Fachbereiche: Geschichte (Politik, Sowi, Philosophie) - Sprachen - Wirtschaft, Recht - Biologie (Chemie) - Technik (Physik) und Blödsinn.
Dieser Universal-Blog ist aus einer Seite für Geschichte, Politik (und Realienkunde) hervorgegangen, die sich dann in Richtung Humanwissenschaften weiterentwickelt hat.
Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch; Latein, Altgriechisch; Russisch; Japanisch, Chinesisch; Arabisch; Mittelägyptisch; Sanskrit und Hindi etc.
Personen-Link: http://novatlan.blogspot.de/2014/08/personen-pool.html

Montag, 24. Juli 2023

DETLEV ROHWEDDER

Detlev Rohwedder



* 16.10.32, in Gotha
+ 01.04.91, in Düsseldorf
 
Detlev Karsten Rohwedder war ein deutscher Manager und Politiker. In der Wendezeit war er Präsident der Treuhandanstalt und wurde in dieser Funktion von einem Scharfschützen erschossen.
Die RAF bekannte sich zu diesem Anschlag, aber es gibt noch andere Täterhypothesen.


LEBEN

Detlev Rohwedder wurde als Sohn des Buchhändlers Ingo Julius Rohwedder (1896 - 1981) und dessen Frau Elisabeth, geb. Ott (1905 - 1991), in Gotha geboren.
Rohwedder besuchte die Grundschule in Berlin und legte 1953 am Realgymnasium in Rüsselsheim das Abitur ab.


STUDIUM

Rohwedder studierte Rechts- und Staatswissenschaften in Hamburg und Mainz. Dort war er Mitglied der Leipziger Universitäts-Sängerschaft zu St. Pauli in Mainz.

1960 heiratete er die aus Königsberg stammende Hergard Toussaint (1933 - 2019), die er im gemeinsamen Jurastudium kennengelernt hatte.
1961 wurde er zum Dr. jur. promoviert, 1962 absolvierte er sein Assessorexamen.

Rohwedder wurde danach Teilhaber einer Treuhand- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Düsseldorf.
Von 1969 bis 1978 war er Staatssekretär der SPD im Bundeswirtschaftsministerium in Bonn, wo er sich unter anderem mit dem Export westdeutscher Atomtechnologie beschäftigte.
1971 trat Rohwedder der SPD bei.

Im Jahr 1979 wurde Rohwedder an die Spitze des Stahlkonzerns Hoesch in Dortmund berufen. Er sollte das Unternehmen sanieren und neu ausrichten.
Dazu gehörte auch die Auflösung des Estel-Konzerns (ein Zusammenschluss des niederländischen Stahlproduzenten Hoogovens mit Hoesch). 1983 wurde Rohwedder zum Manager des Jahres gewählt.
1985 verlieh ihm der Presseverein Ruhr die Auszeichnung "Eiserner Reinoldus" (Schutzpatron von Dortmund). 1991 erwarb der Krupp-Konzern die Anteilsmehrheit an Hoesch.

Am 03.07.1990 wurde Rohwedder vom Ministerrat der DDR zum Vorsitzenden der Treuhandanstalt bestimmt, im August 1990 übernahm er dieses Amt kommissarisch und am 01.01.1991 übernahm er es offiziell.
Er sollte die Volkseigenen Betriebe der DDR sanieren und privatisieren (oder abwickeln). Dieser Ansatz war sehr umstritten und das Amt des Treuhandvorsitzenden entsprechend heikel.
Im Interessenkampf zwischen westlichen Kapitalinteressen, Ostseilschaften und Arbeitnehmern konnte man in einer personell unterbesetzten Behörde nur verlieren.
Im November 1990 wurde Rohwedder erneut als Manager des Jahres ausgezeichnet.

Rohwedder war Träger des Bundesverdienstkreuzes und des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen (1990).


ANSCHLAG

Rohwedders Düsseldorfer Wohnhaus im Stadtteil Niederkassel war nur im Erdgeschoss mit Fenstern aus Panzerglas ausgestattet. Dies ist sehr unprofessionell, war aber mglw. von Rohwedder gewollt.
Das Haus wurde zwar von der Polizei überwacht, aber sehr bürokratisch, sichtbar und regelmäßig.
Diese Überwachung wurde ausgespäht.

Vor dem Anschlag auf ihn hatte sich eine sehr negative Stimmung aufgebaut. Seine Witwe Hergard Rohwedder berichtete später, dass er besonders kurz vor dem tödlichen Anschlag viele Morddrohungen erhielt. Das Telefon klingelte oft ohne Wortmeldung und an der Tür klingelte es oft ohne Personen.

Ihrer Bitte nach verstärktem Polizeischutz (4 Tage vor dem Anschlag) wurde nicht erhöht. Sie empfand das überlegene Auftreten ihr gegenüber als sehr hochnäsig. Die Bewacher taten so lange so, als ob sie die Situation im Griff hätten, bis Detlev Rohwedder tot war.

Am Ostermontag, dem 1. April 1991, gegen 23:30 Uhr, wurde Rohwedder durch das Fenster im ersten Stock seines Wohnhauses mit dem ersten von drei Gewehrschüssen getötet. Der zweite Schuss wurde einige Sekunden später abgegeben und verletzte seine Frau am Arm, wahrscheinlich galt er auch ihr.
Der dritte Schuss traf ein Bücherregal.
Die Schüsse wurden aus 63 Metern Entfernung aus einer schräg gegenüberliegenden Schrebergartensiedlung abgegeben.

Die Tatwaffe war ein Selbstladegewehr vom Typ FN FAL (Belgien) mit dem NATO-Kaliber 7,62 x 51 mm. Das Gewehr wurde nicht gefunden, wohl aber Patronen.
Das FN FAL ist verwandt mit dem deutschen Gewehr G3. Beide stammen ab vom spanischen CETME-Gewehr, das seinerseits auf dem deutschen Sturmgewehr 45 beruht, welches im Zweiten Weltkrieg nicht mehr zum Einsatz kam. Einige NS-Entwickler flohen nach dem Krieg in das noch von Franco beherrschte Spanien.
(Das Sturmgewehr 45 ist nicht mit dem berühmten Sturmgewehr 44 zu verwechseln, das so aussieht, als ob es für das spätere AK-47 Kalaschnikow Pate gestanden hätte.)
Der gleiche Waffentyp und wohl die gleiche Waffe war auch schon bei einem Anschlag der RAF auf die US-Botschaft im Schloss Deichmannsaue in Bonn am 13. Februar 1991 verwendet worden.
Wenige Tage vor dem Attentat waren bei inhaftierten RAF-Terroristen Strategiepapiere gefunden worden, die neue Aktivitäten ankündigten.

Drei Minuten nach den Schüssen löste die Düsseldorfer Polizei eine Großfahndung aus, bei der sie den gesamten Ortsteil Oberkassel, zu dem auch Niederkassel gehört und der größtenteils über Rheinbrücken zu erreichen ist, absperrte, aber Täter und die Tatwaffe wurden nicht gefunden.

Am Tatort fanden sich drei Patronenhülsen, ein Plastikstuhl, ein Handtuch und ein Bekennerschreiben mit der Unterschrift "Rote Armee Fraktion Kommando Ulrich Wessel".

Der Plastikstuhl diente vermutlich zum Aufsetzen der Waffe als Unterlage, um auf die Entfernung sicherer zielen zu können. Er wurde rheinwärts einer Laube entwendet.
Außerdem wurden ein Feldstecher und drei Zigarettenstummel gefunden.
Der oder die Täter konnten nicht ermittelt werden. 1992 bekannte sich die RAF noch einmal zu dem Mord.

Einige Spuren konnten aufgrund verbesserter Labormethoden erst Jahre später Rückschlüsse preisgeben. Die Haare auf dem am Tatort gefundenen Handtuch wurden laut BKA dem inzwischen verstorbenen RAF-Mitglied eindeutig Wolfgang Grams zugeordnet. Der Bundesanwaltschaft reichte dieses Indiz jedoch nicht.
Die Blutgruppenbestimmung an den Zigarettenstummeln ergab aber die Blutgruppe A, die nicht zu Grams passt. Eine DNA-Analyse war hier nicht möglich.

Im November 2018 berichtete die Witwe Hergard Rohwedder, dass sie mit ihrem Mann am Ostersonntag (das Attentat war am Ostermontag) nach Hause kam und auf dem Nebengrundstück ein großes Auto mit einem jungen Paar gesehen hätte(n). Beide wunderten sich, dass auf dem Gelände einer Anwaltskanzlei am Ostersonntag ein Auto stand.
Hergard Rohwedder verstarb am 01.05.2019.

Die Rohwedders hatten einen Sohn und eine Tochter.


HINTERGRÜNDE


Mögliche Tätergruppen

Über die Hintergründe der Tat ist viel spekuliert worden. Eine Täterschaft der RAF ist wahrscheinlich. Die RAF bekannte sich auch selber zu dem Anschlag.

Umstritten ist aber, ob dir RAF durch das Aufgreifen eines "Ostthemas" von sich aus ihre Beliebtheit bei der deutschen Linken wiederherstellen wollte, oder ob die sich auflösende Stasi, die vorher schon mit RAF-Flüchtlingen zusammengearbeitet hat, ihrerseits die RAF noch einmal auf ihre Seite gezogen hat.

Birgit Hogefeld verbuchte die RAF auf das Konto der RAF.
Die Personen der III. Generation der RAF sind bis heute umstritten.
Damals wurden auf Fahndungsplakaten genannt: Sabine Elke Callsen, Daniela Klette, Andrea Martina Klump, Barbara Meyer, Horst Ludwig Meyer, Christoph Eduard Seidler, Ernst-Volker Staub.

Ferner gibt es - ähnlich wie beim Anschlag auf Alfred Herrhausen - Spekulationen, ob nicht sogar westliche Eliten Rohwedder auf dem Gewissen haben könnten.



Fundstücke am Tatort

Noch einmal zu den Fundstücken:

Man kennt das Gewehr, das gegen Rohwedder von dem Gartengrundstück eingesetzt wurde, auch wenn es vor Ort nicht gefunden wurde: Es war ein belgisches FN FAL.

Zum Zielen wurde aller Wahrscheinlichkeit nach ein Gartenstuhl aus Kunststoff benutzt. Zusätzlich wurde ein Handtuch benutzt. Daneben lagen Zigarettenstummel.

Auf dem Handtuch wurden DNA-Spuren festgestellt, die so gering waren, dass sie erst Jahre später ausgewertet werden konnten. Sie deuten auf Wolfgang Grams.
Die DNA-Spuren der Zigarettestummel konnten nicht komplett ausgewertet wurden. Die Blutgruppe des Rauchers war aber A - also  nicht die von Wolfgang Grams.

Dieter Fox (ehem. GSG 9) bezeichnet den Schützen als erfahren (Schuss aus Winkelposition).

Da der Täter vor und nach der Tat höchstwahrscheinlich den Rhein durchschwommen hat, überlegt man auch, ob er auf dem Gebiet der früheren DDR die Durchquerung bewegter Gewässer geübt hat.
Entsprechende Anlagen neben Schießanlagen gab es.


mögliche Trainingsorte (falls RAF-Stasi-Connection)

Anfang der 80er-Jahre (bis 1984?) bildete die Stasi RAF-Schützen z. B. bei Frankfurt/Oder aus.

Ein anderes Objekt wäre Börnecke nördlich von Berlin.
Harry Ewert.
Anti-Terror-Einheit des MfS für Personen mit Auslandsbestimmung.
Entsprechend viel NATO-Munition (auch Israel).
In einem angeblichen "Feuerlöschteich" wurden Tauchübungen im trüben und bewegten Wasser durchgeführt. Das ehem. Pumpenhäuschen enthielt rumänische Technik.


Der Verdacht von Anhängern der Theorie einer "RAF-Stasi-Connection" ist, dass Teile der DDR-Eliten in den 80er-Jahren merkten, dass es mit der DDR-Wirtschaft bergab ging und vorsorgen wollten.
Als dann die Wende nahte, sahen sie sich noch mehr unter Zeitdruck gesetzt.
Dabei sollte erhebliches Vermögen über Firmen und Banken in der Schweiz verschoben werden.
Genau diesen Verbindungen war angeblich Rohwedder kurz vor seinem Tod auf den Fersen.


Der Topferhof-/Rhönhild-Kreis (falls RAF-Stasi-Connection)

Hans Schwenke (Bürgerbewegung)
Geheime Treffen im Süden Thüringens seit Mitte der 1980er-Jahre.
Rhönhild nahe der innerdeutschen Grenze.
VEB Töpferhof.
Auswechsel der Wachmannschaften in Richtung: Wachregiment Feliks Dscherschinsky.
Gastgeber:
Kombinatsdirektor Siegfried Gramann (1924 - 1991).
Verstarb 14 Tage vor Untersuchungsausschuss.
Sekretärin Walburg Zitzmann:
Besaß Gramanns Terminkalender 1986 - 89.
Verstarb durch Verkehrsunfall. Danach in Klinik angeblich Hirntumor festgestellt.
RA Manfred Wünsche:
Rechtsanwalt, Devisenexperte (Schalck-Golodkowski)

- Wolfgang Berghofer mit 2 Genossen
- 5 Genossen


Auslangsspione (HVA) mit wahrscheinlichen TH-Kontakten (falls RAF-Stasi-Connection)

Peter Feuchtenberger:
- HVA
- persönlicher Referent von Markus Wolf
- IT-Spionage (für robotron)

Thilo Kretschmer:
- IT-Spionage (für robotron)

Ralf-Peter Devaux:
- Oberst
- Mitarbeiter: Vogel, Geyer, Prosetzky, Lauchert
- politische Aufklärung BRD, Sabotagevorbereitung
- IT-Spionage (für robotron)
- Kontakte nach Röhmhild
- später angeblich USA/CIA


Schweizer "Zwischenfirmen" (falls RAF-Stasi-Connection)

1987: Firma Fuba (Hoesch-Tochter) aus Niedersachsen soll einen DDR-Deal annehmen.
Es geht um 3 Leiterplattenwerke, besonders für robotron. Anfangs genehmigt, dann verboten.
=> INTRAC (Lugano):
- Schweizer Firma, die Technologien vermittelt hat
- Ottokar Hermann


QUELLEN/LITERATUR:

Czaschke, Werner/Clemens Schmidt: Wer erschoss den Treuhandchef?
                     Neue Spuren im Mordfall Rohwedder; 1998
                     (ARD/WDR-Doku)







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen