen: Skat.

Der Spieler auf Platz 1 ist erster Kartengeber. Dann muss der rechte Nachbar einmal abheben. Es müssen mindestens vier Karten abgehoben werden oder liegen bleiben.

Die Karten werden im Uhrzeigersinn, von links beginnend, verteilt:

  • 3 Karten je Spieler
  • 2 Karten (Skat) verdeckt auf den Tisch
  • 4 Karten je Spieler
  • 3 Karten je Spieler

Nach dem Geben nimmt jeder Spieler seine Karten auf. Der Skat bleibt verdeckt liegen.

Im nächsten Spiel gibt derjenige, der im aktuellen Spiel in Vorhand sitzt.

Der Mitspieler links vom Geber heißt Vorhand (zuerst die Karten erhalten), der nächste Spieler Mittelhand und der letzte Spieler Hinterhand.

Vorhand spielt grundsätzlich zum ersten Stich aus.


Ablauf und Ziel des Spieles

Jedes Spiel wird in zwei Parteien gespielt, dem Alleinspieler und den (beiden) Gegenspielern.

Der Alleinspieler wird durch das Reizen ermittelt. Ihm gehört der Skat und er sagt das Spiel an.

Im Skat-Spiel geht es um Stiche.
Wenn Vorhand eine Karte ausgespielt hat, geben Mittelhand und Hinterhand eine Karte hinzu.

Der Spieler, der den Stich macht, wird neue Vorhand und spielt aus.

Ziel ist es, den Stich zu gewinnen, indem man...
  • innerhalb einer Farbe den höchsten Wert (Augen) ausspielt
  • oder mit Trumpfkarten die übrigen Farben sticht
Wenn alle Karten ausgespielt sind, werden die Werte (Augen) der Parteien gezählt.

Ziel des Spieles ist es, möglichst viele Augen zu erhalten.
Der Alleinspieler gewinnt mit 61 Augen, die Gegenspieler mit mindestens 60 Augen.

Es gibt Ausnahmen, bei denen höhere Gewinnstufen (mit mehr Augen) angesagt werden.
Das gilt besonders für den Alleinspieler und kann bis dahin gehen, dass er alle Stiche machen muss (sogar die Nullspiele).


Die Spielarten

Der Alleinspieler sagt das Spiel an. Es gibt 3 Spielarten:

  • Farbspiele: häufig
    Beim Farbspiel gibt es 11 Trumpfkarten
    • Buben: Kreuz, Pik, Herz, Karo
    • vom Alleinspieler bestimmte Trumpffarbe: Reihenfolge der Augen
    • Mit jeder höheren Trumpfkarte kann eine niedrigere übernommen werden.
      Aber auch die niedrigste Trumpfkarte sticht noch die Asse der anderen 3 Farben.
     
  • Grand: bei guten Skatspielern
    Im Unterschied zu den Farbspielen gibt es beim Grand nur die 4 Buben als Trumpfkarten.
    • Ihre Reihenfolge ist: Kreuz, Pik, Herz, Karo.
    •  Die Farben sind gleichwertig.
     
  • Nullspiele: selten (ca. 7 %)
    Die Nullspiele haben eine Sonderstellung.
    • Der Alleinspieler darf keinen Stich machen.
    • Bei den Nullspielen gibt es keine Trumpfkarten (auch die Buben sind eine Farbe).
    • Die Augen der Karten sind bedeutungslos.
    • Die Rangfolge ist (abfallend):
      Ass - König - Dame - Bube - 10 - 9 - 8 - 7

Das Bedienen


Ausspielen:

Wenn man in Vorhand für einen (neuen) Stich ausspielt, darf man jede seiner Karten ausspielen.
In Mittel- und Hinterhand muss man bedienen.
Eine Karte der ausgespielten Farbe muss zugegeben werden. Sie kann höher oder niedriger sein.
Hat man aber keine Karte mit passender Farbe ("farbfrei"), darf man jede beliebige Karte zugeben. Es besteht kein Stechzwang!

Definition: Stechen bedeutet, eine (andere) Farbe mit einer Trumpfkarte zu übernehmen.

Stechen:

Es gibt mehrere Arten, Stiche zu machen:
  • Bei drei Karten einer Farbe sticht die Karte mit dem höchsten Wert.
  • Bei drei Trumpfkarten sticht die ranghöchste Trumpfkarte.
  • Bei zwei Farbkarten und einer Trumpfkarte sticht die Trumpfkarte.
  • Bei einer Farbkarte und einer Trumpfkarte sticht die höhere Trumpfkarte (z. B. Pik-Bube).
  • Bei drei Karten verschiedener Farbe sticht die zuerst gespielte (= "richtige") Karte.
  • Bei zwei Karten einer Farbe und einer Karte einer anderen Farbe erhält die höhere Karte der zweimal vertretenen Farbe den Stich (wenn ausgespielt).

Das Reizen

Das Reizen bestimmt, wer Alleinspieler wird.
Auf das Reizen lässt man sich dann ein, wenn man gute Karten für ein Alleinspiel hat.

Das Reizen geschieht geordnet durch Zurufen von Zahlen.

Mittelhand beginnt, vorhand zu reizen. Sie nennt also eine Zahl oder passt.
Wenn Vorhand hört/hält und nicht passt, muss Mittelhand einen höheren Wert bieten.
Wenn einer der beiden passt, setzt Hinterhand das Reizen gegen die Übrigen fort.

Jeder Spieler nennt erst das niedrigste Gebot und steigert dann. Es ist nicht vorgeschrieben, dass man ausreizen muss.

Durch das Passen verzichtet ein Spieler auf das Weiterreizen.
Passen alle Spieler sofort, ist das Spiel "eingepasst" und die Karten werden neu gegeben.

Merkregel:

  • Vorhand kann nur hören
  • Mittelhand kann sowohl reizen als auch hören
  • Hinterhand kann nur reizen.

Handspiel oder Skataufnahme?

Der Skat gehört grundsätzlich dem Alleinspieler.

Wenn man das Spiel beim Reizen erhalten hat, wird man gefragt, ob man den Skat aufnehmen oder ein Handspiel ansagen möchte.

Bei einem Spiel mit Skataufnahme nimmt der Alleinspieler den Skat auf und legt dann zwei beliebige Karten wieder in den Skat ("drücken"). Dann erfolgt die Spielansage.

Ein Richtwert besagt, dass man den Skat eher aufnehmen sollte. Ungefähr 10 - 15 % aller Spiele eignen sich für das Handspiel.
Spielt man aber dennoch Hand, so bleibt der Skat verdeckt liegen. Man verfügt dann nur über seine 10 Handkarten.
Ein Handspiel hat meist 2 Gründe:
  • Die Erhöhung des Spielwertes/Reizwertes.
  • Wenn man das Blatt durch die Skataufnahme (wahrscheinlich) nicht verbessern kann.

Der Spielwert

Ziel ist es, möglichst viele Punkte zu erhalten.

Beim Reizen:

Beim Reizen muss man häufig Alleinspieler werden, um ein Spiel anzusagen (viele Punkte!).
Je höher der Spielwert eines geplanten Spieles ist, umso höhere kann man reizen und so einen anderen Spieler überbieten.

In der Spielabrechnung:

Je höher der Spielwert ist, umso mehr Punkte erhält man nach einem gewonnenen Spiel in der Spielabrechnung.


QUELLEN/LITERATUR:

Wiki
-
Isar Interactive
offizielle und private Regeln