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Freitag, 1. August 2025

RAYMOND BOUDON

01.08.2025 

Raymond Boudon (2008)


* 27.01.1934 in Paris

+ 10.04.2013

Raymond Boudon war ein französischer Soziologe und Philosoph.

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LEBEN

Raymond Boudon studierte ab 1954 Philosophie an der Ecole Normale Supérieur (Paris) und wandte sich dann immer mehr den Sozialwissenschaften zu.

Von 1961 - 62 hatte Boudon einen Gastaufenthalt an der Columbia University (New York). Dort traf er die Forscher Paul F(elix) Lazarsfeld (1901 - 1976 und Robert K(ing) Merton (1910 - 2003).
Paul Lazarsfeld war ein österreichischer Jude, der sich in Studien und Aktionen sehr genau mit dem Schicksal der Arbeiterklasse auseinandersetzte.
1933 ging er in die USA und 1935 beschloss er, dort zu bleiben. Lazarsfeld nannte sich danach "Marxist on leave", was mit Marxist auf Urlaub übersetzt wird. Nicht ganz klar ist, ob er damit den Umzug in die USA meinte oder den Wegzug von den marxistischen Dogmen seines früheren Lebens.
Boudon arbeitete von 1962 bis 1964 am Centre d'Études Sociologiques (Paris) an seiner These für ein "doctorat d'état" (in etwa eine Habilitation).
Noch 1964 wurde er an der Universität Bordeaux Professor.
1967 übernahm Boudon die neue Professur für Methodologie der Sozialwissenschaften an der Universität Parix IV (Paris-Sorbonne). Hier blieb er bis zum Ende seiner akademischen Laufbahn.


WISSENSCHAFT UND METHODIK

Raymond Boudon war ein Pionier der mathematischen Modellierung innerhalb der französischen Soziologie. Er griff hier auch angelsächsische Ideen auf.
Es ging Boudon neben statistischen Analysen auch um eine "generative" Theoriebildung.

Boudons Forschungsinteresse galt dabei v. a. sozialer Mobilität und ungleichen Bildungschancen.
In "L'inégalité des chances" von 1973 ("Education, Opportunity, and Social Inequality"; 1974, überarbeitet) setzt Boudon bei der Erforschung sozialer Mobilität und Ungleichheit auf einen handlungstheoretischen Ansatz (h. Perspektive) statt auf die damals übliche Variablen-Soziologie (Otis Duncan; Robert Hauser).

Boudon vertrat einen methodologischen Individualismus, der soziale Phänomene durch Annahmen über das Handeln von Individuen erklären wollte.

Durch die Erklärung makrosoziologischer Tatbestände durch mikrosoziologische Handlungsmodelle entwickelte Boudon die Theorie der rationalen Entscheidung (Rational-Choice-Theorie) weiter.

Seit den 1980ern setzte sich Boudon auch verstärkt mit dem Begriff Ideologie auseinander.
Für ihn ist aber Ideologie nicht einfach nur "falsches Bewusstsein", sondern kann viele Bedeutungen haben.
1986 erschien sein Buch "L'ideologie. L'origine des idée récues", 1988 die deutsche Version "Ideologie. Geschichte und Kritik eines Begriffs".

Boudon erläuterte darin sein Ideologieverständnis anhand einer 2 x 2 - Tabelle.

Definitionen von Ideologie und Arten ihrer Erklärung



MITGLIEDSCHAFTEN

Raymond Boudon war gut vernetzt und entsprechend Mitglied in vielen Gesellschaften:

  • Académie des sciences morales et politiques
  • Academia Europaea
  • British Academy
  • American Academy of Arts and Sciences
  • International Academy for the Human Sciences of St. Petersburg
  • Royal Society of Canada (Société Royale du Canada)
  • Argentinische Akademie für die Sozialwissenschaften

1995 erhielt Boudon den Amalfi-Preis, mit vollem Namen "Premio Europeo Amalfi per la Sociologia e le Scienze Sociali".


VERÖFFENTLICHUNGEN (AUSWAHL)
  • À quoi sert la notion de structure?, 1968
    (D: Strukturalismus - Methode und Kritik, 1973)
  • La crise de la sociologie, 1971
  • L'Inégalité des chances, 1973
    (GB: "Education, Opportunity, and Social Inequality"; 1974, überarbeitet)
  • Mathematical Structures of Social Mobility, 1973
  • Effets pervers et ordre social, 1977
  • La Logique du social, 1979
    (D: Die Logik des gesellschaftlichen Handelns, 1980)
  • La Place du désordre, 1984
  • L'ideologie. L'origine des idée récus, 1986
    (D: Ideologie. Geschichte und Kritik eines Begriffs")
  • Dictionnaire critique de la sociologie, 1990
  • Déclin de la morale, déclin des valeurs, 2002
  • Tocqueville aujourd'hui, 2005
  • Renouveler la démocratie: éloge du sens commun, 2006
  • The Origin of Values, 2001
  • The Poverty of Relativism, 2004
  • Contributions to the General Theory of Rationality, 2013
    (D: Beiträge zur allgemeinen Theorie der Rationalität, 2015)

LITERATUR (KLEINE AUSWAHL)
  • Parsons, Talcott/Edward Shils/Paul F. Lazarsfeld: Soziologie - autobiographisch. Drei kritische Berichte zur Entwicklung einer Wissenschaft; Stuttgart 1975 (dtv)
  • Goblot, Edmond: Klasse und Differenz. Soziologische Studie zur modernen französischen Bourgeoisie; Konstanz 1994 (Univ.-Verlag Konstanz)
  • Jean-Michel Morin: Boudon, un sociologue classique. Paris 2006 (L’Harmattan)
  • John Goldthorpe: Pioneers of Sociological Science: Statistical Foundations and the Theory of Action; Cambridge 2021 (Cambridge University Press), S. 177–189
  • Viktoria Jung: Soziale Herkunft als Ursache für Bildungsungleichheit und Bildungsentscheidungen: Ein Theorievergleich der Ansätze von Pierre Bourdieu und Raymond Boudon; Bachelorarbeit 2020
  • Robert Leroux: Penser avec Raymond Boudon; PUF 2022
  • Yasin Özden: Die Entstehung und Reproduktion von sozialer Bildungsungleichheit nach Pierre Bourdieu und Raymond Boudon: Wie entstehen Bildungsungleichheiten in der Schule und welche Rolle spielt das kulturelle Kapital dabei?; Studienarbeit 2022


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