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Donnerstag, 3. August 2023

THOMAS VON AQUIN

* 1225 in Roccasecca/Aquino
+ 1274 Fossanova


Thomas von Aquin war ein Dominikaner und ein sehr einflussreicher Philosoph und Theologe.
Mit ihm erreichte aus Sicht der Theologie das mittelalterlich Denken einen seiner Höhepunkte. In Thomas' Werken vereinigen sich christliche Traditionen mit einer neu verstandenen aristotelischen Philosophie. Bei deren Rezeption wirkte arabischer und jüdischer Einfluss mit.
Im Jahre 1323 wurde Thomas heiliggesprochen. Er wurde für Jahrhunderte der wichtigste Lehrer der katholischen Kirche. Durch die Säkularisierung von Kunst und Wissenschaft in der Renaissance und den folgenden Epochen erschien der Thomismus aber zunehmend als rückständig.


Thomas von Aquin wurde 1225 in der Familie der Grafen von Aquino auf Schloss Roccasecca im Königreich Sizilien geboren. Die Eltern bestimmten ihn für den geistlichen Stand.
Von 1230/31 an besuchte er die Schule des Benediktinerklosters Monte Cassino und von 1939 bis 1244 die von Kaiser Friedrich II. gegründete Universität Neapel, um die sieben Artes Liberales (Freie Künste) zu studieren.
Danach trat er in den Bettelorden der Dominikaner ein, der damals noch neu war. Die Familie war davon nicht amüsiert, entführte ihn und setzte ihn für ein Jahr fest, was Thomas jedoch nicht umstrimmen konnte.
Thomas ging 1245 zum Studium nach Paris zu Albertus Magnus. 1248 folgte er ihm nach Köln. Dort war die dominikanische Ordenshochschule gerade neu gegründet worden. 1252 wurde er von den Dominikanern zurück nach Paris geschickt, wo er im Dominikanerkonvent und dann ab 1259 an der noch relativ neuen Universität lehrte. Hier wurde er in diverse Streitereien verwickelt, z. B. um die Rolle von Bettelorden an der Universität. 1256 wurde Thomas Magister der Theologie.
1259 kehrte er nach Italien zurück. Er hielt sich bis 1968 an verschiedenen Orten auf, u. a. am päpstlichen Hof und als Lehrer an verschiedenen Ordensstudien.
1269 kehrte Thomas doch noch einmal nach Paris zurück, weil hier inzwischen ein heftiger Konflikt um die richtige Aristoteles-Interpretation entbrannt war. Thomas war hier auch literarisch sehr produktiv.
Die Hauptgegner des Thomas waren weltliche Aristoteliker und konservativ-augustinische Franziskaner.
1272 ging Thomas von Aquin nach Neapel. konnte jedoch nur noch kurz lehren. 1274 starb er auf dem Weg zum Zweiten Konzil von Lyon in Fossanuova.
Thomas hinterliess ein umfangreiches literarisches Werk, stieg aber formell nie in der Kirchenhierarchie auf, sondern blieb ein einfacher Ordensbruder.

Thomas Werk ist eng mit seiner universitären Lehre verbunden. Und es ist äußerst umfangreich. Die großen systematischen Schriften sind als Lehrbücher konzipiert.
Aus seinem "Kommentar über die Sentenzen des Petrus Lombardus" (1254-56) entwickelte er eine große Abhandlung über Theologie. In der "Summa contra gentiles" (Summe/Zusammenfassung gegen die Heiden; 1256-1259) setzt er sich mit islamischer Philosophie auseinander. In der "Summa theologiae" (1267-73) beschreibt er umfangreich das "wissenschaftliche" Denken des 13. Jhd.s und versucht sich an der Konstruktion einer Weltordnung.
Die Erörterung von Themen orientiert sich bei Aquin an der Literaturform der "Quaestio" (wörtl.: Frage) und damit an der Disputation an mittelalterlichen Universitäten.
Einander entgegengesetzte Positionen zu wissenschaftlichen Einzelfragen waren zu widerlegen oder in Einklang zu bringen. Die "Quaestiones disputatae" (Erörterte Streitfragen"; 1256-1269), in denen es um die Macht Gottes, das Böse, die Seele und andere Streitfragen geht, sind als ein Kondensat der vielen Disputationen Thomas' aus seiner Zeit in Paris zu sehen.
Selbständige Ideen entwickelte er in seinen Kommentaren zu Abschnitten der Bibel und zu Aristoteles, den Thomas sehr detailliert erläutert hat.
Thomas von Aquin ging methodisch etwas anders vor als sein Lehrer Albertus Magnus und stellte die Thesen des Aristoteles' nicht breit vor, sondern ging auf einzelne Probleme näher ein. Damit trieb er deren wissenschaftliche Erörterung voran.

Thomas Aquin wird die Leistung zugesprochen, ähnlich wie die Kirchenlehrer der Spätantike eine Synthese von heidnisch-antikem und christlichem Gedankengut erreicht zu haben. Einige Forscher sprechen von einer Christianisierung der aristotelischen Philosophie. Man kann auch von einer Erweiterung der neuplatonisch beeinflussten augustinischen Lehren um aristotelische Mittel und Methoden sprechen. Man hatte jetzt ein neues Raster zur Einordnung der reellen Welt.
Die Natur des Menschen ist bei Thomas nicht mehr grundsätzlich verderbt durch den Sündenfall, sondern soll so erforscht werden, wie sie ist und im Zusammenhang mit der gesamten Seinsordnung gesehen werden. Thomas nimmt somit Ansätze der modernen Anthropologie und der Sozialwissenschaften voraus, bleibt aber bei seinen Betrachtungen innerhalb der göttlichen Ordnung.

Die göttliche Ordnung steht aber für Thomas der menschlichen Erkenntnis offen.Die Untersuchung der einzelnen Naturgegenstände auf ihre inhärente Struktur ist sogar eine Bedingung für die Erkenntnis Gottes, welche nach wie vor das höchste Ziel aller Erkenntnis überhaupt ist.
Thomas geht aber nicht mehr davon aus, dass eine asketisch-spirituelle Weltabgewandtheit oder ein Verlassen auf göttliche Erleuchtung zum Gewinn von Erkenntnis ausreichen.

Thomas von Aquin setzt sich hier also ganz klar von der augustinischen Denktradition ab und zieht erkenntnistechnisch die produktive Tätigkeit dem rein kontemplativen Verhalten vor.
Dabei bestimmen sich Gegenstand und erkennender Verstand gegenseitig.
Dem Intellekt fällt die Aufgabe zu, abstraktiv das Wesen aus den zumeist sinnlich gegebenen Einzeldingen herauszulösen. 
Aquins sogenannter Gottes"beweis" besteht nun darin, dass er meint, die logisch bestimmbare Ordnung müsse eine göttliche Ursache haben. Deshalb hätten auch die Wissenschaften vom endlichen Seienden ihre Begründung in der Theologie.

Andererseits ist Aquins Erkenntnistheorie, die er weit über die aristotelische Quelle hinaustreibt, ein Zeichen dafür, dass die thomasische Wissenschaft der Welt produktiv zugewandt ist.
Der aktive Intellekt löst die abstrakten Wesensformen aus den konkreten Dingen heraus ("abstraktiv"), um sie dem aufnehmenden "intellectus possibilis" (mit dem Gedächtnis verbunden) als dem begrifflichen Erfahrungsschatz einzuprägen. Diese Begriffe leiten nun die Erfahrung und führen zur Gewinnung von neuer Erkenntnis.

Im Zusammenhang mit dieser Erkenntnislehre und weiteren Lehren unterstreicht Thomas die Klassifizierung der Theologie als Wissenschaft. Der Gegenstand der Theologie erschließt sich nach Thomas dem logisch darstellbaren Wissen, nicht einem vernunftslosen Glauben.
Der Glaube darf der Vernunft nicht widersprechen (das wäre sonst dem Menschen wesensfremd und außerdem wider die von göttlicher Vernunft erzeugte Natur).
Glaube und Wissen gehören für Thomas zusammen. Die Philosophie gründet in der (objektiv-vernünftigen) Glaubenslehre.
Den Maßstab für Vernunft findet Thomas bei antiken Denkern sowie deren Bearbeitung durch Araber und Juden.

(vgl. Wulff D. Rehfus: Geschichte der Philosophie I - Antike und Mittelalter, S. 109)

Unter diesen Voraussetzungen konnte Thomas seine Lehre von der natürlichen Ordnung der Welt (ordo naturae) als Metaphysik entfalten. Im Anschluss an Aristoteles und über ihn hinaus hat Thomas die Theorie von Sein, Seiendem und Wesen weiterentwickelt. Er wollte damit Extrempositionen im Universalienstreit des Mittelalters, indem es um die Realität der Allgemeinbegriffe ging, vermeiden und vielleicht sogar das Problem lösen.
Die neuplatonischen Realisten hatten nur den allgemeinen Wesensbestimmungen der Gattung und Art ein Sein zugeschrieben, das Individuum war für sie dagegen nur eine Vereinigung unwesentlicher Merkmale (Akzidenzien).
Die Nominalisten des 12. Jhd.s hielten dagegen nur die von sich aus unverbundenen individuellen Dinge für real, während die Allgemeinbegriffe lediglich subjektive Zeichen seien.
Für Thomas ist diese Kontroverse gegenstandslos gworden, weil er wie Aristoteles vom sinnlich gegebenen Einzelding ausgeht und nach den Bedingungen dafür fragt, dass es so ist, wie es ist.
Die letzten substanziellen Momente jedes Seienden sind die unbestimmte, aber des Bestimmtwerdens fähige Materie und die in sich bestimmte, die Materie bestimmende Form. Beide können nur vereinigt existieren. Die Wesensform der vielen Exemplare einer Spezies prägt sich der aufnahmefähigen Materie stets in gleicher Weise als Qualität ein. Daher ist diese als bloß quantitativ bestimmte (M.) das Prinzip der Individuation. Das Allgemeine hat danach Existenz im Individuum, das seinerseits durch sein Wesen mit den anderen Individuen seiner Art in seinem Sein verbunden ist.

Diese Metaphysik der Seinsanalogie erlaubte es Thomas, die Welt als kontinuiertliche Verwirklichung der göttlichen Vernunft zu konzipieren. Wie der Handwerker sein Werkstück vor seiner Verwirklichung als Form im Kopf hat, so hat Gott die Wesensformen aller natürlichen Dinge von Ewigkeit gedacht und durch die Schöpfung der Materie eingeprägt.
Die überindividuellen und unanschaulichen platonischen Ideen vereinigt Thomas mit den sinnlich gegebenen individuellen Dingen.
Dies war nicht ohne Widerspruch möglich und stieß schon eine Generation später auf die Kritik des ockhamschen Nominalismus.
Dennoch unternahm Thomas einen Anlauf, Allgemeines und Besonderes (spekulativ) zusammenzubringen. Erst mit Leibniz, Hegel u. a. dachte man weiter.

Nach Thomas ist Gott der reine, sich durch sich selbst wissende Intellekt. Er ist vollkommenes Selbstbewusstsein (actus purus), nicht bloß Mögliches, das zu etwas noch nicht Seinendem werden könnte.
In dieser Bestimmung Gottes, die von der neuzeitlichen verschieden ist, liegt der für Thomas charakteristische Primat der Vernunft.
Der Wille Gottes untersteht in diesem Sinne seiner Vernunft, so dass Gott nichts Widervernünftiges wollen kann. Für die Menschen, die Gott durch ihren Verstand ähnlich sind, gilt der Primat des Intellekts über den Willen. Ihre Freiheit liegt nicht in der grundlosen Spontaneität des Willens, sondern in der vernünftigen Erkenntnis dessen, was ist (und was sein soll).
Das reine Selbstverhältnis Gottes wird für den menschlichen Intellekt als "imago trinitatis" (Bild der Dreieinigkeit) bestimmend.

Aus der Unwandelbarkeit des göttlichen Willens folgt die Grundlage des thomasischen Naturrechts.
Da dieser Wille wesenhaft vernünftig ist, können die Menschen das ihrer eigenen Natur entsprechende moralische Gesetz werkennen. Ihre Vernunft ist notwendig gesellschaftlich. Jeder Einzelne kann daher das gesellschaftlich und politisch Gebotene einsehen, ohne durch herrschaftliche Gewalt zum Gehorsam gezwungen zu werden. Der oberste Zweck jedes Gemeinwesens ist aber dessen gemeinsames Wohl (bonum commune). Gegen eine Herrschaft, die gegen diesen obersten politischen Zweck verstößt, ist nach Thomas Widerstand geboten.


QUELLEN UND LITERATUR:

Chenu, M. D.: Das Werk des hl. Thomas von Aquin; Heidelberg/Granz 1960
Heinzmann, R.: Thomas von Aquin. Eine Einführung in sein Denken; Stuttgart 1994
Mensching, G.: Thomas von Aquin; Frankfurt 1995
Rehfus, Wulff D.: Geschichte der Philosophie I - Antike und Mittelalter
Torrell, J.-P.: Magister Thomas. Leben und Werk des Thomas von Aquin; Freiburg (Br.) 1995
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UTB Online-Wörterbuch Philosophie (Handwörterbuch Philosophie)


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