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Montag, 24. Juli 2023

DIE BANDEN IN JAPAN

Yakuza (Katakana)
Yakuza in Katakana-Schrift


Japan ist bekannt als ein Land mit geringer Kriminalität. Das heißt aber nicht, dass es keine gibt.
Und wenn sie auftritt, kann sie sehr gefährlich werden.

Das zeigen gerade die Yakuza, das sind organisierte und meist traditionsorientierte Banden.
Wahrscheinlich stammen sie historisch aus dem Glückspielgeschäft, heute sind sie in vielen Bereichen aktiv. Zu diesen Banden zog es häufig Leute aus der Unterschicht, aber auch Abenteurer und Glücksritter.
Entsprechend ist unter ihnen der Anteil von Burakumin (ethnische Japaner aus früher diskriminierten Klassen) und in Japan lebenden Koreanern erhöht. Wie hoch er jeweils ist, ist umstritten und gilt als Politikum.
Traditionell tragen Yakuza häufig Tattoos, was in der japanischen Mainstreamgesellschaft nicht so angesehen ist.

In den letzten Jahren haben radikale Maßnahmen ihre Wirkung gezeigt. Der Staat versucht, nicht nur Symptome zu bekämpfen, sondern - ähnlich wie auch in den USA - die Finanzströme der OK trocken zu legen.
Aber ganz gelingt das nie und in Machtlücken können andere Banden vorstoßen, z. B. Triaden aus China.

Wie viele kriminelle Banden leiten auch die Yakuza für sich ein Robin-Hood-Image ab.
Historisch ist es schwer zu sagen, ob eine kriminelle Struktur anfangs einmal für Ideale gekämpft hatte und dann zwecks Versorgung zu einer "Räuberbande" wurde oder ob sie immer schon kriminell war.
Frühere Vergleiche führten gerne zu Mafia oder Triaden, heutige vielleicht zu Untergrundgruppen wie der IRA.


GESCHICHTE

Es gibt verschiedene historische Erklärungen zur Entstehung der Yakuza.

Die Edo-Periode (Gründer: Tokugawa)

Eine prominente Erklärung ist die Entstehung aus Glückspielsyndikaten (博徒/bakuto) in der Edo-Periode (ca. 1600 - 1868). Damals wurde Japan in brutalen Einigungskriegen durch die drei "Reichseiniger" Oda Nobunaga, Hideyoshi Toyotomi und Oda Nobunaga zwangsgeeint.Danach wurde die Gesellschaft straff und autoritär geregelt, das sich bereits festsetzende Christentum verfolgt und das Land nach außen weitgehend abgeschlossen. Einige Historiker sehen diese Epoche als Epoche der Stabilität, andere als Epoche der Unfreiheit. Im 19. Jhd. kam Japan durch Ausschluss der Konkurrenz des Auslands auf jeden Fall technisch nicht mehr gegen die Großmächte der Zeit an.
Man sprach von der "pax Tokugawa".
Mit "Edo" ist die Hauptstadt gemeint, die später Tokyo genannt wurde.

Die damaligen Yakuza kamen häufig aus der Unterschicht, also z. B. Bauern und Handwerkern, Kaufleuten oder sonstwie ausgegrenzten Menschen.


Ein Yakuza eilt seinem Komplizen gegen die Polizei zu Hilfe.
(Suzuki Kinsen, um 1900)


Einige suchten sicher das Abenteuer und die Zugehörigkeit zu einer starken Gruppe, aber viele waren auch ökonomisch gezwungen, sich über Wasser zu halten. So konnte es sein, dass jemand seinen Besitz durch Naturkatastrophen, Streitereien, Ronin (herrenlose Samurai), staatliche Strafverfolgung oder Glückspiel verloren hatte.
Die Polizeikräfte kamen damals in der pax Tokugawa aus dem Stand der Samurai. So sorgte der Shogun Tokugawa einerseits für Sicherheit und band andererseits die zuvor aufsässigen Samurai an sich.
Somit gab es zwischen Polizei/Samurai und Yakuza auch Standesdünkel. Die Yakuza wurden gerne als Möchtegern-Krieger (vgl. Bushido) betrachtet.
Die Yakuza waren in "kumi" genannte Banden unterteilt. Vereinzelt gab es auch eine Zusammenarbeit mit anderen Schichten, aber offiziell selten.


Das 19. Jhd. und 20. Jhd: Radikale Modernisierung Japans

Die Tokugawa-Zeit ging im 19. Jhd. zu Ende und Japan unterzog sich einer radikalen Modernisierung. Für die Yakuza war dies eine schwere Phase, aber man suchte in der neu entstehenden "kapitalistischen" Wirtschaftsordnung bereits nach neuen Geschäftsfeldern. Hinzu kam, dass die straffe Modernisierung des Landes auch zu einer Entwurzelung vieler Menschen führte.

Eine neue Wachstumsphase erlebten die Yakuza zu Anfang der Showa-Zeit ab 1926 bis zum Ende des
Zweiten Weltkriegs und darüber hinaus.
Die Yakuza organisierten den Schmuggel und illegalen Handel und konnten auch in einer Zeit, als sich der Zusammenbruch des japanischen Militärapparates abzeichnete, mit Gewalt legale oder illegale Ansprüche durchsetzen.

1945 war Japan zwar militärisch besiegt, aber die USA wollten gegen die von ihnen so wahrgenommene kommunistische Bedrohung ein Bollwerk schaffen, für das sie auch mit den alten Machtgruppen zusammenarbeiten wollten. Man kann hier Vergleiche zum besiegten Deutschland ziehen. 1952 wurde im Friedensvertrag von San Francisco die staatliche Souveränität Japans wiederhergestellt, allerdings unter dem Zugeständnis, dass amerikanische Militärbasen in Japan weiter betrieben werden dürfen.

Im jetzt beginnenden Wirtschaftswachstum Japans nistete sich die Yakuza v. a. in den Bereichen Glücksspiel, Erpressung und Bauwirtschaft ein.
Aus Konflikten entwickelten sich blutige Bandenkriege um Einflussphären.

Lange Zeit ließ man die Yakuza gewähren, bis ab Mitte der 1960er-Jahre der Repressionsdruck des Staates erhöht wurde. Die Yakuza reagierte darauf mit einem Konzentrationsprozess zu den bis heute bestehenden Großbanden Yamaguchi-gumi, Sumiyoshi-kai und Inagawa-kai.

Politisch gesehen entstanden "seltsame Netzwerke" zwischen rechtsbürgerlichen Politikern, Geschäftsleuten, Rechtsextremisten und der Yakuza.
Gerade in der 68er-Zeit, als durch die auch in Japan zu beobachtende Eskalation immer mehr linksgerichtete Gruppen auftreten, die ihrerseits bandenmäßig organisiert war, griff die Rechte neben offizieller Verfolgung durch die Polizei auf (Kampf-)Sportclubs, rechte Landjugendgruppen und Banden der Yakuza zurück.
Ein Vergleich zu den 60er- und 70er-Jahren in Italien mit Anarchokommunisten, Alt- und Neofaschisten und Mafiabanden bietet sich an.

In den 1970er-Jahren mit diversen Öl- und sonstigen Krisen stieg die Yakuza auch in die Finanzbranche ein. Durch den erneut gezündeten Turbokapitalismus der 1980er-Jahre mit seiner "immer wieder platzenden" Blasenökonomie konnten die Yakuza ihre Verankerung in der "offiziellen" Wirtschaft weiter festigen.
Es kam zu Schutzgelderpressungen börsennotierter Aktiengesellschaften, die mit "quertreibenden" Kleinaktionären (Einsprüche, Klagen) unter Druck gesetzt wurden. Die weiter wachsende Schifffahrt (besonders die Containerschifffahrt) befeuerte den Schmuggel.

In den 1980er stand in vielen großen Verbrechersyndikaten ein Generationenwechsel an, der besonders in der Yamaguchi-gumi das ganze Jahrzehnt hindurch blutig ausgetragen wurde.


Spätes 20. Jahrhundert: Stärke, staatliche Gegenmaßnahmen und Tod von ITAMI Juzo

Die Banden der Yakuza führten sich durch die vorangegangen Wachstumsphase und ihr Machtbewusstsein irgendwann so selbstbewusst auf, dass dies zu einer Gegenwehr führen musste.
Viele Banden waren mit ihrer Adresse sogar offen im Telefonbuch verzeichnet.
In der Bevölkerung erhöhte sich der Druck gegen diese Zustände.

Diese Zustände begannen sich zu ändern, als der japanische Staat das Boryokudan-Gesetz im März 1992 auf Schiene brachte. Das Gesetz galt (Name!) allen "gewalttätigen Gruppen".
Die Mitgliedschaft in diesen Gruppen war zwar immer noch nicht illegal, wohl aber jede Betätigung in diesen. Sie konnte mit drastischen Strafen geahndet werden.
Viele Yakuza-Banden gingen jetzt in den Untergrund. In der wirtschaftlichen Stagnation der 1990er-Jahre war in Japan aber sowieso nicht mehr so viel zu holen.
Die Yakuza mussten sich mühsam anpassen. Neben Glücksspiel, Bauwirtschaft und Erpressung dachte man jetzt vermehrt über Drogen- und Menschenhandel nach. Junge Frauen aus Südostasien wurden unter falschen Versprechungen angelockt.
Das Internet war außerdem dabei, sich zu entwickeln.

Das Fass zum Überlaufen brachte aber der Film "Minbo no Onna" (quasi: Die Frau der/für die Erpressung) von ITAMI Juzo, in dem eine Anwältin (gespielt von Itamis Ehefrau) der Yakuzi bei deren Erpressungsversuchen Paroli bietet. Das Auftreten der Yakuza ist im Film sehr realistisch dargestellt, einige Schauspieler sollen sogar Ex-Yakuza gewesen sein.
Die Folge war nur, dass die Yakuza sich durch diesen Film in der Ehre gekränkt fühlte und einen Anschlag auf Itami durchführte, bei dem dieser geschlagen wurde und dann eine Klinge langsam durch das Gesicht gezogen bekam. Itami musste deshalb lange Zeit im Krankenhaus zubringen, erlebte die dortige Bürokratie und hatte damit gleich seine nächste Filmidee.

Für die japanische Öffentlichkeit war damit aber das Maß voll. Der Druck auf die Politik war extrem.
Trotz einiger Verschleppungsversuche wurden jetzt Gesetze auf den Weg gebracht, die nicht nur die äußeren Phänome der Organisierten Kriminalität (OK) bekämpften, sondern auch deren Finanzströme wirksam austrocknen sollten.
Die Yakuza konnten sich in den 1990ern noch gut halten, aber in der Folgezeit brach für sie eine schwere Zeit an.
Itami konnte seinen Trimpf aber nicht mehr erleben: Er starb 1997 durch einen Sprung vom Hochhaus. Zuerst hieß es, er sei empört gewesen über Presseberichte über eine angebliche Liebesaffäre mit seiner Mitarbeiterin (die Yellow Press hatte berichtet), doch dann mehrten sich die Anzeichen, dass die Yakuza ihre Finger im Spiel hatte. 2008 äußerte sich ein Ex-Yakuza in einem Interview mit dem investigativen Journalisten Jake Adelstein entsprechend.
Das Problem war wohl, dass Itami einmal 1997 einen Film über namens "Marutai no Onna" gemacht hat, in dem es um eine Frau im Zeugenschutzprogramm ging und zweitens, dass er einen neuen Film plante, in dem er angebliche Verbindungen zwischen Yakuza und der mächtigen buddhistischen Gemeinschaft Soka Gakkai aufzeigen wollte. Die Soka Gakkai war zu einem Finanzgigangen mit dubiosem Finanzgebaren herangewachsen und hatte sogar eine eigene Partei, die Komeito, die aber aufgrund der Trennung von Religion und Staat in der Nachkriegsverfassung offiziell getrennt agierten.


Yakuza bei einem Zeremoniell in Tokio.
2007


DAS 21. JAHRHUNDERT: ZUNEHMENDE REPRESSION GEGEN DIE YAKUZA

Japan ging durch den Kampf gegen die Geldflüsse der Yakuza einen ähnlichen Weg wie die USA.
In beiden Fällen dauerte es aber eine gewisse Zeit, bis die Maßnahmen wirkten.

2004 entschied aber der Oberste Gerichtshof, dass der damige Anführer der Yamaguchi-gumi nach den Bestimmungen des geltenden Gesetzes auch für die Machenschaften seiner Untergebenen haftbar gemacht werden konnte. Damit war dieser Bande das Messer an die Kehle gesetzt
Der Anführer der Yamaguchi-gumi kam damals zwar noch mit einem blauen Auge davon, aber künftig mussten die Banden der Yakuza genauer aufpassen, ob und wann sie offene Gewalt anwenden sollten.

Seit Oktober 2011 ist in Japan sogar jegliche finanzielle Zusammenarbeit mit Yakuza-Gruppen unzulässig. Alle japanischen Banken und viele andere Unternehmen haben Ausschlussklauseln in ihre Geschäftsbedingungen aufgenommen!
In der Folge wird es für Yakuza-Mitglieder immer schwieriger, sich überhaupt ein Konto anzulegen oder auch nur eine Wohnung zu mieten oder zu kaufen.
2013 ging die japanische Finanzaufsicht gegen die Mizuho Financial Group vor, weil sie ihre Geschäftspartner nicht ausreichend überprüft hatte. Es soll zu Transaktionen von und für Yakuza-Mitgliedern gekommen sein.
Ende 2015 wurde der oberste Leiter der Sumiyoshi-kai wegen Wahlbetrugs zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
2016 wurde ein Leiter der Osaka-Yamaguchi-gumi beschuldigt, illegal (ohne Angabe seiner Gangmitgliedschaft) ein Auto gekauft zu haben.

Sogesehen wird es eng für die Yakuza.
Nun muss man schauen, ob es ihr gelingt, ähnlich wie einige Zweige der Mafia in die Internetkriminalität zu wechseln.
Ein weiteres Problem in den Augen der Beobachter ist aber, dass in ein solches kriminelles Machtvakuum leicht kleinere oder ausländische Banden wie die Triaden aus China stoßen können.





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