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Sonntag, 9. Februar 2014

LINKSEXTREMISMUS WELTWEIT

USA


THE WEATHERMEN (WEATHER UNDERGROUND [ORGANISATION], WEATHER PEOPLE)


Die Weathermen waren eine linksextreme militante Untergrundorganisation in den USA ("Guerilla"), die sich am Ende der 1960er-Jahre im Zusammenhang mit der Radikalisierung der Proteste gegen Autoritarismus, Rassismus und Vietnamkrieg gebildet hat und bis in die 1970er fortwirkte. Die Weathermen haben mehrere Bombenanschläge verübt, bei denen wahrscheinlich niemand ums Leben gekommen ist. Möglicherweise waren aber einige Tötungen/Morde beabsichtigt.

Man muss dazu sagen, dass es im Zusammenhang mit den politischen Bewegungen der 60er-Jahre, in Deutschland spricht man von der 68er-Bewegung, fast überall in der Welt zu einer Radikalisierung von Teilen der Jugend kam. Berühmt sind die Aktivismen in den USA, Frankreich, Italien und Deutschland, sehr intensiv waren aber auch die weniger bekannten Aktionen in Japan.

Bernardine Dohrn und Mike Klonsky bei einer Kundgebung

In den USA war der Studentenbund Students for a Democratic Society (SDS; nicht zu verwechseln mit dem deutschen SDS) aktiv in die Bürgerrechtsbewegung eingebunden. Innerhalb des SDS kam es nun zu einer Radikalisierung gegen Ende der 60er-Jahre. In diesem Zusammenhang erschien ein ideologisch prägendes Flugblatt mit dem Titel "You don't need a weatherman". Damit sollte an den Text des damals bekannten Songs von Bob Dylan erinnert werden. Die Herausgeber erklärten sich solidarisch mit den Kämpfern der Black Panther Party und des Vietcong. Sie stellten aber auf Basis einer marxistischen Solidarisierung mit den Bewegungen der Dritten Welt (wahrgenommen als "Befreiungsbewegungen") fest, dass es den weissen Arbeitern in den USA an einem Bewusstsein fehle, sich mit ihren Klassengenossen in den Ländern der Dritten Welt zu solidarisieren. Die US-Arbeiter seien tendenziell nationalistisch, rassistisch und damit anti-revolutionär. (Ähnliche Ideen fanden sich z. B. auch in der Frankfurter Schule und dort besonders bei Herbert Marcuse.)

Radikalisierend auf die Stimmung wirkten sich brutale Polizeieinsätze beim Partei Tag der Demokraten und bei anderen Protestkundgebungen aus. Hinzu kamen noch geheimpolizeiliche Vorgehensweisen gegen Aktivisten der Black Panther Party und gegen aufständische Gefangene.
So kam es in Chikago bei den "Days of Rage" gegen den Vietnamkrieg zu heftigen Strassenschlachten mit der Polizei, die mit einem Toten endeten und zum Tod von Fred Hampton.
Unterschwellig wirkten aber auch Hypernationalismus, Autoritarismus und ein latenter Rassismus in der US-Gesellschaft sowie auf der anderen Seite ein Hyperaktivismus der rebellischen Jugend eskalierend.
Die Weathermen, die den klassischen SDS für zu lasch hielten, erklärten daraufhin dem Staat und seinem Machtapparat den Krieg, gingen in den Untergrund (Underground) und machten sich zur Stadtguerilla.

Der eigentlich eingängige Name Weathermen (gewählt nach dem Dylan-Song) wurde aufgrund feministischer Einflüsse in Weather People und dann in Weather Underground (Organisation) umgeändert.
Die Weathermen attackierten Regierungsgebäude und Einzelpersonen. Dabei kamen auch eigene Aktivisten durch eine zu früh detonierte Bombe ums Leben.
Die Weathermen operierten aber auch in der damals aufkommenden alternativen Subkultur und hatten Kontakt zu Hippie- und Drogennetzwerken wie die "Brotherhood of Eternal Love" (BEL). Es gab in der damaligen Zeit bestimmte Treffpunkte für Aussteiger, in denen sich auch die Aktivisten der WUO wohl fühlten. Auch die radikale Gruppierung der Yippies wurde von ihnen unterstützt.
Die Zusammenarbeit mit diesen Hippiegruppen manifestierte sich auch in der Befreiung von Timothy Leary aus dem Gefängnis im Jahre 1970. Die Brotherhood of Eternal Love hatte Geld und Material gespendet.
Die Weathermen führten aber auch gefährliche Bombenanschläge durch, einmal sogar auf das US Kapitol.
Sie selber rechtfertigten dieses Vorgehen aber mit dem Ziel, den in Vietnam tätigen US-Imperialismus zu bekämpfen und "den Krieg nach Hause zurückzubringen".

Mindestens ebenso problematisch ist aber die positive Kommentierung der durch Mitglieder der Manson Family im August 1969 begangenen Tate-LaBianca-Morde, deren Urheber gegen Jahresende der Öffentlichkeit bekannt wurden und die in der radikalen Szene durchaus Sympathieäusserungen hervorriefen.
Bernardine Dohrn äusserte sich besonders zynisch über die Morde und radikale SDS-Anhänger sollen sich untereinander mit drei erhobenen Fingern gegrüsst haben (statt der revolutionären Faust), die die Gabel symbolisieren sollten, die in einer der Leichen steckte.

Mit der Zeit kam es zu internen Streitereien. Mitte der 70er-Jahre entstand der legale Ableger Prairie Fire Organizing Committee (PFOC), in dem auch die Schwester von Bernardine Dohrn mitarbeitete.
Es gab aber auch radikalere Abspaltungen wie die Armed Resistance Unit (ARU).
Es war klar, dass das FBI es darauf abgesehen hatte, die Gruppe zu unterwandern. Schon bei den "Kriegsräten" des SDS waren Informanten dabei und die Black Panther Party hatte man durch Spionage, Sabotage und Subversion unterhöhlt. Später entdeckte man, dass dahinter ein spezielles Spionageabwehrprogramm stand, dass vom FBI COINTELPRO genannt wurde.
Ab 1976 wurde die Überwachung der Gruppe durch das FBI auch offiziell bekannt.
Heute wird die Gruppe vom FBI als "ehemalige inländische terroristische Gruppe" eingeschätzt und eingeordnet. Ende der 70er-Jahre tauchten viele Mitglieder der Weatherman/des Weather Underground wieder auf, darunter auch Bernardine Dohrn und Bill Ayers. Viele Gerichtsverfahren mussten eingestellt werden, weil dem FBI illegale Ermittlungsmethoden vorgeworfen wurden.
Den angeklagten Politaktivisten ist es dabei gelungen, ihre Taten als Übereifer im Kampf für die Bürgerrechte dazustellen. Etwas anders stellten dies FBI-Informanten wie Larry Grathwohl dar, die erzählten, dass die Führungskader der Weathermen sich einen Einmarsch roter Mächte wie China oder die Sowjetunion gewünscht hatten und dabei bereit waren, den Tod von Millionen Menschen hinzunehmen.
Etliche Mitglieder waren weiterhin politisch aktiv, z. B. im "antifaschistischen" Kampf gegen den Ku-Klux-Klan.
Einen besonders schlimmen Nachhall hatten die Aktionen der Weathermen im sog. "Brink's robbery". Bei diesem Raubüberfall sollte ein Geldtransport überfallen werden. Beteiligt waren ehemalige Kämpfer der Weathermen als Revolutionary Armed Task Force (RATF) sowie der Black Liberation Army (BLA), die als radikaler Arm aus der Black Panther Party hervorgegangen ist.
Die Angreifer wurden von Polizisten und privaten Sicherheitsleuten umstellt und ergaben sich zum Schein, um dann doch noch schnell zur Waffe zu greifen. Dabei wurden zwei Polizisten und ein privater Wachmann getötet. Dave Gilbert und Kathy Boudin von den Weathermen wurden zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Dave Gilbert wird möglicherweise den Rest seines Lebens in Gefangenschaft verbringen.

