* 30.01.30 in Essen
+ 30.11.89 in Bad Homburg vor der Höhe
Alfred Herrhausen war ein deutscher Ökonom, Manager und Vorstandssprecher der Deutschen Bank.
Anhänger von Herrhausen sehen ihn als letzten Vertreter einer Zeit, als es noch "Bankiers" gab und nicht "Banker". Kritiker sehen seine strategischem Maßnahmen bereits als Schritt in die späteren Zustände der "wilden Zockerei".
JUGEND
Alfred Herrhausen wurde im Januar 1930 in Essen geboren und wuchs zunächst dort auf.
Er wuchs bald in der Zeit des Nationalsozialismus hinein.
Herrhausens Vater war der Vermessungsingenieur Karl Herrhausen, seine Mutter war Hella Herrhausen.
Er hatte eine Zwillingsschwester Anna. Später sagte Anna in einem Interview, ihr Vater habe Alfred früh gelehrt, wenn er es zu etwas bringen wolle, müsse er jeden Tag eine Stunde länger arbeiten als die anderen.
Alfred Herrhausen ging zunächst in das Carl-Humann-Gymnasium in Essen-Steele. Dann sorgten seine Eltern und HJ-Vorgesetzten dafür, dass er die NS-Eliteschule "Reichsschule Feldafing" aufgenommen wurde.
Aus Herrhausens Jugendzeit, in der auch körperliche Fitness und Wehrertüchtigung großgeschrieben wurde, existieren Aufnahmen, die zeigen, wie der kleine Alfred Herrhausen bei einem Geländespiel einen Überfall auf einen Trupp Hitlerjungen inszeniert. Er stürmt aus dem Feld auf sie zu.
Das Kriegsende erlebte Herrhausen im Mai 1945 mit 15. Wie viele seiner Generation beschloss er, künftig vorgefertigte Dogmen kritischer zu hinterfragen. Außerdem wollte er sich jetzt für die neuen Werte, Freiheit und Demokratie, einsetzen, behielt aber seinen missionarischen Anspruch und seine Größenphantasien.
STUDIUM UND BERUFSEINSTIEG
Nach dem Krieg studierte Herrhausen an der Universität Köln Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre. Er gehörte ab 1951 dem Corps Hansea Köln an.
Seine Doktorarbeit schrieb er bei Theodor Wessels über den Grenznutzen. 1955 wurde er in Köln zum Dr. rer. pol. promoviert.
Herrhausens Vater wollte jedoch nicht, dass sein Sohn sich zu lange an der Universität aufhält.
So ging er zur Ruhrgas AG und dann zu den Vereinigten Elektrizitätswerken Westfalen (VEW), obwohl sein Vater, der dort auch tätig war, dies kritisch sah.
WECHSEL ZUR DEUTSCHEN BANK
1969 wechselte Herrhausen überraschend die Branche und wurde vom Vorstandssprecher Friedrich Wilhelm Christians zur Deutschen Bank geholt.
1970 wurde er stellvertretendes und 1971 ordentliches Vorstandsmitglied.
Als Ende 1972 das von der Deutschen Bank dominierte Kölner Schokoladen-Unternehmen Stollwerck durch Hans Imhoff übernommen wurde, hatte Herrhausen den Vorsitz des dortigen Aufsichtsrates inne.
1974 wurde Herrhausen von der Bundesregierung unter Helmut Schmidt in die Bankenstrukturkommission berufen.
1977 bekam Alfred Herrhausen aufgrund der Scheidung von seiner ersten Ehefrau Ulla innerhalb der Chefetagen der Deutschen Bank Probleme. Die katholisch geprägte Bankführung brachte ihr Missfallen zum Ausdruck und isolierte ihn für einige Zeit.
Wilhelm Christians durchbrach diese Isolation dann bewusst.
1983 wurde Herrhausen zusammen mit zwei weiteren "Stahlmoderatoren" von der neuen Bundesregierung - jetzt unter Helmut Kohl - beauftragt, ein Konzept zur Neuordnung des deutschen Stahlmarktes zu erstellen.
Innerhalb der Deutschen Bank wurde Herrhausen im Mai 1985 nach dem Ausscheiden Wilfried Guths neben Christians einer von zwei Vorstandssprechern.
Am 11. Mai 1988 wurde er alleiniger Vorstandssprecher. Jetzt betrieb er mit Nachdruck den Umbau der Konzernstrukturen und machte die Bank zum Marktführer in Deutschland. Darüber hinaus stieg die Deutsche Bank unter seiner Führung durch strategische Umstrukturierungen und Zukäufe in die Spitzengruppe der internationalen Geschäftsbanken auf.
