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Samstag, 15. Juli 2023

KLAUS BARKOWSKY

Klaus Barkowsky
Klaus Barkowsky in typ. 80er-Montur,
er konnte aber auch im Anzug auftreten

 
* 04.10.1953, in Hamburg
+ 25.04.2023, in Hamburg

Klaus D. "Lamborghini-Klaus" Barkowsky war ein deutscher Zuhälter, Künstler und Selbstdarsteller.
Sein Hauptrevier war die Reeperbahn. Ein anderer Beiname war "schöner Klaus".

Anhang:
Crime-Pool
Die Banden auf St. Pauli


JUGEND UND BERUFSEINSTIEG

Klaus Barkowsky soll mit 15 Jahren das erste Mal auf der Reeperbahn gewesen sein. Nach eigenen Angaben war er ziemlich faul und von der bunten Welt beeindruckt.
Barkowsky versuchte es aber an der Seemannsschule in Hamburg-Finkenwerder auch mit einem bürgerlichen Job und fuhr nach eigenen Angaben zwei Jahre zur See.
In den 1970er-Jahren stieg er nach schwierigen Anfängen zur Kiezgröße auf. In dieser Zeit "griff man sich oft ins Zahnfleisch".
Klaus Barkowsky arbeitete mit 20 Jahren in einer Bar auf der Reeperbahn, die er bald übernehmen konnte. Jetzt konnte er weiter expandieren und mietete sich in Etablissements im Eros-Center ein.
Angeblich soll Barkowsky am Anfang der 70er-Jahre mit seiner Corvette von einem Porsche 911 überholt worden sein. Daraufhin soll er von "Auto Becker" ein unschlagbares Auto verlangt haben. Schließlich vermittelte ihm der Rennfahrer Hubert Hahne einen Lamborghini Miura SV.
Später in den 80ern fuhr er den für ihn typischen Lamborghini Countach (sprich: Lamborgini Kun[g]tatsch), von dem er zu besten Zeiten sogar zwei besessen haben soll. Einmal wurde sogar ein Autobahnabschnitt in Hamburg gesperrt, damit sich Sportwagenbesitzer (darunter viele Luden) dort austoben konnten. Heute wäre so etwas wahrscheinlich undenkbar.
Nicht umsonst wurden solche Sportwagen damals "Nuttenschleudern" genannt.


Lamborghini Countach
Ein (anderer) schwarzer Lamborghini Countach, damals als Nuttenschleuder bekannt.



BANDENSITUATION

Damals galt noch Wilfried Schulz als der Pate von St. Pauli. Dieser hatte gute Beziehungen zur deutschen und internationalen Unterwelt, einschließlich der italoamerikanischen Glücksspielmafia, die mit Einschüchterung und manipulierten Spielgeräten operierte.
In den 70ern zog sich Wilfried Schulz etwas aus dem Kiez zurück. In diese Lücke stießen jüngere Banden wie die GMBH (Bandenführer: Gerd - Mischa - Beatle - Harry) und die Nutella-Bande von Klaus Barkowsky. Zu dieser Bande gehörten viele "Jungluden", unter anderem Thomas "Karate-Tommy" Born. Später entstand noch die Chikago-Bande um das "Eincafé" Chikago auf dem Hans-Albers-Platz südlich der Reeperbahn um Ringo Klemm, Kalle Schwensen und andere. Bei dieser Gruppe streitet man sich aber, ob man sie konstant als Bande bezeichnen kann.
Daneben gab es noch Rockergruppen (Biker), kriminelle Jugendbanden und Einzelkämpfer, die sich situativ auch einer Gruppe anschließen konnten. Stefan Hentschel war z. B. weitgehend unabhängig mit seinem Salon Mademoiselle im Eros-Center, hatte aber über das Bel-Ami (auch im Eros-Center) eine Nähe zur GMBH.
Ein zeitweiser Einzelkämpfer war auch der "Wiener Peter", der aber auch eine Nähe zum Chikago hatte und mit dieser Gruppe später den Killer Werner "Mucki" Pinzner teilte.

