Mein erstes Buch zum Thema (schon als Schüler fand ich es in der Stadtbibliothek) |
SUBJEKTIVE VORSTRUKTURIERUNG
In der Spätantike sah sich das Heidentum im Römischen Reich einem immer stärkeren ideologischen Druck ausgesetzt. Verschiedene orientalische Religionen und da besonders das Christentum setzten ihm zu.
In literarischen Werken und Filmen wird dieser Konflikt gerne aus der Sicht der späteren Sieger beschrieben.
Wie aber empfanden die Heiden ihren Abwehrkampf?
Über "die letzten Heiden" gibt es nicht allzu viel Literatur. Ein Werk, das ich bereits in der Schulzeit in der Stadtbibliothek fand, trägt aber schon mal genau diesen Namen. Für den deutschen Leser schweift der Autor häufiger vom Thema des Titels ab. Aber Vorsicht: Der englische Originaltitel, "The making of late antiquity", ist weiter gefasst. Es geht um die Spätantike, in der der Kampf Christentum vs. Heidentum ein Teil des Wandels ausmacht.
Brown, Peter: Die letzten Heiden. Eine kleine Geschichte der Spätantike.
Das Werk las ich also bereits als Schüler. Mich fesselte schon der Umschlag, aber dann merkte ich, dass sich das Werk selber nicht nahe genug an seinem (deutschen) Titel bewegt. Auf der anderen Seite zeigt Brown in diesem und in anderen Werken detailliert, wie verstrickt die ideologischen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Wirkfaktoren und Konfliktlinien der damaligen Zeit waren und dass es nicht immer - aber manchmal doch - um den Kampf zwischen genau zwei Parteiungen ging.
Andere Werke, die ich damals noch nicht kannte, kommen dem Ziel, die Auseinandersetzung von Christen und Heiden zu beschreiben, etwas näher. Unten sind in der Literaturliste einige Werke aufgezählt.
Das Werk "Hellenische Identität in der Spätantike" nennt z. B. einige wichtige heidnische Autoren dieser Zeit, nämlich Julian (Apostata), Libanios, Eunap und Themistios. Hiermit kommt man weiter!
Viele Werke über die Literatur der Spätantike ("Geschichte der Römischen Literatur" von Manfred Fuhrmann), aber auch schon Grundlagenwerke wie "Die , trennen relativ streng und genau zwischen heidnischen und christlichen Autoren, obwohl sich bei einigen Motiven Überschneidungen finden.
Für eine unter historischen Gesichtspunkten kurze Zeit existierten zwei ideologisch ganz anders gestrickte Literaturen nebeneinander.
SPÄTERE SICHTWEISEN
Europa war lange Zeit christlich geprägt und ebenso der Schulunterricht, sofern es ihn gab. Das europäische Mittelalter war stark christliche dominiert, auch wenn es immer wieder Rückbesinnungen auf heidnische Denker wie Aristoteles gab. Man versuchte aber, diese in Einklang mit der christlichen Lehre zu bringen.
Auch die Renaissance bzw. der Humanismus änderten daran nichts Grundlegendes. Man berief sich wieder stärker auf die Gedanken der Antike, insbesondere in gebildeten Milieus und konzentrierte sich stärker auf das Individuum. Eine Abkehr vom Christentum war aber nicht vorgesehen.
Erst mit der Aufklärung und dann besonders im 20. Jhd. gab es aus Sicht der christlichen Vorherrschaft "Auflösungserscheinungen". Ich habe selber als Kind noch eine christliche Weltsicht vermittelt bekommen, die mir aber zunehmend schleierhaft und unverständlich erschien. An der "Basis" erodierten christliche Weltbilder erst im späten 20. Jhd.!
Auch in der Geschichts- und in den Sozialwissenschaften ist es zu methodischen und perspektivischen Veränderungen gekommen.
Die moderne, "positivistische" Geschichtswissenschaft versucht, erst einmal die Fakten zu sammeln und dann - wenn überhaupt - zu werten. Das bedeutet, dass man historische Quellen möglichst vorurteilsfrei angeht und sich bei der Betrachtung die Frage stellt, aus welcher Perspektive besonders schriftliche Quellen geschrieben sind. Diese Annäherungsweise ist historisch-kritisch.
Für die Betrachtung des späten/spätantiken Heidentums ist es also wichtig zu wissen, dass die Anhänger dieses Denkens in einer zunehmend feindseligen Umwelt lebten, die dazu neigte, heidnische Positionen verzerrt darzustellen. Man darf die heidnischen Positionen aber keineswegs per se als "böse" oder "unsinnig" wahrnehmen. Genausowenig darf man Geschichte alleine ex post (also rückwärts) betrachten.
Die Heiden hatten aus ihrer Sicht durchaus Gründe für ihre weltanschaulichen Positionen. Sie sahen sich in der Sache im Recht und gleichzeitig sahen sie realpolitisch das Reich durch das Christentum gefährdet. In der Spätantike war die Bedrohung durch äussere Feinde besonders gross - v. a. Germanen und Perser sind hier zu nennen.
Populär untermauert wurden diese Sichtweisen durch die am Übergang vom 19./20. Jhd. entstandene Filmindustrie, v. a. der in Kalifornien.
Hier wurden unter dem Einfluss christlicher und jüdischer Filmemacher die Christen und Juden gerne als Opfer dargestellt. Meist waren sie die Opfer heidnischer Willkür, im Film "Die letzten Tage von Pompeji" kommen als böse Täter auch noch die Priester des Isis-Kultes hinzu. Das Werk, basierend auf einem Roman von Edward Bulwer-Lytton aus dem Jahre 1834, wurde mehrfach verfilmt, z. T. konzipiert als Mehrteiler. Am bekanntesten sind die Versionen von 1959 und 1984, es existieren aber bereits 4 Versionen aus dem Zeitraum von 1908 bis 1935. Bulwer-Lytton war ein berühmter Romanautor des 19. Jhd.s, der sich gerne mit historischen und mystizistisch-okkulten Stoffen befasste. Bulwer-Lytton war auch als Politiker aktiv (zunehmend konservativer). Sein Werk "Rienzi" beeinflusste die gleichnamige Wagner-Oper und "The Coming Race" gilt als eines der ersten Science-Ficton-Werke.
Ein Film, der die Dinge anders darstellt, ist der Film "Agora" aus dem Jahre 2009 über die berühmte heidnische Philosophin Hypatia, die von christlichen Eiferern brutal verfolgt und schließlich massakriert wurde.
DIE HEIDNISCHE DEFENSIVPOSITION
Das Problem der Heiden war, dass sie sich in einer Defensivposition sahen, die sie so vorher gar nicht erwartet hatten. Das Vordringen des Christentums und anderer (meist) orientalischer Religionen wurde nämlich zunächst unterschätzt. Die Heiden reagierten mal mit Ignoranz, mal mit Argumentation und mal mit Gewalt.
Das Christentum war anfangs auch noch nicht genau das, was wir heute als Christentum kennen. Für einige Forscher war es auch noch kein -tum und kein -ismus. Die frühen christlichen Gemeinden waren eigentlich eine jüdische Abspaltung, die erst allmählich und nicht ohne schwere innere Machtkämpfe eine relativ konsistente Ideologie herausbildete, von der es aber immer wieder Abspaltungen gab (Schisma/Häresie, je nach Wertung).
Als dann klar wurde, dass das Christentum eine enorme Schlagkraft besaß, reagiert man durch eine Bündelung der eigenen Kräfte.
Das gewaltsame Vorgehen gegen die Christen war nur ein Ansatz: Es sind ja diverse Christenverfolgungen durch römische Herrscher und durch "Eigeninitiative" heidnischer Gruppierungen bekannt.
Ein anderer Ansatz war die Straffung des ideologischen Repertoires. Von den vier "klassischen" hellenistischen Philosophenschulen, der Akademie (Platons), des Peripatos, der Stoa und des Epikureismus war die Schule des Epikurs weitgehend "auf der Strecke geblieben". Aus den drei übriggebliebenen, aber v. a. aus den Lehren Platons, formten die heidnischen Denker ihre Abwehrideologie. Die neu interpretierten Lehren Platons werden heute schulmäßig gerne als "Neoplatonismus" bezeichnet, obwohl man die Lehre damals nur bedingt als neue Denkstufe betrachtete.
Sie bildeten die Speerspitze des ideologischen Abwehrkampfes, wurden aber angereichert durch Lehren des Peripatos' (Aristotelismus') und der Stoa.
Auch organisatorisch lernten die Heiden dazu und orientierten sich dabei z. T. an Organisationsstrukturen der christlichen Kirche(n). Dies zeigt z. B. die Schrift von Julian Apostata.
LITERATUR:
Wikipedia
Brown, Peter: Die letzten Heiden. Eine kleine Geschichte der Spätantike;
Hahn, Johannes: Gewalt und religiöser Konflikt; Studien zu den Auseinandersetzungen zwischen Christen, Heiden und Juden im Osten des Römischen Reiches (von Konstantin bis Theodosius II.); Berlin 2004
Noethlichs, Karl Leo: Heidenverfolgung;
in: Reallexikon für Antike und Christentum 13 (1986), Sp. 1149 ff
Rassias, Vlassis: Zerstört sie (!); 2000 [Rassias ist selber Neuheide]
Stenger, Jan: Hellenische Identität in der Spätantike. Pagane Autoren und ihr Unbehagen an der eigenen Zeit.
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