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Sonntag, 17. August 2025

PIERRE DRIEU LA ROCHELLE

16./17.08.2025; 23.08.2025

 

Pierre Drieu la Rochelle (1938)

* 03.01.1893 in Paris
+ 15.03.1945 in Paris 

Pierre Eugène Drieu la Rochelle war ein französischer Schriftsteller.
Er stammte aus einer bürgerlichen Familie, mit deren Doppelmoral er nicht zufrieden war. Mit 21 Jahren nahm er am Ersten Weltkrieg teil und wurde dadurch wie viele desillusioniert.
Nach abgebrochenem Jurastudium wurde er Schriftsteller und flirtete zuerst mit der extremen Linken und dann mit der extremen Rechten, was sich gegen Ende der deutschen Besatzungszeit und mit dem Sieg der Gaullisten für ihn als fatal erweisen sollte.
Drieu La Rochelle galt als Dandy par excellence.

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JUGEND

Pierre Drieu la Rochelle war der Sohn eines Rechtsanwaltes aus einer alten normannischen Familie und der Tochter eines Architekten. Der Namenszusatz "La Rochelle" geht auf den militärischen Spitznamen eines Vorfahrens (Pierre Drieu) aus der Zeit der Revolutionskriege zurück. Obwohl die Familie als angesehen galt, war die Ehe der Eltern Drieus instabil. Der Vater galt außerdem als verschwenderisch. Drieu erhielt dann emotionale Zuflucht bei seinem Großvater mütterlicherseits, Eugène Lefebvre.

Drieu la Rochelle wurde von seinen Eltern auf eine katholische Knabenschule geschickt. Dort kam er mit idealistischen und mit altsprachlich-humanistischen Gedanken in Berührung. Nach eigener Darstellung wurde er jedoch schon mit 14 Atheist, wobei er sich an Friedrich Nietzsches "Zarathustra" orientierte. 

Nach der Schule begann Drieu la Rochelle schon vor dem Ersten Weltkrieg ein Jurastudium. Bei den Prüfungen konnte er sich jedoch nicht bewähren.

DER ERSTE WELTKRIEG

Dafür meldete er sich freiwillig als Soldat für den Ersten Weltkrieg. Ohne den übertriebenen Enthusiasmus manch anderer empfand er dennoch die Strukturiertheit des Soldatenlebens als positiv. Drieu bemerkte eher kühl, dass er sich den Deutschen entgegenstellen wolle.

Drieu la Rochelle diente in der Infanterie und in der Artillerie, neben französischen Kriegsschauplätzen wie Verdun auch auf den Dardanellen, wurde mehrfach verwundet und stieg bis 09.1918 zum Adjutanten (Hauptfeldwebel) auf.
Ähnlich wie deutsche Kriegsautoren wie Ernst Jünger verarbeitete auch Drieu la Rochelle seine Kriegserlebnisse in Büchern, z. B. der "Comédie de Charleroi". 
Das Ende des I. Weltkrieges stürzte ihn in eine Sinnkrise.


ZWISCHENKRIEGSZEIT UND POLITISCHE SUCHE

Zuerst flirtete Drieu la Rochelle mit dem Trotzkismus, wandte sich aber dann einer chauvinistischen Lebenseinstellung zu, was der autobiographisch inspirierte Roman Gilles (die Unzulänglichen) darlegt.

Drieu La Rochelle arbeitete für André Gides Literaturzeitschrift "Nouvelle Revue Francaise" (NRF), die später unter der deutschen Besatzungszeit eine unrühmliche Rolle spielen sollte. Auch hatte er Kontakte zum Surrealismus. Seine Freunde waren André Malraux, Louis Aragon und Antoine de Staint-Exupéry.

Von 1917 bis 1925 war er mit der Jüdin Colette Jéramec verheiratet. Später retterte er sie und ihre beiden Kinder aus zweiter Ehe aus dem Sammellager Drancy.
Danach hatte er zahlreiche Affähren, u. a. mit Victoria Ocampo und Christiane Renault (der Ehefrau von Louis Renault).

Drieu galt im Politischen wie im Privaten als sehr wankelmütig. Sein Schreibstil war aber präzise und beschrieb und enttarnte genau das menschliche Verhalten.
Zwischen den Weltkriegen schrieb Drieu in seinen Werken über die Dekadenz der französischen Oberschicht. Ein Klassiker aus dieser Zeit war "Rêveuse bourgeoisie", auf Deutsch: "Die verträumte Bourgeoisie". Gemeint war mit Bourgoisie das als dekadent geltende (Groß-)Bürgertum. Auch im Deutschen verwendete man oft den französischen Begriff. Man denke nur an die Werke von Karl Marx und Friedrich Engels.

Drieu la Rochelle knüpfte Kontakte zu Schriftstellerkollegen wie Jacques Rigaut. Dessen Suizid traf ihn schwer und beeinflusste das Buch "Le Feu follet" bzw. "Das Irrlicht". Noch heute gilt die Erzählung Literaturwissenschaftlern als eine eindringliche Schilderung menschlichen Scheiterns.

Drieu gilt außerdem als früher Entdecker des Werkes von Jorge Luis Borges, der als Mitbegründer des Magischen Realismus' gilt. Drieu besuchte Anfang der 1930er Borges sogar in Buenos Aires.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Borges auch für seine Konkurrenz und gleichzeitig für seine Gespräche mit Ernst Jünger bekannt.


WACHSENDER FLIRT MIT DEM FASCHISMUS

Politisch flirtete Drieu la Rochelle weiter mit diversen Tendenzen.
Der Antibourgois intensivierte in der 2. Hälfte der 1920er seine Kontakte zum Industriellen Ernest Mercier und seiner konservativ-antiparlamentarischen Bewegung "Redressement francois".
Anfang der 1930er-Jahre unterhielt er dagegen Kontakte zum linksliberalen Parti radical.
Ab etwa 1934 freundete er sich zunehmend mit dem französischen Faschismus an.
Man muss dazu wissen, dass 1933 Hitler in Deutschland an die Macht kam und 1934 ein halbherziger Putschversuch rechter Gruppen in Paris scheiterte.
Nach dem Ersten Weltkrieg war Frankreich noch eher patriotisch-konservativ gestimmt. Nach verschiedenen politischen Skandalen und sozialen Spannungen kam es dagegen immer mehr zu einer politischen Polarisierung zwischen Links und Rechts.
Drieu entschied sich immer mehr für die revolutionäre Rechte und trat 1936 der Parti Populaire Francais von Jacques Doriot bei, der übrigens selber früher Kommunist war, dann aber in der eigenen Partei in Ungnade geraten ist.
In der Zeit der deutschen Besatzung von 1940 - 1944 sollte sich der PPF zu einer radikalen Kollaborationspartei entwickeln. Aber Drieu fand ihn schon vorher gut.
Drieus Faschismus trug jedoch eigene Züge. Er mochte den Radikalismus und auch Nationalismus in Italien und im Deutschen Reich, hatte aber weniger pangermanische oder wie in Italien auf eine Wiedererrichtung des Römischen Reiches ausgerichtete Phantasien.
Er setzte auch weniger auf Biologismus und Rassismus, Antisemit war er jedoch schon.
Stattdessen setzte er verstärkt auf einen "Euronationalismus" und eine Positionierung eines autoritär geführten Europas zwischen den Machtblöcken von Washington und Moskau - oder New York und Moskau, wenn man seine kapitalismuskritische und gleichzeitig antisemitische Betrachtung der global aktiven Geschäftsstadt New York bedenkt.


DER ZWEITE WELTKRIEG

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs griff Hitler zunächst Polen an und teilte es mit der verspätet von Osten einmarschierenden Sowjetunion auf.

Die Beistandserklärungen von Großbritannien und Frankreich für Polen waren nur halbherzig und in dieser frühen Epoche des Krieges nicht kriegsentscheidend.
In Frankreich gab es eine - gerade auch durch die Rechte entfachte - Skepsis, ob man "für Danzig sterben" solle. Es gab in Frankreich nämlich auch starke Bedenken gegenüber der Sowjetunion und deren Verhalten gegenüber Polen, dem Baltikum und Finnland.
Außerdem war das Bündnis mit England zwar dann en vogue, wenn es darum ging, ein zu stark gewordenes Deutsches Reich einzuhegen, aber historisch waren Frankreich und England bzw. Großbritannien oft eher Gegner als Verbündete. Man denke nur an den äußerst brutal geführten Hundertjährigen Krieg im 14. und 15. Jhd., auch wenn dieser schon längere Zeit zurücklag.

Nach dem Deutschen Angriff auf Polen erklärten zwar Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg, unternahmen aber fast nichts.
Dies gab der Deutschen Armee die Gelegenheit, erst Polen militärisch zu besiegen und dann seine Kräfte neu zu bündeln, um nun auch gegen den Westen zu ziehen. Man darf nicht vergessen, dass Deutschland unter Hitler (und z. T. schon davor) enorme Rüstungsangstrengungen unternommen hatte, es dem Land jedoch an einer wirklichen Tiefenrüstung fehlte und die Deutschen selber noch aus dem Ersten Weltkrieg wussten, dass militärische Anfangserfolge bei gleichzeitiger Einkreisung und Nachschubmangel am Ende die Niederlage bringen konnten.

Hitler setzte deshalb bei der Auswahl seines Angriffsplans gegen Westeuropa auf eine schnelle Strategie und Taktik, die später als Blitzkrieg-Doktrin in die Geschichte eingehen sollte. Hierfür nutze man die neuen Möglichkeiten einer flexibel eingesetzten, durch Funk vernetzten und mit Luftnahunterstützung (z. B. durch "Stukas" bzw. Sturzkampfbomber) verstärkten Panzerwaffe.
Beispielhaft seien für diese neue Angriffsweise die Namen von Manstein, Guderian und Rommel genannt.

Ein so geführter Angriff konnte einen schnellen Erfolg bringen - musste es aber auch, weil ihm die Reserven fehlten.
Auf den im Mai 1940 beginnenden deutschen Angriff war die französische Armee überhaupt nicht eingestellt. Sie hatte zwar ähnlich viele Panzer, war aber bei weitem nicht so flexibel wie die deutsche Armee und vertraute zu sehr der starren Maginot-Linie, die in Rückgriff auf die Erfahrungen des Ersten Weltkrieges gebaut worden war und nicht einmal durchgehend fertiggestellt war. Man unterschätzte auch den deutschen Durchbruchswillen im bewaldeten Ardennengebirge.
Insgesamt erschien die französische Armee auch zu sehr durch überkommenen Standesdünkel und traditionelle Rituale erstarrt und konnte so nicht schnell genug reagieren. Nur einige wenige Militärs wie Charles de Gaulle hatten vor der Gefahr gewarnt. Er alleine und ein paar Verbündete konnten aber 1940 wenig ausrichten.
Ein weiterer Faktor war aber, dass das, was man später Heimatfront nennen sollte, nicht stand.
Die inneren Rechts-Links-Kämpfe hatten Frankreichs Abwehrwillen schwer zugesetzt. Das erkannten nicht nur weise französische Analysten, sondern auch US-Strategen.

Das Ergebnis des deutschen Siegs innerhalb von nur 6 Wochen war, dass ein Teil Frankreichs um einen Waffenstillstand ersuchen wollte, dafür stand Pétain. Er sollte später sogar zu einer begrenzten Kollaboration mit den Deutschen übergehen. Und ein weiterer Teil um Charles de Gaulle floh mit seinen Truppen und britischen Verbündeten ins britische Exil, um weiter gegen Deutschland zu kämpfen.
Bemerkenswert ist, dass zunächst ein erheblicher Teil der französischen Bevölkerung und auch des Sicherheitsapparates für die "révolution nationale" von Pétain war und nur ein kleiner Teil für den noch kaum bekannten de Gaulle. Als sich aber spätestens ab 1944 die Machtverhältnisse änderten, tat nun ein Großteil der Bevölkerung so, als ob er immer schon im Widerstand gegen Pétain und die NS-Besatzer und für das "Freie Frankreich" de Gaulles gewesen sei.

Es war fast so wie in Deutschland, wo die Begeisterung für Hitler mindestens von 1938 - 1942 (wenn nicht deutlich länger) kaum Grenzen kannte, während dann ab 1945 kaum mehr jemand ein Nazi gewesen sein wollte.

Für Drieu La Rochelle wurde diese Kollaborationszeit jedoch zum Verhängnis.

Drieu wurde einer der Wortführer der Kollaboration mit den deutschen Nationalsozialisten. Er wollte ein antikommunistisches und antisemitisches starkes Europa zwischen den Machtblöcken im Westen und Osten.
Mit Gerhard Heller, einem Vertreter der Besatzungsmacht, gründete Drieu im Verlag Gallimard die im Juni 1940 eingestellte NRF im Dezuember neu. Drieu wurde ihr Chefredakteur bis zur Einstellung der Zeitschrift im Juli 1943. Gernard Heller sollte nach dem Krieg fünf Bücher von Drieu la Rochelle ins Deutsche übersetzen.

In den Jahren 1941 und 1942 besuchte Drieu mit anderen kollaborationistischen Autoren in Weimar das "Europäische Dichtertreffen". Im Nachhinein sollte dies vielen Autoren zum Verhängnis werden.
Das Europäische Dichtertreffen wurde von der von Joseph Goebbels initiierten und anfangs von Hans Carossa geleiteten "Europäischen Schriftstellervereinigung" organisiert. Federführend bei der Organisation war der Generalsekretär der Vereinigung, Carl Rothe.
Viele Intellektuelle ließen sich von der anfänglichen Begeisterung treiben und blenden. Bei der Reise durch das siegreiche Deutschland waren sie verwundert, dass ein gerade militärisch besiegtes Land, dass noch vor kurzem an wirtschaftlichen Problemen und innerer Uneinigkeit litt, zu einer solchen Stärke gelangt war.
Was sie nicht wussten, weil viele Wirtschaftskennzahlen geheim waren, war, dass der scheinbare Erfolg der Nazis auf Pump (i. e. Schulden) aufgebaut war und dem Reich die Tiefenrüstung fehlte. Zumindest kam es nicht gegen die 1941 neu hinzugekommenen Kriegsgegner Sowjetunion und USA gleichzeitig an.

Mit der Zeit war aber Drieu zunehmend enttäuscht, dass bei den Nazis der Deutsche Nationalismus stärker war als der Europäische. 1944 und 1945 bekannte Drieu in seinem "Récit secret" (Geheimen Bericht), dass er von Hitlers Politik enttäuscht war.
Drieu setzte allerdings nicht auf eine Redemokratisierung Frankreichs im Falle eines Sieges der Westmächte, sondern dachte eher an einen Sieg des autoritären Stalin.

Drieu erkannte, dass er bei den vorrückenden Truppen der Westmächte in der Falle saß und ihm mindestens die Verhaftung, wenn nicht sogar die Todesstrafe, drohte. Nach mindestens zwei Selbstmordversuchen nahm er sich am 15.03.1945 mit Gas das Leben.

In der Nachkriegszeit war Drieu in Frankreich zunächst aufgrund seiner Kollaboration bei der Mehrheit verhasst. Mit der Zeit beschäftigten sich aber wieder einige Literaturfreunde mit seinen Werken und es kam zu einer Teilrehabilitierung, wozu auch der Récit secret beitrug.

Einige Werke von ihm wurden auch verfilmt:
  • Das Irrlicht; 1963; Regie: Louis Malle
  • Die Frau am Fenster; 1976; Regie: Pierre Granier-Deferre
  • Oslo, 31. August; 2011; Regie: Joachim Trier

 
 

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