Seine Schwerpunkte lagen auf dem "Allfinanzkonzept" und der Internationalisierung.
Es kam zur Gründung der Deutsche Bank Bauspar AG und der Deutsche Bank Lebensversicherungs AG und zur Übernahme der britischen Investmentbank Morgan Grenfell im Jahre 1989.
Diese Planung wurde am 27.11.89, also drei Tage vor Herrhausens Tod, bekanntgegeben.
Herrhausen hatte auch ein offensives Verständnis von medialer Kommunikation. Damals wurde den Banken von linken Kritikern oft vorgeworfen, sie hätten zuviel Macht. Herrhausen nahm den Begriff der "Macht" offensiv auf und äußerte, dass Banken in der Tat Macht hätten, diese aber zum Guten in der Gesellschaft einsetzen müssten.
KRITIK
Herrhausen galt als begabter Wirtschaftslenker, dessen volkswirtschaftliche Expertise auch jenseits seiner Firma gefragt war. Deshalb wurde er von der Politik mehrmals um Beratung gebeten.
Als Generalist setzte er sich aber auch oft in die Nesseln.
Da waren zum einen "Finanzkapitalisten", die die Bank drängten, sich immer mehr in Richtung riskanter Finanzgeschäfte zu bewegen, "Traditionalisten", die die Dinge gerne so gelassen hätten wie sie waren und "68er und Grüne", die damals so langsam mediale Machtpositionen erreicht hatten und generell nicht viel vom Bankenwesen hielten.
In dieser Gemengelage setzte sich Herrhausen um 1987 und 1988 für einen bedingten Schuldenerlass für die Dritte Welt ein. Einige Akteure fanden das gut, andere - die davon negativ betroffen wären, entsprechend nicht. (1987 hatte es eine große internationale Finanzkrise gegeben.)
Ihm wurde sogar vorgeworfen, durch eine solche pseudo-moralische Offensive zum Schuldenerlass gar nicht der Dritten Welt helfen, sondern der angelsächsischen Bankenwelt (und Konkurrenz) schaden zu wollen.
Besonders die Übernehme der Investmentbank Morgan-Grenfell wurde von vielen als Wildern in fremden Revier gesehen.
Daher gab es nach dem Attentat auch Spekulationen um die Frage, ob die Tätergruppe nicht in RAF-Kreisen oder Stasi-Kreisen zu suchen sei, sondern gar in Finanzkreisen!
DAS ATTENTAT
Alfred Herrhausen starb am 30.11.1989 durch ein gegen ihn gerichtetes Sprengstoffattentat. Und zwar handelte es sich bei um ein Deformationsgeschoss, dass von dem Gepäckträger eines an der Straßenseite abgestellten Fahrrades abgeschossen wurde, das gepanzerte Fahrzeug Herrhausens traf und im Inneren eine Streuung von Fahrzeugsplittern auslöste. Der Werfer auf dem Gepäckträger wurde durch eine Lichtschranke gezündet, die bei Herannahen der Fahrzeuge mit einem Schalter aktiviert wurde (damit keine anderen Fahrzeuge getroffen werden).
Der Fahrzeugkonvoi Herrhausens bestand aus zwei gepanzerten Pkws vom Typ Mercedes S-Klasse.
Die Sicherheitsmaßnehmen von Staat und privaten Personenschützern waren wie üblich bei RAF-Anschlägen dilettantisch. Herrhausen blutete stark, lebte aber noch. Man hätte ihn sofort ins das nächstliegende Krankenhaus befördern müssen. Ein Auto war ja noch intakt.
Stattdessen hatten die Personenschützer Angst vor einer zweien Explosion (was bei Anschlägen durchaus vorkommen kann) und hielten sich in Deckung.
Außerdem waren die Wegstrecken, die Herrhausen zu seinem Arbeitsplatz nahm, aber auch für seine Ausfahrten mit dem Rennrad in der Gegend bekannt und wurden zu wenig variiert.
Peinlich ist auch, dass das am Straßenrad seit Wochen abgestellte Fahrrad nicht untersucht wurde. Ein pingeliger Anwohner hat sich zwar durch das zum Fahrrad führende Kabel gestört gefühlt und dieses entfernt, aber er kam nicht auf die Idee, dieser Sachlage eine höhere Bedeutung beizumessen und so konnten die Angreifer das Kabel erneut verlegen.
Durch all diese Schlampereien verblutete Alfred Herrhausen in seinem Auto.
Dieser Anschlag schockierte die mediale Öffentlichkeit. Durch Frankfurt am Main fanden Trauermärsche statt. Zehntausend Menschen gingen in einem Schweigemarsch durch das Bankenviertel.
Umstritten blieb allerdings bis heute die Frage nach der Urheberschaft.
DIE URHEBER DES ATTENTATES
Kurz nach dem Anschlag ging ein Bekennerschreiben der linksterroristischen Roten Armee Fraktion (RAF) ein.
Es gab durch den Einsatz von V-Leuten einige Verdachtsmomente gegen RAF-Terroristen. Diese konnten jedoch letztendlich nicht ausreichend erhärtet werden.
Bei den Hinweisen von V-Leuten handelt es sich v. a. um Aussagen von Siegfried Nonne. Nonne kam aus der linksalternativen Bewegung. Er konsumierte Drogen und galt als psychisch instabil. Seine Zuverlässigkeit als Kronzeuge war daher umstritten. Ob allerdings alle seine Aussagen unwahr waren/sind, ist keineswegs klar. Insgesamt war der Druck in dieser Sache hoch.
Nonne lieferte im Januar 1992 publizierte Hinweise, die auf Akteure hindeuten, die damals auf Fahndungsplakaten mit der 3. Generation der RAF in Zusammenhang gebracht wurden.
Er belastete Christoph Seidler, Andrea Klump, zwei nicht näher bekannte Männer namens Stefan und Peter sowie sich selbst.
Die 4 RAF-Terroristen sollen vor dem Anschlag längere Zeit in Nonnes Bad Homburger Wohnung (Am Hessenring 116) gelebt und dort Sprengstoff deponiert haben. Die Fahnder fanden tatsächlich geringe Sprengstoffreste, aber 2,4-Dinitrotoluol, 2,4-Dinitroethylbenzol und Spuren von Nitroglycerin. Bei dem Anschlag wurde aber Trinitrotoluol verwendet.
Nonnes Halbbruder Hugo Föller, der auch in der Wohnung gelebt haben soll, widersprach diesen Aussagen jedoch. Kurz nach Nonnes Aussage starb er an Lungenentzündung.
Christoph Seidler, der sich zur damaligen Zeit in Nahost (auch im Libanon) aufhielt, stellte sich 1996 den deutschen Behörden. Er will zu mehreren Tatzeiten der RAF ein Alibi gehabt haben.
Ob das so stimmt, war damals unter Juristen umstritten und ist es bis heute. Investigative Journalisten (z. B. Telepolis) haben vermutet, dass sich Seidler nicht immer wirklich dort aufgehalten hat, wo er vorgab, gewesen zu sein.
Andrea Klump war 1984 untergetaucht und hielt sich dann in Nahost (auch im Libanon) auf. Von 1988 - 1995 ist ihr Aufenthalt bis auf 1993 unbekannt.
Seidler und Klump bestritten eine RAF-Mitgliedschaft. Doch an ihrer Version bestehen Zweifel.
(Nach bundesdeutschem Recht ist schon die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129s StGB strafbar.)
Immer wieder gab es auch den Verdacht, die RAF könne - ähnlich wie es beim Attentat auf Detlev Rohwedder vermutet wird - zusammen mit der Stasi den Anschlag geplant oder sogar durchgeführt haben. Ein Motiv der Stasi könnte darin gelegen haben, dass der Ostblock Ende 1989 gerade im Zusammenbruch begriffen war.
Auch eine Beteiligung italienischer Linksterroristen oder der marxistischen PFLP wird nicht ausgeschlossen. Zumindest können von dort aus Hinweise zum Bau der Sprengfalle gekommen sein.
Etwas weiter hergeholt sind Theorien, der Anschlag sei gar nicht von links geplant und ausgeführt worden, sondern von rechts und zwar aus dem System heraus. Diese Spekulationen beziehen sich darauf, dass sich Herrhausen mit seinen Forderungen nach einem massiven Schuldenerlass für arme Länder in der internationalen Finanzwelt sehr unbeliebt gemacht hat.
Von offizieller Seite her wird seit 2004 nur noch gegen Unbekannt ermittelt.
QUELLEN UND LITERATUR:
Wiki
-
Aust, Stefan:
Peters, Butz:
Wisnewski, Gerhard: Das RAF-Phantom - Wozu Politik und Wirtschaft Terroristen brauchen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen