Fachbereiche: Geschichte (Politik, Sowi, Philosophie) - Sprachen - Wirtschaft, Recht - Biologie (Chemie) - Technik (Physik) und Blödsinn.
Dieser Universal-Blog ist aus einer Seite für Geschichte, Politik (und Realienkunde) hervorgegangen, die sich dann in Richtung Humanwissenschaften weiterentwickelt hat.
Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch; Latein, Altgriechisch; Russisch; Japanisch, Chinesisch; Arabisch; Mittelägyptisch; Sanskrit und Hindi etc.
Personen-Link: http://novatlan.blogspot.de/2014/08/personen-pool.html

Mittwoch, 30. Dezember 2015

FOUCAULT, MICHEL

 
Michel Foucault

* 15.10.1926, in Poitiers
+ 25.06.1984, in Paris

Michel Foucault (Paul-Michel Foucault) war ein französischer Philosoph, der sich auch mit psychologischen, historischen, politischen und biologischen Themen auseinandersetzte.
Von 1970 - 1984 war er Inhaber des Lehrstuhls für die "Geschichte der Denksysteme" am Collège de France in Paris.
Wirkmächtig wurden seine Theorien auch dadurch, dass er die damals populären Ideen von Karl Marx mit denen von Friedrich Nietzsche verband und somit zu einer kritischen Analyse von Machtstrukturen fand.


JUGEND

Foucault wuchs in den 1920er- und 1930er-Jahren in der Gegend von Poitiers auf und stammt aus einer Familie mit hohen Bildungsansprüchen. Sein späterer Wunsch, Philosophie und Psychologie zu studieren und nicht Medizin traf bei seinem Vater auf wenig Gegenliebe.

1940 bekam er den Krieg mit dem Deutschen Reich mit und die darauf folgende Etablierung des Vichy-Régimes im sog. État Francais. In der Schule wurden Juden und andere jetzt unerwünschte Gruppen schikaniert und Loblieber auf den neuen Staatschef, Marschall Pétain, gesungen ("Marechal, nous voila"). 
1945 bekam Foucault mit, wie plötzlich viele, die eben noch Pétainisten waren, zu Gaullisten oder Kommunisten wurden und behaupteten, im Widerstand gewesen zu sein.

Foucault unterschied sich auch dadurch von der Norm, dass er homosexuell war. Dies bereitete ihm lange Probleme bis hin zu Selbstmordversuchen.


UNIVERSITÄTSLAUFBAHN


Werke

Foucault entschied sich nach der Schule für eine philosophische-psychologische Universitätslaufbahn und publizierte 1961 seine erste größere Studie mit dem Titel "Folie et déraison. Histoire de la folie à l'âge classique" (dt. "Wahnsinn und Gesellschaft"). Dieses ca. 500-seitige Werk, das auch seine Doktorarbeit war, befasst sich mit der Thematisierung und Problematisierung des Wahnsinns in den modernen, abendländischen Vernunftgesellschaften.
Im Jahr 1966 erlangte er internationale Aufmerksamkeit mit seinem Werk "Les Mots et les choses" (dt. "Die Ordnung der Dinge") und ging ab September '66 an die Universität Tunis.
Es folgten 1969 die "Archäologie des Wissens", 1975 "Surveiller et punir" (dt. "Überwachen und Strafen") sowie 1976 der erste Band der "Histoire de la sexualité" (dt. "Sexualität und Wahrheit").
Dieser erste Band namens "La volonté de savoir" (dt. "Der Wille zum Wissen") führt auch den später berühmten Begriff der "Biomacht" ein (vgl. Giorgio Agamben).


Denksysteme

Foucault widmete sich in seinen Werken nicht nur philosophischen, sondern auch historischen, psychologischen und später politischen Fragen. In seiner Lehrzeit war es unter französischen Intellektuellen üblich ("in"), kritisch bis radikal-kritisch aufzutreten. Foucault schloss sich dem auf seine Weise an, war aber nur kurz Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs.
Er präsentierte in seiner Kritik aber nicht nur zeitgeistigen Einheitsbrei, sondern kombinierte z. B. auf spannende Art Marx mit Nietzsche, was ihm in seinen Analysen der Macht half.
Er betrachtete gewisse Rationalitäten und Grunderfahrungen der "westlichen Gegenwartsgesellschaften" kritisch. Begriffe wie Wissen und Wahrheit hinterfragte er genauer. Foucault verwendete mit der Zeit das Wort "Wahrheitsspiele".
In den 1960er-Jahren erforschte er gesellschaftliche Diskurse mit der Methode der Wissensarchäologie, später auch Diskursanalyse genannt.
In den 1970er-Jahren wendete er sich zunehmend der Untersuchung der Wirkungsweisen der Macht zu.
1976 entwickelte er am Ende von "La volonté de savoir" (1. Bd. der "Histoire de la séxualité") den Begriff der "Biomacht", den er aber nicht mehr ganz genau ausführen konnte.
Nach Foucault lebte der Begriff der Biomacht weiter (z. B. Agamben) und wurde mit ihm verbunden.
Kurz gesagt trennte Foucault den Begriff in "anatomische Politik" (Individuum) und "Bio-Politik" (Bevölkerungsregulierung) und führte ihn in den Zuständen und Prozessen Geburtenrate, Alterskurve, Gesundheitszustand etc. aus.
In seinen späten Arbeiten entwickelte und verwendete Foucault zahlreiche Verfahren zur Machtanalyse.
Viele stammten von ihm. Diese "Werkzeuge" ("Werkzeugkisten") waren z. B. die an Nietzsche angelehnte gegenwartskritische Genealogie, der Begriff des Dispositivs und das Konzept der modernen Gouvernementalität.
Foucault wurde häufig dem Poststrukturalismus zugeordnet, obwohl er sich und sein Werk nicht gerne einordnen ließ.


Politischer Aktivismus

Foucault wollte jedoch nicht nur über politisch-philosophische Fragen theoretisieren, sondern sich auch direkt in den politischen Diskurs und die Praxis einmischen. In den frühen 1970er-Jahren setzte er sich mit Jean-Paul Sartre und anderen Intellektuellen für eine Liberalisierung des Gefängniswesens ein.
(In diesem Jahrzehnt gelang auch dem französischen "Superkriminellen" Jacques Mesrine, der durch die chaotische Nachkriegszeit und den Algerienkrieg brutalisiert worden war, die spektakuläre Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis, bis er am Ende des Jahrzehnts in eine ihm gestellte Falle im Straßenverkehr geriet und von Kugeln durchsiebt wurde.)
1977 unterzeichnete Foucault gemeinsam mit weiteren französischen Intellektuellen – darunter Jean-Paul Sartre, Simone de Beauvoir, Louis Althusser, Roland Barthes und Jacques Derrida - eine Parlamentspetition, die eine Legalisierung pädosexueller Kontakte bei einem niedrigen Schutzalter forderte.
Später wurde diskutiert, ob Foucault in seinem Leben selber heimlich - z. B. in Nordafrika - pädophilen Neigungen nachgegangen sein könnte. Dies gilt aber als nicht bewiesen. In den 1970ern-Jahren hatten neben vielen französischen Linksintellektuellen und Alternativenbewegungen auch die entstehenden deutschen Grünen ein aus heutiger Sicht erstaunlich laxes Verhältnis zur Pädophilie.
1978 besuchte er auf Einladung von "Corriere de la Serra" den Iran und spürte die bevorstehende Revolution, mit der er anfangs auch sympathisierte. Aus heutiger Sicht erscheint das kurzsichtig.
In den frühen 1980er-Jahren engagierte Foucault sich mit Pierre Bourdieu für die polnische Gewerkschaft "Solidarnosc".


Sexualität und Tod

Foucault litt wie erwähnt unter der in seiner Zeit noch weit verbreiteten Tabuisierung von Homosexualität und unternahm Selbstmordversuche.
Durch die von den Küstengebieten der USA ausgehende sexuelle Befreiung seit den späten 70ern fühlte er sich angesprochen. Anfang der 1980er-Jahre lehrte er sogar an der Universität von Kalifornien in Berkeley, die damals als besonders rebellisch galt. Nach den Vorlesungen genoss er die größeren sexuellen Freiheiten aktiv in San Francisco.

Leider dauerte für Foucault die Phase der sexuellen Freiheit nicht lange an. Anfang der 80er-Jahre begann sich die auf dem HI-Virus basierende Immunschwächekrankheit AIDS (anfangs: GRID) explosionsartig auszubreiten. Foucault erkannte die Gefahr nicht oder tat sie sogar als amerikanische Hysterie ab.
Dies wurde sein Todesurteil. Er infizierte sich mit dem HI-Virus, bekam AIDS, kehrte Ende 1983 nach Frankreich zurück, hielt im März 1984 seine letzte Vorlesung am Collège de France und wurde dort in das berühmte Pariser Krankenhaus "Hôpital de la Salpêtrière" eingeliefert, über das er vorher geschrieben hatte.
Im Juni 1984 starb Foucault.

Kurz vor seinem Tod sind noch der zweite und der dritte Band von "Sexualität und Wahrheit" erschienen. Der vierte und letzte Band von "Les aveux de la chair" (dt. "Die Geständnisse des Fleisches") wurde sogar erst 2018 herausgegeben.


QUELLEN/LITERATUR:

Wiki
-
Rowohlt-Monographie über Foucault


Power

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen