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| Scientia (pixabay.com) |
1. Einleitung: Das behauptete Ziel der Rationalität und WissenschaftlichkeitWir erleben in der heutigen Zeit, dass im Meinungsstreit eine oder mehrere Seiten für sich in Anspruch nehmen, "rational" oder "wissenschaftlich" zu sein.
Es geht daher um die Frage, ob "Rationalität" wirklich die Methodik und das Ziel beeinflussen, oder ob sie nur ein Kriterium sind, in einer Auseinandersetzung andere Positionen auszuknocken.
In der Praxis ist die Wirkung aber oft, dass man seine eigene Position überhöht und die anderer unterbuttert.
Man sollte sich also zuerst fragen, ob Wissenschaftlichkeit wirklich etwas Objektives bzw. intersubjektiv Nachprüfbares ist und auf strengen Methoden aufbaut, oder ob dies nur behauptet wird.
Wir wollen jetzt nicht aus dem Stand heraus den kompletten Wissenschaftsbetrieb der Gegenwart und Vergangenheit als "konstruiert" oder "ausgedacht" hinstellen.
Das wäre vermessen.
Man könnte z. B. die Zwischenmeinung vertreten, dass in der Wissenschaft Objektivismen und Subjektivismen koexistieren.
Juristen sprechen da oft von einer vermittelnden Meinung, einige nennen sie polemisch auch "Warmduscherlösung".
- das Kaiserreich (II. Reich)
- das "Weimarer Republik" genannte Deutsche Reich
- das Nazireich (III. Reich)
- die Bundesrepublik Deutschland
- die DDR
Sprich: Jedes dieser Systeme hatte RECHT!
Aber wie können z. B. das NS-System und das offiziell Antifaschistische System der DDR gleichermaßen Recht haben?
Sicher kann man einem anderen System vorwerfen, es sei "pseudowissenschaftlich". Aber das andere System mag das auch von unserem eigenen System denken.
Man sieht diese Widersprüche allerdings auch innerhalb eines Systems:
Wer schon einmal ein historisches oder politisches Seminar bei einem SPD-Prof und bei einem CDU-Prof besucht hat, weiß, dass das eigentlich zwei Arten von Geschichts- oder Politikbetrachtungen sind. Noch extremer wird es, wenn man zu einem marxistischen Prof geht.
3. weitere Einschränkungen des Anspruchs auf Rationalität und Wissenschaftlichkeit
Man muss die Sache aber genauer betrachten und fragen:
"WAS ist (angeblich) wissenschaftlich?"
- eine Gesamt-Rationalität, die global ist, also alles umfasst und - wenn sie eine ethische Intention hat - allen Menschen helfen will
- eine Teil-Rationalität, die nur aus einer bestimmten Perspektive heraus (räumlich, zeitlich, Interessengruppe) rational sind
Wenn ein Mensch sagt, "Rauchen gefährdet die Gesundheit", dann bezieht sich das NUR auf eben diese Gesundheit.
Ob der Mensch selber (gesamt-)rational vorgeht, lässt sich damit noch nicht sagen.
Was will denn der Mensch mit dieser Aussage?
Es gibt mehrere Möglichkeiten:
- er möchte Menschen helfen (positiv, rational)
- er möchte unter dem Vorwand der Hilfe Menschen auf die Nerven gehen
- er möchte seinen Alltagsfrust abreagieren
- er möchte seine Engstirnigkeit ausleben
- er möchte durch "Kreuzzüglertum" sein Ego pampern
- er möchte mit Nichtraucherprogrammen Geld verdienen
- er will dem Kind helfen
- er will sich einem Gegenüber überlegen fühlen
- er will seinen Sadismus ausleben und rationalisieren
- er will Regeln um ihrer selbst wahrnehmen
Ein Firmenchef sagt, er müsse Mitarbeiter entlassen:
- die Wirtschaftslage erfordert dies
- er nutzt die Wirtschaftslage nur als Vorwand, um unliebsame Mitarbeiter zu feuern
- er will seinen Sadismus oder Sozialdarwinismus ausleben
- er ist Doppelmoralist und erhöht sein Vermögen (trotz der Wirtschaftslage), während er bei anderen kürzt
Ein Richter spricht Recht und begründet dies juristisch:
- weil er die Gerechtigkeit liebt
- weil er gerne straft (ein Sadist ist) und nur einen Vorwand dafür sucht
- trotz äußerlich-juristischer Begründung kann es sein, dass der Urteilsspruch beim Pinkeln ausgehandelt wurde (kam schon vor!)
- trotz äußerlich-juristischer Sprache kann das Strafmaß von der Tagesform oder der Tagesbinnenform des Richters abhängen
4. Der Wissenschaftsbetrieb selber
Der Wissenschaftsbetrieb, also die praktisch ausgeübte "Wissenschaft", beweist bereits, dass es mit der "Wissenschaftlichkeit" nicht so weit her ist.
Äußerlich behauptet man, streng methodisch vorzugehen. Man sollte auch nicht gänzlich sagen, dass so etwas überhaupt nicht möglich sei.
Zum Beispiel kennt die Numismatik (Münzkunde) gewisse Regeln, die relativ verlässlich sind.
Andererseits gibt es Subjektivismen:
- will ein Professor in einem konservativen Bundesland seine Karriere voranbringen, dann mag er sich mit linken Ansichten schwertun; umgekehrt mag es mit einem konservativen Professor in einem linken Bundesland sein
- der Professor mag einer Lehramtsstudentin eine ungerechtfertigt gute Note geben, damit sie ihr Referendariat erhält, weil er mit ihr liiert ist (wir kennen solche Fälle)
- und später soll sie als Lehrerin objektiv beurteilen? - ein Professor hat neben seiner Unitätigkeit noch Tätigkeiten für Firmen, die sein Erkenntnisinteresse beeinflussen ("erkenntnisleitende Interessen")
- ein Professor merkt, dass ihm ein anderer einen Lehrstuhl wegschnappt:
plötzlich bricht die Firniss der wissenschaftlich-sachlichen Sprache und er greift zu übelster Polemik, um seinen Konkurrenten zu diffamieren - ein Geschichtsprofessor, der die Bundeswehr mag, hat eine völlig andere Haltung zur Militärgeschichte als eine Professorin, die Radikalpazifistin ist
- auch wenn Professoren sagen, dass man "vorurteilsfrei" und "wissenschaftlich" an Themen herangehen soll, so sind dennoch viele Mitglieder einer Religionsgemeischaft;
sie haben dafür ein "Vorverständnis", quasi ein "Vortuning", das ihre Interessen leitet
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| Niklas Luhmann (Wikipedia) |
5. Die vielen Gesichter der Autopoiesis
Wer sich mit Niklas Luhmanns Systemtheorie auseinandersetzt, der merkt schnell - schon beim Namen der Theorie - dass Luhmann in vielen Bereichen der Gesellschaft "Systeme" am Werk sieht.
Damit sind vereinfacht Regelkreise genannt.
Luhmann war Jurist und Soziologe und hat diese Theorie, beeinflusst auch durch einen Forschungsaufenthalt in den USA, von Talcott Parsons übernommen und modifiziert.
Parsons hatte lange überlegt, ob er Biologe oder Soziologe werden wollte, und war daher als Soziologe vom biologischen Denken beeinflusst.
Für uns wichtig ist aber der Begriff der Autopoiesis. Der fußt auf der Theorie, dass Systeme sich selbst erhalten (oder ausbauen) wollen, also autopoietisch seien.
Interessant ist das für unsere Erkenntnisfragen in sofern, als dass ein System nicht nur seinem "offiziellen Ziel" dient, sondern eben auch autopoietischen Nebenzielen, die seiner Selbsterhaltung dienen.
Beispiele können das gut erläutern:
Das System Schule:
- offizielles Ziel: Bildung
- aber es gibt auch viele weitere Ziele, die vielen Menschen gar nicht so klar sind
- Lehrer wollen bezahlt werden
- Verwaltungspersonal will bezahlt werden - an der Schule und in der Verwaltung außerhalb
- Schulbuchverlage wollen abkassieren, sie geben z. B. Neuauflagen ihrer Lehrbücher heraus, die gar nicht wirklich besser sind, aber Druck auf die Schulen ausüben sollen, ihre alten Bücher gegen neue einzutauschen
Das System Gesundheit:
- offizielles Ziel: Erhaltung der Gesundheit der Individuen einer Gesellschaft oder sogar der Weltgesellschaft
- natürlich gibt es hier auch viele Nebenziele
- An sich ist es gut, Menschen zu erzählen, wie sie sich gesundheitskonform verhalten können. Andererseits kann man über diesen Vektor auch seinen Belehrungstrieb ausleben.
- Kommerzielle Interessen: Diese liegen vor bei Ärzten, Pflegepersonal, Gesundheitsverwaltung, Medizinjournalisten, Apothekern und natürlich der Pharmaindustrie.
- als Beispiel für Manipulation kann man anführen, dass aufgrund bestimmter Interessenlagen sogar Krankheiten erfunden werden!
Das System Justiz:
- offizielles Ziel: Gerechtigkeit
- auch hier werden aber weitere Ziele verfolgt, die nichts mit Gerechtigkeit zu tun haben
- Justizpersonal will Geld verdienen, nicht nur die Richter, sondern auch sonstiges Personal
- Richter und Staatsanwälte wollen sich unter im Namen (Vorwand) der Moral über Menschen erheben (zumindest einige)
- Fachverlage wollen teure Lehrbücher verkaufen
- es ist auch auffällig, wie sehr sich die Strafmaße unterscheiden, und zwar:
- je nach Land
- je nach Region
- je nach zeitlichen Moden
- je nach Persönlichkeitsstruktur des Richters
- je nach Tageszeit (in manchen "Tiefphasen" fallen Urteile für den Angeklagten härter aus)
Das System äußere Sicherheit:
- offizielles Ziel: Sicherheit nach außen, Verteidigungsfähigkeit
- eine Armee will neben dem - begründeten - Verteidigungsaspekt natürlich sich selber nähren
- sie gibt also einerseits vor, auf eine äußere Bedrohung zu reagieren, ist aber heimlich froh, wenn es solche Bedrohungen überhaupt gibt, damit sie ihre Planstellen rechtfertigen kann
- die Motive von Armeeangehörigen sind nicht nur die Landesverteidigung, sondern auch Dominanz, Lust am Kriegsspiel und Lust an Technik
- ein gutes Beispiel für die Doppelbödigkeit der Thematik ist der Kalte Krieg:
- hier hat sich das westlich-liberale System als stärker erwiesen als das östlich-sozialistische System
- teilweise ist das auch gut so, denn dem Kommunismus kann man viele Verbrechen nach weisen
- allerdings ist die Lage nicht ganz so klar, wie sie manchen scheint...
- der Westliche Block hat z. B. bei mehreren Gelegenheiten mit der Organisierten Kriminalität zusammengearbeitet, um Gegner zu bekämpfen - und die steht immerhin für Schwerstkriminalität mit der Bereitschaft zum Mord (!);
die USA und Teile der NATO haben z. B. mit der italienischen Mafia zusammengearbeitet und den mittelamerikanischen Contras gestattet, einen florierenden Drogenhandel zu ihrer Finanzierung zu betreiben (sogar mit den USA als Absatzmarkt!) - außerdem hat der Westen Stay-Behind-Strukturen (in Italien: Gladio) aufgebaut, die sehr bald als Gladio nero (inoffizielle Bezeichnung) ihr kriminelles Eigenleben führten
- es gilt frei nach Volker Pispers: Wenn du ein Feindbild hast, dann hat der Tach Struktur!
FAZIT:
Machen wir es kurz: Man sollte nicht den ganzen Wissenschaftsbetrieb "in die Tonne kloppen" oder in Selbstüberschätzung Koryphäen der Wissenschaft als Nullen bezeichnen.
Es ist aber auch schnell klar, dass in der WissenschaftsPRAXIS nicht nur die Rationalität regiert.


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