Prominente Mitglieder der Organisation waren Bernardine Dohrn, Bill Ayers, Kathy Boudine, Mark Rudd, Matthew L. Steen.

Bill Ayers und Bernardine Dohrn

Viele Mitglieder der Weathermen fanden später ins "bürgerliche Leben zurück". Bernardine Dohrn und Bill Ayers wurden Universitätsdozenten, die sich mit juristischen und pädagogischen Themen befassten und weiterhin versuchten, die Gesellschaft in ihrem Sinne zu ändern. Doch nun verwendeten sie friedliche Mittel.
Sie kämpften unter anderem gegen die von ihnen so wahrgenommene "Überrüstung" der USA und gegen überlange Haftstrafen des Justizsystems.
Mark Rudd wurde Dozent für Mathematik.

Das Thema "Radikale" wurde mit der Zeit unter der Rubrik "60er-Jahre" abgeheftet und geriet fast in Vergessenheit. Einige an der 60er-Thematik interessierte Zeitgenossen stellten aber fest, dass über die Weathermen ab und zu Bücher erschienen. Auch einige Aktivisten selbst sahen sich irgendwann dazu veranlasst, ihre Memoiren zu schreiben. Durch das Internet, das erst ab den 90er-Jahren einem bereiteren Personenkreis zur Verfügung stand, konnte man ab und zu Neuigkeiten lesen.
Für die Öffentlichkeit kam das Thema aber erst im Jahre 2008 während des Präsidentschaftswahlkampfes von Barack Obama plötzlich wieder zum Vorschein - und zwar jetzt als politische Munition. Obama wurde vorgeworfen, sich nicht nur von Bürgerrechtlern, sondern auch von Linksradikalen beraten haben zu lassen. Bill Ayers und Bernardine Dohrn sollen ihn sogar ("auf seinem Sofa") zur Präsidentschaftskandidatur überredet haben.
Der daraufhin erhobene Vorwurf, Obama sei ein Marxist oder ein Kryptomarxist, ist sicher nicht richtig, allerdings scheint es so gewesen zu sein, dass er sich nicht ausreichend für die radikale Seite einiger seiner Berater interessiert hat (absichtlich oder fahrlässig?).
Ähnliche Vorwürfe wurden bei Obamas geistlichem Berater und bei seinem umweltpolitischen Berater Van Jones erhoben. Letzter musste 2009 zurücktreten.


KRITIK

Die Weathermen werden heute allgemein als durchgeknallte Organisation des linksradikalen Spektrums gesehen, die bereit war, brutale Bombenanschläge durchzuführen und dabei Menschenleben zu riskieren.
Die Anhänger der WUO bzw. "vermittelnde Meinungen" weisen darauf hin, dass die Aktivisten damals auf eine Gesellschaft voller rassistischer Ressentiments getroffen sind, die gleichzeitig noch den Vietnamkrieg gut hiess (ursprünglich war der später umstrittene Krieg in der US-Bevölkerung allgemein akzeptiert!).
Auch die autoritären Erziehungsstrukturen der damaligen Zeit werden ins Feld geführt. Bill Ayers gab einmal zu, dass er die Schule von Anfang bis Ende gehasst habe.
Trotzdem zeigt die Organisation auch, dass eine plötzlich freigesetzte Energie junger Menschen in Verbindung Spass am radikalen politischen Kampf eine äusserst gefährliche Sprengwirkung haben kann - übertragen wie reell.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Tatsache, dass die meisten Aktivisten aus privilegierten Schichten stammten und in einer Zeit leben, in der das Leben für Akademiker in westlichen Industrieländern ziemlich sicher war.
Es herrschten relativ liberale Studienordnungen und (besonders verglichen mit heutigen US-Verhältnissen) geringe Studiengebühren vor. Ausserdem sorgte die von den Aktivisten kritisierte scharfe Selektion der Studenten dafür, dass sie selbst wenig Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt zu befürchten hatten.


LITERATUR:

Ayers, Bill: Flüchtige Tage. Erinnerungen aus dem Weather Underground; 2010
(übersetzt von Walter Hartmann und "Pociao")
(Originaltitel: Fugitive Days. Memoirs of an Antiwar Activist; 2009)
Jacobs, Ron: Woher der Wind weht...: Eine Geschichte des Weather Underground; 1999
(übers. von Hans Kittel)
(Originaltitel: The Way the Wind Blew. A History of the Weather Underground; 1997)
Mark Rudd (& William Morrow): Underground. My Life with SDS and the Weathermen; 2010


FILME

Underground; 1976
The Weather Underground; Regie: Sam Green/Bill Siegel; 2005


JAPAN


JAPANISCHE ROTE ARMEE

Die Japanische Rote Armee (jap. 日本赤軍 Nihon Sekigun) war eine linksgerichtete Terrororganisation bzw. aus eigener Sicht Guerilla oder Befreiungsbewegung, die von Fusako Shigenobu, einer Studentin der Meiji-Universität, gegründet und geführt wurde. Die Gruppierung entstand ab 1969 nach langjährigen Protesten gegen US-Japanische Sicherheitsverträge, sowie gegen allgemeine autoritäre Verhältnisse in der Gesellschaft und an Hochschulen. Diese Proteste währten schon vor den weltweiten Krawallen in den späten 60er-Jahren und wurden v. a. vom linken Studentenverband Zengakuren angeführt. Trotzdem wird auch die JRA von einigen Beobachtern als Zerfallsprodukt der Protestbewegungen der späten 60er-Jahre bewertet.

Fusako Shigenobu in einem Interview 1973

Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass in Japan die politischen Krawalle der 60er-Jahre ein ungeheures Ausmass hatten. Es kam aber auch zu Spaltungen innerhalb der Protestbewegung und zu schweren Kämpfen zwischen den Fraktionen. Hinzu kommt noch, dass sich einige Aktivisten aufgrund des immer stärkeren Verfolgungsdrucks in Japan selber und die distanzierte Haltung der offiziell kommunistischen Staaten China und Nordkorea eine Neuorientierung der Gruppe in Richtung des arabischen Raumes zur Folge hatte, was aber auch zur Abhängigkeit von arabischen "Terrorfürsten" wie Gaddafi und von Ostblock-Geheimdiensten zur Folge hatte.

Die Japanische Rote Armee wird häufig verwechselt mit anderen linksterroristischen Gruppen aus Japan:
- Sekigun-ha (赤軍派): Rote-Armee-Fraktion
  (eigtl. Kyósan shugisha dómei sekigun-ha - "Rote-Armee-Fraktion des Bundes der Kommunisten")
- Rengó Sekigun (連合赤軍): Vereinigte Rote Armee

Die Japanische Rote Armee versuchte zunächst, in Japan selbst Anschläge durchzuführen. Ihr Ziel war die Durchsetzung marxistisch-leninistischer Vorstellungen. Die Japaner sahen mit China und Nordkorea kommunistische Staaten als vermeintliche Vorbilder direkt vor ihrer Haustüre. In China tobte zur damaligen Zeit gerade die Kulturrevolution und sandte rote Impulse aus.
Gleichzeitig unterhielten die USA nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan wichtige Basen, die in den 60er-Jahren im Vietnamkrieg wieder von besonderer Wichtigkeit waren.
Hinzu kamen innerjapanische Probleme wie eine sehr abrupte Modernisierung, auch zum schnellen Ausbau von Flughäfen führte und beim Flughafen Narita und anderswo Proteste von Bauern und Anwohnern provozierte.
Die japanische Gesellschaft gilt zwar aufgrund der konfuzianischen, buddhistischen und shintoistischen Einflüsse als sehr diszipliniert, aber im negativen Sinne auch als repressiv, hierarchisch und obrigkeitsfixiert.
Die späte, aber radikale Industrialisierung des Landes ab dem 19. Jhd., in deren Folge man vom politisch unterdrückten Land selbst zum "imperialistischen" Unterdrücker wurde, hat in Teilen der Intelligenzia eine Protesthaltung hervorgerufen. So erhielten auch die weltweiten Proteste der linken Aktivisten in den 60er-Jahren gegen die herrschenden Machtstrukturen hier eine speziell japanische Note.
Psychologen warnen davor, dass Individuen und Gruppen, die gegen etwas kämpfen, sich strukturell dem bekämpften Gegner anpassen, also gegengleich werden können. So sieht man auch bei japanischen Rebellen viele Charakterzüge der Weltkriegsgeneration, die sie zu bekämpfen vorgeben.
Fusako Shigenobu selbst ist die Tochter eines rechtsgerichteten Vaters, der Japan nach der Niederlage von 1945 moralisch radikal "reinigen" wollte. Da sie selber zunächst kein Geld hatte, ein Studium zu finanzieren, tanzte sie in Nacktbars und wurde nach eigenen Aussagen von Tag zu Tag revolutionärer. Sie war so von vornherein anfällig für radikale und scheinbar moralische Gedanken und reagierte auf entsprechende politische Bewegungen seismographisch.

Weiterhin flüchtige JRA-Mitglieder

Ein erster Gründungsaufruf der sich formierenden Gruppe erfolgte 1969, obwohl einige Autoren eine spätere "wirkliche" Gründung behaupten. Man unterstellte darin dem japanischen Volk eine "Sklavennatur", die dazu geführt habe, dass es gegen seine Herren noch nie zu den Waffen gegriffen habe. Das wolle man nun ändern.
In Japan selbst konnte die Gruppe aber nur schwer trainieren. Es zog die Gruppe also nach Nordkorea.
Im März 1970 entführten neun Rotarmisten, die z. T. mit Samuraischwertern bewaffnet waren, ein Flugzeug der Japanese Airlines nach Nordkorea, wahrscheinlich um von dort aus nach Kuba weiterzukommen.
Die nordkoreanische Regierung sah das jedoch anders und steckte die eigentlich sympathisierenden Guerilleros in Umerziehungslager, wo einige umkamen, einer fliehen konnte und einige immer noch sitzen.
Zwei Kämpfer wurden an Japan ausgeliefert.

Danach schloss man unter der Leitung Fusako Shigenobus ein Bündnis mit der palästinensischen PFLP (Popular Front for the Liberation of Palestine) unter George Habash. Die PFLP war berühmt für ihre Bombenanschläge und Flugzeugentführungen und hatte Basen im Libanon und im Irak und bis zu einem gewissen Punkt eine gute Beziehung zum sozialistischen Südjemen. Habash, ein christlich-palästinensischer Arzt und zunächst panarabischer Nationalist, war nach dem Sechstagekrieg 1967 in Richtung Marxismus-Leninismus radikalisiert worden, wurde 1968 Mitbegründer der PFLP und stand ihr bis 2000 vor. Er galt bald als einer der gefürchtetsten Terrorführer und arbeitete dabei eng mit den osteuropäischen Geheimdiensten zusammen. Durch diese Verquickungen nahm man auch Kontakt zu Ilich Ramirez "Carlos" Sánchez auf, bekannt als "Carlos, der Schakal".
Eine weitere wichtige Kontaktperson war Wadi "Abu Hani" Haddad. Haddad kannte den PFLP-Chef Habash noch vom Medizinstudium und entwickelte sich zunächst in eine ähnliche Richtung, wurde den meisten PFLP-Kadern dann aber zu extrem und gründete seine eigene Unterorganisation, die PFLP-EO.
1976 führte er die berüchtigte Entführung einer Air-France-Maschine nach Entebbe (Uganda) durch, die aber dort von einem israelischen Sondereinsatzkommando beendet wurde, plante 1977 noch die Entführung der deutschen Landshut und starb 1978 in Ost-Berlin, offiziell an einer Krankheit, wahrscheinlich aber an einem israelischen Giftanschlag (Pralinen mit Langzeitgift).


(Aktionen als JRA:)

Kozo Okamoto und Fusaku Shigenobu auf einer Pressekonferenz

Eine frühe und in der Wirkung wichtige Aktion war das Massaker am Flughafen Lod in Tel Aviv durch drei Mitglieder der JRA. Sie setzten dabei Sturmgewehre und Handgranaten ein und töteten 26 Menschen (darunter 16 Pilger aus Puerto-Rico) und verletzten ca. 80. Die Angreifer unterschätzten trotz vorherigen Trainings die Rückstosswirkung ihrer Schusswaffen, sonst hätten sie noch viel mehr Menschen töten können.
Von den drei Angreifern überlebte allein Kózó Okamoto, der eine wichtige Führungsfigur neben Shigenobu war. Die beiden Getöteten waren Tsuyoshi Okudaira und Yasuyuki Yasuda. Okudaira war der Ehemann (Schein-Ehemann) von Fusako Shigenobu, was ihr den Namen "Schwarze Witwe" einbrachte.

Am 31.01.1974 überfielen Attantäter der JRA eine Anlage des Ölkonzerns Shell auf der Insel Pulau Bukom in Singapur. Dabei nahmen sie fünf Geiseln. Eine andere Gruppe der PFLP griff die japanische Botschaft in Kuwait an. Einige Regierungsmitglieder Singapurs, darunter der spätere Präsident Sellapan Ramanathan, liessen sich freiwillig gefangennehmen. Die Geiseln wurden nach Zahlung eines Lösegeldes mit einer japanischen Maschine in den Südjemen geflogen und freigelassen.

Am 13.09.1974 stürmten Angehörige der JRA in Den Haag die französische Botschaft, wobei sie die niederländische Polizistin Hanke Remmerswaal durch einen Rückenschuss verletzten, und nahmen die Botschafter und zehn weitere Menschen als Geiseln. Ihre Forderungen waren die Freilassung des JRA-Mitglieds Yutaka Furuya, 300.000 US$ und ein freies Flugzeug. Nach längeren Verhandlungen wurden die Gefangenen freigelassen. Ein Flugzeug flog die Terroristen dann nach Südjemen, wo sie abgewiesen wurden, und später nach Syrien, wo sie das Lösegeld abgeben mussten.

Am 15.09.1974 griff die Gruppe einen Drugstore in der Rue St. Germain (Paris) mit Handgranaten an, tötete zwei Menschen und verletzte 35. Die Tat wurde vermutlich von Carlos unterstützt oder sogar initiiert. Offensichtlich wollte man die Aktion in Den Haag positiv beeinflussen, indem man den Druck auf die französische Regierung erhöhte.

Auch wenn die JRA schon früh mit arabischen Gruppen zusammenarbeitete, so machte sie erst 1986 den "Deal mit dem Teufel". Die JRA schloss ein Abkommen mit Muammar al-Gaddafi, der sich für die im April 1986 durchgeführten Bombenangriffe der USA gegen sein Land rächen wollte. In der Operation El Dorado Canyon wurden Tripolis und Bengasi bombardiert und dabei eine Tochter Gaddafis getötet. Vorher war es zu Auseinandersetzungen um die Seehoheit in der Bucht "Grosse Syrte" nördlich von Libyen gekommen und ein libyscher Bombenanschlag auf die von US-Soldaten besuchte Berliner Disko LaBelle mit drei Toten durchgeführt worden.
Die JRA firmierte dabei offiziell unter dem Namen AIIB (Anti-Imperialist International Brigades).

(Aktionen als AIIB:)

Im April 1986 wurden drei britische Staatsbürger von den AIIB im Libanon entführt und ermordet.
Im Juni 1986 wurden ferngelenkte Mörserangriffe gegen die US-amerikanische und die japanische Botschaft in Jakarata in Indonesien durchgeführt.
Im April 1987 wurden zum (1.) Jahrestag des US-Luftangriffs auf Libyen drei Angriffe auf diplomatische Einrichtungen der USA in Madrid (Spanien) durchgeführt.
Im Juni 1987 detonierte eine Autobombe vor der US-Botschaft in Rom (Italien).
Im April 1988 sollten zum 2. Jahrestag des US-Angriffs auf Libyen simultan Angriffe gegen militärische Ziele in den USA und Europa durchgeführt werden. Der Angriff in den USA scheiterte im März 1988 durch die Verhaftung des JRA-Aktivisten Yu Kikumura in New Jersey auf dem Weg nach New York. In seinem Auto hatte er Antipersonenbomben, die er vor einem Rekrutierungsbüro der US-Marines in der Wall Street platzieren wollte. Kikumura erhielt dafür später eine Freiheitsstrafe von 30 Jahren.
In Europa hatte die JRA mehr "Glück". In Neapel explodierte eine Autobombe vor einem US-Militärclub, tötete fünf Menschen und verletzte 17. In Spanien wurde ein Bombenanschlag gegen eine US-Luftwaffenbasis verübt. Ein weiterer Anschlag im Juli 1988 mit Lenkwaffen auf die US-Botschaft in Madrid schlug fehl.

Trotz einiger begrenzter Erfolge der letzten Anschläge war die JRA organisatorisch am Ende. Ab dem Juli 1988 hörte die JRA auf, als aktive Gruppe zu bestehen. Etliche ihrer Anhänger waren tot oder verhaftet, einige untergetaucht. Es wird vermutet, dass viele Gruppenmitglieder in der Bekaa-Ebene untertauchten, wo schon vorher verschiedene terroristische Gruppierungen trainiert hatten. Vielleicht sind einige auch nach Nordkorea gegangen.

Im März 1995 wurde die JRA-Terroristin Yukiko Ekita in Rumänien verhaftet und an Japan ausgeliefert.

Zur Jahrtausendwende wurden einige weitere Mitglieder der JRA verhaftet, darunter Fusako Shigenobu.

Im April 2001 gab Fusako Shigenobu die Auflösung der JRA bekannt. Dies wurde in der alljährlichen "Erklärung zum 30. Mai" von der Gruppe bestätigt.
Ihre Tochter Mei Shigenobu ist als Journalistin tätig und rechtfertigt bis heute die Positionen ihrer Mutter.

Mai Shigenobu



LITERATUR

Wikipedia
Farrell, William R.: Blood and Rage. The Story of the Japanese Red Army; 1990
Gallagher, Aileen: The Japanese Red Army. Inside the World's Most Infamous Terrorist Organizations; 2003
Kratschanova, Angelina: Die Terroristinnen. Ein Vergleich zwischen Fusako Shigenobu von der Japanischen Roten Armee und Ulrike Meinhof; 2010


ZEITSCHRIFTEN

Spiegel/Spiegel Online (www.spiegel.de):
Spiegel 33/1975: Worte der Wut
Taz Online (www.taz.de):
Michael Sontheimer: Im Zeichen des Orion


FILME

[The] Anabasis of May and Fusako Shigenobu, Masao Adachi and 27 Years without Images;
Regie: Eric Baudelaire; 2011
Children of the Revolution; Regie: Shane O'Sullivan; 2010
(Film über die Kinder der Revolutionäre, bes. die Töchter von Ulrike Meinhof und Fusako Shigenobu)



2 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Vielen Dank!

      Wir wollen hier einen Kurzüberblick über einige wichtige linke und rechte Terrororganisationen bieten.

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