* 13.05.1944, in Glienicke/Nordbahn
+ 11.10.1987, in Genf (Schweiz)
[laut Grabstein 10.10.!]
JUGEND
Uwe Barschel stammt aus einfachen Verhältnissen.
Sein Vater starb im Zweiten Weltkrieg und seine Mutter musste ihre drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, fast alleine großziehen.
Die Familie lebte in einer Baracke, in der vorher Zwangsarbeiter gewohnt hatten.
Die Mutter war in Land- und Hauswirtschaft kundig und nähte für andere Familien.
Dadurch, dass sie sich nicht so um ihren Sohn kümmern konnte, hatten möglicherweise Uwe Barschels Großeltern einen überdurchschnittlichen Einfluss, der stark rechtsdrehend war.
Barschel wirkte als Kind unterkühlt und machte selten die Streiche, die ein Bruder Eike machte.
Er war lange Zeit auch sprachlich gehemmt, legte das jedoch durch schulpolitisches Engagement und die Teilnahme an Rhetorikkursen ab.
Die schulischen Leistungen von Uwe Barschel blieben zwar weiterhin mäßig, aber er verkaufte sich jetzt besser.
Barschel war zwar Opfer der sozialen Verhältnisse, nahm sich aber früh auch das Recht heraus, andere zu Opfern zu machen. Als er merkte, dass ein schulpolitischer Gegenspieler erfolgreicher war als er selbst, diffamierte er ihn als homosexuell.
Das politische Klima war damals in der Vor-68er-Zeit mindestens konservativ. Das bedeutet, dass die Meinung vieler Lehrer und auch Eltern nach rechts offen war.
1963 ludt Uwe Barschel am 30. Jahrestag von Hitlers Machtergreifung ausgerichnet Hitlers Großadmiral Dönitz zu einem Vortrag an seine Schule ein. Diese Einladung soll ihm vorher von seinem Geschichtslehrer empfohlen worden sein.
Dönitz stellte den Verlauf der Geschichte sehr aus seiner ungefilterten Sichtweise dar. Vor Ort störte das erstaunlich wenige - als aber nach einem Zeitungsartikel schrittweise auch die Weltpresse davon erfuhr, war der Skandal perfekt. Der Schulrektor stürzte sich in einem Gewässer in den Tod.
Barschels Geschichtslehrer, Dr. Kock, war Mitglied der CDU, verehrte aber auch die Wehrmacht und betrachtete die Offiziere um Stauffenberg (20. Juli) als Kriegsverbrecher. Kock wurde später CDU-Vorsitzender von Geesthacht. Er zeigte Barschel politische Tricks und war für ihn eine Vaterfigur.
POLITISCHE LAUFBAHN ALS ERWACHSENER
1964 schrieb sich Barschel an der Christian-Albrechts-Universität Kiel für Jura ein.
Er hat sich auch für Politikwissenschaft, Nationalökonomie/VWL und Pädagogik interessiert.
1968 absolvierte er das Erste Staatsexamen, 1971 das Zweite.
1969-70 war er Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Kiel.
Barschels gilt als sehr fleißig. Neben seinem Ersten Staatsexamen in Jura und seiner politischen Karriere macht er einen Doktor in Jura (1970) und einen in Politischer Wissenschaft als Dr. phil. bei Michael Freund und treibt sein Referendariat voran.
Promotion in Jura: Theoretische Möglichkeiten und Grenzen der Strafrechtspolitik einer politischen Partei.
Promotion in Politik: Die Stellung des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein unter besonderer Berücksichtigung der Lehre von der Gewaltenteilung.
Aus heutiger Sicht werden hier aber einige Fragezeichen gesetzt: Man vermutet, dass Karrieristen, die von ihm in der CDU befördert worden waren, ihm bei den Doktorarbeiten halfen.
1971 wurde er als Rechtsanwalt zugelassen. Im selben Jahr wurde er Gerichtsassessor.
1976 trat er in die Kieler Sozietät von Hans-Michael Moll ein.
Auch die politische Karriere von Barschel ging voran: Mit 20 wurde er an der Universität Vorsitzender des RCDS. Bereits als Schüler hatte er sich ja in der Jungen Union engagiert.
Problematisch für ihn war, dass sich ab 1968 (oder bereits etwas davor) das politische Klima zu ändern begann - und zwar weit nach links! Das führte dazu, dass die AStAs der Universitäten immer stärker von Linken kontrolliert wurden.
Barschel blieb dagegen der "alten Ordnung" treu. Für ihn war er selber der lebende Beweis, dass man es beim Aufstieg nach oben auch als Mann von einfacher Herkunft zu etwas bringen konnte.
In Kiel griffen linke Studenten Uwe Barschel, der inzwischen AStA-Vorsitzender war, mit dem Slogan "Barschel - Arschel" an und warfen seinen Zettelkasten aus dem Fenster. Er hasste sie dafür.
Barschel wurde in Schleswig-Hostein von CDU-Chef Lembke gefördert und neben Kai-Uwe von Hassel und Gerhard Stoltenberg CDU-Vorsitzender in Schleswig-Holstein.
Als sich der Wind aber gegen Lembke drehte, fiel Barschel ihm in den Rücken!
Barschels neuer Ziehvater wurde jetzt Gerhard Stoltenberg. 1973 wird Barschel von Stoltemberg an die Spitze der Regierungsfraktion gehievt.
Barschel meinte zu seiner frühen Karriere 1973 in einem TV-Interview: "Zunächst: Für mein Alter kann ich nichts. Vielleicht werde ich einmal Präsident der Freien Bundesstaaten von Europa. An sich, finde ich, sollen sich andere Leute Gedanken darüber machen, wie das mal endet."
Wie wahr, möchte man sagen, wenn man an sein späteres Ende denkt!
Uwe Barschel zog es auch auf dem Heiratsmarkt nach oben: Er heiratete am 07.07.1973 Freya von Bismarck. Aus dieser Ehe sollten vier Kinder hervorgehen. Die Familie lebte in Mölln.
Freya Barschel glaubte nach dem Tod ihres Mannes von Anfang an nicht an die Selbstmord-These.
Barschel gönnte sich kurze familiäre Auszeiten, trieb aber seine politische Karriere weiter voran.
Er und Stoltenberg wollten den Radikalenerlass 1974 dazu ausnutzen, Posten im Öffentlichen Dienst mit CDU-Anhängern zu besetzen.
Des weiteren war Barschel in mehreren Stiftungen aktiv. Er war im Vorstand der CDU-nahen "Hermann Ehlers Stiftung" aktiv, gründete selber 1977 zusammen mit Ferdinand Fürst Bismarck eine Stiftung "Kreisherzogtum Lauenburg" und war Landesvorsitzender des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.
Das Anwesen (Herrenhaus Steinhorst), von dem aus die Stiftung geleitet wurde, gehörte der Firma Schwarzkopf.
Barschel veröffentlichte neben seiner politischen und anwaltlichen Tätigkeit Schriften zum Öffentlichen Recht und zur Politikwissenschaft, darunter "Kommentar zur Landessatzung für Schleswig-Holstein" (1976) und "Die Staatsqualität der deutschen Länder" (1981).
Uwe Barschel wurde in SH Finanzminister und Innenminister.
Doch ein solch steiler Aufstieg blieb nicht ohne Konsequenzen für die Gesundheit:
Barschel nahm zum Abbau psychischer Hemmnisse immer mehr Tavor, ein Beruhigungsmittel und Angstlöser aus der Benzogruppe.
Im Januar 1981 wurde der Hitler-Nachfolger Großadmiral Dönitz beigesetzt, den Barschel schon an seine Schule eingeladen hat. Barschel nahm an diesem Begräbnis teil, hielt sich aber absichtlich im Hintergrund.
Barschel soll auch im Dezember 1982 bei der Beerdigung des "NS-Fliegerasses" Hans-Ulrich Rudel anwesend gewesen sein, aber (schlecht) getarnt mit einem angeklebten Bart.
Im März 1981 ordnete Barschel als Innenminister in Brokdorf ein hartes Vorgehen gegen Kernkraftgegner an. Die Polizei verfügte über mehr als 10.000 Mann und setzte Reizgas und tieffliegende Hubschrauber ein.
Barschels Vorgehen wurde von der rechten Presse Westdeutschlands gelobt - insbesondere im entfernten Bayern (z. B. Bayernkurier).
Der übereifrige Barschel unterschätzte aber den starken Einfluss der sog. Neuen Sozialen Bewegungen auf Teile der Jugend.
Im Jahre 1982 wurde Barschel Nachfolger von Gerhard Stoltenberg im Amt des Ministerpräsidenten, als dieser nach Bonn ging. Man sagte auch Barschel selbst Bundesambitionen nach, doch galt damals in der Union weitgehend das Senioritätsprinzip.
Kurz vor seinem Tod soll er sogar selber einmal in das Büro von Helmut Kohl gegangen und ihm in etwa gesagt haben: "Ich gehe davon aus, dass bald ich auf diesem Stuhl (Kohls Chefsessel) sitzen werde!" Kohl deutete so etwas in einem Interview an.
Barschel wollte in den 80ern - auch beeinflusst durch Medienberater - stärker volksnah auftreten und zählt in Talkshows seine Hobbys auf: Bier (statt Wein), Schwimmen (nicht Lau-Baden; Anspielung an Wehners Aussage über Brandt, Schach, Garten, Lesen (Krimis).
ANZEICHEN "KRUMMER GESCHÄFTE"
Uwe Barschel soll während seiner Regierungszeit auch dubiose Geschäfte betrieben haben.
Die Regierung Barschel soll geheime U-Boot-Deals mit Südafrika eingefädelt haben, in dem noch das Apardheid-Regime herrschte.
Ziel dieser Maßnahmen auf deutscher Seite war es, den schwächelnden Werften in Schleswig-Holstein Aufträge zukommen zu lassen. Südafrika wollte sich dagegen gegen den immer höheren Sanktionsdruck gegen das Land wehren. Ob die U-Boote für konkrete Angriffsziele gedacht waren, z. B. gegen Namibia, wo man gegen marxistische Rebellen (aus Angola unterstützt) kämpfte, ist unklar.
Deutschland war bekannt als guter U-Boot-Bauer (aus den Weltkriegen) und Südafrika war an den entsprechenden Blaupausen interessiert.
In den 1980ern tobte am Golf der Iran-Irak-Krieg bzw. 1. Golfkrieg.
Dieser dauerte von 1981 - 1988 und kostete 100.000e Menschen das Leben.
Viele Länder belieferten eine der beiden Kriegsparteien und bezogen damit Stellung, einige belieferten sogar beide Seiten.
Israel hatte ein realpolitisches bzw. machtpolitisches Interesse, den Iran gegen den Irak mit Waffen zu beliefern, obwohl die Regierung des Iran Israel auslöschen wollte. Hintergrund ist die Vorstellung, dass der arabische Nationalismus (nationaler Sozialismus), für den auch der Irak stand, für Israel gefährlicher war als der Islamismus des Iran.
Man hielt sich also an die Gleichung: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Dänemark und Schleswig-Holstein waren in diesem Schachspiel so wichtig, weil sich hier Waffenlieferungen von Israel an den Iran abgespielt haben sollen. Barschel erfuhr wahrscheinlich davon. Ob er daran mitverdiente oder diese Lieferungen unterbinden wurde, ist unklar.
Es könnte u. a. um die Panzerabwehrraketen TOW gegangen sein.
Desweiteren sollten auf norddeutschen Flugplätzen iranische Piloten ausgebildet werden.
(Zum Vergleich: In Österreich entstand zu dieser Zeit die Noricum-Affäre, bei der bekannt wurde, dass die VOEST-Tochter Noricum (VOEST: ehem. Hermann-Göring-Werke) illegal Kanonen mit großer Reichweite (Haubitzen) in das Kriegsgebiet lieferte. Einige Modelle waren Erfinder des berühmten und später ermordeten kanadischen Kanonenbauers Gerals Bull.)
Die Regierung Barschel machte auch Geschäfte mit der DDR. Dies war aufgrund ihrer rechten Ausrichtung von außen betrachtet verwunderlich.
Andererseits hatte die DDR zunehmende ökonomische Schwierigkeiten, Gorbatschow hatte bereits mit Glanost und Perestroika eine Entspannungsphase eingeleitet und bei illegalen Geschäften ließ sich viel Geld machen. Hauptsächlich ging es wohl um den Waffenhandel.
Man weiß durch Aussagen von Barschels Fahrern, dass dieser recht häufig auch persönlich in der DDR war. Es ist nicht ganz klar, was die Reiseziele waren.
Indizien deuten aber auf das Hotel Neptun in Rostok hin und auf diverse militärische Einrichtungen.
Es gibt auch Indizien, dass sich Barschel dabei sexuellen Verlustigungen hingab, was gerade im Kalten Krieg äußerst problematisch war, weil es als Erpressungsmittel ("Kompromat") verwendet werden konnte.
DER LANDTAGSWAHLKAMPF 1987 IN SCHLESWIG-HOLSTEIN
Mitte der 80er-Jahre entstanden gedoch für Barschel politische Probleme.
Die CDU zeigte in Kommunalwahlen Schwächen und 1987 standen Landtagswahlen an.
Barschel fragte bei Peter Tamm vom konservativen Springer-Verlag um Rat. Dieser konsultierte Gerd Rattmann und dieser wiederum empfehl Reiner Pfeiffer. Pfeiffer war der Sohn eines Kommissars, durch und durch konservativ und medial mit allen Wassern gewaschen.
Der Springer-Verlag bezahlte sogar den Gehaltsverlust, den Pfeiffer durch seinen Jobwechsel erlitt.
Barschel und Pfeiffer wollten nun alle Register ziehen. Es ging darum, die stärker werdenden SPD mit ihrem beliebten Spitzenkandidaten Björn Engholm kaltzustellen. Dabei phantasierten sie sich geradezu in juvenile Spiel- und Machtphantasien hinein wie die Inszenierung eines Angriffes auf Barschel, der dann dem politischen Gegner in die Schule geschoben werden sollte.
Letztendlich kamen aber viele dieser "schmutzigen Tricks" heraus und sollten Uwe Barschel politisch das Genick brechen!
Jahre später sogar auch seinem Gegner Björn Engholm, weil sich herausstellte, dass die empört tuende SPD in Wirklichkeit schon einiges von den gegen sie geplanten Angriffen im Vorfeld gewusst hatte.
Die Angriffspläne gegen Björn Engholm sahen im Kern wie folgt aus:
- Durch manipulierte Finanzakten sollten Engholm Steuerhinterziehungen vorgeworfen werden.
- Engholms wankelmütiges Verhältnis zu seiner Kirche sollte offen ausgebreitet werden.
- Engholm sollte eine HIV-/AIDS-Erkrankung untergeschoben werden.
Dadurch sollte er auch in die Nähe von Homosexualität gerückt werden.
Die Piloten starben sofort, Barschels Sicherheitsbeamter einige Tage später im Krankenhaus.
Barschel lag schwer verletzt im Gras und wurde in ein Krankenhaus eingeliefert.
Barschel befand sich auf einem Rückflug aus Bonn, wo er mit Kanzler Kohl gesprochen hat.
Die Absturzursache ist bis heute ungeklärt. In Zusammenhang mit den späteren Ereignissen erscheint ein Anschlag als denkbar. Bei der Maschine handelte es sich um eine Cessna Citation 501 (Jetflugzeug) der Charterfirma "Travel Air".
Die Maschine meldete über Funk auf Englisch: "Flughafen in Sicht."
Aber sie flog zu tief, denn die Copilotin Friske funkte noch: "Dim the light!"
Die Absturzstelle war laut SPIEGEL (07.06.1987) ca. 150 m vor der Landebahn und leicht nach links versetzt in einem Kornfeld. Die Maschine explodierte und brannte aus. Anwohner, von denen die älteren damals noch den Zweiten Weltkrieg erlebt hatte, fühlten sich an Tieffliegerangriffe erinnert.
Die Untersuchungen ergaben, dass die Maschine bereits 690 m vor der Landebahn mit der linken Seite einen fast 16 m hohen Mast (ungerichtetes Funkfeuer) gestreift hat.
Angesichts dubioser Verwicklungen Uwe Barschels ist eine Manipulation hier denkbar. Es ist aber auch ein Unfall als Ursache möglich, weil der Flughafen selbst für damalige Verhältnisse relativ rustikal ausgestattet war.
Barschel stürzte sich nach der Rekonvaleszenz in den Wahlkampf.
Zwischen seinen hohen politischen Ambitionen und den Aussagen von Justus Franz besteht aber ein Widerspruch: Nach Franz wollte Barschel Mitte der 1987 beginnenden Legislaturperiode aus der Politik zurückziehen und in die Wissenschaft gehen. Seine Habilitationsschrift soll bereits fast fertig gewesen sein.
DIE "BARSCHEL-AFFÄRE"
Am Samstag dem 13.09.1987, also dem Samstag vor der Landtagswahl, wurde bekannt, dass DER SPIEGEL in seiner Montagsausgabe nach der Wahl über eine Verleumdungskampagne der Regierung Uwe Barschels gegen seinen Herausforderer Björn Engholm berichten würde.
Dies erweckte sofort die Neugier der medialen Öffentlichkeit, aber auch eine gewisse Skepsis, weil DER SPIEGEL als nicht gerade CDU-freundlich galt. Einige fragten sich, warum diese Erkenntnisse genau zu diesem Zeitpunkt lanciert werden sollten.
Der Spiegel stützte sich auf Informationen von Barschels Medienreferenten Reiner Pfeiffer, der Ende 1986 vom Springer-erlag an die Landesregierung vermittelt worden war.
Diese plötzliche Ankündigung stürzte die CDU am folgenden Wahlsonntag sofort in eine Krise.
Sie erreichter zwar noch 42,6 % (im Gegensatz zu den 49,0 % von 1983), aber sie fiel hinter die SPD, die 45,2 % erreichte.
Der sich entwickelnde Skandal wurde vom SPIEGEL "Waterkantgate" genannt, allgemein in den Medien aber "Barschel-Affäre" (oder "Barschel-Pfeiffer-Affäre").
Fünf Tage nach der Wahl erklärte Barschel auf einer Pressekonferenz (18.09.87):
"Über diese Ihnen gleich vorzulegenden eidesstattlichen Versicherungen hinaus gebe ich Ihnen, gebe ich den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Schleswig-Holsteins und der gesamten deutschen Öffentlichkeit mein Ehrenwort - ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort(!), dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind."
Aufgrund der unklaren Lage stufte die FDP die anstehenden Koalitionsverhandlungen mit der CDU zu Sondierungsgesprächen herab. Man wollte mit der CDU verhandeln, nicht mit Barschel.
Der Druck auf Barschel nahm auch in der eigenen Partei zu, so dass er am 02.10.87 als Ministerpräsident zurücktreten musste. Die Landesregierung wurde kommissarisch von Henning Schwarz geleitet.
Ein monatelang tagender Untersuchungsausschuss des Landtages konnte einige Vorgänge aufarbeiten, aber nicht alle.
Ein Barschel-Brief vom 03.10.87, der Ende April 1988 als Kopie den SPIEGEL erreichte und Stoltenberg der Mitwisserschaft bezichtigte, war möglicherweise eine Fälschung der Abteilung X der Auslandsspionage der DDR (Untersuchung 1991).
Die Barschel-Affäre hatte später auch negative Auswirkungen auf die SPD und Björn Engholm. Die Presse sprach im Frühjahr 1993 von der "Schubladenaffäre".
Es stellte sich heraus, dass die SPD-Granden schon früher von den Machenschaften Reiner Pfeiffers wussten und ihre Riesenempörung über den Skandal z. T. gespielt hatten. Insbesondere ihr Pressesprecher Klaus Nilius war schon früh Mitwisser und wurde später Geldbote für die Partei, insbesondere deren Vorsitzenden Günther Jansen.
Dabei soll es "Agentenfilm-mäßig" sogar zu Geheimtreffen an Autobahnparkplätzen gekommen sein.
Für diese Schubladenaffäre gab es einen zweiten Untersuchungsausschuss, der dann einige Ergebnisse des ersten revidierte.
Die Glaubwürdigkeit von Reiner Pfeiffer wurde mehrmals in Zweifel gezogen. Insbesondere wurde die Mittäterschaft und Verstrickung Uew Barschels zunehmend in Zweifel gezogen.
Akzeptiert wurde aber die Darstellung, dass Uwe Barschel Mitarbeiter zu Falschaussagen (auch eidesstattlich!) gedrängt hat, was einen Straftatbestand tangiert.
Björn Engholms politische Karriere war damit beendet. In der SPD der 90er-Jahre entwickelte sich ein Machtkampf innerhalb der "Troika" Rudolf Schwarping, Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder, den schließlich Schröder gewann und 1998 Kanzler wurde.
Nilius wurde 1995 Pressesprecher der Fachhochschule Kiel. Er publizierte von Zeit zu Zeit auch in der linken Zeitschrift "Ossietzky".
TOD BARSCHELS UND MÖGLICHE URSACHEN
Für Uwe Barschel waren die ins Rollen gekommenen Ereignisse ein wirklicher Schock.
Er musste sich erholen, wollte aber auch nach Entlastungsmaterial suchen.
Das Ehepaar Barschel flog am 06.10.1987 nach Gran Canaria und wohnte in einer Ferienanlage in Bahía Feliz die Unterkunft des Immobilienunternehmers Rolf Lechner.
Am 08.10.87 wollte Barschel nach Zürich fliegen, um dort jemanden zu Treffen.
Weil dieser Flug angeblich ausgebucht war, verlangte er nach einem beliebigen anderen Zeil, zum Beispiel Madrid oder Genf. Es wurde ein Flug nach Genf gebucht (IB 554), wo er am 10.10.87 nachmittags eintraf, sowie die Weiterflüge Genf - Frankfurt (LH 1855) und Frankfurt - Hamburg (LH 026) für den 11.10.87.
Öffentliche und private Ermittler erörterten später, ob dieses Verhalten eher auf ein anstehendes Treffen mit Entlastungszeugen oder auf einen geplanten Selbstmord hindeutet.
Freya Barschel sagte im August 2007 Karsten Kammholz von der Welt, dass Uwe Barschel sich in Genf mit einem Informanten treffen wollte, um Entlastungsmaterial zu erhalten. Darunter sollten sich auch Fotos befunden haben. Der Informant gab seinen Namen als "Roloff" an und hatte schon vorher mehrfach Barschel angerufen. Er kannte offenbar mehrere von Barschels Rufnummern.
Uwe Barschel hat seine Frau noch aus Genf vom Hotel Beau Rivage aus angerufen. Er sagte, er habe sich mit Roloff bereits am Flughafen getroffen und sich für 20 Uhr noch einmal mit ihm verabredet.
Barschel war frohen Mutes, stand aber auch unter Zeitdruck, weil er am 11.10.87 vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages von SH aussagen musste.
Am 11.10.87 betraten aber der Stern-Reporter Sebastian Knauer und der Photograph Hanns-Jörg Anders das Hotel Beau Rivage, um Barschel zu einem Interview zu überreden. Dabei gingen sie zum Zimmer 317 und fanden die Tür unverschlossen vor. Darauf entschlossen sie sich, das Zimmer zu betreten und fanden Gegenstände etwas planlos herumliegend vor: Einen Schuh, ein Buch (Jean-Paul Sartre), Mentos Drops usw.
Um 12:43 Uhr fanden sie Uwe Barschel tot und bekleidet in der Badewanne des Zimmers.
Spontan entschlossen sie sich, die Leiche zu fotographieren und wieder zu verschwinden.
Der Tod des Uwe Barschel - so kurz vor seiner Aussage im Untersuchungsausschuss - ging daraufhin wie eine Schockwelle durch die Medien. Man wollte jetzt noch mehr über seine dubiosen Verwicklungen wissen, aber natürlich auch über die Hintergründe seines Todes.
Es gab mehrere Erklärungsmöglichkeiten:
- Selbstmord: Barschel stand extrem unter Druck und seine Karriere schien ruiniert zu sein.
- Mord: "Krumme" Geschäftsleute und Politiker könnten ein Interesse gehabt haben, Barschel zum Schweigen zu bringen. Seine Auffindesituation und der Medikamentencocktail in seinem Körper muteten seltsam an.
Andererseits wurde Barschels Familie vorgeworfen, die Realität nicht akzeptieren zu wollen oder auf die Auszahlung der Lebensversicherungssumme zu hoffen, die bei Selbstmord nicht zahlen würde. - Sterbehilfe: Diese These kam erst später auf und stützt sich auf die eingenommenen Medikamente und Ratschläge der "Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben".
Trotz dieser seltsamen Auffindesituation wurde der Vorgang später von den ihn untersuchenden Behörden als Selbstmord deklariert.
Es gab aber Zweifel, einmal aufgrund der seltsamen Geschäftsbeziehungen Barschels und dann aufgrund toxikologischer Gutachten, die einen Selbstmord sehr unwahrscheinlich aussehen lassen.
Insbesondere der von der Familie beauftragte pensionierte Schweizer Toxikologe Hans Brandenberger äußerte erhebliche Zweifel und legte die in verschiedenen Interviews dar (v. a. am 21.11.10 gegenüber der Welt am Sonntag).
Bei der Autopsie wurde festgestellt, dass Barschel seit 1980 immer höhere Dosen an Tavor eingenommen hatte. Am Ende waren es bis zu 10 mg/Tag!
Es wurden 8 Medikamente gefunden, u. a. folgende:
- Cyclobarbital (Barbiturat)
- Pyrithyldion (barbituratfreies Schlafmittel; Handelsname: Persedon)
- Diphenhydramin (sedierendes Antihistaminikum)
- Perazin (schlafinduzierendes Beruhigungsmittel)
- Valium
Nach Ansicht der Genfer Staatsanwaltschaft habe Barschel alle diese Mittel eingenommen, um dann bekleidet in der gefüllten Badewanne zu sterben. Auch ein Unfall wurde nicht ausgeschlossen.
Es wird auch darauf verwiesen, dass diese Suizidmethode einer Anleitung der "Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben".
Der Toxikologe Hans Brandenberger hingegen vertrat die Ansicht, dass die unterschiedlichen Konzentrationen der Substanzen in Magen, Blut und Urin ein klarer Hinweis auf Fremdeinwirkung darstellten.
Laut Brandenberger befand sich das Cyclobarbital noch in der Anflutungsphase, während die anderen Beruhigungsmittel bereits wirkten. Barschel sei daher nicht mehr in der Lage gewesen, nach den stark sedierenden Substanzen selbst noch das tödliche Cyclobarbital zu sich zu nehmen.
Die Präparate in Barschels Körper seien außerdem "synergistisch" gewesen (syn + ergon = συνεργία/Synergie/Zusammenarbeit), das heißt ihre Wirkungen müssten mindestens addiert werden.
Laut Brandenberger sei davon auszugehen, dass das tödliche Cyclobarbital Barschel im Zustand der Bewusstlosigkeit von einer anderen Person verabreicht wurde.
Alle anderen Gutachter behaupteten dagegen, dass die Reihenfolge der Einnahme nicht mehr exakt feststellbar sei und man selbst bei einer Letzteinnahme von Cyclobarbital nicht von einem Mord ausgehen könne.
Die Aussagen von Hans Brandenberger, die auf seinem 1994 erstellten Gutachten basierten, erhielten aber noch durch die Aussagen eines anderen Mannes weiteren Sprengstoff:
Victor Ostrovsky, ein ehemaliger Mossad-Agent, behauptete in seinem Buch "Geheimakte Mossad", dass Uwe Barschel getötet worden sei.
Seine Darstellung der Medikamenten-Verabreichung passt genau zu den Untersuchungsergebnissen Brandenbergers.
Ostrovsky stellte die Tat wie folgt dar:
Barschel habe im Zimmer mit einer Gruppe von Agenten gesprochen und geriet in Streit.
Es ging nicht nur um den missglückten Wahlkampf in Schleswig-Holstein, sondern auch um Waffengeschäfte, die Israel über Dänemark und dann über SH mit dem Iran laufen ließ (OP Hannibal).
Wahrscheinlich sollten auch iranische Piloten in Norddeutschland ausgebildet werden.
Hintergrund war der Golfkrieg zwischen dem Iran und dem Irak in den 1980ern.
(Der Iran wurde zwar islamistisch regiert, war aber aus israelischer Sicht machtpolitisch ein starkes Gegengewicht gegen den arabisch-nationalistisch(-sozialistisch) regierten Irak.)
Barschel drohte damit, mit seinem pikanten Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Deshalb habe man ihn mit einer Flasche Wein oder Champagner gnädig stimmen wollen.
Barschel sei darauf eingegangen, aber in der Flasche seien Betäubungsmittel gewesen.
Dem bewusstlosen Barschel habe man dann rektal fiebersteigernde Medikamente gegeben und gleichzeitig Eiswasser in der Badewanne zubereitet.
Dann sei der überhitzte Körper Barschels in die eiskalte Badewanne gelegt worden, bis dieser gestorben sei.
In der Hektik habe man aber vergessen, Barschel vorher zu entkleiden. Außerdem seien die Medikamentenspuren falsch gelegt worden.
Ostrovsky beschreibt die Verabreichung der Medikamente genau. Seine Darstellung passt zu der Brandenbergers.
Kritiker zweifeln die Glaubwürdigkeit Ostrovskys an.
Er sei ein zwielichtiger Geheimagent. Außerdem wisse man nicht genau, ob Ostrovsky zuvor Zugang zu Brandenbergers Analysen von 1994 gehabt habe.
Ostrovsky ist der Sohn einer Israelin und eines jüdischen Kanadiers.
Er verbrachte seine Jugend in Israel und wurde schon mit 18 Offizier. Danach arbeitete er für den Marinegeheimdienst und dann für den Mossad.
Aufgrund einer missglückten Geheimdienstoperation wurde er entlassen und floh über Zwischenstationen nach Kanada. Hier publizierte er, besonders gerne über Geheimdienstaktionen.
Es kamen mit der Zeit weitere Meinungen und Erkenntnisse zum Fall Barschel auf:
- Der Münchner Toxikologe Ludwig von Meyer fand bei einer Nachuntersuchung den Wirkstoff Methprylon, das ähnlich wie GHB in KO-Tropfen verwendet werden kann.
Diese Erkenntnis könne grundsätzlich die Mordtheorie stützen. - Der ehealige Vorsitzende der Gesellschaft für Humanes Sterben hat darauf hingewiesen, dass Cyclobarbital als Mordwaffe ungeeignet sei.
Außerdem hätte man als Mörder den Kopf des Wehrlosen wahrscheinlich unter Wasser gleiten lassen. - Das Schlafmittel Pyrithyldion ist seit 1983 nicht mehr in Westdeutschland zugelassen.
Seit 1987 soll es in D, in der Schweiz und auf Gran Canaria nicht mehr erhältlich gewesen sein.
In Dänemarkt und in der DDR war es zu der Zeit noch erhältlich. - Einige deutsche Juristen wollten im Fall Barschel weiterermitteln, wurden aber von ihren Vorgesetzten ausgebremst.
- Helmut Kohl glaubt beim Fall Barschel an Mord.
- Der Investigativjournalist Hans Leyendecker glaubt an Selbstmord.
Problematisch an diesem Fall sind auch unglaubliche Pannen der Schweizer Polizei.
Es wurden zwar Medikamentenverpackungen im Zimmer sichergestellt, diese passten aber nicht zu den in Barschels Körper gefundenen Medikamenten. Am Ende verschwanden diese Verpackungen.
Diverse Fotos vom Tatort und von der Leiche sind von äußerst schlechter Qualität, so dass Ermittler das stern-Foto heranziehen mussten.
Immer wieder Fragen warf auch die Beteiligung des deutschen Privatagenten Werner Mauss auf. Dieser hatte sich aus kleinen Verhältnissen vom Staubsaugervertreter zum reichen "Geschäftsmann" hochgearbeitet und durfte - salopp gesagt - lange Zeit in keinem westdeutschen Geheimdienstdeal fehlen.
Viele Beobachter vermuten ihn hinter der Figur "Roloff". Wahrscheinlich hatte Mauss auch in Genf zur damaligen Zeit viele Geheimdienstkontakte und ließ das Zimmer 317 verwanzen.
Auffällig ist auch, dass weitere Menschen, die in der Nähe des Falles operierten, frühzeitig starben.
Der Schweizer Privatdetektiv Jean-Jacques Griessen, der auch für Werner Mauss arbeitete, soll das Zimmer 317 des Beau Rivage verwanzt haben. Seinen eigenen Angaben zufolge war er nah an der Aufklärung des Falles und sollte vor Ermittlern des BKA und des Mossad aussagen, als er am 09.11.92 in Zürich in einem Bordell an einem Herzinfarkt verstorben ist.
Ein weiterer problematischer Todesfall ist der südafrikanische Waffenhändler Dirk Stoffberg. Stoffberg gab 1994 in einem Entwurf einer eidesstattlichen Versicherung an, Barschel sei vom späteren CIA-Direktor und späteren US-Verteidigungsminister Robert Gates nach Genf bestellt worden.
Zu Barschels Aufenthaltszeitpunkt in Genf sollen auch zwei Treffen von Waffenhändlern stattgefunden haben (v. a. im Hilton). Barschel war angeblich wütend und drohte mit Enthüllungen.
Stoffberg konnte aber seine eidesstattliche Erklärung nicht mehr abgeben, sondern starb kurz vorher im Juni 1994: Angeblich haben er und seine Freundin Selbstmord begangen.
QUELLEN:
Wiki
-
Spiegel/stern/FOCUS
Welt
DIE ZEIT
-
TV-Dokus
Bott, Gerhard: Aufstieg und Fall des Uwe Barschel; NDR 1988
Harrach, Gabor: Der Fall Barschel; RTL 1994
Baab, Patrik/Andreas Kirsch/Stephan Lamby: Der Tod des Uwe Barschel - die ganze Geschichte; NDR 2007
Weidenbach, Uli: Tod in Genf - Der Fall Barschel; ZDF history 2007
Mueller, Michael: Barschel - Der rätselhafte Tod eines Spitzenpolitikers; RTL 2023
Spiegel/stern/FOCUS
Welt
DIE ZEIT
-
TV-Dokus
Bott, Gerhard: Aufstieg und Fall des Uwe Barschel; NDR 1988
Harrach, Gabor: Der Fall Barschel; RTL 1994
Baab, Patrik/Andreas Kirsch/Stephan Lamby: Der Tod des Uwe Barschel - die ganze Geschichte; NDR 2007
Weidenbach, Uli: Tod in Genf - Der Fall Barschel; ZDF history 2007
Mueller, Michael: Barschel - Der rätselhafte Tod eines Spitzenpolitikers; RTL 2023
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