Eine Hauptkonfliktlinie entstand zwischen der GMBH und der Nutella-Bande. Die GMBH galt als etabliert und konservativ und fuhr gerne bürgerliche Autos von Mercedes oder Porsche.
Die Nutella-Bande hatte dagegen ein Faible für amerikanische Sportwagen oder eben rassige Italiener.
Während die GMBH ihr Hauptquartier an der Silbersack-Straße hatte, waren die Jungs von der Nutella entlang der Herbertstraße und an der Reeperbahn aktiv.
Es gab Großdiskotheken, auf denen auch Frauen angeworben wurden, bei denen die GMBH ihren "Stammtisch" auf der einen Seite hatte und die Nutella auf der anderen.
Die Nutella hatte für die "Abteilung Stress" Thomas "Karate-Tommy" Born, der als Schüler Judo und Karate gelernt hat und später Kickboxen und der entgegen dem Willen seines strengen Vaters nicht Medizin studieren wollte, sondern ein Kampfsportstudio auf St. Pauli aufmachen wollte (vgl. Stefan Hentschels Boxstudio). So kam der Kiez zu ihm.
Bei den Fallschirmjägern der Bundeswehr hatte er sich am Anfang gut gemacht, dann aber einen schikanösen Vorgesetzten (im Offiziersrang) verprügelt.


DER KIEZKRIEG DER 80ER UND DIE AUFLÖSUNG VON GMBH, NUTELLA UND CHIKAGO

In den 1980ern deuteten sich auf dem Kiez Revierkämpfe an, zumal die Wirtschaftskrise und die AIDS-Angst am Anfang des Jahrzehnts die früher traumhaften "regulären Puffgewinne" schmälerten. Es entstanden Revierkämpfe entlang der Prostitution, aber auch entlang neuer Einnahmeoptionen wie dem Kokainhandel. Die Kokainwelle aus beiden Amerikas schwappte mit einer gewissen Verspätung nach Deutschland. Als Hauptversorger galt das Medellin-Kartell, hier vertreten durch Carlos Lehder, der selber einen deutschen Vater hatte und John Lennon und Adolf Hitler verehrte.
Vor der Kokainwelle hatte man auf St. Pauli noch mit synthetischen Drogen wie Pervitin und Captagon gehandelt.

Anfang der 80er-Jahre ereigneten sich auch einige ungeklärte Todesfälle von V-Männern der Polizei, mit denen die Nutella aber wahrscheinlich nichts zu tun hatte.
Man vermutet, dass ein umgedrehter Ermittler namens Zühlsdorf, der selber mit Sexvideos erpresst wurde, Dokumente mit handschriftlichen Vermerken an das Café Cherie des Wilfried Schulz geliefert hatte und dieser die Dokumente an das Milieu weiterverkauft hat. Auf jeden Fall waren danach mindestens vier Mann tot.

1982 kam es als ein Eskalationspunkt zu einer Schießerei im Eros Center. Der Hintergrund war, dass eine Prostituierte der GMBH und eine von Nutella aneinandergeraten waren und die Nutella - vertreten v. a. durch Thomas Born - Kompensation verlangte. Mit einem wuchtigen Auftreten stürmte Born zusammen mit Jürgen "Angie" Becker und Klaus "SS-Klaus" Breitenreicher in das Bel-Ami der GMBH. Doch die dortigen Zuhälter hatten durch die Bedrohung aufgerüstet und waren mit Pistolen bewaffnet. Aus dieser Konfrontation ging die GMBH als Sieger hervor. Borns Kollegen wurden beide erschossen und er selber konnte nur durch die geschlossene Tür fliehen (Buzzer, damit Freier nicht ohne zu zahlen gehen konnten), weil ein Schütze nachladen musste und sich ein neues Magazin zuwerfen ließ. Born floh mit Türsplittern im Gesicht und einem Körperschuss zum Krankenhaus.
Die Schützen flohen erst, stellten sich aber dann der Justiz und kamen durch gute anwaltliche Vertretung davon, weil das Gericht von "Putativnotwehr" (man glaubt, es handele sich um eine Notwehrsituation) ausging.
Kritiker sahen darin einen reinen juristischen Winkelzug und einen Freibrief für die weitere Gewalteskalation auf St. Pauli. Wahrscheinlich wahr auch Kokain im Spiel, das Euphorie, Aggressivität und Verfolgungswahn (Paranoia) pushen kann.
Die Schützen gerieten später in der Wendezeit mit Geschäftspartnern der Russenmafia in Konflikt und wurden auch erschossen.

Diese Schießerei geschah ungefähr zu der Zeit, als Michael "Schöner Mischa" Luchting, das "M" der GMBH bei einem Hamburger Hochsitz erhängt aufgefunden wurde. Hier wurde Foulplay vermutet, weil die GMBH ihn loswerden und durch Uwe Schwensen ersetzen wollte. Der Fall konnte nicht geklärt werden. Die Nutella war wohl unbeteiligt.
Luchting stammte aus einer gehobenen schwäbischen Künstlerfamilie, aber sein Vater starb früh. Sein Auftreten galt auf dem Kiez als zu parfümiert, andererseits konnte er so viele Frauen anwerben. In den Hochzeiten der GMBH fuhr er mit einem cremefarbenen Rolls-Royce über den Kiez, der dann später durch den Blumenschmuck auf seinem Grab nachempfunden wurde.
Einige sahen Michael Luchting nach missglückten Unternehmungen in Spanien und einem dortigen Gefängnisaufenthalt als psychisch geschwächt und selbstmordgefährdet an, andere meinten, er habe gerade zum Gegenschlag ausgeholt, um sich seine Puffanteile zurückzuholen und sei ermordet worden.
Auffällig ist, das im Vorfeld zwei seiner Helfer (Dieter Mohr, Dieter Förster) erschossen worden waren, einer davon (Dieter Mohr) durch verkleidete Killer in seinem Haus. Das deutet für einige Ermittler auf eine Täterschaft Werner Pinzners und seiner Helfer hin, die in anderen Fällen (z. B. bei Jehuda Arzi) ähnlich zuschlugen.
Viele glaubten jedenfalls nicht an einen Selbstmord des Schönen Mischa. Stefan Hentschel auffälligerweise schon, allerdings hatte er auch Beziehungen zur GMBH.

Der Nutella ihrerseits ging es bald nicht mehr so gut. Die anfangs lahm ermittelnde Polizei wusste zunehmend - auch durch US-Expertise - wie man spezielle und vom Alltagsbetrieb der Polizei isolierte Ermittlungsgruppen einrichtet, die gezielt gegen Organisierte Kriminalität vorgehen können. Auch die Justiz gewann an Spannkraft.
Dies führte zuerst zur Liquidation der GMBH, die allerdings ihren Zenit bereits überschritten hatte und einige ihrer Geschäftsanteile noch in "Sicherheit" bringen konnte und etwas später der Nutella.
Die Luden mussten sich neue Einnahmequellen suchen. Ihre Altersvorsorge war dahin.

Barkowsky kam selbst juristisch relativ gut aus diesen schwierigen Zeiten heraus. Erst 1989 erhielt er eine Haftstrafe, nachdem er in einem Bistro ein Messerwerfen veranstaltet hatte, bei dem ein Messer eine 21-Jährige rückwärtig traf.
Ein anderes Ereignis geschah in "Charlys Nightbar" am Hamburger Berg 29. Hier wurde Barkowsky von einem österreichischen Zuhälter des Falschspiels bezichtigt und angeschossen. Das Hamburger Abendblatt meldete im Januar 1986 sogar fälschlich seinen Tod ("Das Ende der Nutella-Bande") und musste eine Gegendarstellung drucken. Borns Komplizen sollen aus Rache den Angreifer später zusammengeschlagen haben.

Weitere Faktoren der 80er-Jahre sind die Pinzner-Morde, durch Werner "Mucki" Pinzner, der aber fast immer mit Komplizen zugeschlagen haben soll.
Hinter diesen Morden stand aber nicht die Nutella, sondern der "Wiener Peter" und das Chikago.
Unter den Toten waren Jehuda Arzi, Peter Pfeilmeier, Dietmar "Lackschuh" Traub, Waldemar "Neger-Waldi" Dammer und Ralf "Corvetten-Ralf" Kühne. Wahrscheinlich aber noch viel mehr.
Schließlich wurde Werner Pinzner gefasst, sagte schubweise aus, erhielt aber über seine Anwältin und seine Ehefrau Jutta einen Revolver und erschoss mitten im Hochsicherheitstrakt (!) den Staatsanwalt, seine Frau und sich selbst in einem "Exitus triumphalis". Eine Verwicklung des Chikago oder sogar südamerikanischer Kartelle wurden vermutet. Wahrscheinlich wollte man Pinzner zuerst von Rockern im Gefängnis töten lassen, hat dann aber, als diese kalte Füße bekamen, Pinzner über seine Tochter Birgit erpresst und zu einem Selbstmord (mit Mord am Staatsanwalt?) aufgefordert.

Die Ermittler hängten sich an den Fall dran und fanden bei Pinzners Anwältin Indizien für eine größere Verschwörung, es fehlten aber die letzten Beweise. Das Chikago wurde von Spezialeinheiten gestürmt, Ringo Klemm konnte aber entweder über das Dach fliehen oder sich über eine Spanische Tür im Haus verstecken und erst nach der Razzia fliehen (alternative Theorien). Auf jeden Fall ging er dann nach Mittelamerika (Costa Rica), wo die Chikago-Bande ein weiteres Puff-Netzwerk aufgebaut hatte.
Die Polizei entdeckte aber sein Photo von einem Aufenthalt in Mittelamerika in der Szenekneipe "Die Ritze". So konnte man Klemm dort aufspüren und nach langem Hin und Her ausliefern.

Das Chikago überlebte auch deshalb länger als die Nutella, weil wichtige Zeugen der Pinzner-Morde rechtzeitig beseitigt werden konnten.
Uwe Bolm, einstmals ein Leibwächter des Chikago, der dann aber zu singen begann, wurde an einen abgelegenen Ort gerufen, wo ihm der Kopf mit einer Flinte weggeschossen wurde (wahrscheinlich im Auftrag des Chikago, er hatte aber auch andere Feinde), Bernd "Campari-Bernd" Wünschs Leiche fand man hinter einem Komposthaufen. Die Haltung der Leiche deutete auf einen Transport im Auto hin und nicht auf Selbstmord.
Die Gefängnisstrafen für die Chikago-Anführer fielen im folgenden Prozess recht kurz aus, weil der Anklage die Zeugen fehlten. Trotzdem schlugen Versuche, das Chikago in den 1990ern als Chicago zu relaunchen, fehl. Man ludt zwar prominente Musiker und Künstler ein, hatte aber Probleme mit den immer höheren Mieten.
Erneute Versuche einiger Mitglieder, wieder ins Kokaingeschäft einzusteigen, wurden von der jetzt technisch und juristisch besser bewaffneten Polizei ebenfalls vereitelt.


EIN LEBEN ALS KÜNSTLER

Barkowsky stieg daraufhin aus dem Milieu aus und betätigte sich als Künstler.
(Zum Vergleich: Thomas Born trat als Schauspieler und Filmberater für Kiezfilme auf. Bei einem Auftritt in den USA soll ihm Madonna an die Brust gegriffen und "Big Muscles" gerufen haben, warauf Born sie auch anfasste und "Big Tits" sagte. So erzählte es Born selber.)
Barkowsky musste viele seiner Sportwagen verkaufen. Man traf ihn auch in der Hamburger Szenekneipe Elbschlosskeller.
Barkowsky sah sich als Autodidakt und arbeitete mit Pinseln, Schabern, Kämmen, Spachteln und den bloßen Händen. Oft wählte er als Materialien Acryl auf Leinwand. Einige seiner Werke (z. B. "Domenica im Himmel" und "Elektrischer Stuhl") erziehlten hohe Verkaufspreise.
2020 rief er die Künstlergruppe EWIG ins Leben, mit der er sogar im Hamburger Hansa-Theater ausstellen konnte.

Wie viele Kiezaussteiger hatte Barkowsky nun aber mit Bedeutungsverlust, Geldproblemen und dem Alkohol zu kämpfen. Er musste außerdem seine drei Kinder versorgen.

Während der Corona-Zeit kam der Aufmerksamkeitssucher noch einmal mit Widerstandshandlungen gegen Coronamaßnahmen und Hitlergruß in die Medien. Im Januar 2022 wurde gegen ihn deswegen ermittelt.

Im Februar 2023 lief die Serie "Luden" an, in denen Barkowsky von Aaron Hilmer gespielt wurde.
Angeblich fand er die Darstellung seiner Person und der damaligen Verhältnisse wirklichkeitsnah.

Dann wurde es aber still um ihn. 2023 starb Klaus Barkowsky, wahrscheinlich beging er Suizid.




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